Entscheidungsdatum: 14.01.2015
Die Revision der Nebenklägerin gegen das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 7. März 2014 wird verworfen.
Die Nebenklägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels und die dem Angeklagten im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Der Angeklagte war vom Landgericht zunächst wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in fünf Fällen, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in zehn Fällen, wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und Beischlaf zwischen Verwandten in fünf Fällen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt worden. Zudem war die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden. Auf die Revision des Angeklagten ist das Urteil durch Beschluss des Senats vom 23. August 2013 mit den Feststellungen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen worden.
Nunmehr hat das Landgericht den Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision der Nebenklägerin, die vom Generalbundesanwalt vertreten wird, hat keinen Erfolg.
I.
1. Dem Angeklagten liegt mit der unverändert zur Hauptverhandlung zugelassenen Anklage Folgendes zur Last:
Er soll als leiblicher Vater der am 6. März 1994 geborenen Nebenklägerin mit ihr im Mai 2007 in fünf Fällen den vaginalen Geschlechtsverkehr ausgeübt haben. Dies soll er zwischen dem 1. Juni 2007 und dem 24. November 2007 in weiteren zehn Fällen wiederholt haben, wobei er Versuche des Mädchens, ihn wegzustoßen, durch Kniffe in deren Schenkel vereitelte. Zwischen dem 6. März 2009 und Februar 2011 soll er in weiteren fünf Fällen den vaginalen Geschlechtsverkehr gegen den Willen des sich wehrenden Mädchens, das er dabei jeweils mit Gewalt niederdrückte, vollzogen haben. Zwischen dem 1. Juni 2010 und dem 24. November 2011 soll er sie in das Gesicht gebissen haben, so dass dieses mit Hämatomen übersät war, und sie anschließend gezwungen haben, in der Badewanne zu schlafen, wobei er mit dem Duschkopf auf sie eingeschlagen haben soll, so dass diese eine Kopfplatzwunde und einen gebrochenen Finger erlitten haben soll.
2. Das Landgericht hat demgegenüber Folgendes festgestellt:
Der Angeklagte ist der leibliche Vater der Nebenklägerin, die seit Ende 2006 bei ihm lebte. Zwischen dem 7. und 8. Oktober 2007 erlitt die Nebenklägerin eine Nagelkranzfraktur und leichte Schürfwunden im Gesicht. Am 24. November 2007 schrien der Angeklagte und die Nebenklägerin in der Wohnung so laut herum, dass die Polizei verständigt wurde. Im Anschluss an den Polizeieinsatz verblieb die Nebenklägerin bis Anfang 2009 in einem Kinderheim, bis sie wieder zum Angeklagten zog, wo sie bis Mitte 2011 blieb.
3. Das Landgericht hat sich weder davon zu überzeugen vermocht, dass der Angeklagte mit der Nebenklägerin den Geschlechtsverkehr ausgeübt hat, noch, dass er sie zwischen dem 1. Juni 2010 und dem 24. November 2011 bzw. dem 7. und 8. Oktober 2007 mehrfach in das Gesicht gebissen und mit dem Duschkopf geschlagen hat. Dies gründet es auf Folgendes:
Die belastenden Angaben der einzigen unmittelbaren Tatzeugin, der Nebenklägerin, hätten für eine Überzeugungsbildung von der Täterschaft des Angeklagten keine Grundlage geboten. So seien diese insbesondere zu den Missbrauchsvorwürfen inhaltlich außerordentlich karg, was deswegen von Bedeutung sei, da die Nebenklägerin Streitereien zwischen sich und dem Angeklagten aus dem gleichen Zeitraum detailliert habe schildern können. Den Angaben fehle es zudem an Konstanz, sie wiesen eine erhebliche Zahl von nicht erklärbaren Widersprüchen und Unvereinbarkeiten auf, die auch auf das Kerngeschehen bezogen seien. Hinzu komme, dass manche Angaben der Nebenklägerin durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt worden seien. Dies wecke den Verdacht, dass die Nebenklägerin zu "maßlosen Übertreibungen" neige. Schließlich begründeten auch die Umstände der Aussageentstehung - "erst nach ewigem, täglichen Stochern und stundenlangem Auf-sie-Einreden" durch ihren Freund, demgegenüber sie dann gesagt habe, dass der Angeklagte "sie halt gefickt habe" - Zweifel an der Erlebnisbasiertheit ihrer Angaben; zudem seien "naheliegende Falschbelastungsmotive" nicht auszuschließen. Diese durchgreifenden Zweifel an der Erlebnisbasiertheit der Angaben fänden im Gutachten der aussagepsychologischen Sachverständigen, die die Möglichkeit bewusst falscher Angaben nicht auszuschließen vermochte, eine Stütze. Ausreichende äußere Umstände, um dennoch eine Verurteilung des Angeklagten hierauf stützen zu können, hätten nicht vorgelegen.
II.
Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge deckt keinen Rechtsfehler auf.
a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters (§ 261 StPO). Spricht das Gericht einen Angeklagten frei, weil es Zweifel an seiner Täterschaft nicht zu überwinden vermag, so ist dies durch das Revisionsgericht in der Regel hinzunehmen. Insbesondere ist es ihm verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch seine eigene zu ersetzen. Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich somit darauf, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind.
Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Gesetze der Logik oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 - 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN; BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 - 4 StR 129/14). In der Beweiswürdigung selbst muss sich der Tatrichter mit den festgestellten Indizien auseinandersetzen, die geeignet sind, das Beweisergebnis zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen (BGH, Urteile vom 14. August 1996 - 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11 und vom 16. Januar 2013 - 2 StR 106/12). Dabei dürfen die Indizien nicht nur isoliert betrachtet werden, sie müssen vielmehr in eine umfassende Gesamtwürdigung aller bedeutsamen Umstände eingebracht werden (BGH, Urteile vom 23. Juli 2008 - 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 und vom 13. Dezember 2012 - 4 StR 33/12, wistra 2013, 195, 196 mwN). Der Tatrichter darf insoweit keine überspannten Anforderungen an die für die Beurteilung erforderliche Gewissheit stellen (BGH, Urteile vom 26. Juni 2003 - 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36; vom 10. August 2011 - 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 f.; vom 18. Januar 2011 - 1 StR 600/10, NStZ 2011, 302, 303 und vom 2. Oktober 2013 - 1 StR 75/13).
b) Diesen Anforderungen an eine rechtsfehlerfreie Beweiswürdigung wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Landgericht hat in einer umfassenden Beweiswürdigung die wesentlichen für die Entscheidungsfindung bedeutsamen Gesichtspunkte erörtert. Dies genügt den oben dargelegten revisionsrechtlichen Anforderungen an eine umfassende Gesamtwürdigung sämtlicher Indizien unter Zugrundelegung der rechtlich zutreffenden Maßstäbe.
aa) So hat es ausführlich die Besonderheiten und Auffälligkeiten im Aussageverhalten der Nebenklägerin dargelegt und gewürdigt; wieso es sich auf dieser Grundlage nicht von der Erlebnisbasiertheit der Angaben hat überzeugen können, hat es nachvollziehbar begründet. Dass es dabei überspannte Anforderungen an die Überzeugungsbildung gestellt hat, ist nicht zu besorgen. Dies gilt nicht schon allein deswegen, weil es die zutreffenden Obersätze hierzu in seine Erörterungen aufgenommen hat, sondern weil der Inhalt derselben belegt, dass die Überzeugungsbildung daran ausgerichtet, insbesondere nicht von dem Erfordernis einer absoluten, das Gegenteil denknotwendig ausschließenden Gewissheit geleitet ist. Auch dem Umstand, dass bei der Schilderung gleichförmig verlaufender sexueller Missbrauchstaten über einen längeren Zeitraum keine überzogenen Anforderungen an die Individualisierbarkeit der einzelnen Taten zu stellen sind, hat es erkennbar in seine Würdigung eingestellt. Es hat - sachverständig beraten - eine Zusammenziehung einzelner Situationen zu einem Schema in der Erinnerung als Erklärung für die Detailarmut der Schilderungen erwogen. Es hat aber angesichts der übrigen Auffälligkeiten, die nicht an die Detailarmut anknüpfen, eine solche Erklärung für das Aussageverhalten nicht für plausibel erachtet.
Soweit die Revision der Auffassung ist, die Annahme von Detailarmut und Widersprüchen im Aussageverhalten sei nicht zu rechtfertigen, handelt es sich um eine revisionsrechtlich unbeachtliche eigene Beweiswürdigung, teilweise unter Heranziehung urteilsfremder Gesichtspunkte.
bb) Zum Vorwurf des Körperverletzungsdelikts nimmt das Landgericht an mehreren Stellen ausdrücklich in den Blick, dass die Angaben der Nebenklägerin insoweit nicht "die gleiche inhaltliche Kargheit" bzw. einen "höheren Detailgrad" wie die Angaben zu den Missbrauchstaten aufweisen. Dass es darüber hinaus feststellt, es habe nichts "näheres über Anlass und Inhalt der Auseinandersetzung eruiert werden" können, ist auch vor dem Hintergrund der Angaben der Nebenklägerin, "wieso der Angeklagte sie geschlagen habe, wisse sie nicht, ... er habe halt wieder einen Ticker gehabt", nicht zu beanstanden. Denn aus dem Zusammenhang der würdigenden Ausführungen ergibt sich, dass das Landgericht die fehlende situative Einbettung des Geschehens beschreibt und vergleichend feststellt, dass die Nebenklägerin bei der Schilderung anderer Geschehen, bei denen der Angeklagte "ausgetickt" sein soll, einen zusammenhängenden Geschehensstrang - wenn auch in unterschiedlichen Versionen -habe schildern können. Maßgeblich für die Überzeugungsbildung des Landgerichts wirkte sich insoweit aber aus, dass die Angaben der Nebenklägerin zu diesem Vorwurf in mehreren Bereichen durch das Ergebnis der Beweisaufnahme, so u.a. die Angaben des behandelnden Arztes, widerlegt worden sind.
cc) Das Landgericht hat auch die belastenden Indiztatsachen - sowohl im Hinblick auf Sexualdelikte als auch Körperverletzungsdelikte - in seine Überzeugungsbildung einbezogen und ausführlich gewürdigt. Dass es sich unter Berücksichtigung dieser Umstände angesichts der rechtsfehlerfrei begründeten, erheblichen Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Nebenklägerin nicht von einem innerhalb des Verfahrensgegenstandes liegenden konkreten Tatgeschehen hat überzeugen können, ist eine tatrichterliche Wertung, die revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Graf Jäger Cirener
Radtke Mosbacher