Entscheidungsdatum: 30.08.2017
In Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße und seit längerem mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamistischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten Jihad als verpflichtend ansieht, kann ein beachtliches Risiko vorliegen, dass diese Person einen terroristischen Anschlag verübt (im Anschluss an BVerwG, Beschlüsse vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 und 1 VR 2.17 - juris, vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris und vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - juris).
I
Der Antragsteller, ein 1987 geborener tunesischer Staatsangehöriger, begehrt vorläufigen Rechtsschutz im Hinblick auf die Anordnung seiner Abschiebung nach Tunesien.
Mit Verfügung vom 13. Juni 2017 ordnete das Hessische Ministerium des Innern und für Sport - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien an. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Antragsteller nach Einschätzung der Sicherheitsbehörden offen mit der terroristischen Vereinigung sogenannter Islamischer Staat (IS) sympathisiere und den "Jihad" und die Gräueltaten des "IS" befürworte. Zudem lehne er die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab und wolle eine Gesellschaft auf der Grundlage der "Scharia" errichten. Er sei seit mehreren Jahren eng in die salafistische Szene eingebunden, zunächst in M. und nach seinem Umzug im Jahr 2012 in die salafistische Szene des Rhein-Main-Gebietes. Hier habe er innerhalb einer salafistischen Personengruppe die Stellung eines weisungsbefugten "Emirs" innegehabt. Seit dem 1. Februar 2017 werde er vom Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) als eine Person eingestuft, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Zuvor sei er vom HLKA bereits als eine Person eingestuft worden, die innerhalb des extremistischen Spektrums die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers oder eines Akteurs einnehme. Diese Einstufung sei auf Grund des Vorliegens objektiver Hinweise erfolgt, die die Prognose zuließen, dass der Antragsteller politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung fördere, unterstütze, begehe oder sich daran beteilige. Angesichts der vom Antragsteller ausgehenden Gefahr überwiege bei der Ermessensentscheidung auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er sich bereits seit seinem achten Lebensjahr in Deutschland aufhalte, hier zur Schule gegangen sei und über soziale Bindungen an seine religiös angetraute Ehefrau verfüge, das Interesse an einer Ausreise das private Interesse am Verbleib. Die Verfügung wurde dem Antragsteller am 16. Juni 2017 ausgehändigt. Gegen den Antragsteller wurde Abschiebungshaft bis einschließlich 31. August 2017 angeordnet.
Am 21. Juni 2017 hat der Antragsteller beim Bundesverwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben und zugleich einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gestellt. Er macht geltend, von ihm gehe weder eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland noch eine terroristische Gefahr aus. Zudem beruhe die angefochtene Verfügung auf einer unrichtigen Tatsachengrundlage. Aus der Verfügung ergebe sich lediglich, dass er - der Antragsteller - Kontakte zur salafistischen Szene und Ende des Jahres 2016 mit dem "IS" sympathisiert habe. Inzwischen habe er sich vom "IS" abgewandt und sympathisiere nicht mehr mit diesem. Es sei unzutreffend, dass er Anführer einer salafistischen Gruppe sei. Bei den abgehaltenen "Brudertreffen" handele es sich um Zusammenkünfte, bei denen geredet, gekocht und gesellig zusammengesessen werde. Er habe nicht dazu aufgerufen, nach Syrien auszureisen oder gar Anschläge zu planen. Auch er selbst habe nicht die Absicht gehabt, nach Syrien auszureisen. Vielmehr habe er vorgehabt, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin in die (im Grenzgebiet zu Syrien gelegene) Stadt G. umzuziehen, wo auch sein ehemaliger bester Freund wohnhaft gewesen sei. Auch liege ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK vor, da ihm in Tunesien die Todesstrafe drohe. Ferner sei zu befürchten, dass er in Tunesien wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung inhaftiert, angeklagt und menschenrechtswidrigen Haftbedingungen ausgesetzt werde.
Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Der Senat hat eine Liste von Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in Tunesien erstellt und den Beteiligten zur Kenntnis gegeben.
II
Der Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung des Antragsgegners vom 13. Juni 2017 anzuordnen, ist zulässig (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG, § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO), auch ist das Bundesverwaltungsgericht als Gericht der Hauptsache zuständig (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO). Der Antrag ist aber unbegründet. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers, bis zum Abschluss des Klageverfahrens in Deutschland zu bleiben, und dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Aufenthaltsbeendigung, überwiegt das öffentliche Interesse. An der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Abschiebungsanordnung bestehen keine ernstlichen Zweifel (1.). Zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote, die einer Abschiebung des Antragstellers nach Tunesien entgegenstehen könnten, liegen bei Beachtung der sich aus dem Tenor ergebenden Maßgaben nicht vor (2.).
1. Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen. Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - juris).
Die Abschiebungsanordnung ist bei der hier gebotenen umfassenden Prüfung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - juris Rn. 13) nicht zu beanstanden.
a) Der formellen Rechtmäßigkeit der Verfügung steht nicht entgegen, dass der Antragsteller vor Erlass der Verfügung möglicherweise nicht ordnungsgemäß angehört worden ist, denn eine Anhörung war vorliegend jedenfalls entbehrlich.
§ 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor, noch verbietet er eine solche, so dass § 28 HessVwVfG anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 28 Abs. 2 HessVwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen (Nr. 5) oder wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1). Eine Anhörung war hier zwar nicht schon nach § 28 Abs. 2 Nr. 5 HessVwVfG entbehrlich. Denn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ist keine Maßnahme allein der Verwaltungsvollstreckung im Sinne dieser Regelung. Sie birgt vielmehr materiellrechtliche Elemente eines Grundverwaltungsaktes, weil sie zugleich auch zum Erlöschen des Aufenthaltstitels (§ 51 Abs. 1 Nr. 5a AufenthG) führt, der die gesetzliche Ausreisepflicht (§ 50 Abs. 1 AufenthG) erst bewirkt. Mit ihrem Erlass wird somit in einem verkürzten Verfahren uno actu zunächst wie mit einer Ausweisung der legale Aufenthalt beendet und zugleich die Abschiebung als Vollstreckungsmaßnahme angeordnet (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 12 und vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - juris Rn. 16).
Von einer Anhörung konnte hier indes abgesehen werden, weil eine sofortige Entscheidung zumindest im öffentlichen Interesse notwendig war (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 HessVwVfG). § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen "Vorwarnung" bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Der Gesetzgeber selbst anerkennt dies in § 62 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1a AufenthG, nach dem ein Ausländer zur Sicherung der Abschiebung auf richterliche Anordnung in Haft zu nehmen ist, wenn eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG ergangen ist, diese aber nicht unmittelbar vollzogen werden kann; auch ist bei einer Abschiebungsanordnung eine freiwillige Ausreise nicht zu ermöglichen. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil von dem Antragsteller eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann (siehe näher unten). Besondere, atypische Umstände, die hier eine Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor.
b) Die Verfügung ist auch materiellrechtlich nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsanordnung ist gegenüber der Ausweisung nach den §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr.
aa) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120> = juris Rn. 17). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - juris Rn. 17).
Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind.
Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit (Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 11; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 27; Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 7; a.A. Erbslöh, NVwZ 2007, 155 <160>, wonach eine Abschiebungsanordnung nur in Fällen außergewöhnlich hoher Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts, mit dem in naher Zukunft zu rechnen ist, in Betracht kommt). In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit auf Grund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen (Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 7). Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt (s.a. Eckertz-Höfer, in: Barwig u.a.
Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - juris Rn. 18).
Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten (Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 14 f.; a.A. Bauer, in: Bergmann/Dienelt, 11. Aufl. 2016, AuslR, § 58a AufenthG Rn. 28; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 18), bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen von 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mit Hilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn auf Grund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - juris Rn. 19).
Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 29, unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 112 f.). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten "Jihad" als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht.
Für die "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen (Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 15; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 8; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 31). Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik umschlagen kann.
Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht.
Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative oder ein Beurteilungsspielraum zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3, Art. 20 Abs. 3 GG); ihr Handeln unterliegt nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle (Hailbronner, AuslR, Stand Mai 2017, § 58a AufenthG Rn. 17; Funke-Kaiser, in: GK-AufenthG, Stand Juli 2017, § 58a AufenthG Rn. 12; Bauer, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl. 2016, § 58a AufenthG Rn. 37 ff.). Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - juris Rn. 22; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 42).
bb) In Anwendung dieser Grundsätze ist davon auszugehen, dass vom Antragsteller derzeit auf Grund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG ausgeht, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan des Antragstellers zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden ist.
Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden ist der Antragsteller seit mehreren Jahren der radikal-islamistischen Szene in Deutschland zuzurechnen. Er sympathisiert offen mit der terroristischen Vereinigung sogenannter Islamischer Staat (IS), befürwortet den "Jihad" und die Gräueltaten des "IS". Er lehnt die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland ab und will eine Gesellschaft auf der Grundlage der "Scharia" errichten. Er ist seit mehreren Jahren eng in die salafistische Szene eingebunden, zunächst in M. und nach seinem Umzug in W. im Mai 2012 in die Szene des Rhein-Main-Gebietes. Innerhalb einer salafistischen Personengruppe fungierte er als Anführer und wurde am 21. Oktober 2016 zum "Emir" (arabisch: Befehlshaber oder Fürst) gewählt (Bl. 20, 39 Behördenakte). In seiner Beschuldigtenvernehmung in dem gegen ihn eingeleiteten Strafverfahren vom 1. Februar 2017 (Bl. 132 ff. Behördenakte) hat der Antragsteller eingeräumt, mit dem "IS" zu sympathisieren und zum "Emir" gewählt worden zu sein (Bl. 136 f. Behördenakte). Seit dem Februar 2017 wird der Antragsteller vom Hessischen Landeskriminalamt (HLKA) als "Gefährder" und eine Person eingestuft, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch-motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung begehen wird. Zuvor war er vom HLKA bereits als eine Person eingestuft worden, die innerhalb des extremistischen/terroristischen Spektrums die Rolle einer Führungsperson, eines Unterstützers/Logistikers oder eines Akteurs einnimmt. Der Antragsteller wird vom HLKA als eine Hauptfigur der salafistischen Szene im Rhein-Main-Gebiet angesehen (Bl. 9, 29 Behördenakte).
Nach den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden suchte der Antragsteller ab Ende 2015 verstärkt Kontakt in die salafistische Szene im Rhein-Main-Gebiet und umgab sich ab Anfang 2016 regelmäßig mit Salafisten aus dem Bereich D. und R., die einer besonders radikalen Strömung des Salafismus angehörten, (teilweise) Kontakt zu dem inzwischen verbotenen Verein "Die wahre Religion" hatten sowie an der Koran-Verteilaktion dieses Vereins (LIES!-Kampagne) beteiligt waren und gegen die wegen geplanter Ausreise nach Syrien bzw. Somalia zwecks Anschlusses an den bewaffneten Kampf strafrechtlich ermittelt wurde. An den Gruppentreffen nahm auch der jüngere Bruder des Antragstellers, N. G., teil. In einem mit diesem geführten Telefonat rät der Antragsteller seinem Bruder, nicht zurück nach M. zu den Eltern zu gehen, da diese nicht nach Koran und Sunnah lebten, sondern vielmehr wie "Kuffar" lebten und arbeiten gingen. Vielmehr solle er sich ein Beispiel an den gemeinsamen Bruder U. G. nehmen, der "die Wahrheit erkannt" habe (vgl. Bl. 37 Behördenakte). U. G. wurde Ende 2015 festgenommen, als er versuchte nach Syrien auszureisen, um sich dort dem bewaffneten Kampf anzuschließen (Bl. 29, 46, 123 Behördenakte), und im März 2017 wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteil (Bl. 245 Behördenakte). Die salafistische Gruppe um den Antragsteller herum traf sich mindestens einmal wöchentlich in unterschiedlichen Personenkonstellationen und an wechselnden Örtlichkeiten. Während der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen konnten Kontakte des Antragstellers zu anderen Personen als solchen aus der salafistischen Szene nicht festgestellt werden.
Aus den im Rahmen der Überwachung des Telekommunikationsverkehrs, des Fahrzeuginnenraums und des Telegram-Accounts des Antragstellers bekannt gewordenen Gesprächsverläufen geht die beträchtliche Radikalisierung des Antragstellers und seine Identifizierung mit der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" hervor. Anlässlich einer Fahrzeuginnenraumüberwachung am 19. Oktober 2016 wurde folgende Äußerung des Antragstellers gegenüber einer unbekannten männlichen Person (Bl. 36 f. Behördenakte) festgestellt:
"...dass Allah die unwissenden Muslime, die auf der falschen Seite [nicht auf Seiten des IS] stehen und somit Unglauben begehen, entschuldigen würde. Wer jedoch erkennt, dass man auf der falschen Seite steht, sich nicht lossagt und weiter kämpft, kommt in die Hölle. Deswegen seien auch die besten Kampfgruppen, die Gottesfürchtigen zum 'Islamischen Staat' übergetreten."
In einem Telefonat am 24. Oktober 2016 mit V. V. (Bl. 37 Behördenakte) berichtete der Antragsteller, dass seine eigene Familie auf Grund seiner Radikalität gegen ihn sei und versuche, den nach D. gezogenen Bruder (N.) wieder nach M. zurückzuholen. Außerdem sind folgende Äußerungen des Antragstellers belegt:
In einem Gespräch mit seiner Lebensgefährtin über den Islam und den Nutzen des "Jihads" äußerte er, dass die Rebellion der Moslems in Syrien gut sei, auch wenn dadurch viele Moslems ums Leben kämen. Für Moslems sei es schlimmer in diesem Regime den "Shirk" [Polytheismus] aufgezwungen zu bekommen, als durch die Rebellion zu sterben. Allah hätte die Moslems zum "Jihad" aufgerufen. Auch wenn einige Moslems im "Jihad" stürben, sei er in Wahrheit Leben. Leute, die vom "Jihad" abrieten, seien Heuchler und Verräter des Islam (Fahrzeuginnenraumüberwachung am 15. Dezember 2016, Bl. 39 Behördenakte). In einem anlässlich der Fahrzeuginnenraumüberwachung am 22. Dezember 2016 dokumentierten Gespräch äußerte der Antragsteller, dass er die Deutschen hasse und sie für dreckige Nazis halte. (Bl. 39 Behördenakte).
Er äußerte weiterhin gegenüber einer unbekannten männlichen Person, "dass man kaputt gemacht wird, wenn man für den IS wirbt" und ferner: "nicht die Leute nach Syrien zu bringen, ist strafbar. Erst wenn sie die Absicht haben, dort zu kämpfen, ist es strafbar". D. D. und "Lies!" hätten Fehler gemacht und deswegen Ärger mit dem Staat bekommen. "Und wir werden keine Fehler machen ... Bist du für den IS, wollen die dich kaputt machen. Und D. E. [Anführer des 'IS'], selber, unser Khalif ..." (Fahrzeuginnenraumüberwachung am 26. Dezember 2016, Bl. 39 Behördenakte).
In einem Gespräch mit seiner Lebensgefährtin äußerte der Antragsteller, dass Allah jeden vernichten solle, der nicht an die "Scharia" glaube (Fahrzeuginnenraumüberwachung am 3. Januar 2017, Bl. 40 Behördenakte).
Diesen Äußerungen ist besonderes Gewicht beizumessen, weil der Antragsteller offenbar mit der Überwachung des Telefonverkehrs rechnete (siehe Bl. 40 Behördenakte).
In Telegram-Chats tauschte der Antragsteller unter anderem mit weiteren Personen seiner Gruppierung radikale Schriftstücke, wie "Die rechtgeleiteten Kalifen" aus, in denen die Legitimität des D. E. (Anführer des "IS") thematisiert wird (Bl. 40 Behördenakte).
Auch die aufgefundenen Profilbilder des Antragstellers bei Telegram (Bl. 40, 41 f., 116 Behördenakte) dokumentieren, dass er überzeugter Anhänger der "IS"-Ideologie ist. Die ersten beiden Profilbilder zeigen die Buchstaben "IS" und stehen somit für den "Islamischen Staat" (ohne die Voraussetzungen der offiziellen und verbotenen Symbolik zu erfüllen). Auf Grund dieses Umstandes und seiner Äußerung vom 26. Dezember 2016 ("D. E. selber, unser Khalif ...") ist davon auszugehen, dass sich der Antragsteller als Kämpfer bzw. Angehöriger des "Islamischen Staates" versteht und nicht lediglich mit ihm sympathisiert. Auch das dritte aufgefundene Profilbild, das einen Löwen zeigt, legt diese Deutung nahe, denn die Löwen-Metaphorik ist Bestandteil des Selbstverständnisses islamistisch Militanter (vgl. HLKA, Islamwissenschaftliche Stellungnahme vom 14. Februar 2017, Bl. 89 Behördenakte).
Ferner wurde im Rahmen der Telekommunikations- und Fahrzeuginnenraumüberwachung festgestellt, dass der Antragsteller regelmäßig radikale Naschids hörte, die zum gewaltsamen "Jihad" gegen die "Ungläubigen" aufrufen und den "Islamischen Staat" verherrlichen. So wird in den Liedtexten dem "IS" gehuldigt, ein Leben nach Vorgaben der "Scharia" glorifiziert und das Töten Andersdenkender gerechtfertigt. Auch hörte der Antragsteller Lieder, die den Treueschwur auf D. E. und somit auf den "IS" beinhalteten (vgl. Bl. 79 ff. Behördenakte). Bei der Fahrzeuginnenraumüberwachung am 30. März 2017 wurde festgestellt, dass der Antragsteller folgenden Naschid mitsang: "Oh ihr Leute des Islam und Tawheed ... Zieht eure Schwerter von ihren Plätzen und die Ungläubigen von den Wurzeln auszureißen ...". Die Fahrzeuginnenraumüberwachung ergab des Weiteren, dass der Antragsteller am 12. Februar 2017 (Bl. 85 Behördenakte) einen Beitrag über den "IS" (vermutlich von dem Radiosender "al-Bayan", den offiziellen "IS"-Nachrichtensender) hörte, in dem unter anderem sinngemäß ausgeführt wurde, dass die Einweihung eines Kalifen die Pflicht des islamischen Rechts sei. Das Ausleben der Demokratie und eines muslimischen Systems sei nicht vereinbar. Angehörigen des "IS" sei es also genehmigt, jeden zu töten, der das Kalifat ablehne. In weiteren vom Antragsteller angehörten Beiträgen des "IS" ruft dieser zum Mord an mehreren aus arabischen Ländern stammenden Gelehrten auf, die mittels Erschießung oder Enthauptung eliminiert werden sollten (Fahrzeuginnenraumüberwachung am 14. Februar 2017, Bl. 85 Behördenakte).
Am 13. März 2017 (Fahrzeuginnenraumüberwachung, Bl. 86 Behördenakte) hörte der Antragsteller eine arabische Audioquelle, worin der Redner die "Mudschahedin" (Personen, die den Islam verbreiten/verteidigen) in Syrien aufruft, ihre Waffen gegen die syrische Armee und "Sahawat" (Gruppen des Erwachens) zu richten. Diejenigen, die diesen Aufruf nicht befolgten, würden enthauptet und deren Häuser zerstört. Ferner lobte der Redner die Attacken auf der Sinai-Halbinsel gegen die Hüter von Israel. Dies sei der richtige Weg. Man solle sie enthaupten und vertreiben. Ferner richtete er einen Aufruf an Tunesier, denselben Weg einzuschlagen, wie die Kämpfer auf den Sinai (Bl. 86 Behördenakte).
Die Auswertung des Smartphones des Antragstellers ergab, dass der Antragsteller in zwei Chats (Bl. 61 ff. Behördenakte) die Demokratie und den Rechtsstaat aus Glaubensgründen ablehnt. In einem Chat mit "... Moschee B." äußerte er unter anderem: "Ich bekenne mich zu Allah alleine und seinen Gesetzen und ich bin ungläubig mit der Demokratie und dem Grundgesetz. Möge Allah die Muslime vor dieser Verschwörung schützen ...". Auch gab er seinem Hass auf die Bundesrepublik Deutschland und dessen Institutionen unter anderem der Polizei, die er als "Hunde" bezeichnete, mehrfach Ausdruck (z.B. Telefonat vom 24. Januar 2014, Bl. 83 Behördenakte). In einem weiteren Chat äußert er, dass es für ihn einen Islam ohne "Scharia" und ohne "Jihad" nicht gebe.
Das Notebook des Antragstellers enthält (Bl. 48 ff., 54 Behördenakte) zahlreiche Dateien, die die radikale-islamische Einstellung des Antragstellers belegen. So wurden zahlreiche Publikationen in PDF-Format gefunden, z.B.: "Das Buch des Jihad", Ausgabe des "Dabiq" (monatlich erscheinendes Online-Magazin des "IS") und eine Ausgabe des "Rumiyah Issue 1" (des "IS"-Propaganda-Magazins). Das Magazin "Rumiyah" veröffentlichte im November 2016 eine detaillierte Anleitung für die Begehung eines Anschlags mittels LKW. Der Umfang der ermittelten einschlägigen Dokumente zeigt, dass der Antragsteller der Ideologie des "IS" stark verhaftet ist und die von diesen verübten Gräueltaten gutheißt. Seine Behauptung, er habe die Dateien gespeichert, "um sich zu bilden" und mehr über den "IS" zu erfahren, ist angesichts der Fülle des Materials und der wiederholten Sympathiekundgebungen des Antragstellers für den "IS" unglaubhaft; der Antragsteller hat selbst gegenüber seinem Bruder N. ausgeführt, dass es zum Islam gehöre, gegen eine List der "Kuffer" selbst eine List zu schmieden (Bl. 82 Behördenakte), und dadurch deutlich gemacht, dass er aus Glaubensgründen zu "List" zu greifen hat. Auch die Vielzahl der auf dem PC aufgefundenen Hinrichtungsvideos (Bl. 57 ff., 218 ff. Behördenakte), die unter anderem grausame Enthauptungen, Kampfeinsätze, Explosionen und Bombardierungen zeigen, belegen, dass sich der Antragsteller nicht nur über den "IS" informieren wollte, sondern sich mit radikalen Islamisten und deren Gewalt- und Tötungsbereitschaft identifiziert und deren menschenverachtendes Handeln gutheißt.
Die radikal-islamische Überzeugung des Antragstellers kommt ferner darin zum Ausdruck, dass er am 25. März 2016 in H. und am 6. Mai 2016 in K. an "Islam-Seminaren" des D. D. D. D. (alias "D. Z.") teilnahm (Bl. 152 Behördenakte). Der irakische Staatsangehörige Abdullah ist bundesweit als sogenannter Hassprediger bekannt. Ziel des von ihm angeführten Netzwerks war es, Personen zu radikalisieren, um sie dann zum "IS" ins Kriegsgebiet in Syrien zu schicken. Der Generalbundesanwalt vollstreckte im November 2016 gegen ihn ("D. Z.)" und fünf weitere Beschuldigte Untersuchungshaftbeschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs wegen des Verdachts der engen Beziehung, Unterstützung und Werbung für eine terroristische Vereinigung im Ausland ("IS"); zwischenzeitlich hat die Bundesanwaltschaft Anklage gegen ihn erhoben. Zu den Teilnehmern seiner Seminare zählten etliche islamistische Gefährder unter anderem der späterer Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri. Darüber hinaus nahm der Antragsteller im 24. Dezember 2016 in Emsdetten gemeinsam mit seinem Bruder N. an einem überregionalen Salafistentreffen mit dem bekannten Prediger "V." D. U. (Bl. 45, 122 Behördenakte) teil, der im Zusammenhang mit der zwischenzeitlich verbotenen Vereinigung "DawaFFM" bekannt ist (auch der Frankfurter Flughafen-Attentäter, Arid Uka, der nach 2011 zwei US-Soldaten erschoss, war in Kontakt mit der Propaganda dieser Gruppe gekommen). Der Antragsteller hat sich angesichts des Reiseaufwandes erkennbar gezielt in Zusammenhänge begeben, in denen radikalen Worten zumindest bei Dritten auch Taten gefolgt sind. Nach den Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (Bl. 245 Behördenakte) nahm der Antragsteller ferner am 7. November 2015 an einer Vortragsveranstaltung des radikal-salafistischen Predigers D. E. teil.
Für eine beachtliche Radikalisierung des Antragstellers spricht zudem, dass er nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in mindestens einer D.er Moschee ("...-Moschee") Hausverbot erhielt. Am 13. November 2015 kam es zu einem Streit, in dessen Verlauf der Antragsteller sich zu den Zielen des "IS" bekannte (Bl. 19, 45 Behördenakte). Darauf, ob der Antragsteller, was er bestreitet (Schriftsatz vom 25. Juli 2017, S. 3), auch in der D.er "...-Moschee" Hausverbot erhielt, nachdem er nach einem Streit mit dem Iman äußerte: "In Syrien hätte der 'IS' Euch schon längst den Kopf abgeschnitten", kommt es nicht entscheidungserheblich an. Denn bereits der bundesweite Besuch radikal-extremistischer Islamseminare und das Hausverbot in der "...-Moschee" im Zusammenhang mit den bei der Telekommunikationsüberwachung festgestellten Äußerungen des Antragstellers zeigen, dass bei ihm eine extreme Radikalisierung und Identifizierung mit der gerade nicht auf religiöse Überzeugungen und Meinungen beschränkten, sondern auch gewaltbereiten, handlungsorientierten "IS"-Ideologie vorliegt, die eine Abgrenzung von anderen Muslimen und deren Bezeichnung als "Ungläubige" einschließt.
Im näheren Umfeld des Antragstellers ist es nicht bei folgenlosem Innehaben von Meinungen und Überzeugung geblieben. Vielmehr wurden verstärkt Personen festgestellt, die eine Ausreise in Kampfgebiete geplant hatten. Neben seinem Bruder N. G. zählen hierzu E. D. und V. K. (Bl. 43 Behördenakte). Der Antragsteller hatte nach den nicht substantiiert bestrittenen Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (Bl. 244 f. Behördenakte) auch nach seinem Umzug nach Wiesbaden weiterhin Kontakt zur M.er Salafisten-Szene und seit spätestens Anfang des Jahres 2015 eine ideologisch führende Funktion innerhalb der salafistischen Gruppe in M. inne. Im Rahmen der gemeinsamen Teilnahme an bundesweiten Seminaren radikaler Salafisten-Prediger und an Chat-Diskussionen sowie im Rahmen persönlicher Treffen versuchte er, die ideologische Festigung einzelner Gruppenmitglieder voranzutreiben. Zu den salafistischen Kontakten in M. zählten unter anderem I. I. und H. N., die beide wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ausgewiesen wurden, sowie der Syrienrückkehrer V. D. Zu den M.er Kontaktpersonen des Antragstellers zählte außerdem J. S., gegen den die Staatsanwaltschaft M. ein Ermittlungsverfahren nach § 89a StGB führt, da sich dieser derzeit in Syrien oder Irak aufhält und der Verdacht besteht, dass er an Kampfhandlungen teilnimmt. S. wird von den bayerischen Sicherheitsbehörden als eine Person eingestuft, die Kontakte zu Personen des salafistischen Spektrums in M. und bundesweit unterhielt und als Anwerber für den "IS" tätig war. Bei der Durchsuchung der Wohnung des Antragstellers am 17. Februar 2016 im Rahmen eines gegen S. durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde sein Smartphone sichergestellt und ausgewertet. Hierbei wurde ein Telegram-Gruppenchat festgestellt, dessen Administrator der Antragsteller war. Der Chat-Gruppe gehörten neben dem Antragsteller und S. zwölf weitere Personen an, unter anderem I. I., H. N. und I. Z. Letzterem warf der Antragsteller vor, aus der Schlacht geflohen zu sein. Gegenüber H. N. trat er in einem Chat wie ein Lehrer auf und äußerte diesem gegenüber, dass I. Z. und V. D. das Fliehen aus der Schlacht zum Vorwurf zu machen sei. Beide waren zum "IS" bzw. in eine türkische Grenzstadt ausgereist, jedoch wieder nach Deutschland zurückgekehrt (Bl. 176 Behördenakte). Den Chats zufolge hatte der Antragsteller sich auch weiterhin positiv über den "IS" geäußert, "IS"-Propaganda (Internetseite "Niwelt", Online-Ausgabe von "Dabiq") abonniert und diese den Chatteilnehmern zur Lektüre empfohlen (Bl. 176 f. Behördenakte). Die Anhängerschaft des Antragstellers an die jihadistische Ausrichtung des Salafismus zeigt sich auch darin, dass er in einem längeren Chatbeitrag die Teilnahme am bewaffneten "Jihad" als verpflichtend erklärte ("Über den Befehl des Jihads gegen die Ungläubigen und seine Verfügung und die ernste Warnung an jene, die den Jihad nicht praktizieren" ..., Bl. 171 Behördenakte).
Im Rahmen des gegen S. durchgeführten Ermittlungsverfahrens gab der Zeuge R. J. an (Bl. 184 ff. Behördenakte), dass der Antragsteller starken Einfluss auf ihn gehabt habe; er habe ihn in Bezug auf den "IS" und "Jihad" überzeugt. Der Antragsteller habe ihm gesagt, dass der "IS" die höchste Stufe sei und dass er sich danach sehne, daran teilzunehmen (Bl. 187 Behördenakte). Auch auf andere Jugendliche habe er Einfluss ausgeübt und auch diese vom "Jihad" überzeugt. Der Antragsteller habe gesagt, dass es eine Verpflichtung sei, in den "Jihad" zu gehen, und habe die Personen, die ausreisen wollten, zu sich in die Wohnung eingeladen. Hierbei habe er unter anderem Videos einer Gruppe von Personen gezeigt, die aus einem Auto heraus Schiiten erschossen. Wie der Zeuge bekundete, vermittelte der Antragsteller Kontakte für Ausreisewillige und begründete dies damit, dass Selbstmordattentate im Islam gerechtfertigt seien.
Soweit der Antragsteller die Glaubhaftigkeit dieser Bekundung in Zweifel zieht, da er - der Antragsteller - auf Grund seines Umzugs nach W. im Jahr 2012 an den von dem Zeugen behaupteten Treffen überhaupt nicht hätte teilnehmen können, vermag dies nicht zu überzeugen. Denn ausweislich der Behördenakte hatte der Antragsteller eine hohe Mobilität auch insoweit gezeigt, als er bundesweit Islam-Seminare besuchte. Ein Bericht der bayerischen Polizei vom 26. Juli 2016 (Bl. 165 ff.; s.a. Bl. 244: Erkenntnismitteilung des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz vom 9. Mai 2017), dem der Antragsteller nicht substantiiert entgegengetreten ist, weist auch für die Zeit nach dem Umzug auf Kontakte nach und Aufenthalte in M.; so wurde er am 29. Juli 2014 im M. mit J. S. kontrolliert. Außerdem bekundete der Zeuge, dass er den Antragsteller nicht nur persönlich gesprochen, sondern auch Kontakt über Skype gehabt habe (Bl. 188 Behördenakte), so dass die von dem Zeugen beschriebene Einflussnahme auch auf anderem Wege erfolgte. Soweit der Antragsteller des Weiteren die Angabe des Zeugen, dass er und der Antragsteller 2013 ausgemacht hätten, nach Syrien zu gehen, deshalb als unglaubhaft bezeichnet, weil es 2013 den "IS" in Syrien noch nicht gegeben habe, vermag auch dies nicht die Zeugenaussage in Zweifel zu ziehen. Denn der ursprünglich im Irak entstandene "Islamische Staat" ist seit mindestens 2012 auch in Syrien aktiv (vgl. "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 19. August 2017, S. 2).
In einem Telegram-Chat vom 26. November 2015 äußerte sich der Antragsteller dahin, dass das Blutvergießen von "Ungläubigen" (Kuffar) gerechtfertigt sei: "Es gibt keine Sühne noch muss Blutgeld für einen getöteten Kafir gezahlt werden, der keinen Schutzvertrag besitzt, da sein Blut im Allgemeinen erlaubt ist (zu vergießen) wie ein Schwein" (Bl. 167, 170 Behördenakte). Den radikalisierenden Einfluss des Antragstellers belegt ferner ein Chat vom 10. Februar 2016 (Bl. 264 Behördenakte), in dem sich ein Gruppenmitglied wie folgt äußerte: "... selbst mir gibt man keinen Salam mehr seit ich durch Bruder R. (der Antragsteller) eine Änderung meiner Beziehung zu vielen Muslimen in meiner Umgebung vorgenommen habe". Zudem hatte der Antragsteller nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden (Bl. 122 Behördenakte) Kontakt zu einem polizeibekannten Organisator von "Hilfstransporten" nach Syrien, P. W. E., der sich wegen des dringenden Tatverdachts einer Straftat nach § 129a, b StGB in Untersuchungshaft befindet (Bl. 122 Behördenakte).
Die oben aufgeführten Tatsachen belegen, dass der Antragsteller nicht nur überzeugter Anhänger des "IS" und der jihadistischen Ausrichtung des Salafismus ist, sondern vielmehr auch durch aktive Handlungen versuchte, Dritte zu radikalisieren und diese zur Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung anzuwerben, sei es durch die Ausreise in sogenannte "Jihad"-Gebiete oder durch Anschläge in Deutschland. Nach vom Polizeipräsidium M. im Mai 2017 ermittelten Erkenntnissen (Bl. 253 ff. Behördenakte) wurden in einem Telegram-Chat folgende Äußerungen des Antragstellers festgestellt, die die militante/gewaltbereite Auslegung des Islam seitens des Antragstellers belegen. In einem Chat am 6. Februar 2016 zitierte er aus einem Buch der "Hizb Al Tahrir": "Wenn zwei Kalifen die Baica geleistet wird, so tötet den Zweiten von ihnen!" ... und "Wer zu euch kommt, wenn ihr vereint hinter einem Manne steht, und versucht, eure Einheit zu spalten oder eure Gemeinschaft zu zersplittern, so tötet ihn !" (Bl. 255 Behördenakte). Am 7. Februar 2017 forderte der Antragsteller indirekt zur Tötung gemäßigter islamischen Prediger auf, indem er äußerte: "Was wäre das für eine schöne Nachricht, wenn dieser fette Hobbit namens U. getötet wird. Er hat vor eineinhalb Jahren in Mekka die Kuffar dazu aufgerufen die Dawlah zu bekämpfen" (Bl. 258 Behördenakte). In einem Chat vom 11. Februar 2016 (Bl. 265 f. Behördenakte) setzt sich der Antragsteller mit den "Kuffr"-Aussagen des S. Y. auseinander, wonach dieser das Töten von Zivilisten für nicht gerechtfertigt ansieht, und widerspricht dem mit folgender Aussage: "... auch sagt er (S. Y.), dass Terror (Schrecken) nicht mit dem Islam zu tun hat, obwohl Allah explizit das Wort Schrecken erwähnt im Quran". Im Zusammenhang mit Waffenlieferungen nach Syrien und der Unterstützung der Peschmerga äußerte ein Chat-Teilnehmer am 12. Februar 2016 (Bl. 267 Behördenakte) den Wunsch, dass Allah den "deutschen Hunden" einen schmerzhaften Tod geben möge. Dies bestätigte der Antragsteller mit dem Wort "amin" (arabisch: Amen, so möge es Allah annehmen und geschehen lassen).
Nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden plante der Antragsteller auch selbst eine Ausreise nach Syrien. Er bot im August 2013 seinen PKW zum Kauf an und äußerte gegenüber dem Kaufinteressenten, dass er sich entschieden habe, auszureisen, und auch noch andere Sachen verkaufen wolle, um Geld für die Reise zu erhalten. Im Juni 2014 buchten er und seine Lebensgefährtin Flüge nach G., einer türkischen Stadt nahe der Grenze zu Syrien, über die in der Vergangenheit Jihadisten nach Syrien weitergereist sind. Der Antragsteller bestreitet zwar, eine Ausreise nach Syrien beabsichtigt zu haben. Er habe in G. einen guten Freund und habe gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin ebenfalls dorthin umziehen wollen. Dies sieht der Senat indes nicht als glaubhaft an. Denn nach der glaubhaften Bekundung des Zeugen R. J. (Bl. 188 Behördenakte) hatten er und der Antragsteller die Absicht, im Sommer 2013 gemeinsam nach Syrien auszureisen, um dort in den "Jihad" zu gehen. Im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen einer Körperverletzung anlässlich eines familiären Streites wurde Ende 2014 ebenfalls bekannt, dass der Antragsteller beabsichtigte, gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin nach Syrien auszureisen.
Angesichts der von den Sicherheitsbehörden gesammelten, umfangreichen Erkenntnisse hält es der Senat hier für hinreichend wahrscheinlich, dass der Antragsteller seinen über einen langen Zeitraum gebildeten und bekundeten Überzeugungen auch Taten folgen lässt und einen - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag in Deutschland begeht. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation kann sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen. Soweit der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren nunmehr vorträgt, er habe sich von den Terroristen, die Anschläge auf unschuldige Menschen verübten, losgesagt und verurteile diese Taten, wertet der Senat dies als bloße Schutzbehauptung. Dem widersprechen die langjährige und enge Einbindung des Antragstellers in die radikal-islamistische, salafistische Szene, in der er zumindest zuletzt im Rhein-Main-Gebiet auch eine hervorgehobene Funktion als "Emir" innehatte. Auch belegen die zahlreichen festgestellten Äußerungen des Antragstellers aus jüngerer Zeit, dass er nicht nur offen mit dem "IS" sympathisiert und den "Jihad" verherrlicht, sondern auch für eine Beteiligung an diesem geworben und andere Personen weiter radikalisiert hat. Noch in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 1. Februar 2017 hat der Antragsteller zugegeben, mit dem "IS" zu sympathisieren. Wenn er nunmehr behauptet, terroristische Anschläge auf Unschuldige zu verurteilen, steht dies hierzu und zu seinen zahlreichen, die militante Auslegung des Islams befürwortenden Äußerungen in Widerspruch. Zudem hat er nicht dargelegt und glaubhaft gemacht, was zur Änderung seiner inneren Einstellung geführt haben könnte, und er hat bei seinen umfangreichen persönlichen Äußerungen aus der Abschiebehaft immer wieder auch die Notwendigkeit einer solchen Änderungen in Abrede gestellt, wenn er die aus seiner Sicht fehlenden Beweise für die gegen ihn gerichteten Vorwürfe kritisiert.
Die Gesamtschau der den Antragsteller betreffenden Erkenntnisse ergibt, dass es sich bei ihm um eine Person handelt, die der radikal-islamistischen Szene salafistischer Ausrichtung angehört, offen mit dem "IS" sympathisiert und sich für dessen Ziele einsetzt. Der Antragsteller befürwortet eine militante, gewaltbereite Auslegung des Islams sowie den "Jihad" und hält den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung der "Scharia" für gerechtfertigt. Aus der Aussage des Antragstellers: "Und D. E. selber, unser Khalif ..." geht seine hohe Identifikation mit dem "IS" und seinen Zielen hervor. Weitere Aussagen des Antragstellers belegen zudem, dass er die Teilnahme am "Jihad" als verpflichtend ansieht. Zwar ist er selbst bisher noch nicht in sogenannte "Jihad"-Gebiete ausgereist; er hatte dies indes beabsichtigt und bei anderen Personen für eine Beteiligung am "Jihad" geworben sowie deren vorzeitige Rückkehr aus den Kampfgebieten stark kritisiert. Er verfügt über zahlreiche und enge Kontakte zu anderen Salafisten und hatte unter einigen von diesen die Stellung einer Führungsperson ("Emir") inne, die er dazu nutzte, andere Personen weiter zu radikalisieren. Er förderte durch das Verbreiten salafistischer Ansichten und Propaganda deren Bereitschaft, in den "Jihad" zu ziehen und "Ungläubige" zu töten. Selbst seinen eigenen Bruder versuchte er, dem mäßigenden Einfluss seiner Eltern zu entziehen und ihn zu radikalisieren. Ausweislich der dokumentierten Gespräche und der vorliegenden Zeugenaussagen hat der Antragsteller nicht lediglich seine extreme ideologische Überzeugung nach außen getragen und seine Ablehnung der westlichen Werte zum Ausdruck gebracht. Vielmehr hat er die aus seiner Überzeugung folgende Handlungsorientierung dadurch bereits betätigt, dass er für die jihadistische Ausrichtung des Salafismus sowie für die Begehung von Gewalttaten im Namen des Islam geworben und so auch deutlich gemacht, dass der Glaube für ihn auch den kämpferischen Einsatz selbst fordert. Auf Grund dieses Umstandes sowie der bei dem Antragsteller festgestellten ausgeprägten radikal-islamischen Überzeugung, die für die Gestaltung seiner Sozialkontakte und den werbenden Aktivitäten auch handlungsleitend geworden ist, der offenkundigen Identifikation mit der menschenverachtenden, auf aktiv-kämpferische Umsetzung angelegten Ideologie des sogenannten "Islamischen Staates" und des Umstandes, dass er die Teilnahme am "Jihad" als verpflichtend ansieht, besteht hier auch bei der gebotenen Gesamtschau ein beachtliches Risiko, dass der Antragsteller selbst terroristische Handlungen begehen könnte. Dass radikale Islamisten, die andere Personen radikalisieren und sie zur Ausreise in sogenannte "Jihad"-Gebiete anwerben, auch selbst zum Attentäter werden können, belegen insbesondere die Umstände der Attentate am 17. August 2017 in Barcelona und Umgebung. Der marokkanische Imam H. V., der der "geistige Anstifter" der jungen Attentäter war und im Zusammenhang mit der Anwerbung von Männern für den sogenannten "Jihad" im Irak stand, hat sich später selbst an der Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags beteiligt (vgl. "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom 21. August 2017, S. 3 und vom 23. August 2017, S. 2).
Bei der Bewertung der vom Antragsteller ausgehenden Gefahren sind auch der massenhafte Konsum von "IS"-Propaganda und grausamer Hinrichtungsvideos sowie das Hören und Mitsingen von Naschids (Kampfgesänge), die den Treueschwur auf D. E. beinhalten und in denen der "IS" und dessen Anführer al-Baghdadi glorifiziert werden. Die Behauptung, er könne diese mangels ausreichender arabischer Sprachkenntnisse nicht vollständig verstehen, ist schon deshalb unglaubhaft, weil er in einem Lebenslauf die arabische Sprache (neben deutsch) als seine Muttersprache bezeichnet hat (zudem fungierte er wohl innerhalb seiner Gruppe als Übersetzer). Der Antragsteller behauptet auch von sich selbst "gefährliches Wissen" zu verbreiten, so ist folgende Äußerung des Antragstellers gegenüber seiner Lebensgefährtin dokumentiert: "Glaub mir, das ist echt gefährlich. Z., ich bin eine Nadel in jedem Hals. Das was ich verbreite ist so was von gefährliches Wissen ... wenn die Muslime das ausführen würden" (Bl. 38, 81 Behördenakte). Diese Äußerung ist für sich genommen zwar nicht sonderlich aussagekräftig, gewinnt aber durch die Versuche des Antragstellers an Gewicht, sie zu relativieren. Soweit der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren zunächst behauptet hat, "mit gefährlichem Wissen" nur "geheimes, wichtiges und gewaltiges Wissen über Politik, Wirtschaft, Psychologie, Religion usw." gemeint zu haben, ist schon dies vor dem Hintergrund der zahlreichen belegten Äußerungen des Antragstellers, die den Hass auf "Ungläubige" und den Einsatz von Gewalt gegen diese legitimieren, unglaubhaft. Zudem verstrickt er sich selbst in Widersprüche, indem er in einem späteren Schriftsatz vorträgt, es sei in den besagten Gesprächen um einen Traum und dessen Deutung gegangen. Die Gefährlichkeit des Antragstellers kommt ferner in dem konspirativen und auf Geheimhaltung gerichteten Vorgehen des Antragstellers zum Ausdruck. So wurden bei den Treffen der salafistischen Gruppe, die der Antragsteller anführte, die Handys eingesammelt, um ein Abhören derselben zu verhindern. Auch dies ist als solches legitim und rechtfertigte für sich allein keine dem Antragsteller nachteilige Deutung; diese folgt dann aber aus den hierfür vom Antragsteller gegebenen Erklärungsversuchen. Auch gab der Antragsteller seiner Sorge Ausdruck, dass Gesprächsinhalte nach außen dringen könnten, und wies am 7. Februar 2016 in einem Chat darauf hin, dass man vorsichtig sein, es aber nicht übertreiben solle (Bl. 261 Behördenakte), worauf eine Kontaktperson des Antragstellers (S.) sinngemäß postete (Bl. 262 Behördenakte), dass, "wer Anschläge plane, Internet, PC und Handy komplett vermeiden solle".
In der Gesamtschau ist hier nicht lediglich vom Vorliegen einer verfestigten, innerlich unbedingt verpflichtenden extremen ideologischen Überzeugung bei dem Antragsteller auszugehen, sondern von einer in relevantem Umfang erhöhten Bereitschaft, seine salafistische Überzeugung durch gewaltsame oder terroristische Methoden in die Tat umzusetzen und so eine Glaubensüberzeugung auch entsprechend seiner Anleitungsfunktion auch "auszuleben". Das Risiko eines terroristischen Anschlags durch den Antragsteller ist auch nicht durch dessen Zusammenleben mit seiner ihm nach islamischem Ritus angetrauten Lebensgefährtin oder sonstige Umstände verringert. Es ist nicht erkennbar und wird auch nicht behauptet, dass die Lebensgefährtin einen mäßigenden Einfluss auf ihn hat. Ein mäßigender Einfluss von den (nicht radikalisierten) Mitgliedern der Familie des Antragstellers ist ebenfalls nicht zu erwarten, da er sich von diesen bewusst distanziert hat.
cc) Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, ist sie mit den sich hieraus ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.
Insbesondere musste dem Antragsteller keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt werden, da von ihm eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und die nationale Sicherheit ausgeht (Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG). Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht bei unterstellter Anwendbarkeit der Richtlinie 2008/115/EG auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner unter Ziffer III. des angegriffenen Bescheids ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet hat (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17). Die Regelung in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, stünde dann zwar nicht im Einklang mit Art. 11 Abs. 2 Richtlinie 2008/115/EG. Denn danach bedarf ein mit einer Rückkehrentscheidung einhergehendes Einreiseverbot immer einer Einzelfallentscheidung zu seiner Dauer. Diese unionsrechtliche Vorgabe hätte im Falle ihrer Anwendbarkeit zur Folge, dass bei einer Abschiebungsanordnung allein durch eine Abschiebung ohne eine solche Einzelfallentscheidung kein Einreise- und Aufenthaltsverbot entstehen würde. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des Einreiseverbots würde indes nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da es sich hierbei um eine eigenständige und selbstständig anfechtbare Entscheidung zu den Rechtsfolgen einer vollzogenen Abschiebungsanordnung handelt. Die hiermit verbundenen Fragen des nationalen und des Unionsrechts können hier mithin offenbleiben.
dd) Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht ermessensfehlerhaft und genügt dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Antragsgegner dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der vom Antragsteller ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>; Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 96, 132). Der Antragsgegner hat bei seiner Entscheidung gewürdigt, dass sich der Antragsteller seit seinem achten Lebensjahr im Bundesgebiet aufhält und im Besitz einer Niederlassungserlaubnis ist. Er ist hier zur Schule gegangen und beherrscht die deutsche Sprache. Außerdem leben seine ihm nach islamischem Ritus angetraute Lebensgefährtin sowie seine Familie in Deutschland. Allerdings gelang ihm allenfalls eine partielle Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse, da er auf Grund seiner ideologischen Einstellung die hier gültige Gesellschaftsordnung und die staatlichen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland ablehnt und mit Hilfe der von ihm vertretenen salafistischen Weltanschauung zu überwinden trachtet. Seine sozialen Kontakte beschränken sich auf Personen, die ebenfalls Teil der radikal-islamistischen Szene sind; mit dem Teil seiner Familie, der seine radikal-islamistischen Einstellung ablehnt, hat der Antragsteller gebrochen. Der Antragsgegner ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass die nach islamischem Ritus geschlossene Ehe nicht dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfällt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2009 - 1 C 40.07 - BVerwGE 133, 72 Rn. 16). Auch ist dem Antragsteller eine Integration in die Lebensverhältnisse seines Herkunftslandes zumutbar, in dem er bis zu seinem achten Lebensjahr lebte, zumal er (ausweislich der Angaben zu seinem Einbürgerungsantrag, Bl. 434 Behördenakte) über arabische Sprachkenntnisse verfügt.
2. Dem Vollzug der Abschiebungsanordnung stehen auch keine zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote entgegen, sofern die sich aus dem Tenor ergebenden Zusicherungen erteilt werden. Das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG steht dem Erlass einer Abschiebungsanordnung nicht entgegen. Es führt aber dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat abgeschoben werden darf (§ 58a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung). Aus diesem Grund hat die zuständige Behörde beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder als subsidiär Schutzberechtigter (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG.
a) Der Umstand, dass der Antragsteller im Jahr 1996 gemäß § 26 AsylVfG (Familienasyl) als Asylberechtigter anerkannt wurde, weil seinem Vater als Unterstützer der oppositionellen, gemäßigten islamistischen Ennahda-Bewegung in Tunesien Verfolgung drohte, steht dem Vollzug der Abschiebungsanordnung nicht entgegen. Zwar dürfen gemäß § 60 Abs. 1 Satz 1 und 2 AufenthG Asylberechtigte, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde, nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit wegen ihrer politischen Überzeugung bedroht ist. Nach § 60 Abs. 8 AufenthG findet - in Umsetzung der Ausnahme vom Refoulement-Verbot des Art. 33 der Genfer Flüchtlingskonvention und in Einklang mit Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU - § 60 Abs. 1 AufenthG unter anderem keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist. Hiervon ist auszugehen, wenn es - wie hier - hinreichend wahrscheinlich ist, dass von dem Ausländer eine terroristische Gefahr ausgeht. Unabhängig hiervon droht dem Antragsteller selbst (als Familienangehörigen eines Asylberechtigten) keine politische Verfolgung in Tunesien auf Grund einer Unterstützung der Ennahda-Bewegung, zumal sich seit der Revolution im Januar 2011 eine vielfältige Parteienlandschaft in Tunesien herausgebildet hat und die zuvor verbotene Ennahda-Bewegung aus den Wahlen zur Verfassungsgebenden Versammlung im Oktober 2011 als stärkste Partei hervorging (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 3. Februar 2016, S. 8) und gegenwärtig auch an der "Regierung der nationalen Einheit" beteiligt ist (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 6).
b) Die vom Antragsteller angesprochene Gefahr der Todesstrafe besteht hier nicht mit entscheidungserheblicher Wahrscheinlichkeit. Die Gefahr einer Todesstrafe ist dann zu beachten, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidung konkrete und ernsthafte Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Betroffene individuell von der Todesstrafe bedroht wird (BVerwG, Urteil vom 1. Dezember 1987 - 1 C 29.85 - BVerwGE 78, 285 <295>). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017 (S. 12, 17) ist zwar mit dem am 7. August 2015 in Kraft getretenen Antiterrorgesetz die Todesstrafe für terroristische Straftaten in Tunesien eingeführt worden. Seit Jahresbeginn 2015 wurden gegen mehrere Dutzend Terroristen rechtskräftige Urteile, darunter auch Todesurteile verhängt. Es ist indes nicht ersichtlich, dass dem Antragsteller, dessen Verhalten bereits in Deutschland noch nicht die Schwelle der Strafbarkeit erreicht, in Tunesien die Todesstrafe droht. Denn nach dem tunesischen Antiterrorgesetz (vgl. Art. 14 Abs. 2) wird die Todesstrafe nur in besonders schweren Fällen verhängt. Ein besonders schwerer Fall liegt hiernach in der Regel vor, wenn der Täter durch die terroristische Gewalttat wenigstens leichtfertig den Tod eines anderen Menschen verursacht. Ein solcher Fall ist hier aber nicht gegeben; auch sonst gibt es bereits keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass eine Verhängung der Todesstrafe drohte. Dann aber ist nicht zu vertiefen, welche Bedeutung dem Umstand beizumessen ist, dass die Todesstrafe in Tunesien de facto nicht vollstreckt wird. Die letzte Vollstreckung fand 1991 statt (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 17; Amnesty International Report 2016/2017, S. 4). Nach einer in einem anderen Verwaltungsstreitverfahren eingeholten und vom Antragsgegner vorgelegten Stellungnahme des Auswärtigen Amtes zur rechtsstaatlichen Lage in Tunesien vom 31. März 2017 gibt es keine Anzeichen für eine Aufhebung des Moratoriums (Bl. 205 Gerichtsakte). In einer vom Antragsgegner vorgelegten Verbalnote des tunesischen Außenministeriums vom 11. Juli 2017 (Bl. 210 Gerichtsakte) wird ebenfalls betont, dass Tunesien ein Moratorium einhält.
c) Die Gefahr der Folter oder einer anderen in Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung oder Bestrafung im Falle der Abschiebung des Antragstellers erscheint gering, kann aber nach dem im vorliegenden Verfahren verfügbaren Erkenntnisstand nicht mit der gebotenen Gewissheit ausgeschlossen werden (Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG). Dies gilt insbesondere deswegen, weil der Antragsteller - unwiderlegt - geltend macht, er habe sich beim Generalkonsulat der Tunesischen Republik in Bonn vergeblich um einen Pass bemüht und der Generalkonsul habe ihm mitgeteilt, dass das tunesische Innenministerium "wegen Terrorismusgefahr" keinen Pass ausstellen wolle.
Tunesien befindet sich in einem allgemeinen demokratischen Transitionsprozess, der in vielen Bereichen, unter anderem auch im Justizbereich, noch nicht abgeschlossen ist (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 31. März 2017, Bl. 205 Gerichtsakte). Mit der Verabschiedung einer neuen Verfassung durch die Verfassungsgebende Versammlung am 26. Januar 2014 gelang Tunesien ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer demokratischen Staatsordnung. Sie beinhaltet unter anderem die Garantie universeller Menschenrechte und die Garantie der Unabhängigkeit der Justiz. Art. 23 der tunesischen Verfassung garantiert den Schutz der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit, verbietet seelische und körperliche Folter und schließt eine Verjährung des Verbrechens der Folter aus. Art. 128 der tunesischen Verfassung sieht die Gründung einer unabhängigen Instanz für Menschenrechte ("Menschenrechtskommission") mit beratender Funktion vor (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 5, 16). Mit der Ratifizierung des Zusatzprotokolls zur Konvention der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe am 29. Juni 2011 hat sich Tunesien zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus (NPM) verpflichtet. Mit Gesetz vom 23. Oktober 2013 wurde eine innerstaatliche Rechtsgrundlage zur Bildung einer unabhängigen Instanz für Folterprävention (INPT) geschaffen, zu deren Aufgabe die Durchführung unangemeldeter Besuche in allen Orten des Freiheitsentzugs gehört sowie die Beratung von Exekutive und Legislative bei der Verbesserung des rechtlichen Rahmens und der Rechtswirklichkeit (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 31. März 2017, Bl. 206 Gerichtsakte). Im Sommer 2016 ist eine überarbeitete Version der Strafprozessordnung in Kraft getreten, wonach der Polizeigewahrsam maximal vier Tage betragen darf. Darüber hinaus wurde das Recht des Verdächtigen auf einen Rechtsbeistand (auch schon während des Polizeigewahrsams) kodifiziert. Generell wird die neue Strafprozessordnung von Nichtregierungsorganisationen als großer Fortschritt beurteilt, wobei aber auch hier Umsetzungsdefizite bestehen, die den Verantwortlichen in Tunesien bewusst sind (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 31. März 2017, Bl. 205 Gerichtsakte). Ausnahmen gelten jedoch für Beschuldigte, die unter das Antiterrorgesetz vom 7. August 2015 fallen. Sie dürfen bis zu 15 Tage in polizeiliche Untersuchungshaft genommen werden; der Zugang eines Anwalts kann dabei für 48 Stunden nach Ingewahrsamnahme auf Anordnung des Untersuchungsrichters oder eines Staatsanwalts verweigert werden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2015, S. 13). Bislang liegen nur wenige konkrete Erfahrungen zu der Anwendung des Antiterrorismusgesetzes vor. Die neu eingeführte Untersuchungsinstanz in Terrorangelegenheiten hat ihre Arbeit jedoch inzwischen aufgenommen und bemüht sich um eine umfassende Aufarbeitung (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 12). Den Reformwillen stellt die tunesische Regierung auch dadurch unter Beweis, dass das tunesische Justizministerium mit zahlreichen nationalen und internationalen Nichtregierungsorganisationen Vereinbarungen getroffen hat, die ihnen Besuche in Haftanstalten etc. ermöglichen. Seit 2005 besteht überdies eine Vereinbarung zwischen der Regierung und dem Internationalen Komitee des Roten Kreuzes (IKRK), die es dem IKRK ermöglicht, die Haftanstalten zu besuchen und der Regierung periodisch zu berichten (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 31. März 2017, Bl. 207 Gerichtsakte).
Amtliche Informationen oder Statistiken, die belastbare Aussagen über Menschenrechtsverletzungen (insbesondere gegenüber Terrorverdächtigen) zulassen, liegen nicht vor. Die tunesische Regierung räumt aber mit wiederholten Bekenntnissen zur Folterprävention und zum Kampf gegen die Straflosigkeit von Amtspersonen, die sich entsprechender Vergehen schuldig gemacht haben, indirekt Verfehlungen ein und verspricht eine juristische Aufarbeitung solcher Vorwürfe (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 16; Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 31. März 2017, Bl. 206 Gerichtsakte). Hinsichtlich der bereits in 2017 nach Tunesien abgeschobenen Gefährder gibt es keine Erkenntnisse, dass diese von den tunesischen Behörden in nichtrechtsstaatlicher Weise behandelt wurden (Stellungnahme des Auswärtigen Amtes vom 31. März 2017, Bl. 205 Gerichtsakte). Tunesische und internationale Medien sowie spezialisierte Nichtregierungsorganisationen, wie beispielsweise die "Organisation contre la Torture en Tunisie" (OCTT), berichten über Einzelfälle von rechtswidrigen Verletzungen der körperlichen oder seelischen Unversehrtheit von Personen bis ins Jahr 2016 hinein (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 16. Januar 2017, S. 16 f.). Amnesty International berichtet davon, dass einige der nach dem Anschlag auf das Bardo-Museum und dem Angriff auf die Stadt Ben Guerdane festgenommenen Verdächtigen nach eigenen Angaben gefoltert worden seien (Amnesty international Report 2016/2017, S. 2).
Etwaigen Gefahren kann indes mit einer diplomatischen Zusicherung begegnet werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 1.17 - juris Rn. 43; BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 48 f.). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht in solchen Zusicherungen unter bestimmten Voraussetzungen ein geeignetes Instrument zur Ausräumung der Gefahr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung selbst bei Staaten, in denen - anders als in Tunesien - systematisch gefoltert und misshandelt wird (EGMR, Urteil vom 17. Januar 2012 - Nr. 8139/09, Othman/U.K. - NVwZ 2013, 487 Rn. 188 f.). Der Senat hat die Abschiebung daher von der Bedingung abhängig gemacht, dass entsprechende Zusicherungen erteilt werden. Bevor auf der Grundlage von solchen Zusicherungen die Abschiebung erfolgt, ist dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen und gegebenenfalls um Rechtsschutz nachzusuchen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - juris Rn. 50); der Senat hat mit Blick auf diese unmittelbar aus Art. 19 Abs. 4 GG folgenden Anforderungen keinen Anlass gesehen, diese in die Beschlussformel aufzunehmen. Angesichts der in Tunesien geschaffenen, nach der Auskunftslage auch funktionstüchtigen Instanzen zur Folterprävention hat der Senat auch davon abgesehen, eine Zusicherung der Überwachung der Einhaltung der Zusicherung direkt durch Angehörige der konsularischen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland zu verlangen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG. Da die Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Entscheidung in der Hauptsache praktisch vorweg nimmt, war der Streitwert auf die Höhe des für die Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwerts anzuheben.