Entscheidungsdatum: 19.09.2017
I
Der Antragsteller, ein 1980 geborener tunesischer Staatsangehöriger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Anordnung seiner Abschiebung nach Tunesien.
Er reiste erstmals 2003 zu Studienzwecken in das Bundesgebiet ein. Bevor er 2008 ohne Abschluss exmatrikuliert wurde, heiratete er 2005 eine deutsche Staatsangehörige. Die Ehe wurde 2009 geschieden, nachdem die Ehefrau des Antragstellers ihn mehrfach wegen häuslicher Gewalt angezeigt hatte. Im Mai 2008 schlug er seine Ehefrau, zog sie an den Haaren und würgte sie. In seiner Beschuldigtenvernehmung gab der Antragsteller an, dass seine Frau fremdgegangen sei. Da sie dafür in Deutschland nicht bestraft würde, hätte er sie bestrafen müssen. Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte ihn wegen dieser Tat im Jahr 2009 zu einer Geldstrafe. 2010 erhielt der Antragsteller eine Niederlassungserlaubnis. Im April 2013 wurde er von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet. Im Februar 2015 wurde der Antragsteller beim illegalen Grenzübertritt in Griechenland angetroffen und im Juli 2015 unter dem Namen K. Nk. als angeblicher syrischer Flüchtling in Ungarn registriert. Kurz darauf, am 13. August 2015, reiste der Antragsteller unter dem Namen K. Vd. als Flüchtling von Frankreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein. Im August 2015 äußerte er bei der Hessischen Erstaufnahmeeinrichtung in G. ein Asylbegehren, kam jedoch der Aufforderung nicht nach, sich zur formellen Antragstellung in die Erstaufnahmeeinrichtung nach C. zu begeben. Am 15. August 2016 wurde er mit auf den Namen K. Fk. ausgestellten Dokumenten in F. aufgrund eines Auslieferungsersuchens der tunesischen Strafverfolgungsbehörde festgenommen. Die Auslieferungshaft wurde am 24. August 2016 angeordnet. Dem Antragsteller wurde vorgeworfen, in Tunesien an der Planung und Umsetzung von terroristischen Anschlägen beteiligt gewesen zu sein (Beteiligung an dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis am 18. März 2015 sowie einem Angriff auf die tunesische Stadt Ben Guerdane). Am 4. November 2016 wurde der Antragsteller aus der Auslieferungshaft entlassen, da die tunesischen Behörden nicht fristgerecht die vollständigen und dem deutsch-tunesischen Auslieferungsvertrag entsprechenden Unterlagen übersandt hatten. Erst im April 2017 erfolgte eine weitere Konkretisierung des Auslieferungsersuchens der Tunesischen Republik. Es wurde u.a. dargelegt, dass sich der Antragsteller dem IS-Terrornetzwerk in Syrien angeschlossen habe. Nach zwischenzeitlichen Ermittlungen der deutschen Sicherheitsbehörden wurde der Antragsteller am 1. Februar 2017 im Rahmen einer Antiterrorrazzia u.a. wegen Verdachts der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung im Ausland in Untersuchungshaft genommen (Haftbefehl des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 26. Januar 2017). Mit Bescheid vom 9. März 2017 wies die Stadt F. den Antragsteller - gestützt auf § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1 Ziff. 2 AufenthG - aus der Bundesrepublik Deutschland aus und drohte ihm die Abschiebung nach Tunesien an. Einen hiergegen gerichteten Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 5. April 2017 ab; die hiergegen gerichtete Beschwerde wurde als unzulässig verworfen. Zeitgleich mit dem Eilrechtsschutzantrag gegen die Ausweisungsverfügung stellte der Antragsteller, als er sich bereits zur Abschiebung am Flughafen befand, über seine Prozessbevollmächtigte einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 24. März 2017 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge den Antrag als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Den hiergegen gerichteten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz lehnte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main mit Beschluss vom 5. April 2017 mit der Maßgabe ab, dass die tunesische Regierung näher benannte Zusicherungen abgibt. In einer Verbalnote vom 11. Juli 2017 versicherte das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der Tunesischen Republik u.a., dass sich die tunesischen Behörden im Rahmen ihrer Verbundenheit mit den demokratischen Werten zur Wahrung der in der neuen tunesischen Verfassung festgeschriebenen Menschenrechte und Grundfreiheiten verpflichten, und betonte, dass Tunesien - auch wenn im tunesischen Strafgesetzbuch die Todesstrafe vorgesehen sei - ein Moratorium einhalte. Auf einen weiteren Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes hin hat das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die für die Abschiebung zuständige Ausländerbehörde auf der Basis der Verbalnote der tunesischen Regierung vom 11. Juli 2017 über das Vorliegen einer vollziehbaren Abschiebungsandrohung zu unterrichten und dadurch die Abschiebung des Antragstellers einzuleiten. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 5. April 2017 festgelegte Bedingung Nr. 1 (Zusicherung, dass die Todesstrafe nicht verhängt wird) durch die Verbalnote nicht erfüllt werde; Zweifel bestünden darüber hinaus, ob die Bedingung Nr. 3 (Besuchsrecht der konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland) als erfüllt angesehen werden könne.
Mit Verfügung vom 1. August 2017 ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport - gestützt auf § 58a AufenthG - nach vorheriger Anhörung die Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien an. Es begründete seine Entscheidung damit, dass dem Bundesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse vorlägen, wonach der Antragsteller in terroristische Aktivitäten des "Islamischen Staates" (IS) involviert sei. Im Jahre 2014 habe er die Reihen des "IS" in Syrien verlassen und sich anschließend in Deutschland aufgehalten. Während seines Aufenthalts in Deutschland sei er für den "IS" als Schleuser und Anwerber tätig gewesen. Vertrauenspersonen des Hessischen Landeskriminalamtes (HLKA) hätten ausgesagt, dass der Antragsteller und Personen seines Umfeldes terroristische Anschläge in Tunesien und in Deutschland planten. Der Antragsteller sei ein Rekrutierer und/oder Organisator für den "IS", der Personen zu einem Terroranschlag bewegen könne, und habe für die Anschlagsdurchführung nur noch auf die Rückkehr von sogenannten Jihadisten aus Syrien gewartet. Ferner sei der Antragsteller aktives Mitglied des "IS" im Bereich einer Medien- und Cybereinheit und unterstütze diese durch die Aufbereitung, Herstellung und Verbreitung unterschiedlichsten Propagandamaterials. Aufgrund des Verhaltens des Antragstellers und der sich daraus ergebenden besonderen Gefährdungslage für die Bundesrepublik Deutschland überwiege bei der Ermessensentscheidung das Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Antragstellers. Aufgrund der umfassenden Zusicherungen in der Verbalnote des Außenministeriums der Republik Tunesien vom 11. Juli 2017 bestehe nicht die Gefahr einer EMRK-widrigen Behandlung des Antragstellers im Falle seiner Abschiebung, so dass das Vorliegen von Abschiebungsverboten zu verneinen sei. Die Abschiebung sei auch nicht schon deshalb unzulässig, weil dem Antragsteller in Tunesien die Todesstrafe drohe. Tunesien habe zugesichert, ein Todesstrafenmoratorium zu beachten. Nach § 8 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) dürfe eine Auslieferung wie auch eine Abschiebung erfolgen, wenn der Aufnahmestaat zusichert, dass die Todesstrafe im konkreten Fall nicht verhängt oder vollstreckt werde.
Der Bundesgerichtshof hob mit Beschluss vom 17. August 2017 den Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 24. Januar 2017 auf. Das Amtsgericht Frankfurt am Main ordnete mit Beschluss vom 18. August 2017 Sicherungshaft bis einschließlich 23. Oktober 2017 an.
Am 5. August 2017 hat der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Er macht geltend, dass er zu keinem Zeitpunkt Anschläge im In- und Ausland geplant habe und auch nicht als Schleuser und Anwerber für den "IS" tätig gewesen sei. Die angefochtene Verfügung beruhe auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage. Soweit sich der Antragsgegner auf die Aussage eines Zeugen namens Gc. berufe, sei darauf hinzuweisen, dass er - der Antragsteller - diese Person nicht kenne und auch nie versucht habe, sich über diese Zugang zur ...bank zu verschaffen. Auch der Zeuge habe angegeben, ihn nicht zu kennen. Er habe auch nicht in einem Propagandavideo des "IS" mitgewirkt, wie in der angefochtenen Verfügung angenommen werde. Der Antragsgegner lasse außer Acht, dass der in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht zur Gesichtsmorphologie vom 16. Juni 2017 zu dem Ergebnis komme, dass es sich bei den männlichen Personen auf den betreffenden Aufnahmen nur "wahrscheinlich" um ein- und dieselbe Person handele, und daher auch eine andere Person, die dem Antragsteller ähnlich sehe, in Betracht komme. Auch das Stimmenvergleichsgutachten vom 6. Juli 2017 nehme eine nur "überwiegend bis hohe Wahrscheinlichkeit" an, dass es sich bei der Stimme auf dem Video um die Stimme des Antragstellers handele. Soweit der Antragsgegner auf das auf seinem Smartphone festgestellte Bildmaterial Bezug nehme, sei unzutreffend, dass es sich überhaupt um Propagandamaterial handele. Allein das Vorhandensein von sogenannten Apps (u.a. Telegram, WhatsApp, Facebook, Twitter, VPN-Clients, Security App) belege nicht, dass er es darauf abgesehen habe, sich im Internet anonym zu bewegen. Es sei auch unzutreffend, dass er Kontakte zur sogenannten "Sauerlandgruppe" und zu Personen, die nach Syrien oder in den Irak ausreisen wollten, gehabt habe. Zudem sei ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben. Aus Art. 1 und 5 des Zusatzprotokolls Nr. 13 zur EMRK ergebe sich, dass seine Abschiebung nach Tunesien nur zulässig sei, wenn sichergestellt sei, dass ihm in Tunesien nicht die Todesstrafe drohe. Gegenwärtig würden gegen ihn in Tunesien strafrechtliche Vorwürfe erhoben, die nach dem tunesischen Terrorismus- und Geldwäschebekämpfungsgesetz die Todesstrafe rechtfertigten. Es stelle keinen ausreichenden Schutz dar, dass seit 1991 in Tunesien die Todesstrafe nicht mehr vollstreckt werde. Denn Art. 1 Satz 2 des Protokolls Nr. 13 zur EMRK sehe vor, dass die Todesstrafe nicht nur nicht vollstreckt, sondern auch nicht verhängt werden dürfe. Ferner drohe ihm die konkrete Gefahr, der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigen Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Schließlich sei auch das Recht auf Durchführung eines fairen, rechtsstaatlichen Verfahrens (Art. 2 Abs. 2 GG und Art. 6 EMRK) verletzt. Denn der Generalstaatsanwalt von F. habe bei einer Pressekonferenz im Juli 2017 erklärt, dass - unabhängig von dem Begehren Tunesiens - die Staatsanwaltschaft alles tun werde, dass er - der Antragsteller - in Haft bleibe und ihm die zur Last gelegten Taten nachgewiesen werden können. Zudem habe die Haftrichterin in ihrem Beschluss vom 18. August 2017 trotz diesbezüglich fehlender Prüfungskompetenz entschieden, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen.
Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Entscheidung. Der Senat hat eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in Tunesien erstellt und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.
II
Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Antragsgegners vom 1. August 2017 anzuordnen, ist zulässig (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), auch ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Der Antrag ist aber unbegründet. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Klageverfahrens in Deutschland zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung, überwiegt das öffentliche Interesse. An der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsanordnung bestehen keine ernstlichen Zweifel (1.). Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, die einer Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien entgegenstehen könnten, liegen bei Beachtung der sich aus dem Tenor ergebenden Maßgabe nicht vor (2.).
1. Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - juris).
Die Abschiebungsanordnung ist bei der hier gebotenen umfassenden Prüfung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 13) nicht zu beanstanden.
a) Die Verfügung ist formell rechtmäßig, insbesondere ist der Antragsteller vor Erlass der Verfügung hinreichend angehört worden. Ausweislich der Behördenakten (Bl. 913 ff.) ist der Antragsteller vor Erlass der Abschiebungsanordnung mit Schreiben des Antragsgegners vom 27. Juli 2017, der Prozessbevollmächtigten des Antragstellers am 28. Juli 2017 zugegangen, angehört worden. Der Antragsteller rügt insoweit, dass die in dem Schreiben gesetzte Äußerungsfrist bis zum 31. Juli 2017 unangemessen kurz gewesen sei, zumal die Frist ein Wochenende umfasst habe und seiner Prozessbevollmächtigten keine vollumfängliche Akteneinsicht gewährt worden sei. Auf einen von seiner Prozessbevollmächtigten gestellten Fristverlängerungsantrag um zehn Tage sei die Stellungnahmefrist lediglich bis zum 1. August 2017 (6.00 Uhr morgens) verlängert worden. Dies habe der Anhörungspflicht nicht genügt, da seine Prozessbevollmächtigte aufgrund eines anderweitigen Gerichtstermins keine Gelegenheit gehabt habe, mit ihm die Angelegenheit zu erörtern.
§ 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor noch verbietet er eine solche, so dass § 28 HessVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 HessVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen (Nr. 5) oder wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1). Aufgrund der Inhaftierung des Antragstellers war eine Anhörung vorliegend ohne Gefährdung der mit der Abschiebungsanordnung verfolgten Zwecke möglich und ist mit dem Schreiben des Antragsgegners vom 27. Juli 2017 auch in hinreichender Weise erfolgt. Die Äußerungsfrist von nur wenigen Tagen ist vor dem Hintergrund der in Fällen des § 58a AufenthG vom Gesetzgeber gewollten Beschleunigung nicht als unangemessen kurz anzusehen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers war auch die Gewährung einer vollumfänglichen Akteneinsicht vor Erlass der Abschiebungsanordnung nicht geboten. Die Anhörungspflicht bezieht sich auf die "für die Entscheidung erheblichen Tatsachen" (§ 28 Abs. 1 HessVwVfG), zu denen auch die Ermittlungsergebnisse zählen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 18. Aufl. 2017, § 28 Rn. 29). Die für die Entscheidung erheblichen Tatsachen und Ermittlungsergebnisse sind dem Antragsteller indes mit Schreiben vom 27. Juli 2017 mitgeteilt worden. Eine Überprüfungsmöglichkeit der von der Behörde der Entscheidung zugrunde gelegten Tatsachen anhand der vollständigen Originalakten ist nicht notwendiger Bestandteil des Anhörungsrechts vor Erlass einer Abschiebungsanordnung, sondern kann dem weiteren Rechtsschutzverfahren vorbehalten bleiben.
b) Die Verfügung ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsanordnung ist gegenüber der Ausweisung nach den §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr.
aa) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120> = juris Rn. 17). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 17).
Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind.
Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit (Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 11; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 27; Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 7; a.A. Erbslöh, NVwZ 2007, 155 <160>, wonach eine Abschiebungsanordnung nur in Fällen außergewöhnlich hoher Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, mit dem in naher Zukunft zu rechnen ist, in Betracht kommt). In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen (Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 7). Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt (s.a. Eckertz-Höfer, in: Barwig u.a.
Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 18).
Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten (Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 14 f.; a.A. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, AuslR, § 58a AufenthG Rn. 28; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 18), bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 19).
Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 20, unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 112 f.). Allerdings ist in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen, dass diese Person terroristische Straftaten begeht.
Für diese "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen (Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 15; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 8; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 31). Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik umschlagen kann.
Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht.
Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative oder ein Beurteilungsspielraum zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG); ihr Handeln unterliegt nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle (Hailbronner, AuslR, Stand: Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 17; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand: Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 12; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 37 ff.). Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 22; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 42).
bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass von dem Antragsteller derzeit aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG ausgeht.
Angesichts der von den Sicherheitsbehörden gesammelten, umfangreichen Erkenntnisse hält es der Senat für hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Terroranschlag in Deutschland begeht. Im Rahmen einer Auswertung von Propaganda-Material des "IS" wurde durch das Bundeskriminalamt (BKA) ein Video mit dem Titel "Öffentliche Videovorführung der Verbrennung eines jordanischen Piloten durch den Islamischen Staat in der Provinz Q." aufgefunden. Der Senat geht davon aus, dass es sich bei der Person, die sich in dem Video propagandistisch zugunsten des "IS" äußert, um den Antragsteller handelt. Das Video wurde am 8. Februar 2015 auf einem Twitter-Kanal verlinkt. Nach den Erkenntnissen des BKA (Bl. 568 BA) wurde es bereits am 7. Februar 2015 unter "archive.org" erstmalig hochgeladen. Auf dem Video ist eine Personengruppe zu sehen, die sich auf einem Fernseher die Verbrennung eines jordanischen Piloten ansieht. Hierzu werden einzelne Personen interviewt, u.a. eine Person, bei der es sich nach der Überzeugung des Senats um den Antragsteller handelt. Die Person äußert sich auf Hocharabisch wie folgt (Bl. 580 BA): "Von einem x-beliebigen Ort die Häuser der Muslime und den islamischen Staat anzugreifen ... Er hätte primär Juden und Christen bombardieren müssen, die die Ehre der Muslime verletzt haben. Sie haben Muslime getötet und vertrieben und haben dies und jenes getan ... aber subhanallah (Gott ist überall erhaben)". Im Hintergrund ist ein Schild zu sehen, auf dem die Logos diverser "IS"-Propagandastellen abgebildet sind. Der islamwissenschaftlichen Stellungnahme vom 22. Juli 2017 zufolge ist davon auszugehen, dass das Video in einem vom "IS" kontrollierten Gebiet entstanden ist. Da im Video ab Minute 4:54 der Text "Medienstelle der Provinz Q." eingeblendet wird und darüber hinaus die befragten Personen im Video (mit Ausnahme des Sprechers, der hocharabisch spricht) laut Angaben des Dolmetschers (Bl. 585 ff. BA) mit einem irakischen Dialekt sprechen, geht der Senat davon aus, dass die Video-Datei in der Provinz Q. (Nordirak) aufgenommen wurde, die seit Sommer 2014 fast vollständig unter der Herrschaft des "IS" stand. Nach der islamwissenschaftlichen Stellungnahme handelt es sich eindeutig um ein Propagandavideo des "IS". Im Zuge eines gesichtsmorphologischen Lichtbildvergleichs wurde vom Kriminalwissenschaftlichen und -technischen Institut des HLKA ein Untersuchungsbericht vom 16. Juni 2017 erstellt, wonach es als "wahrscheinlich" anzusehen ist, dass es sich bei der auf dem Video zu sehenden Person um den Antragsteller handelt (Bl. 609, 616 BA). Ein Stimmenvergleichsgutachten vom 6. Juli 2017 (Bl. 641, 653 f. BA) gelangte zu dem Ergebnis, es bestehe "eine überwiegende bis hohe Wahrscheinlichkeit", dass der Sprecher auf dem Video mit dem Vergleichssprecher (= Antragsteller) identisch ist. Die Reisebewegungen des Antragstellers, soweit diese bekannt sind, sprechen ebenfalls für die Annahme, dass der Antragsteller an dem "IS"-Propagandavideo mitgewirkt hat. Denn als Aufnahmedatum ist spätestens der 7. Februar 2015 festzustellen. Da der Antragsteller am 10. Februar 2015 durch griechische Behörden in R. festgestellt wurde (Bl. 569 BA), ist eine Reise aus der irakischen Provinz Q. in das türkisch-griechische Grenzgebiet nahe R. gut möglich gewesen. Der Antragsteller bestreitet zwar pauschal, dass er an dem Video mitgewirkt habe. Er widerlegt die Darlegung des Antragsgegners indes nicht mit näheren Angaben zu seinem Aufenthaltsort während des Zeitpunkts der Aufnahme des Videos.
Auch die Auswertung des Mobiltelefons des Antragstellers rechtfertigt den Schluss, dass sich der Antragsteller in erheblichem Maße mit dem "IS" identifiziert und dessen Gewaltbereitschaft auch selbst verinnerlicht hat. Es wurde eine Vielzahl von Bilddateien und Nachrichtentexten des "IS" festgestellt (Bl. 504 ff., 520 ff., 754 BA), die auf offiziellen Medienportalen des "IS" ("Aamaq", "Islamicstate Wilayat Tigries", "Islamicstate Wilayat Khurasan") veröffentlicht werden. (Der "IS" bekannte sich in der Vergangenheit über derartige Medienportale zu Terroranschlägen auf der ganzen Welt.) Weiterhin wurden zahlreiche Bilddateien sichergestellt, die im Zusammenhang mit der Ermordung von Gefangenen des "IS" stehen bzw. die unmittelbare Ermordung in aller Grausamkeit darstellen. Es werden extreme Gewaltdarstellungen präsentiert, die Detailaufnahmen gerade explodierender Schädel durch Projektileinschlag sowie die Nahaufnahme eines offenen Schädels mit hervorgequollenen Augen zeigen (Bl. 510 ff., 520 f. BA). Weiterhin wurden auf dem Mobiltelefon des Antragstellers Bildcollagen sichergestellt, auf denen Attentäter des "IS" als Märtyrer verherrlicht werden. Hierunter fallen Einzel- und Gruppenbilder von zum Teil bewaffneten Personen, die sich durch das Posieren mit bzw. vor der "IS"-Flagge offen zum "IS" bekennen. In einem Fall wird ein Kleinkind mit "IS"-Stirnband gezeigt. Bei der Auswertung wurde festgestellt, dass Einzelbilder aus diesen Collagen ebenfalls auf dem Telefon gespeichert waren und dass die Collagen mittels dieser Einzelbilder hergestellt worden waren. Die Collagen waren zum Teil mit dem kreisförmigen Logo des "IS" mit arabischer Schrift ("Wir sind die Unterstützer des Islamischen Staats" oder "Begleiter der Kalifat Märtyrer") versehen. Auch sind zahlreiche Bilddateien aufgefunden worden, die mit Hilfe von Bildbearbeitungsprogrammen zusammengeschnitten wurden, mit Bildeffekten versehen waren und die im Zusammenhang mit der Gestaltung von Internetseiten stehen. Diese Bilder waren beschriftet und enthielten Informationen zu Downloadlinks und/oder Logos und Namen von Medienportalen des "IS". Ein festgestelltes Bild illustriert die Sektionen des "IS" ("Ghost Caliphate Section", "Sons Caliphate Army", "Caliphate Cyber Army", "Kalachnikv E-security team"), bei denen es sich um Einheiten des "IS" handelt, die sich auf dessen Aktivitäten im Bereich der Informationstechnologie spezialisiert haben (Bl. 508 BA). Es wurden ferner diverse Logos von Medienstellen des "IS" gefunden, u.a. "Dabiq", "Die heimliche Unterstützung der Ansar", "Baqia", die üblicherweise zur Gestaltung von Internetseiten verwendet werden und oftmals der Kennzeichnung von Texten und Veröffentlichungen in jihadistischen Kommunikationskanälen dienen. Es wurde somit eine Vielzahl (über 900) Bilddateien mit einem direkten "IS"-Bezug festgestellt.
Die große Anzahl an "IS"-Veröffentlichungen im Speicher des Mobiltelefons des Antragstellers und die festgestellten Logos und Internetbanner, die zum Gestalten von jihadistischen Internetseiten verwendet werden, lässt darauf schließen, dass der Antragsteller nicht nur Konsument dieser Nachrichten ist, sondern diese aus Gründen der Verbreitung und Weiterleitung auf diverse jihadistische Medienportale und -kanäle bereithielt. Zudem wurden bei der Auswertung des Mobiltelefons des Antragstellers Telegram-Chatprotokolle gesichert (Bl. 527 ff. BA), die überwiegend nicht die Kommunikation zwischen zwei Personen abbilden, sondern sich zumeist an mehrere Personen oder einen bestimmten Empfängerkreis richten (Bl. 542 BA). Hierbei wurde ermittelt, dass der Antragsteller mittels Telegram-Chat "Grundsätze des Islamischen Staats" an vier Personen übersandte und mit den Worten "Das ist unser Weg, das ist unser Glaube" kommentierte (vgl. Vermerk des HLKA vom 24. August 2017, Gerichtsakte 1 A 8.17, Bl. 423 ff.). Der Text lautet auszugsweise: "Die Kampagne zum Kampf gegen die Abtrünnigen, Recht und Tatsachen: Wiederveröffentlichung von Tatsachen Historie zur Entstehung der 'Khilafa' heute. Die Grundordnung und Prinzipien des Islamischen Staates: [...] 19 Der Islamische Staat spricht von 'Kufr' (Unglaube) in der Aktion eines Zauberers sowie die Notwendigkeit ihn zu töten und ihm keine Reue abzunehmen sobald man ihm habhaft wird ...". In einer diesbezüglichen islamwissenschaftlichen Stellungnahme vom 26. Juni 2017 wird ausgeführt, dass der Telegram-Eintrag die ideologischen Grundlagen des "IS" wiedergibt. So werde bekräftigt, dass Demokratie abgelehnt werde und alle (muslimischen) Staaten, welche für unislamische Systeme kämpfen als Ungläubige bzw. vom Islam abgefallen betrachtet werden. Die Worte des Antragstellers "Das ist unser Weg" (im Sinne von Credo/Dogma) sei als dessen Bekräftigung zu verstehen, dass er sich den geposteten "IS"-Doktrinen verpflichtet fühlt (Bl. 559 BA).
Auch der Umstand, dass der Antragsteller den "IS" in Form der Weiterverbreitung von "IS"-Propagandamaterial aktiv unterstützt, belegt seine hohe Identifizierung mit dem "IS" und dessen militanter, gewaltbereiter Auslegung des Islam. Zudem wurden in dem Mobiltelefon des Antragstellers verschiedene Telegram-Chatverläufe aufgefunden, die Aufrufe zu gewalttätigen Aktionen gegen sogenannte Ungläubige enthalten: "... wir kommen in Kürze zurück um die Affen und Schweine Enkel zu zertreten ... und die sündigen Al Suloulyeen und Aufständigen, die unsere Ehre verschmutzen" (Chatverlauf 4, Bl. 530 BA) und "Ausgabe der Al Walaa und Al Baraa Agentur: der gestrige Selbstmordanschlag in einem Restaurant im deutschen Anspach wurde durch einen Kämpfer des Islamischen Staates, auf Anordnung des Sheiks Al Adnani ausgeführt, der auf die Verbündeten der Kreuzzügler, die den Islamischen Staat bekämpfen zielte." (Chatverlauf 5, Bl. 530 BA; Al Adnani war ranghohes Gründungsmitglied des "IS". Er galt als Chef des "IS"-Geheimdienstes, Sprecher und Leiter der Propaganda. Bis zu seinem Tod im August 2016 galt er als Anwärter auf die Nachfolge des Anführers des "IS" al-Baghdadi.), ferner: "Im Namen des barmherzigen Gottes: Wir veröffentlichen ein paar Pläne über das gesegnete Attentat in Belgien. Vergesst eure Beteiligung bzw. Unterstützung gegen die Ungläubigen nicht" (Chatverlauf 21, Bl. 538 BA), "Mit Erlaubnis Gottes wird die nächste Aktion stärker sein als sonst" (Chatverlauf 22, Bl. 538 BA).
Auf dem Mobiltelefon des Antragstellers wurden u.a. eine Vielzahl von Anonymisierungs-Applikationen (Apps) festgestellt, die weit über das normale Maß hinausgehen und die es ermöglichen, sich anonym im Internet zu bewegen und Datenströme zu codieren bzw. zu anonymisieren. Es handelt sich um Programme wie VPN-Clients, IMEI-Changer, Security-Apps zum Fernlöschen des Gerätespeichers und Programme, um öffentliche WLAN-Netzwerke zu finden und von diesen aus anonymisierte Dateien zu versenden (Bl. 319, 525 ff. BA). Außerdem wurde ein IMEI-Changer festgestellt, der es ermöglicht, die IMEI eines Mobiltelefons zu ändern. Die Vielzahl dieser Art Apps lässt darauf schließen, dass es dem Antragsteller darum ging, sich mit maximaler Anonymität im Internet zu bewegen und seine Aktivitäten für den "IS" zu verschleiern.
Das von den Sicherheitsbehörden festgestellte und mit großem Aufwand betriebene, ausgeprägt konspirative Verhalten des Antragstellers ist ein weiterer Beleg dafür, dass der Antragsteller zielgerichtet seine radikal-islamische Betätigung für den "IS" verschleiern wollte. Nach den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden verhielten sich der Antragsteller und seine Kontaktpersonen deutlich professioneller und konspirativer als der Großteil der der islamistischen Szene angehörenden Personen. Innerhalb der radikal-islamischen Gruppe, der der Antragsteller angehört, wurden die Identitäten und Personalpapiere getauscht. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass der sich bei seiner Festnahme am 15. August 2016 nicht mit den Papieren des K. Fk. ausgewiesen habe, sondern dessen Führerschein lediglich mit sich geführt habe, weil er in dessen Auftrag den Briefkasten geleert und den Führerschein dort gefunden habe, ist dies nicht glaubwürdig. Abgesehen davon, dass bereits nicht dargelegt wurde, wie und warum der Führerschein in den Briefkasten gelangt sein soll, haben die Ermittlungsbehörden festgestellt, dass der Antragsteller auch bei seiner Festnahme im Februar 2017 die Dokumente des K. Fk. mit sich führte. Darüber hinaus ergaben Kontrollen, dass der Pass des Antragstellers von anderen Personen genutzt wurde, um sich auszuweisen (vgl. Vermerk des HLKA vom 24. August 2017, Gerichtsakte 1 A 8.17, Bl. 423, 426). Auch verfügte der Antragsteller nicht über einen festen Wohnsitz und wechselte die Übernachtungsmöglichkeiten sowie die von ihm genutzten Kraftfahrzeuge und Mobiltelefone (vgl. Bl. 197, 812, 821 BA). Während der Observierung versuchte er die eingesetzten Polizeikräfte abzuschütteln. Der Antragsteller war sich offenbar der polizeilichen Observation bewusst und äußerte in einem Telefonat im November 2016, dass man bei ihm keine Beweise finden konnte und er "sauber" sei (Bl. 358 BA). Auch wurde in dem Gespräch darauf verwiesen, dass man sich besser über den Messengerdienst WhatsApp unterhalten solle (Bl. 359 BA). Der Antragsteller war nach eigenen Angaben nie erwerbstätig, sicherte seinen Lebensunterhalt aber auch nicht mit Hilfe von Sozialleistungen. Telekommunikation betrieb er über mehrere Mobiltelefone, zum Teil mit unterschiedlichen SIM-Karten, die auf andere Personen registriert waren (Bl. 41 f. BA). Dabei benutzte er eine Vielzahl von Verschlüsselungs- und Anonymisierungsprogrammen, um sowohl den Inhalt der Gespräche als auch seinen Standort zu verschleiern.
Insbesondere nach seiner Entlassung aus der Auslieferungshaft am 4. November 2016 unterhielt der Antragsteller umfangreiche Kontakte zu einer Vielzahl von Personen, die der islamistischen Szene zuzurechnen sind (vgl. Bl. 188 ff. BA). Hierbei wurde festgestellt, dass Mitglieder der islamistischen Gruppe von dem Antragsteller Weisungen entgegennahmen (Bl. 662 BA). So hat zum Beispiel D. Db. auf die telefonische Weisung des Antragstellers einen Internetanschluss in seiner Wohnung einrichten lassen (Bl. 367 f. BA). Nach den Feststellungen des Hessischen Landeskriminalamts (HLKA) unterstützt sich dieser Personenkreis gegenseitig in Form wechselnder Nutzung von Identitäten, Fahrzeugen und Übernachtungsmöglichkeiten (Bl. 189 BA). Auch bereits vor seiner Ausreise aus Deutschland unterhielt der Antragsteller Kontakte zu Personen aus der islamistischen Szene, u.a. auch zu Personen, gegen die wegen staatsschutzgefährdender Aktivitäten strafrechtliche Ermittlungsverfahren durchgeführt wurden. So gehörte er einer Fußballgruppe an, die durch D. Wr. geleitet wurde (Bl. 331 ff. BA), der im Verdacht stand, die Teilnehmer mit islamistischem Gedankengut zu indoktrinieren. Ein anderer Teilnehmer dieser Gruppe, W. Wh., reiste im Mai 2013 nach Syrien bzw. in den Irak aus und schloss sich dem "IS" an. Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden kam er dort bei einem Selbstmordattentat im Auftrag des "IS" ums Leben (Bl. 333 BA). Auch wurde im Rahmen der Auswertung des Mobiltelefons des Antragstellers nach seiner Festnahme am 15. August 2016 eine türkische Rufnummer festgestellt, die nach den Feststellungen des HLKA (Bl. 304 f. BA) Schleusern zuzurechnen ist, die Personen, welche sich dem "IS" anschließen wollen, über die Türkei nach Syrien ins Kampfgebiet bringen. Eine weitere enge Kontaktperson des Antragstellers ist W. Gm. Anlässlich einer Verkehrskontrolle im August 2011 gab W. Gm. an, nach der Scharia zu leben und zuvor eine Veranstaltung von S. Yr. in F. besucht zu haben (Bl. 336 BA). Von einer weiteren engen Kontaktperson des Antragstellers, N. Cj., ist bekannt, dass dieser wiederum zu D. Ur. Kontakt hatte (Bl. 339 BA) (, der im Zusammenhang mit der zwischenzeitlich verbotenen Vereinigung DawaFFM steht). Nach seiner Haftentlassung am 4. November 2016 übernachtete der Antragsteller bei P. Nr. Nach polizeilichen Erkenntnissen (Bl. 364 f. BA) erwarb dieser am 14. Dezember 2016 eine Slush-Eis-Maschine sowie verschiedene Gegenstände des alltäglichen Gebrauchs (u.a. Haarblondierungsmittel, Poolreiniger, Schimmel- und Nagellackentferner), die für die Herstellung von Sprengstoff z.B. TATP Verwendung finden können (TATP fand man auch bei dem getöteten Imam H. Vd., der der geistige Anstifter der Attentäter von Barcelona war. Der Sprengstoff wurde in der Vergangenheit vom "IS" häufig verwendet; die sogenannten Jihadisten nennen ihn "Mutter des Satans", vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 21. August 2017 S. 3). Nach den polizeilichen Erkenntnissen besuchte der Antragsteller nach seiner Haftentlassung häufig die ...-Moschee in F. Am 10. Dezember 2016 verließ er die Moschee gemeinsam mit L. Pd., der über umfangreiche Kontakte in die salafistische Szene des Rhein-Main-Gebiets verfügt und gegen den wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat gemäß § 89a StGB ermittelt worden war (Bl. 361 f. BA).
Dass der Antragsteller in terroristische Aktivitäten des "IS" involviert ist, wird ferner durch die Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz bestätigt, wonach der Antragsteller im Jahr 2014 die Reihen des "IS" in Syrien in Richtung Deutschland verließ und hier für den "IS" als Schleuser und Rekrutierer tätig war (Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz vom 22. August 2016, Bl. 392 BA). In dem Behördenzeugnis des Bundesamts für Verfassungsschutz werden ferner acht Personen (überwiegend tunesischer Herkunft) als Kontaktpersonen des Antragstellers benannt. Nach der Festnahme des Antragstellers am 15. August 2016 und sich anschließenden Ermittlungen der Sicherheitsbehörden wurde festgestellt, dass die Kontaktpersonen des Antragstellers überwiegend mit den in dem Behördenzeugnis genannten Kontaktpersonen übereinstimmen. Die Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz werden wiederum durch Aussagen von Vertrauenspersonen der Polizei bestätigt, wonach der Antragsteller und seine Kontaktpersonen Anschläge in Tunesien planen. Der Antragsteller hätte Kontakt zu Personen in Tunesien, die dem "IS" angehörten. Auch in Deutschland plane der Antragsteller einen Anschlag. Hierfür solle der Antragsteller auf die Rückkehr von sogenannten Jihadisten aus Syrien, die sich an dem Anschlag beteiligen sollen, gewartet haben. Ein genaues Anschlagsziel sei ihr - der Vertrauensperson - nicht bekannt; es sei aber auffällig oft über Themen im Zusammenhang mit einem Weihnachtsmarkt gesprochen worden (Vernehmung der Vertrauensperson vom 10. Oktober 2016, Bl. 394 f. BA). Die Vertrauensperson der Polizei hat ferner angegeben, ihr sei bekannt, dass der Antragsteller schon lange Islamist sei und er dem "IS" schon Personen in Tunesien verraten habe, als diese Urlaub in ihrer Heimat machten. Er halte den Antragsteller für gefährlich, weshalb er seine Identität nicht preisgeben könne. Der Antragsteller kenne auch Herrn Nl. gut (P. Nl. wurde im Mai 2017 durch das Landgericht Frankfurt am Main zu drei Jahren Haft wegen Beteiligung am sogenannten Dschihad verurteilt).
Die Aussagen der Vertrauenspersonen wiederum werden bestätigt durch die Bekundungen des K. Fk. Dieser hat am 1. Februar 2017 (Bl. 486 f. BA) in einer Beschuldigtenvernehmung angegeben, dass er in der ...-Moschee in F. von anderen Personen erfahren habe, dass der Antragsteller "in Machenschaften des 'IS' in Tunesien verwickelt sei". Er wisse auch von dem Antragsteller persönlich, dass er Beziehungen zum "IS" habe. Er habe gehört, dass auch der Imam der ...-Moschee die angebliche Mitgliedschaft des Antragstellers im "IS" nicht gutgeheißen habe. Der Zeuge Nd. gab in seiner Vernehmung vom 31. Januar 2017 (Bl. 497 f. BA) an, dass der Antragsteller mehrfach bei ihm übernachtet habe und ihm aufgefallen sei, dass er sich sehr "komisch" verhalten und auf der Straße immer wieder nach hinten geschaut habe. Am letzten Tag, als der Antragsteller bei ihm übernachtet habe, habe dieser ihn aufgefordert, noch eine Runde mit dem Auto um den Block zu fahren, bevor er seine Wohnung betrete. Auch im Übrigen hätten sich der Antragsteller und seine Kontaktleute sehr konspirativ verhalten. Eine Person namens N. habe ihm geraten, sich von der Gruppe des Antragstellers fernzuhalten, da sie "ihm nur Probleme und Kopfschmerzen" bereiten würde. Wenn es wahr sei, was man über den Antragsteller erzähle, dann sei er für ihn ein Tier; er schäme sich, ihn kennengelernt zu haben. Auch wenn dieser Zeuge nicht direkt die Beziehung des Antragstellers zum "IS" bestätigt hat, so ergeben sich nach seiner Aussage doch Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller unmittelbar in Aktivitäten des "IS" verwickelt ist.
Die Erkenntnisse des Bundesamts für Verfassungsschutz, wonach der Antragsteller in Deutschland für den "IS" als Schleuser und Rekrutierer tätig war (Bl. 392 BA), werden durch weitere Ermittlungen der Sicherheitsbehörden untermauert. Im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmen wurde bei einer Kontaktperson des Antragstellers, W. Gm., ein Laptop aufgefunden, der von mehreren Personen genutzt wurde. Bei den registrierten Skype-Accounts auf diesem Laptop namens "X" und "Y" wurde festgestellt, dass diese dem Antragsteller zuzuordnen sind (Bl. 684 ff., 720 BA). Die Auswertung der gespeicherten Chatprotokolle (Bl. 684 ff., 704, 709, 712, 714 ff. BA) belegt, dass der Antragsteller maßgeblich an der Planung und Organisation illegaler Einschleusungen von Personen aus dem nichteuropäischen Ausland in die Europäische Union und einer damit verbundenen Beschaffung und Erstellung gefälschter Dokumente beteiligt war. Mit einem namentlich nicht bekannten Gesprächspartner ("Z") erörterte er 2016 u.a., wie Iraker oder Syrer auf dem Landweg (über die Ukraine, Ungarn und Serbien) in die Europäische Union eingeschleust werden können. Der Gesprächspartner des Antragstellers gab zu erkennen, dass er gefälschte Personaldokumente (z.B. französische, italienische, auch biometrische Ausweise) besorgen könne (Bl. 709 BA). Auch die auf dem Laptop festgestellten eingescannten Reisepässe und Ausweisdokumente belegen diese Schleusertätigkeit.
Bei der Observierung des Antragstellers und der Telekommunikationsüberwachung wurde festgestellt, dass der Antragsteller über umfangreiche Kontakte in die islamistische Szene verfügt. Nach den Ermittlungen des BKA (Bl. 858, 865 BA) wurden unter den bei dem Antragsteller gefundenen Rufnummern auch diejenige des Q. Kd. festgestellt, zu dem die belgischen Behörden im August 2016 mitgeteilt hatten, dass er wegen Verdachts der Beteiligung an den Anschlägen in Paris festgenommen worden sei. Auch der als Drahtzieher der Paris-Attentate bekannte Z. Vx. konnte als Kontaktperson des Antragstellers festgestellt werden. Ferner hatte der Antragsteller Kontakt zu Personen, die nach Syrien bzw. in den Irak ausgereist sind und sich dem "IS" angeschlossen haben (Bl. 866 BA). Dies belegt auch die Aussage der polizeilichen Vertrauensperson vom 13. Oktober 2016 (Bl. 397 BA), wonach der Antragsteller P. Nl. gut kannte, der 2017 wegen Beteiligung am sogenannten Jihad verurteilt wurde. Soweit der Antragsteller behauptet, P. Nl. nicht zu kennen, ist dies vor dem Hintergrund der vom Antragsteller nicht substantiiert bestrittenen Szeneeinbindung und der nachgewiesenen Verbindung zu Personen, die nach Syrien und in den Irak reisten, um an sogenannten jihadistischen Kampfhandlungen teilzunehmen oder dort Selbstmordanschläge zu begehen, als Schutzbehauptung anzusehen. Soweit der Antragsteller hinsichtlich W. Wh., der bei einem Selbstmordattentat im Auftrag des "IS" ums Leben kam, rügt, dass der Antragsgegner nicht dargelegt habe, in welcher Beziehung dieser zum Antragsteller stehe, ergibt sich aus den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden, dass W. Wh. und der Antragsteller einer Fußballgruppe angehörten, die von Angehörigen der islamistischen Szene besucht wurde.
Aufgrund der Erkenntnisse der Verfassungsschutz- und Sicherheitsbehörden und der von den tunesischen Behörden mitgeteilten Erkenntnisse hält es der Senat für hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller einen Terroranschlag in Deutschland begeht. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation kann sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen.
Nach den vorliegenden Erkenntnissen hat der Antragsteller in den Reihen des "IS" gekämpft. Personen, die in den Gebieten des "IS" Kampferfahrung erworben haben, weisen einerseits ein hohes Gefährdungspotenzial auf, da sie Erfahrung im Umgang mit Waffen sowie Spreng- und Brandvorrichtungen, eine (para)militärische Ausbildung erlangt haben und sich weiter radikalisiert haben können. Andererseits erhöht die Kampferfahrung im sogenannten Jihadgebiet das Ansehen in der islamistischen Szene, wodurch nach Rückkehr in die Europäische Union eine zielgerichtete Indoktrinierung und Rekrutierung weiterer Personen stattfinden kann (vgl. HLKA, Bericht vom 20. Januar 2017, Bl. 858, 866 f. BA). Auch die durch das BKA mittels des wissenschaftlichen Risikobewertungsinstruments RADAR ITE vorgenommene Analyse ergab für den Antragsteller "ein hohes Risiko für die Durchführung eines Anschlags" (Bl. 867 BA). Es besteht die konkrete Gefahr, dass der Antragsteller über die Unterstützung der Ziele des "IS" und die Tätigkeit als Rekrutierer und Schleuser hinaus selbst terroristische Handlungen begehen könnte.
Zudem bestreitet der Antragsteller nicht, Angehöriger des "IS" zu sein, mit dessen Märtyrer-Ideologie zu sympathisieren und den "IS" zu unterstützen. Vielmehr trägt er lediglich vor, dass der Nachweis hierfür nicht erbracht sei. Hiervon ist indes aufgrund der vorliegenden, umfangreichen Erkenntnisse auszugehen. Nach den Angaben der tunesischen Behörden und den von diesen vorgelegten Erkenntnissen hat sich der Antragsteller in Syrien dem "IS"-Terrornetzwerk angeschlossen und plant die Ausübung von Anschlägen in Tunesien. Dies wird durch die Erkenntnisse der Verfassungsschutz- und Sicherheitsbehörden bestätigt, wonach der Antragsteller in terroristische Aktivitäten des "IS" involviert ist und Anschläge sowohl in Tunesien als auch in Deutschland plant sowie als Rekrutierer und Organisator für den "IS" tätig ist. Ferner ergibt sich auch aus Zeugenaussagen, dass der Antragsteller eine bedeutsame Funktion bei der Terrormiliz "IS" innehat. Dass sich der Antragsteller mit den Zielen des "IS" in hohem Maße identifiziert, für dessen Ziele einsetzt und diese für sich verpflichtend ansieht sowie eine militante, gewaltbereite Auslegung des Islam und den sogenannten Jihad befürwortet, ergibt sich insbesondere daraus, dass der Antragsteller im Besitz eines Textes mit dem Titel "Die Grundordnung und Prinzipien des Islamischen Staates" war, der einer islamwissenschaftlichen Stellungnahme zufolge die ideologischen Grundlagen des "IS" dokumentiert. Dadurch, dass der Antragsteller diese mit den Worten "Das ist unser Weg, das ist unser Glaube" bestätigte, brachte er zum Ausdruck, dass er sich den "IS"-Doktrinen verpflichtet fühlt und sie für sich als Dogma anerkennt. Die hohe Identifikation mit der menschenverachtenden Ideologie des "IS" kommt ferner auch darin zum Ausdruck, dass er diese "Grundsätze des Islamischen Staates" an weitere Personen postete und hierdurch versuchte, weitere Personen zu radikalisieren bzw. diese in ihrer radikal-islamischen Einstellung zu verfestigen. Anzeichen für die Gewaltbereitschaft des Antragstellers sind auch die bei ihm sichergestellten Bilddateien mit grausamen und menschenverachtenden Tötungsszenen. Zudem wurde eine Vielzahl von Bilddateien mit direktem "IS"-Bezug festgestellt.
Aus dem sichergestellten Bildmaterial ergeben sich darüber hinaus Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller Bildcollagen zur Anfertigung von "IS"-Propagandamaterial verwendete, dieses weiterverbreitete und somit in die medialen Aktivitäten des "IS" einbezogen war. Darauf deutet auch die Sicherstellung eines Bildes hin, das die Einheiten des "IS" illustriert, die sich auf die Aktivitäten des "IS" im Bereich der Informationstechnologie spezialisiert haben. Auch wurden Logos von Medienstellen des "IS" aufgefunden, die zur Gestaltung von jihadistischen Internetseiten verwendet werden. Die Annahme, dass der Antragsteller in "IS"-Aktivitäten verstrickt ist, wird ferner durch das ausgeprägt konspirative, mit quasi-professionellem Aufwand betriebene Verhalten des Antragstellers bestätigt. Die Vielzahl der festgestellten Verschlüsselungs- und Anonymisierungsprogramme belegt, dass der Antragsteller bei seinen Internetaktivitäten eine größtmögliche Verschleierung und Anonymisierung angestrebt hat. Das ferner bei den Observierungsmaßnahmen festgestellte konspirative Verhalten des Antragstellers und der Umstand, dass er mehrfach seine Identitäten, Wohnungen, Kraftfahrzeuge und Rufnummern wechselte, ist ebenfalls ein starkes Indiz für die Verstrickung des Antragstellers in "IS"-Aktivitäten. Außerdem unterhielt der Antragsteller ausschließlich Kontakte zu Personen, die der islamistischen Szene zuzurechnen sind, wobei seine Kontakte bis zu Drahtziehern der Terroranschläge von Paris sowie Personen reichen, die nach Syrien und Irak ausreisten, um an sogenannten jihadistischen Kampfhandlungen teilzunehmen oder Selbstmordanschläge zu begehen. Die Gefährlichkeit des Antragstellers und seiner Kontaktpersonen ergibt sich ferner auch daraus, dass die Kontaktpersonen bereits Gegenstände erworben hatten, die beim Bombenbau Verwendung finden können (Slush-Eis-Maschine). Nach den Erkenntnissen des Bundesamts für Verfassungsschutz war der Antragsteller in Deutschland darüber hinaus als Schleuser und Rekrutierer für den "IS" tätig. Dies wird untermauert durch eine auf dem Mobiltelefon des Antragstellers sichergestellte türkische Rufnummer, die Schleusern zuzurechnen ist, die Personen über die Türkei nach Syrien ins Kampfgebiet bringen. Zudem ergab die Auswertung von Chatprotokollen, die bei einer Kontaktperson des Antragstellers namens W. Gm. aufgefunden wurden und dem Antragsteller zugeordnet werden konnten, dass der Antragsteller maßgeblich an der Planung und Organisation illegaler Einschleusung von Personen aus dem nichteuropäischen Ausland (auch aus Syrien und Irak) in die Europäische Union beteiligt war.
Die Gesamtschau der den Antragsteller betreffenden Erkenntnisse, seiner Persönlichkeit, seines Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren Einstellung und der Verbindung zu anderen radikal-islamischen Personen ergibt, dass der Antragsteller zur Durchsetzung seiner radikal-islamischen, der "IS"-Ideologie verhafteten Einstellung bereit ist, seiner islamistischen Überzeugung durch gewaltsame oder terroristische Methoden Ausdruck zu verleihen. Dass er grundsätzlich eine persönlichkeitsbedingte Gewaltbereitschaft zur Durchsetzung seiner Wertvorstellungen hat, wird auch dadurch belegt, dass er seine Ehefrau misshandelte und aufgrund seiner radikal-islamischen Einstellung annahm, hierzu auch berechtigt zu sein.
cc) Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, ist sie mit den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.
Insbesondere musste dem Antragsteller keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden, da von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die nationale Sicherheit ausgeht (Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG). Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner unter Ziffer II. des angegriffenen Bescheids ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet hat (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 -). Die Regelungen in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, stünde dann zwar nicht im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/EG. Denn danach bedarf ein mit einer Rückkehrentscheidung einhergehendes Einreiseverbot immer einer Einzelfallentscheidung zu seiner Dauer. Diese unionsrechtliche Vorgabe hätte im Falle ihrer Anwendbarkeit zur Folge, dass bei einer Abschiebungsanordnung allein durch eine Abschiebung ohne eine solche Einzelfallentscheidung kein Einreise- und Aufenthaltsverbot entstehen würde. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des Einreiseverbots würde indes nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da es sich hierbei um eine eigenständige und selbstständig anfechtbare Entscheidung zu den Rechtsfolgen einer vollzogenen Abschiebungsanordnung handelt. Die hiermit verbundenen Fragen des nationalen Rechts und des Unionsrechts können hier mithin offenbleiben.
dd) Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht ermessensfehlerhaft und genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der vom Antragsteller ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>; Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132).
Der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung gewürdigt, dass der Antragsteller, da seine Niederlassungserlaubnis gemäß § 51 Abs. 1 Ziff. 7 AufenthG durch seine Ausreise erloschen war, nicht über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügt und auch keiner ordnungsgemäßen Beschäftigung nachgeht. Der Antragsteller verfügt ferner nicht über familiäre Bindungen zu hier lebenden Personen; die Ehe mit einer deutschen Staatangehörigen wurde bereits im Jahr 2009 geschieden. Außerdem hat der Antragsteller zwischenzeitlich eine tunesische Staatsangehörige geheiratet. Er hat keinen festen Wohnsitz und keinerlei Bindungen zur deutschen Gesellschaft. Seine sozialen Kontakte in Deutschland beschränken sich auf Personen, die ebenfalls Teil der radikal-islamischen Szene sind. Ferner ist dem Antragsteller eine Integration in die Lebensverhältnisse seines Heimatlandes zumutbar, in dem er bis zu seinem 22. Lebensjahr gelebt hat, zumal er arabisch spricht und seine Ehefrau in Tunesien lebt.
2. Dem Vollzug der Abschiebungsanordnung stehen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegen, sofern die sich aus dem Tenor ergebende Zusicherung erteilt wird. Das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG steht dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht entgegen. Es führt aber dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf (§ 58a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). Aus diesem Grund hat die zuständige Behörde beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG.
a) § 60 Abs. 1 AufenthG steht dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ebenso wenig entgegen wie der vom Antragsteller nach Bekanntgabe der Ausweisungsverfügung vom 9. März 2017 gestellte Asylantrag. Die Aufenthaltsgestattung eines Ausländers, der um Asyl nachsucht, erlischt gemäß § 67 Abs. 1 Nr. 5a AsylG mit der Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG. Ferner kann nach § 60 Abs. 9 AufenthG ein Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 AufenthG abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes abgeschoben werden. Nach § 60 Abs. 8 AufenthG findet - in Umsetzung der Ausnahme vom Refoulement-Verbot des Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention und im Einklang mit Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU - § 60 Abs. 1 AufenthG u.a. keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Hiervon ist auszugehen, wenn es - wie hier - hinreichend wahrscheinlich ist, dass von dem Ausländer eine terroristische Gefahr ausgeht.
b) Eine vom Antragsteller angesprochene Gefahr der Todesstrafe steht der Abschiebung hier nicht entgegen. Zwar kann die Gefahr einer Verhängung der Todesstrafe nicht ausgeschlossen werden. Die Gefahr einer Todesstrafe ist dann zu beachten, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung konkrete und ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene individuell von der Todesstrafe bedroht wird (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 - BVerwGE 78, 285 <295>). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 (S. 12, 17) ist mit dem am 7. August 2015 in Kraft getretenen Antiterrorgesetz die Todesstrafe für terroristische Straftaten in Tunesien eingeführt worden. Seit Jahresbeginn 2015 wurden gegen mehrere Dutzend Terroristen rechtskräftige Urteile, darunter auch Todesurteile verhängt. Das tunesische Antiterrorgesetz sieht indes nicht für alle Straftaten, die einen Bezug zum Terrorismus aufweisen, die Todesstrafe vor, sondern nur in besonders schweren Fällen. Dies ist vor allem bei vorsätzlichen Tötungsdelikten der Fall sowie bei anderen terroristischen Straftaten, wenn dadurch der Tod eines Menschen verursacht worden ist (vgl. u.a. Art. 14 Abs. 2 tunesisches Antiterrorgesetz, vgl. Bl. 248 BA).
Die tunesischen Strafverfolgungsbehörden haben das Auslieferungs- bzw. Festnahmeersuchen darauf gestützt, nach dem Antragsteller werde wegen einer Vielzahl von im Einzelnen aufgelisteten Delikten gefahndet, darunter auch Tötungsdelikte, gemeingefährliche Delikte, Gewaltdelikte, illegaler Bombenbau, Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Planung von Terrorakten. Die internationale Fahndung zur Festnahme enthielt eine "Sachverhaltsfeststellung", der sich sinngemäß der Vorwurf entnehmen lässt, dass der Antragsteller in mehrere in Tunesien begangene Terrorakte verwickelt gewesen sein soll, darunter dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis, bei dem 24 Menschen getötet wurden (Bl. 204 BA). Die am 26. Mai 2016 erhobene Anklage (Bl. 225 BA) richtet sich gegen den Antragsteller und 82 weitere Personen und zählt die gegen diese erhobenen Vorwürfe lediglich wie oben dargestellt ohne personenspezifische Zuordnung auf. Zu dem Auslieferungsersuchen wurde ergänzend angegeben, der Antragsteller solle die Tunesische Republik in Richtung Syrien verlassen und sich 2013 dem "ISIS"-Terrornetz angeschlossen haben (Bl. 221 BA). Über eine Chat-App habe er Sympathisanten des Terrornetzwerks "IS" angeworben bzw. potentielle terroristische "ISIS"-Anhänger aus der Tunesischen Republik nach Syrien geschleust. In einem Schreiben vom 23. August 2016 wird lediglich mitgeteilt, gegen den Antragsteller lägen vier Haftbefehle vor, darunter zwei wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (Bl. 272 BA). Der Vorwurf der Beteiligung an dem Anschlag auf das Bardo-Museum in Tunis wurde möglicherweise zwischenzeitlich fallengelassen; davon geht jedenfalls auch der Antragsteller aus (Schriftsatz vom 5. August 2017 S. 11). Auch die zuletzt ergänzten Auslieferungsunterlagen von März/April 2017 bleiben wenig konkret; dort ist von einer "Beteiligung an terroristischen Straftaten" die Rede. Einem verdeckten Ermittler sei (wohl im Jahr 2016) offenbart worden, dass sich der Antragsteller seit zwei Jahren an den syrisch-türkischen Grenzen befinde und mit Hilfe seines Neffen zehn potentielle "IS"-Anhänger über die Grenzen schleusen wolle. Neue Erkenntnisse ergeben sich insoweit möglicherweise aus Gesprächen, die Vertreter der Hessischen Generalstaatsanwaltschaft Anfang September 2017 in Tunis geführt haben und von denen im Schriftsatz des Antragsgegners vom 19. September 2017 berichtet wird. Den Inhalt des Schriftsatzes hat der Senat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes allerdings nicht verwertet, da der Antragsteller noch keine Gelegenheit hatte, hierzu Stellung zu beziehen. Zudem steht die Bestätigung der Gesprächsergebnisse durch die tunesischen Gesprächspartner noch aus.
Vor diesem Hintergrund geht der Senat - auch im Hinblick auf die nicht eindeutigen Verlautbarungen der tunesischen Behörden, die zweifelhafte Qualität der beigefügten Übersetzungen tunesischer Dokumente und den Umstand, dass bislang nur wenige Erfahrungen mit der Anwendung des tunesischen Antiterrorgesetzes vorliegen (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 12) - derzeit zugunsten des Antragstellers davon aus, dass die Verhängung der Höchststrafe durch tunesische Gerichte vorliegend zumindest in Betracht kommt.
Allerdings wird die Todesstrafe in Tunesien de facto nicht vollstreckt. Die letzte Vollstreckung fand im Jahr 1991 statt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 17; Amnesty International Report 2016/2017 S. 4). In dem vorläufigen Rechtsschutzverfahren betreffend die mit der Ablehnung des Asylantrags des Antragstellers verbundene Abschiebungsandrohung (VG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 5. April 2017 - 6 L 2695/17.F.A. und vom 26. Juli 2017 - 6 L 6363/17.F.A.) hat das tunesische Außenministerium in einer Verbalnote vom 11. Juli 2017 ebenfalls betont, dass Tunesien ein Moratorium einhält, auch wenn im tunesischen Strafgesetzbuch die Todesstrafe vorgesehen ist.
Entgegen der Auffassung des Antragstellers begründet jedoch allein der Umstand, dass gegen den Antragsteller im Zuge eines möglichen Strafverfahrens die Todesstrafe verhängt werden kann, hier kein Abschiebungsverbot. Ein solches ergibt sich nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG. Danach darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Abs. 1 AsylG bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG liegt ein Abschiebungsverbot vor, wenn die Verhängung oder die Vollstreckung der Todesstrafe droht. Dem Antragsteller droht aufgrund des in Tunesien seit Jahren bestehenden Moratoriums nicht die Vollstreckung der Todesstrafe. Der Antragsteller erfüllt auch nicht die Voraussetzungen des unionsrechtlichen subsidiären Schutzes, auf den § 60 Abs. 2 AufenthG durch Inbezugnahme von § 4 Abs. 1 AsylG verweist. Er ist hiervon vielmehr wegen der von ihm ausgehenden terroristischen Gefahr nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AsylG ausgeschlossen. Das nationale Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG kann daher durch § 60 Abs. 3 AufenthG ohne Verletzung des Unionsrechts begrenzt und präzisiert werden. § 60 Abs. 3 AufenthG bestimmt aber einschränkend und insoweit als lex specialis, dass bei der Entscheidung über den Abschiebungsschutz im Falle der Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung finden. Die Vorschriften über die Auslieferung finden sich im Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Juli 1994 (BGBl. I S. 1537), zuletzt geändert durch Art. 11 Abs. 21 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745). Nach § 8 IRG ist die Auslieferung dann, wenn die Tat nach dem Recht des ersuchenden Staates mit der Todesstrafe bedroht ist, nur zulässig, wenn der ersuchende Staat zusichert, dass die Todesstrafe nicht verhängt oder nicht vollstreckt wird. Auch nach gefestigter Rechtsprechung genügt die Zusicherung, dass die Todesstrafe nicht vollstreckt wird (vgl. OLG München, Beschluss vom 7. Dezember 2012 - OLG Ausl 14 Ausl A 1156/12 (274/12) u.a. - StV 2013, 313 = juris Rn. 18; OLG Dresden, Beschluss vom 14. Januar 2011 - OLG Ausl 179/10 - juris Rn. 21 ff.; Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Band 1, Stand: Juni 2017, § 60 AufenthG Rn. 11; vgl. auch Art. 11 des Europäischen Auslieferungsübereinkommens vom 13. Dezember 1957
Der etwaigen Gefahr einer möglichen Vollstreckung der Todesstrafe gegen den Antragsteller kann daher mit einer geeigneten diplomatischen Zusicherung begegnet werden, da die Gefahr einer gegen Art. 2 EMRK verstoßenden Behandlung durch eine derartige Zusicherung beseitigt werden kann (vgl. EGMR, Urteile vom 2. März 2010 - Nr. 61498/08, Al-Saadoon and Mufdhi/U.K. - Rn. 143 und vom 24. Juli 2014 - Nr. 28761/11, Al-Nashiri/Polen - NVwZ 2015, 955 Rn. 587 f.). Eine solche Zusicherung hat das Tunesische Außenministerium mit Verbalnote vom 11. Juli 2017 abgegeben. Nimmt man hinzu, dass in Tunesien nach 1991 kein Todesurteil mehr vollstreckt worden ist (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 17), hält der Senat die Gefahr der Vollstreckung der Todesstrafe gegen den Antragsteller für ausgeschlossen.
Vor diesem Hintergrund begründet die Gefahr einer Verhängung der Todesstrafe vorliegend auch kein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 5 AufenthG. Danach darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Nach dem Wortlaut der EMRK (Art. 2 Abs. 1 Satz 2) ist die Vollstreckung eines Todesurteils nicht verboten, sofern sie "ein Gericht wegen eines Verbrechens verhängt hat, für das die Todesstrafe gesetzlich vorgesehen ist". In der Vergangenheit hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) daher wiederholt entschieden, dass Art. 2 und 3 EMRK die Todesstrafe nicht allgemein verbieten. Es könne aber sein, dass Umstände im Zusammenhang mit der Todesstrafe (z.B. die Art und Weise der Verhängung oder Vollstreckung, die persönlichen Umstände der verurteilten Personen, die Haftbedingungen oder die Disproportionalität zur Schwere der Tat) den Schutzbereich des Art. 3 EMRK berühren (EGMR, Urteil vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering/U.K. - EuGRZ 1989, 314 Rn. 103 f.). Im Urteil Öcalan gegen Türkei (Urteil vom 12. Mai 2005 - Nr. 46221/99 - EuGRZ 2005, 463 Rn. 165, 169, 175) hat der Gerichtshof angenommen, dass jedenfalls die Verhängung der Todesstrafe nach einem unfairen Verfahren konventionswidrig ist. Nach Inkrafttreten der Artikel 1 der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur EMRK, die die Abschaffung der Todesstrafe regeln (Satz 1) und bestimmen, dass niemand zu dieser Strafe verurteilt oder hingerichtet werden darf (Satz 2), hat der Gerichtshof in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung entschieden, dass Art. 2 EMRK die Auslieferung oder Ausweisung einer Person in einen anderen Staat verbietet, wenn er dort der ernsthaften Gefahr ("real risk") ausgesetzt ist, durch die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe sein Leben zu verlieren (EGMR, Urteile vom 19. November 2009 - Nr. 41015/04, Kaboulov/Ukraine - Rn. 99 ff.; vom 2. März 2010 - Nr. 61498/08, Al-Saadoon and Mufdhi/U.K. - Rn. 115 ff., 123, 144 und vom 24. Juli 2014 - Nr. 28761/11, Al-Nashiri/Polen - NVwZ 2015, 955 Rn. 576 ff.). Mit der Unterzeichnung des Protokolls Nr. 13 zur EMRK hätten die Mitgliedstaaten des Europarats anerkannt, dass die Verhängung und Vollstreckung der Todesstrafe grundlegende Menschenrechte negiert. In der Präambel zu Protokoll Nr. 13 zur EMRK brächten sie die Überzeugung zum Ausdruck, dass in einer demokratischen Gesellschaft das Recht jedes Menschen auf Leben einen Grundwert darstellt und die Abschaffung der Todesstrafe für den Schutz dieses Rechts und für die volle Anerkennung der allen Menschen innewohnenden Würde von wesentlicher Bedeutung ist (vgl. EGMR, Urteil vom 24. Juli 2014 - Nr. 28761/11, Al-Nashiri/Polen - NVwZ 2015, 955 Rn. 577). Der Gerichtshof sieht jedoch nicht bereits in der (isolierten) Verhängung der Todesstrafe einen Verstoß gegen Art. 2 EMRK, sondern stellt darauf ab, ob die ernsthafte Gefahr einer Tötung aufgrund einer Todesstrafe ("real risk of execution") besteht (vgl. EGMR, Urteile vom 19. November 2009 - Nr. 41015/04, Kaboulov/Ukraine Rn. 103 und vom 2. März 2010 - Nr. 61498/08, Al-Saadoon and Mufdhi/U.K. - Rn. 137, 144; vgl. auch: Grabenwarter/Pabel, EMRK, 6. Aufl. 2016, § 20 Rn. 12). In diesem Sinne ist nach Auffassung des Senats auch Art. 19 Abs. 2 Grundrechte-Charta (ernsthaftes Risiko der Todesstrafe) zu verstehen, so dass sich aus dieser Vorschrift - ihre Anwendbarkeit unterstellt - kein weitergehender Abschiebungsschutz ergibt.
Im Hinblick auf die eingetretene Fortentwicklung des Völker- und Unionsrechts ist von einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung dann auszugehen, wenn die ernsthafte Gefahr eines Vollzugs der Todesstrafe droht. Es besteht jedenfalls kein Bedürfnis, Abschiebungsschutz zu gewähren, wenn durch geeignete zwischenstaatliche Vereinbarungen oder Zusicherungen die Vollstreckung der Todesstrafe ausgeschlossen worden ist.
c) Nachdem die Gefahr einer Verhängung der Todesstrafe bisher nicht ausgeschlossen werden konnte und diese vor dem Hintergrund des Moratoriums faktisch oder aufgrund der Umwandlung anlässlich von Amnestien (vgl. dazu Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 17) eine lebenslange Freiheitsstrafe bedeuten kann, ferner nach bisherigem Erkenntnisstand auch die Verurteilung des Antragstellers zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe in Betracht kommt, ist indes auch von der beachtlichen Wahrscheinlichkeit einer lebenslangen Freiheitsstrafe auszugehen. Eine solche ist nur dann mit Art. 3 EMRK zu vereinbaren, wenn eine Möglichkeit der Überprüfung der Strafe mit der Aussicht auf Umwandlung oder Herabsetzung der Haftdauer gegeben ist (vgl. EGMR, Urteil vom 4. September 2014 - Nr. 140/10, Trabelsi/Belgien - Rn. 112 f. und vom 17. Januar 2017 - Nr. 57592/08, Hutchinson/U.K. - Rn. 42). Der Senat hat die Abschiebung daher von der Bedingung abhängig gemacht, dass eine entsprechende Zusicherung erteilt wird. Bevor auf der Grundlage einer solchen Zusicherung die Abschiebung erfolgt, ist dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen und gegebenenfalls um Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 50).
d) Die vom Antragsteller geltend gemachte Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Bestrafung im Falle der Abschiebung des Antragstellers (Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG) droht ihm nach den im vorliegenden Verfahren verfügbaren Erkenntnissen nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit.
Tunesien befindet sich in einem allgemeinen demokratischen Transitionsprozess, der in vielen Bereichen, unter anderem auch im Justizbereich, noch nicht abgeschlossen ist. Mit der Verabschiedung einer neuen Verfassung durch die verfassungsgebende Versammlung am 26. Januar 2014 gelang Tunesien ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer demokratischen Staatsordnung. Sie beinhaltet u.a. die Garantie universeller Menschenrechte und die Garantie der Unabhängigkeit der Justiz. Art. 23 der tunesischen Verfassung garantiert den Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit, verbietet seelische und körperliche Folter und schließt eine Verjährung des Verbrechens der Folter aus. Art. 128 der tunesischen Verfassung sieht die Gründung einer unabhängigen Instanz für Menschenrechte ("Menschenrechtskommission") mit beratender Funktion vor (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 5, 16). Mit der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe am 29. Juli 2011 hat sich Tunesien zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus (NPM) verpflichtet. Mit Gesetz vom 23. Oktober 2013 wurde eine innerstaatliche Rechtsgrundlage zur Bildung einer unabhängigen Instanz für Folterprävention (INPT) geschaffen, zu deren Aufgabe die Durchführung unangemeldeter Besuche in allen Orten des Freiheitsentzugs gehört sowie die Beratung von Exekutive und Legislative bei der Verbesserung des rechtlichen Rahmens und der Rechtswirklichkeit. Im Sommer 2016 ist eine überarbeitete Version der Strafprozessordnung in Kraft getreten, wonach der Polizeigewahrsam maximal vier Tage betragen darf. Darüber hinaus wurde das Recht des Verdächtigen auf einen Rechtsbeistand (auch schon während des Polizeigewahrsams) kodifiziert. Generell wird die neue Strafprozessordnung von Nichtregierungsorganisationen als großer Fortschritt beurteilt, wobei aber auch hier Umsetzungsdefizite bestehen, die den Verantwortlichen in Tunesien bewusst sind. Ausnahmen gelten jedoch für Beschuldigte, die unter das Antiterrorgesetz vom 7. August 2015 fallen. Sie dürfen bis zu 15 Tage in polizeiliche Untersuchungshaft genommen werden; der Zugang eines Anwalts kann dabei für 48 Stunden nach Ingewahrsamnahme auf Anordnung des Untersuchungsrichters oder eines Staatsanwalts verweigert werden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 12 f.). Bislang liegen nur wenige konkrete Erfahrungen zu der Anwendung des Antiterrorgesetzes vor. Die neu eingeführte Untersuchungsinstanz in Terrorangelegenheiten hat ihre Arbeit jedoch inzwischen aufgenommen und bemüht sich um eine umfassende Aufarbeitung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 12). Den Reformwillen stellt die tunesische Regierung auch dadurch unter Beweis, dass das tunesische Justizministerium mit zahlreichen nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen Vereinbarungen getroffen hat, die ihnen Besuche in Haftanstalten etc. ermöglichen. Seit 2005 besteht überdies eine Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), die es dem IKRK ermöglicht, die Haftanstalten zu besuchen und der Regierung periodisch zu berichten. Ausweislich der Verbalnote des Tunesischen Außenministeriums vom 11. Juli 2017 hat Tunesien im Falle des Antragstellers zum Ausdruck gebracht, dass auch dem Internationalen Roten Kreuz, dem Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, der tunesischen Menschenrechtsliga sowie der Nationalen Instanz für die Verhütung von Folter uneingeschränkter Zugang zum Antragsteller gewährt wird.
Amtliche Informationen oder Statistiken, die belastbare Aussagen über Menschenrechtsverletzungen (insbesondere gegenüber Terrorverdächtigen) zulassen, liegen nicht vor. Die tunesische Regierung räumt aber mit wiederholten Bekenntnissen zur Folterprävention und zum Kampf gegen die Straflosigkeit von Amtspersonen, die sich entsprechender Vergehen schuldig gemacht haben, indirekt Verfehlungen ein und verspricht eine juristische Aufarbeitung solcher Vorwürfe (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 16). Tunesische und internationale Medien sowie spezialisierte Nichtregierungsorganisationen, wie beispielsweise die "Organisation contre la Torture en Tunisie" (OCTT), berichten über Einzelfälle von rechtswidrigen Verletzungen der körperlichen oder seelischen Unversehrtheit von Personen bis ins Jahr 2016 hinein (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 S. 16 f.). Amnesty International berichtet davon, dass einige der nach dem Anschlag auf das Bardo-Museum und dem Angriff auf die Stadt Ben Guerdane festgenommenen Verdächtigen nach eigenen Angaben gefoltert worden seien (Amnesty International Report 2016/2017 S. 2).
Etwaigen Gefahren kann indes auch insoweit mit einer diplomatischen Zusicherung begegnet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - NVwZ 2017, 1057 Rn. 43; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 48 f.). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht in solchen Zusicherungen unter bestimmten Voraussetzungen ein geeignetes Instrument zur Ausräumung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung selbst bei Staaten, in denen - anders als in Tunesien - systematisch gefoltert und misshandelt wird (EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 - Nr. 8139/09, Othman/U.K. - NVwZ 2013, 487 Rn. 188 f.).
Zwar trägt der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 20. August 2017 unter Berufung auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteile vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 und vom 24. Februar 2009 - Nr. 246/07, Ben Khemais/Italien -) vor, aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebe sich, dass im Falle der Abschiebung nach Tunesien Zusicherungen keinen wirksamen Schutz vor der ernsthaften Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung bieten. Dies steht indes der Annahme, dass Zusicherungen durch tunesische Behörden hier eine ausreichende Garantie für den Schutz des Antragstellers vor EMRK-widrigen Behandlungen geben, nicht entgegen. Denn die vom Antragsteller genannten Urteile des Gerichtshofs sind noch auf der Grundlage der politischen Verhältnisse in Tunesien unter dem Regime des autokratisch regierenden Präsidenten Ben Ali ergangen. Gleiches gilt, soweit der Antragsteller geltend macht, der UN-Antifolter-Ausschuss habe in einer am 27. Juni 2013 veröffentlichten Entscheidung ausgeführt, dass diplomatische Zusicherungen kein geeignetes Mittel seien, um im Falle einer Auslieferung wirksam vor Folter in Tunesien zu schützen. Seit der Revolution im Jahr 2011 hat - wie oben dargelegt - in Tunesien indes ein umfangreicher Demokratisierungsprozess begonnen, der in vielen Bereichen bereits weit vorangeschritten ist. In der Verbalnote des tunesischen Außenministeriums vom 11. Juli 2017 wird außerdem bekräftigt, dass sich die tunesischen Behörden den demokratischen Werten und den in der neuen tunesischen Verfassung festgeschriebenen Menschenrechten und Grundfreiheiten verpflichtet fühlen. Der Gerichtshof hat in den Urteilen betreffend die Abschiebung nach Tunesien (vgl. Urteile vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330; vom 24. Februar 2009 - Nr. 246/07, Ben Khemais/Italien - Rn. 60 und vom 5. April 2011 - Nr. 25716/09, Toumi/Italien - NVwZ 2012, 1159 Rn. 54) eine Zurückhaltung der tunesischen Behörden bei der Zusammenarbeit mit unabhängigen internationalen Menschenrechtsorganisationen bemängelt und infolgedessen eine ausreichende Überprüfbarkeit der gegebenen Zusicherungen verneint. Zudem sei auch in den genannten Fällen der Zugang zum Beschwerdeführer durch Rechtsanwälte eingeschränkt gewesen. Demgegenüber wurde dem Antragsteller bereits mit Verbalnote des Tunesischen Außenministeriums vom 11. Juli 2017 zugesichert, dass er sich während der Zeit der Inhaftierung sowie während der Anhörung durch Rechtsanwälte unterstützen lassen kann und dass Anwälte freien Zugang haben. Zudem wird in der Verbalnote das Besuchsrecht durch das Internationale Rote Kreuz, den Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte, die tunesische Menschenrechtsliga und die Nationale Instanz für die Verhütung von Folter zugesichert.
e) Soweit der Antragsteller schließlich geltend macht, dass sein (aus dem Rechtsstaatsgebot in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 GG sowie Art. 6 Abs. 1 EMRK herzuleitendes) Recht auf ein faires Verfahren verletzt worden sei, greift dieser Einwand nicht durch. Der Antragsteller rügt zum einen, dass die Amtsrichterin in ihrem Beschluss vom 18. August 2017 trotz diesbezüglich fehlender Prüfungskompetenz entschieden habe, dass keine Abschiebungsverbote vorlägen. Diese beanstandete Verfahrensweise kann bereits deswegen nicht zur Fehlerhaftigkeit des vorliegenden Verfahrens führen, weil sie - die Verfahrensfehlerhaftigkeit unterstellt - nicht das vorliegende Verfahren betrifft. Zum anderen beanstandet der Antragsteller, dass der Generalstaatsanwalt von F. anlässlich einer Pressekonferenz im Juli 2017 erklärt habe, dass die Staatsanwaltschaft alles tun werde, dass der Antragsteller in Haft bleibe und ihm die zur Last gelegten Taten nachgewiesen werden können. Auch insoweit bezieht sich der gerügte Verfahrensfehler nicht auf das streitgegenständliche Verfahren. Im Übrigen sind Verfahren aus dem Kernbereich des öffentlichen Rechts, zu dem das Ausländerrecht gehört (z.B. Entscheidungen über Ausweisung und Abschiebung, wie sie hier im Streit stehen), keine "Streitigkeit in Bezug auf zivilrechtliche Ansprüche" im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK (vgl. EGMR, Urteile vom 5. Oktober 2000 - Nr. 39652/98, Maaouia/Frankreich - Rn. 36 bis 38; vom 12. Juli 2001 - Nr. 44759/98, Ferrazzini/Italien - Rn. 28 und vom 10. Januar 2012 - Nr. 22251/07, G.R./Niederlande - Rn. 48; vgl. auch Meyer-Ladewig/Nettesheim/von Raumer, EMRK, 4. Aufl. 2017, Art. 6 Rn. 13, 22).
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, 3 und § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Da die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorwegnimmt, war der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben.