Entscheidungsdatum: 08.06.2012
Der Antrag auf Anordnung der Erstattung der notwendigen Auslagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens wird abgelehnt.
I.
Die am 17. April 2012 für erledigt erklärte Verfassungsbeschwerde betraf die Anrechnung einer Verletztenrente der Unfallversicherung auf die Regelaltersrente der gesetzlichen Rentenversicherung bei einem am 18. Mai 1990 und seither im Beitrittsgebiet wohnhaften Rentner. Sie richtete sich gegen die Entscheidungen im sozialverwaltungsrechtlichen Verfahren wie auch gegen die Urteile des Sozialgerichts und des Bundessozialgerichts (Sprungrevision) auf einen im August 2003 gestellten Antrag auf Überprüfung der Anrechnungsgrundentscheidung des Rentenversicherungsträgers vom 14. Dezember 1992. Mit der Verfassungsbeschwerde mittelbar angegriffen wurde § 84a Bundesversorgungsgesetz (BVG) in der Fassung des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts und des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbeschädigungen im Beitrittsgebiet vom 19. Juni 2006, rückwirkend gültig ab 1. Januar 1999 (BGBl I S. 1305) in Verbindung mit Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet IX Abschnitt III Nr. 1 Buchstabe a Einigungsvertrag vom 23. September 1990 (BGBl II S. 889). Diese Bestimmung führte wie auch die Vorgängerbestimmung jeweils in Verbindung mit § 31 BVG zu einem abgesenkten Anrechnungsfreibetrag für Rentner, die wie der Beschwerdeführer am 18. Mai 1990 im Beitrittsgebiet wohnhaft waren.
Der Beschwerdeführer rügte eine Verletzung von Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG. Er berief sich insbesondere darauf, dass § 84a BVG und der durch diese Bestimmung abgesenkte Freibetrag Ost "spätestens seit Anfang 1999" verfassungswidrig seien. Zur Begründung verwies der Beschwerdeführer unter anderem darauf, dass das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zur Kriegsopferversorgung überwiegende finanzwirtschaftliche Belange ab diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung von Kriegsbeschädigtenrentnern anerkannt habe (vgl. BVerfGE 102, 41 <61 f.>). Er trug weiter vor, dass es sich bei § 84a BVG um ein Überleitungsproblem handele. § 84a BVG sei als Absenkungsvorschrift einmal für eine gewisse Übergangszeit gedacht gewesen, die nicht nur hinsichtlich der Kriegsopfer, sondern auch hinsichtlich der Altersrentner mit zusätzlicher Unfallrente spätestens seit Anfang 1999 als beendet anzusehen sei. Seit 1998 hätten sich die Renten in den alten und den neuen Bundesländern kaum mehr angeglichen, die Ungleichbehandlung hinsichtlich der Höhe des Anrechnungsfreibetrags nach § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) sei damit nicht über eine Rentenangleichung Ost - West schleichend weggefallen. Ein sachlicher Grund für die unterschiedliche Behandlung verschiedener Rentnergruppen anhand ihres Wohnortes am 18. Mai 1990 für die Zeit ab Anfang 1999 sei nicht ersichtlich.
Nachdem durch Art. 1 Nr. 30 des Gesetzes zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften vom 20. Juni 2011 (BGBl I S. 1114) § 84a BVG geändert und durch Art. 6 dieses Gesetzes die Bezugnahme in § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI auf § 31 in Verbindung mit § 84a Satz 1 und 2 BVG durch eine Bezugnahme auf das Bundesversorgungsgesetz ersetzt worden ist, ist die Beschwer des Beschwerdeführers ab 1. Juli 2011 entfallen. Nach dieser Gesetzesänderung hat der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde nicht nur für den Zeitraum ab 1. Juli 2011, sondern auch für die in der Vergangenheit liegenden Zeiträume für erledigt erklärt und beantragt, seine notwendigen Auslagen nach § 34a Abs. 3 BVerfGG zu erstatten.
II.
Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erstattung seiner notwendigen Auslegung ist abzulehnen.
1. Über die Auslagenerstattung ist, nachdem der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat, gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden (vgl. BVerfGE 85, 109 <114>). Dabei prüft das Bundesverfassungsgericht die Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde nicht, da auch eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten der Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts widerspräche, verfassungsrechtliche Zweifelsfragen mit bindender Wirkung inter omnes zu klären (vgl. BVerfGE 33, 247 <264 f.>). Wesentliche Bedeutung kann aber insbesondere dem Grund zukommen, der zur Erledigung geführt hat (vgl. BVerfGE 85, 109 <114 ff.>; 87, 394 <397 f.>; BVerfGK 3, 326 <327 f.>). Beseitigt die öffentliche Gewalt von sich aus den mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Akt oder hilft sie der Beschwer auf andere Weise ab, kann, vorbehaltlich dessen, dass keine anderweitigen Gründe ersichtlich sind, davon ausgegangen werden, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers selbst für berechtigt erachtet hat. In diesem Fall ist es billig, die öffentliche Hand ohne weitere Prüfung an ihrer Auffassung festzuhalten und sie zu verpflichten, die Auslagen des Beschwerdeführers in gleicher Weise zu erstatten, wie wenn der Verfassungsbeschwerde stattgegeben worden wäre (vgl. BVerfGE 87, 394 <397>; BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 -, juris, Rn. 5; Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 8. März 2012 - 1 BvR 872/10 -, juris).
2. Nach diesen Maßstäben ist vorliegend die Anordnung der Erstattung der Auslagen des Beschwerdeführers nicht veranlasst.
Vorliegend betraf die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren ergangenen Entscheidungen richtete, allein die Überprüfung eines Bescheids aus dem Jahr 1992. Prüfungsgegenstand des Urteils des Bundessozialgerichts war die Anrechnungs(grund)entscheidung in einem Bescheid vom 14. Dezember 1992, der aufgrund eines Antrags nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) im August 2003 vom Beschwerdeführer zur Überprüfung gestellt worden war. Nach dieser Bestimmung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die mit der Verfassungsbeschwerde gerügte fortdauernde Absenkung des Freibetrags Ost auch für den Zeitraum ab 1. Januar 1999 war nicht Streitgegenstand der angegriffenen Entscheidungen, auch wenn das Bundessozialgericht in dem angegriffenen Urteil obiter feststellt, dass es keinen Bedenken begegne, dass der Gesetzgeber die differenzierende Verweisung in § 93 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe a SGB VI auf die Grundrente "West" beziehungsweise "Ost" trotz fortschreitender Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen den alten Bundesländern und dem Beitrittsgebiet bislang beibehalten habe.
Dem Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften und der Begründung des Gesetzentwurfes lässt sich nichts dazu entnehmen, dass der Gesetzgeber eine Angleichung des streitgegenständlichen Anrechnungsfreibetrags rückwirkend zum Jahr 1992 für verfassungsrechtlich geboten hält und also das Begehren des Beschwerdeführers im angegriffenen Urteil für berechtigt erachtet.
3. Auch soweit sich die Verfassungsbeschwerde mittelbar gegen § 84a BVG richtet, lässt sich nicht feststellen, dass die der Gesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen die Gesetzeslage geändert hat.
Die Begründung des Gesetzentwurfs für die Rechtsänderung ab 1. Juli 2011 verweist auf die - aufgrund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 2000 (BVerfGE 102, 41) - schon erfolgte Anhebung der Rentenleistung für Kriegsopfer und darauf, dass europarechtlich, aufgrund eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs zur Hinterbliebenenversorgung von Kriegsopfern vom 4. Dezember 2008 - C 221/07 - (Slg 2008, I-9029) eine Vereinheitlichung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz an Berechtigte im gesamten EU-Ausland erforderlich sei. Eine Aufrechterhaltung der Teilversorgung nur für Berechtigte in ehemaligen Ostblockstaaten, die nicht oder noch nicht EU-Mitglieder seien, erscheine nicht begründbar, da Berechtigte in allen anderen Staaten Leistungen in voller Höhe bekämen. Leistungen an Berechtigte im Ausland würden also künftig nach einheitlichen Regeln erbracht. Deshalb solle die das Absenken der Leistungen im Beitrittsgebiet regelnde Vorschrift des Einigungsvertrages keine Anwendung mehr finden. Davon seien nicht nur alle Berechtigten nach dem Bundesversorgungsgesetz, sondern auch nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsähen, betroffen (Gesetzentwurf der Bundesregierung BTDrucks 17/5311 vom 30. März 2011, S. 15, 22 f., 26).
Dieser Begründung des Gesetzentwurfs lässt sich weder entnehmen, dass der Gesetzgeber den für Rentner, die ihren Wohnsitz am 18. Mai 1990 im Beitrittsgebiet hatten, abgesenkten Freibetrag für die Anrechnung ihrer Unfallrente auf ihre Rente der gesetzlichen Altersversorgung für verfassungswidrig hält, noch dass der Gesetzgeber eine Angleichung der Freibeträge aus verfassungsrechtlichen Gründen schon für einen Zeitraum ab 1. Januar 1999 für notwendig erachtet.
Auch wenn der Gesetzgeber der Beschwer des Beschwerdeführers für die Zukunft abgeholfen hat, kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass er selbst das Begehren des Beschwerdeführers einer Angleichung des Freibetrags Ost schon ab 1. Januar 1999 für berechtigt erachtet hat. Eine Kostenerstattung ist folglich abzulehnen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.