Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 13.12.2012


BGH 13.12.2012 - 4 StR 33/12

Strafverfahren: Anforderungen an die Beweiswürdigung des Tatrichters


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
4. Strafsenat
Entscheidungsdatum:
13.12.2012
Aktenzeichen:
4 StR 33/12
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend LG Landau (Pfalz), 22. September 2011, Az: 1 KLs 7100 Js 16132/09
Zitierte Gesetze

Tenor

1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Landau in der Pfalz vom 22. September 2011 mit den Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an das Landgericht Frankenthal (Pfalz) zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagte S.   H.     , geb. B.   , wegen Verletzung von Privatgeheimnissen verwarnt und die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 € vorbehalten. Den Angeklagten M.     B.    hat es vom Vorwurf der Anstiftung zur Verletzung des Dienstgeheimnisses und zur Verletzung von Privatgeheimnissen freigesprochen. Mit ihren auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen wendet sich die Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch des Angeklagten B.    sowie dagegen, dass die Angeklagte H.       nicht auch der Verletzung des Dienstgeheimnisses schuldig gesprochen worden ist; außerdem greift sie die Strafzumessung an. Die vom Generalbundesanwalt vertretenen Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg; auf die Verfahrensbeanstandungen kommt es daher nicht an.

I.

2

1. Das Landgericht hat Folgendes festgestellt:

3

Der Angeklagte B.   ist Landtagsabgeordneter                    und war Mitglied des am           eingesetzten Untersuchungsausschusses „N.          “. Der Untersuchungsausschuss befasste sich mit dem – in den Medien seit langem intensiv begleiteten – gescheiterten Versuch der landespolitisch Verantwortlichen, privates Kapital für die Erweiterung der Rennstrecke            um einen Vergnügungspark und den privaten Betrieb der Anlage zu gewinnen. Am 11. November 2009 fand zu diesem Thema im Rahmen einer Plenarsitzung des                Landtags eine Aussprache statt, in der der Landesinnenminister dazu Stellung nahm, ob und inwieweit Erkenntnisse zum Vorleben der Projektentwickler Bö. und M.   sowie des ebenfalls am Projekt Beteiligten R.    vorlagen und ob entsprechende Abfragen in polizeilichen Datenbanken vorgenommen worden waren. Hintergrund der Erörterung waren Presseberichte, dass diese Geschäftspartner der N.              bereits früher mit vergleichbaren Großprojekten gescheitert waren.

4

Die Aussprache war im Folgenden Gegenstand der Presseberichterstattung, so auch eines Artikels in der „R.        “ vom 12. November 2009, in dem auch von einer früheren strafrechtlichen Verurteilung M.    s wegen Insolvenzverschleppung berichtet wurde.

5

Am 16. November 2009 veranlasste die Angeklagte H.      , Tochter des Angeklagten B.    und als Polizeikommissarin bei der Polizeiinspektion               beschäftigt, ihre Kollegen Sch.  , D.        und Ba.  ohne dienstlichen Anlass, zu den „Partnern     “ Abfragen im Polizeilichen Informationssystem (POLIS) durchzuführen, woraufhin zunächst der Polizeibeamte Sch.   um 12.39 Uhr erfolglos eine Abfrage nach M.      M.   (UA 27) ohne Angabe weiterer Kriterien wie das des Geburtsdatums vornahm; weitere Abfragen – nunmehr unter Angabe der Geburtsdaten, welche die Angeklagte H.     zwischenzeitlich in Erfahrung gebracht hatte – wurden durch Sch.   von 19.45 Uhr bis 19.47 Uhr (zu M.   , R.     und Bö.  ), durch Ba.  beginnend um 20.05 Uhr (zu R.    und M.    ) und durch D.     um 20.23 Uhr (M.    betreffend), außerdem – nur zur Person des Bö.  – durch die Angeklagte selbst um 19.58 Uhr getätigt. Zum Beweggrund gab sie in einer polizeilichen Vernehmung an, sie sei politisch sehr interessiert und ärgere sich darüber, dass es offenbar möglich sei, auf einfachste Weise Steuergelder zu erschleichen; sie habe sich dazu „verleiten“ lassen, einmal herauszufinden, ob „diese Herren“ bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten seien (UA 14).

6

Die anlässlich der Datenabfrage zu M.    und R.    erstellten Computerausdrucke waren mit den POLIS-internen ID-Nummern versehen und ergaben für R.    eine auf die Personalien beschränkte Registrierung im polizeilichen Informationssystem und für M.   einen Eintrag aus dem Jahr 2007 wegen Unterschlagung. Diese Ausdrucke nahm die Angeklagte an sich und übergab drei Exemplare am 20. November 2009 dem Angeklagten B.   bei dessen Besuch in ihrem Hause; nicht ausschließbar tat sie dies, um ihm – vor dem Hintergrund der von ihr in der Presse verfolgten Debatte vom 11. November 2009 – „Klarheit im Umgang mit dem politischen Gegner zu verschaffen“ (UA 8).

7

Am Montag, den 23. November 2009 erschienen in den Tageszeitungen „R.       “ und „T.                “ Artikel, die sich u.a. mit der Frage befassten, wann Vertreter der Landesregierung von polizeilichen Erkenntnissen zu ihren Geschäftspartnern Kenntnis hatten oder hätten haben können. In der „R.        “ wurde unter Angabe der POLIS-internen ID-Nummer die Vorbelastung M.     s wegen Unterschlagung aufgeführt, im „T.                 “ – ebenfalls unter Angabe der ID-Nummer – die Tatsache, dass R.   im POLIS-System registriert war.

8

2. Die Angeklagten haben in der Hauptverhandlung von ihrem Schweigerecht Gebrauch gemacht. Die Angeklagte H.     hatte in ihrer polizeilichen Vernehmung vom 24. November 2009 angegeben, die Abfragen aus eigener Neugier und eigenem politischen Interesse veranlasst und hierfür die Geburtsdaten der Betroffenen „gegoogelt“ zu haben. Später habe sie drei der insgesamt etwa sechs Ausdrucke ihrem Vater überlassen. In ihrer richterlichen Vernehmung vom 8. August 2011 als Zeugin in dem Strafverfahren gegen POK Ba.   hat sie „den ihr zur Last gelegten Tatvorwurf“ erneut eingeräumt. Das Landgericht hat sich nicht davon überzeugen können, dass – so der Vorwurf nach Maßgabe der Beschwerdeentscheidung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 16. Mai 2011 – die Initiative zu den durch die Angeklagte H.      veranlassten Abfragen vom Angeklagten B.   ausging und dass dieser seiner Tochter die für eine erfolgreiche Abfrage im POLIS-System notwendigen Geburtsdaten von Bö. , M.   und R.    mitteilte. Auch hat es sich die Gewissheit, dass der Angeklagte B.     die ihm von seiner Tochter überlassenen Informationen an die Zeitungen weitergegeben hat, nicht verschaffen können. Ebenso hat es einen hierauf gerichteten Vorsatz der Angeklagten H.        nicht feststellen können. Das Landgericht hat daher bei ihr die Voraussetzungen der Verletzung des Dienstgeheimnisses als nicht erfüllt angesehen; beim Angeklagten B.    hat es eine Strafbarkeit insgesamt verneint.

II.

9

Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben hinsichtlich beider Angeklagter Erfolg. Die Beweiswürdigung hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.

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1. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16 mwN). Insbesondere sind Beweise auch erschöpfend zu würdigen (BGH, Beschluss vom 7. Juni 1979 – 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat (BGH, Urteil vom 14. August 1996 – 3 StR 183/96, BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 11). Aus den Urteilsgründen muss sich ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt wurden (BGH, Urteil vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08, NJW 2008, 2792, 2793 mwN). Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung auch dann, wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (BGH, Urteile vom 6. November 1998 – 2 StR 636/97 aaO, und vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02, NStZ 2004, 35, 36). Es ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zu Gunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte erbracht hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 2003 – 1 StR 269/02 aaO).

11

2. Diesen Anforderungen wird die angefochtene Entscheidung nicht gerecht.

12

a) Das Landgericht hat die Angaben der Angeklagten H.       in ihrer polizeilichen Erstvernehmung als glaubhaft erachtet. Die Beweiswürdigung hierzu ist jedoch in mehrfacher Hinsicht rechtsfehlerhaft.

13

aa) Die Würdigung der im Rahmen der polizeilichen Vernehmung getätigten Aussage der Angeklagten ist bereits lückenhaft: Das Landgericht hat jene Angaben als „voll und ganz geständig“ (UA 15) gewertet und ausgeführt, gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage spreche nicht, dass sie bei ihrer polizeilichen Vernehmung nicht erklärt habe, zu welchem Zweck sie ihrem Vater die Daten überlassen habe (UA 16); das Protokoll über die polizeiliche Vernehmung sei nur rudimentär geführt worden und in diesem Punkt lückenhaft. Ausweislich der Urteilsgründe ist die Aussage der Angeklagten H.      bei ihrer polizeilichen Beschuldigtenvernehmung jedoch durch die Vernehmung des damaligen Vernehmungsbeamten in die Hauptverhandlung eingeführt worden (UA 18). Ob und ggf. was dieser über Angaben der Angeklagten zu ihren Motiven für die Weitergabe der Daten an ihren Vater berichtet hat, teilt das Urteil nicht mit (s.a. UA 24 f.). Es ist zu besorgen, dass sich das Landgericht, indem es auf den Inhalt des Protokolls abhebt, den Blick dafür verstellt hat, dass hier nicht dieses, sondern der erwiesene Inhalt der Aussage zu würdigen war und zudem ein teilweises Schweigen der Angeklagten in ihrer Beschuldigtenvernehmung in die Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Aussage einzubeziehen gewesen wäre (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 261 Rn. 17 mwN).

14

bb) Die Beweiswürdigung dazu, wie die Angeklagte H.      an die für eine erfolgreiche POLIS-Abfrage erforderlichen Geburtsdaten M.   s, R.    s und Bö.  s gelangt ist, begegnet auch für sich genommen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

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(1) Das Landgericht ist den Angaben der Angeklagten gefolgt, sie habe die Geburtsdaten im Internet über die Suchmaschine Google recherchiert. Zwar konnte bei einer im Zuge der Ermittlungen vorgenommenen Auswertung der Dienstcomputer der Wache der Polizeiinspektion L.   kein Aufruf entsprechender Internetseiten im relevanten Zeitraum festgestellt werden; diese Untersuchung hat das Landgericht jedoch als für Rückschlüsse auf den gegenüber dem Angeklagten B.    erhobenen Vorwurf, seiner Tochter die Daten übermittelt zu haben, „völlig ungeeignet“ (UA 46) und zur Widerlegung der Angaben der Angeklagten H.      „unbehelflich“ (UA 47) angesehen. Zum einen sei nicht sichergestellt, dass es sich bei den untersuchten Computern tatsächlich um diejenigen Geräte gehandelt habe, die auch am 16. November 2009 eingesetzt gewesen seien, weil es nach Angabe eines Zeugen „natürlich auch vorkomme, dass Geräteeinheiten ausgetauscht würden“; zum anderen lasse die durchgeführte Untersuchung der Geräte keine verlässliche Aussage dahin zu, dass dann, wenn Daten einer Recherche nicht gefunden würden, diese auch nicht stattgefunden habe, weil das Computersystem sukzessive für überflüssig erachtete alte Daten so lösche, dass sie mit der bei der Untersuchung verwendeten Software nicht mehr rekonstruierbar seien.

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Soweit das Landgericht meint, die Auswertung der Computer auf der Wache der Polizeiinspektion wegen der möglichen Auswechslung einzelner Dienstcomputer zur Widerlegung der Angaben der Angeklagten H.     nicht heranziehen zu können, hat es dem Ergebnis der Untersuchung den Beweiswert rechtsfehlerhaft aufgrund lediglich theoretischer Erklärungsansätze abgesprochen. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass zwischen dem 16. November 2009 und der Auswertung tatsächlich Geräteeinheiten im Bereich der Wache durch andere ersetzt worden sind, haben sich ausweislich der Urteilsgründe nicht ergeben. Nähere Feststellungen dazu, wie wahrscheinlich eine automatische Löschung von Daten der Google-Suche ist, hat das Landgericht ebenfalls nicht getroffen. Soweit es daher die Auswertung als „völlig ungeeignet“ bzw. „unbehelflich“ eingeordnet hat, hat es sich den Blick darauf verstellt, dass dem Ergebnis der Untersuchung nur deshalb, weil es für sich allein die Widerlegung der Angaben der Angeklagten H.      nicht zuließ, ein Indizwert in der Zusammenschau mit anderen Beweisanzeichen nicht von vornherein abgesprochen werden durfte (vgl. Senatsurteil vom 12. Januar 2012 – 4 StR 499/11, StraFo 2012, 146).

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(2) Hieran ändern die vom Landgericht angeführten Erwägungen nichts, dass es der Angeklagten H.     auch möglich gewesen wäre, die Geburtsdaten von einem Dienstcomputer bei einem Kollegen außerhalb der Wache, von einem internetfähigen Mobiltelefon oder über eine für die Polizei zugängliche Datenbank wie „EWOIS“ zu ermitteln. Dass die Angeklagte die Informationen aus einer solchen Datenbank abgerufen hat, hat sie bei ihrer polizeilichen Vernehmung, bei der sie angegeben hat, die Daten bei Google recherchiert zu haben, nicht einmal selbst behauptet. Feststellungen dazu, dass die Angeklagte ein Mobiltelefon besaß, mit dem eine Suche über Google hätte erfolgen können und hinsichtlich aller drei Personen Erfolg gehabt hätte, hat das Landgericht nicht getroffen, und für eine Google-Recherche auf dem Computer eines Kollegen außerhalb des Bereichs der Wache fehlen nicht nur konkrete Anknüpfungspunkte; bei Annahme einer solchen Vorgehensweise wäre die sich aufdrängende Frage zu erörtern gewesen, warum die Angeklagte den Computer zur Suche nach den Geburtsdaten, nicht aber auch zur Abfrage der Personen M.    , R.    und Bö.   im POLIS-System nutzte.

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cc) Feststellung und Beweiswürdigung zum Motiv der Angeklagten H.      für die Datenabfrage sind widersprüchlich. Nach den Feststellungen handelte sie „aus politisch motivierter Neugier“ (UA 6). Hierzu referiert das Landgericht aus ihrer polizeilichen Vernehmung, sie habe „aus eigener Neugier und eigenem politischen Interesse“ gehandelt (UA 13; s.a. UA 11, 31). Andererseits teilt die Strafkammer mit, die Angeklagte habe in ihrer zeugenschaftlichen Vernehmung am 8. August 2011 „den ihr zur Last gelegten Tatvorwurf“ eingeräumt (UA 14). Zu diesem Zeitpunkt ging nach der Beschwerdeentscheidung des Pfälzischen Oberlandesgerichts Zweibrücken vom 16. Mai 2011 der Vorwurf dahin, dass sie vom Angeklagten B.   zur Verletzung des Dienstgeheimnisses und zur Verletzung von Privatgeheimnissen angestiftet worden sei (UA 12). Selbst wenn es sich insoweit um ein Fassungsversehen handeln sollte – wofür die Wendung, sie habe den Vorwurf „erneut“ eingeräumt, sprechen mag –, bleibt der Umstand, dass das Landgericht wiederholt hervorgehoben hat, die Angeklagte habe „zweifelsfrei bekundet“, die Unterlagen „für ihren Vater gefertigt“ und sie ihm später überlassen zu haben; diese Angaben bewertet das Landgericht ausdrücklich als glaubhaft (UA 18). Das ist mit dem von der Strafkammer angenommenen Beweggrund, dass die Tat auf politisch motivierter Neugier und eigenem politischen Interesse der Angeklagten H.     beruhe (UA 17), nicht bzw. nicht ohne weiteres zu vereinbaren. Jedenfalls in einem Fall wie dem hier zu entscheidenden, in dem es u.a. um die Frage geht, ob der Datenabfrage eine Anstiftung seitens des Angeklagten B.    zugrunde liegt, begründet der aufgezeigte Widerspruch einen durchgreifenden Rechtsfehler.

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dd) Ebenso hält die Beweiswürdigung zur Vorstellung der Angeklagten H.       bei Weitergabe der Daten an ihren Vater rechtlicher Überprüfung nicht stand.

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(1) Das Landgericht hat festgestellt, die Angeklagte habe „nicht ausschließbar darauf vertraut, dass ihr Vater mit den über sie gewonnenen Informationen als Mitglied des Landtags und als Mitglied des Untersuchungsausschusses ‚N.           ‛ vertrauens- und verantwortungsvoll umgehen“ (UA 36) und die Daten „keinesfalls auch noch unter Weitergabe von rückverfolgbaren POLIS-internen ID-Nummern zur Veröffentlichung bringen“ werde (UA 32).

21

(2) Die diesen Feststellungen zugrunde liegende Beweiswürdigung ist widersprüchlich und lückenhaft:

22

Sie findet bereits in der – vom Landgericht für glaubhaft erachteten (UA 15, 16, 18, 31) – Aussage der Angeklagten H.     bei ihrer polizeilichen Vernehmung keine Stütze. Dort hatte sie sich dahin eingelassen, sie habe nicht gewusst, was ihr Vater mit den ihm überlassenen POLIS-Ausdrucken machen werde, ihr Vater habe sich diesbezüglich auch nicht geäußert. Aus dieser Einlassung lässt sich das vom Landgericht zugunsten der Angeklagten angenommene Vertrauen ebenso wenig ableiten wie aus der (Plausibilitäts-)Erwägung, der Vater werde seine eigene Tochter nicht in die aus der Rückverfolgbarkeit der POLIS-Auskünfte resultierende Gefahr der Strafverfolgung bringen; dass auch der Angeklagte B.    um diese Gefahr wusste, ist nicht festgestellt und versteht sich auch nicht von selbst. Die Aussage der Angeklagten, sie habe die Unterlagen ihrem Vater überlassen, ohne gewusst zu haben, was dieser damit machen würde (UA 14), legt vielmehr jedenfalls im Hinblick auf die damals in der Öffentlichkeit geführte Diskussion nahe, dass ihr – was sogar für Vorsatz ausreichen würde – zumindest gleichgültig war, ob dieser die Informationen an die Presse weitergibt.

23

Darüber hinaus hat das Landgericht den – zu einer Abfrage aus eigener politischer Neugierde nicht passenden – Umstand, dass die Angeklagte H.       die POLIS-Abfragen weitgehend nicht selbst durchgeführt, sondern drei Kollegen hierzu veranlasst hat, damit begründet, sie habe „zu den entsprechenden Zeiten keinen eigenen Zugang zu einem PC“ gehabt (UA 6). Dies widerspricht zum einen der Feststellung, dass die Angeklagte ihre eigene Abfrage nach Bö.  um 19.58 Uhr und damit zwischen denen ihrer Kollegen Sch.   (ab 19.45 Uhr) und Ba.   (ab 20.05 Uhr) sowie D.        (20.23 Uhr) vornahm, zum anderen der vom Landgericht zur angeblichen Google-Recherche der Angeklagten nach den Geburtsdaten M.    s, R.    s und Bö.  s angestellten Erwägung, diese könne sie von einem Dienstcomputer außerhalb der Wache vorgenommen haben. Aufgrund der nicht tragfähigen Begründung für die Einschaltung der Berufskollegen hat das Landgericht die gebotene Auseinandersetzung mit der nahe liegenden Erklärung unterlassen, dass die Angeklagte ihre drei Kollegen zu der Abfrage veranlasste, weil sie von Anfang an um die beabsichtigte Veröffentlichung der so gewonnenen Informationen wusste: Da die Angeklagte selbst eine Abfrage tätigte, deren Entdeckung bei einer Auswertung der Logbänder nicht fern lag, konnte die Tatsache, dass auch weitere Personen Daten zu M.   , R.     und Bö.   abgefragt hatten, die vorschriftswidrige Erhebung der Daten durch die Angeklagte nicht verschleiern, wohl aber eine anschließende Weitergabe, weil bei dann geführten Ermittlungen mehrere Abfragende in Betracht kommen würden. Gerade im Hinblick darauf, dass die Angeklagte H.       im Unterschied zu ihren Kollegen eine POLIS-Abfrage nur hinsichtlich Bö.   vornahm und anders als diese keinen Ausdruck fertigte, hätte das Landgericht diese nahe liegende Möglichkeit erörtern müssen.

24

b) Auch die Beweiswürdigung zu der dem Angeklagten B.   mit der Anklage vorgeworfenen Weitergabe der POLIS-Daten an die Presse begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

25

aa) Das Landgericht hat Zweifel daran, dass der Angeklagte B.    die Daten an „R.       “ und „T.                “ übermittelt hat, trotz des unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs zwischen der Landtagsdebatte am 11. November 2009, der von der Angeklagten H.     veranlassten POLIS-Abfragen am 16. November 2009, der Weitergabe der Daten an den Angeklagten B.   am 20. November 2009 (Freitag) und der Veröffentlichung in den Tageszeitungen am 23. November 2009 (Montag) sowie trotz weiterer Indizien nicht überwinden können. Es sei denkbar, dass statt des Angeklagten B.   der Zeuge D.    – zur Tatzeit ebenfalls    Landtagsabgeordneter und stellvertretendes Mitglied des Untersuchungsausschusses – die Daten über den ihm bekannten KOK Bo.   , einen anderen Polizeibediensteten oder aus den Unterlagen des Untersuchungsausschusses erlangt und weitergegeben habe; auch komme die Weitergabe von Daten aus den Ausschussakten durch unbekannte Dritte in Betracht. Schließlich sei denkbar, dass einer der 111 Polizeibediensteten in            , die nach einer landesweiten Auswertung der Logbänder der Polizeicomputer zwischen dem 5. Januar 2008 und dem 23. November 2009 die Namen M.   , R.     oder Bö.   im POLIS-System abgefragt haben, oder eine andere Person aus einem anderen Bundesland die Informationen an die Presse lanciert habe.

26

Die Erwägung einer möglichen Weitergabe durch D.      hat es zum einen darauf gestützt, dass dieser im November 2009 versucht hatte, den ihm bekannten KOK Bo.     und einen weiteren Polizeibediensteten, KHK Mü.  , zu einer entsprechenden Datenabfrage zu bestimmen, und diesen gleichzeitig geraten hatte, eine solche von einem anderen Bundesland aus vorzunehmen, zum anderen darauf, dass eine Überprüfung, von welchen Polizeicomputern aus die Daten M.   s, R.   s und Bö.  s aufgerufen worden sind, für            , nicht aber bundesweit erfolgt ist. Wegen der unterbliebenen – und wegen Zeitablaufs nicht nachholbaren – bundesweiten Überprüfung hat das Landgericht auch eine Abfrage durch Unbekannte außerhalb von           nicht ausschließen können. Schließlich seien die in der Presse veröffentlichten Informationen in den Akten des Untersuchungsausschusses enthalten gewesen, weshalb D.    oder eine andere einsichtsberechtigte Person sie auf diesem Wege erlangt und an die Presse gegeben haben könne.

27

bb) Soweit die Strafkammer die Weitergabe der POLIS-Daten durch den Zeugen D.    als nicht ausschließbares Alternativszenario angesehen hat, ist die Beweiswürdigung lückenhaft. Der Zeuge D.     ist in der Hauptverhandlung gehört worden und hat Versuche, über ehemalige Kollegen – u.a. KOK Bo.    – an die POLIS-Daten zu gelangen, eingeräumt. Er hat aber auch bekundet, die Daten von den von ihm angesprochenen Kollegen nicht erhalten zu haben, was der Zeuge KOK Bo.    und der ebenfalls von D.    kontaktierte Zeuge KHK Mü.    bestätigt haben. Auch hat der Zeuge D.    die Weitergabe von Informationen an die Presse abgestritten. Dass der Zeuge die Daten dennoch von KOK Bo.   erhalten und der Presse zugespielt haben könnte, begründet das Landgericht lediglich damit, dass eine bundesweite Auswertung der Polizeicomputer nicht erfolgt sei. Eine Würdigung der eher knapp mitgeteilten Aussagen der Zeugen D.    , Bo.    und Mü.   hat es damit nicht vorgenommen. Eine solche Würdigung wäre jedoch erforderlich gewesen: Ebenso wie der Beweiswert einer Aussage nicht maßgeblich davon abhängt, ob ein Zeuge oder ein Angeklagter sie getätigt hat (BGH, Urteil vom 5. Februar 1963 – 1 StR 265/62, BGHSt 18, 283), ist er nicht von vornherein deshalb zu verneinen, weil der Zeuge ebenfalls als Täter der inmitten stehenden Tat in Betracht kommt.

28

Für die Weitergabe der Daten durch unbekannte Mitglieder des Untersuchungsausschusses oder andere Unbekannte auf Grund einer außerhalb von           vorgenommenen POLIS-Abfrage fehlt jeder konkrete Anhaltspunkt. Dass die theoretische Möglichkeit einer solchen Abfrage mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln nicht ausgeschlossen werden kann, reicht zur Begründung von Zweifeln nicht aus; dies stellt eine Überspannung der an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit dar.

29

Soweit das Landgericht meint, dass (irgend-)einer der „111 Abfragenden in            “ (UA 56) die POLIS-Ausdrucke gefertigt und weitergegeben haben könnte, steht dies in Widerspruch zu den Feststellungen: Danach hatte die Auswertung der Logbänder der Polizeicomputer ergeben, dass im Überprüfungszeitraum 111 Beamte in          Abfragen mit den Namen M.    , R.    und Bö.   getätigt hatten. Abfragen unter – für eine erfolgreiche Recherche nach den Feststellungen erforderlicher – zusätzlicher Angabe des Vornamens oder des Geburtsdatums wurden jedoch lediglich von (höchstens) 36 Personen durchgeführt, kombinierte Abfragen zu M.    s und R.    – über die von der Angeklagten H.       veranlassten hinaus – sogar nur von vier weiteren Personen: dem LKA-Beamten Boh.   , dessen Abfrage nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme dienstlich veranlasst war, der        Polizeibediensteten Re.  , welche die Abfrage auf Initiative des Zeugen D.    bereits im Februar 2009 getätigt und diesem die Ergebnisse telefonisch mitgeteilt hatte (ob sie – was sich bei telefonischer Übermittlung jedenfalls nicht von selbst versteht – auch die dreizehnstelligen ID-Nummern weitergab, lässt sich den Urteilsgründen nicht entnehmen) und den Polizeibeamten Ber.   und K.    , zu deren Motivation für die Abfrage das Landgericht keine Feststellungen getroffen hat.

30

3. Die aufgezeigten Rechtsfehler wirken sich hinsichtlich der Angeklagten H.       auf die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 353b Abs. 1 Nr. 1 StGB aus. Als (konkrete) Gefährdung wichtiger öffentlicher Interessen im Sinne dieser Vorschrift kann eine mittelbare Gefährdung ausreichen, die darin besteht, dass durch die Offenbarung der Weitergabe der polizeiinternen Daten das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Integrität staatlicher Stellen beeinträchtigt ist (BGH, Urteile vom 19. Juni 1958 – 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, vom 22. Juni 2000 – 5 StR 268/99, NStZ 2000, 596, und vom 9. Dezember 2002 – 5 StR 276/02, BGHSt 48, 126). Zur Klärung der Frage, ob eine solche Gefährdung gegeben ist, bedarf es einer Gesamtabwägung im Einzelfall, bei der Inhalt und Umfang der geheimhaltungsbedürftigen Daten, deren in Aussicht genommene Verwendung und die Person des Amtsträgers Berücksichtigung finden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 – 5 StR 268/99 aaO; vgl. auch OLG Köln, Urteil vom 20. Dezember 2011 – III-1 RVs 218/11 u.a., juris); so kann u.a. von Bedeutung sein, ob die Daten einem größeren Personenkreis zugänglich gemacht werden (BGH, Urteil vom 22. Juni 2000 – 5 StR 268/99 aaO; vgl. auch BGH, Urteile vom 19. Juni 1958 – 4 StR 151/58, BGHSt 11, 401, 404 f., und vom 15. November 2012 – 2 StR 388/12).

31

Hinsichtlich des Angeklagten B.    haben die Fehler in der Beweiswürdigung Auswirkung auf die Beurteilung einer Strafbarkeit wegen Anstiftung zur Haupttat seiner Tochter bzw. einer – in der Übermittlung der Geburtsdaten M.    s, R.    s und Bö.   s oder auch in der vom Vorsatz seiner Tochter getragenen Weiterleitung der Daten an die Presse liegenden (vgl. BayObLG NStZ 1999, 568; Fischer, StGB, 59. Aufl., § 353b Rn. 14a; s. ferner BVerfG NJW 2007, 1117, 1119) – Beihilfe hierzu. Die Sache bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.

III.

32

Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 StPO Gebrauch gemacht.

33

Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird ggf. bei der Gesamtabwägung zu § 353b StGB – anders als im angefochtenen Urteil (UA 36, 40) – nicht ohne weiteres davon ausgehen können, dass die von der Angeklagten H.       beschafften Informationen über M.     M.    bereits bekannt waren. Die in der Ausgabe der „R.       “ vom 12. November 2009 erwähnte Insolvenzverschleppung beruhte auf einem Vorgang aus dem Jahr 1998, während der Ausdruck aus POLIS den dort am 31. August 2007 eingestellten Eintrag „Unterschlagung“ enthielt. Für eine Identität der zugrunde liegenden Vorgänge spricht auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen nichts.

Mutzbauer                         Roggenbuck                          Cierniak

                     Bender                                Quentin