Entscheidungsdatum: 02.12.2016
Die Verfassungsbeschwerden 1 BvR 281/14 und 1 BvR 350/16 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.
Die Verfassungsbeschwerden betreffen die sogenannte Fiktivversicherung des Ehegatten in der Alterssicherung für Landwirte. Dabei wendet sich die Beschwerdeführerin zum einen gegen die Feststellung ihrer Versicherungs- und Beitragspflicht nach § 1 Abs. 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) und zum anderen gegen die Ablehnung eines Befreiungsantrags nach § 3 Abs. 1 ALG. Zur Begründung hat sie insbesondere geltend gemacht, eine Versicherungs- und Beitragspflicht sei von Verfassungs wegen nur gerechtfertigt, wenn der landwirtschaftliche Betrieb auf Dauer ausgeübt, auf- und ausgebaut werden könne, so dass aus seinem Ertrag die Mittel für die Beitragszahlung erwirtschaftet werden könnten. Es sei daher verfassungswidrig, wenn von ihr einerseits Beiträge zur Alterssicherung der Landwirte verlangt würden, andererseits aber eine Baugenehmigung für ein Vorhaben im Außenbereich nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) abgelehnt werde. Ihr Antrag auf Befreiung schließlich sei abgelehnt worden, obwohl sie anderweitig, namentlich durch Miet- und Pachteinnahmen, ausreichend versorgt sei; die angegriffenen Entscheidungen verstießen daher insbesondere gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
Die Verfassungsbeschwerden sind nicht zur Entscheidung anzunehmen. Annahmegründe im Sinne von § 93a Abs. 2 BVerfGG liegen nicht vor. Die behaupteten Grundrechtsverletzungen sind nicht hinreichend substantiiert und damit nicht den Anforderungen aus § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG entsprechend dargetan.
1. Nach diesen Vorschriften ist ein Beschwerdeführer gehalten, den Sachverhalt, aus dem sich die Grundrechtsverletzung ergeben soll, substantiiert und schlüssig darzulegen. Ferner muss sich die Verfassungsbeschwerde mit dem zugrunde liegenden einfachen Recht sowie mit der verfassungsrechtlichen Beurteilung des vorgetragenen Sachverhalts auseinandersetzen. Es muss deutlich werden, inwieweit durch die angegriffenen Maßnahmen das bezeichnete Grundrecht verletzt sein soll (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <180>). Liegt zu den aufgeworfenen Verfassungsfragen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits vor, so ist der behauptete Grundrechtsverstoß in Auseinandersetzung mit den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstäben zu begründen (BVerfGE 130, 1 <21>). Richtet sich die Verfassungsbeschwerde - wie hier - gegen eine gerichtliche Entscheidung, bedarf es in der Regel einer ins Einzelne gehenden argumentativen Auseinandersetzung mit dieser und ihrer konkreten Begründung (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>; 130, 1 <21>).
Die Gestaltung des Verfahrens, die Feststellung und Würdigung des Sachverhalts, die Auslegung des sogenannten einfachen Rechts und seine Anwendung auf den einzelnen Fall sind dabei grundsätzlich allein Sache der Fachgerichte. Das Bundesverfassungsgericht prüft nur, ob die Auslegung und Anwendung des einfachen Rechts Fehler enthält, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung der betroffenen Grundrechte beruhen, und ob sie willkürlich sind (vgl. BVerfGE 18, 85 <92 f.>; 128, 138 <148>). Ein entsprechender Fehler ist mit der Verfassungsbeschwerde substantiiert darzutun.
2. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist zunächst die Verfassungsbeschwerde, mit der die Beschwerdeführerin die behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen hinsichtlich der Feststellung ihrer Versicherungs- und Beitragspflicht in der Alterssicherung für Landwirte angreift, nicht hinreichend begründet. Die Beschwerdeführerin wendet sich nicht grundsätzlich gegen die gesetzlichen Regelungen über das spezifische System der Alterssicherung für Landwirte und die Einbeziehung der Ehegatten als "Fiktivlandwirte". Vielmehr macht sie in erster Linie geltend, die angegriffenen Entscheidungen verletzten sie in ihren Grundrechten, weil eine Versicherungspflicht in der Alterssicherung für Landwirte nur dann gerechtfertigt sei, wenn § 1 ALG und § 35 BauGB übereinstimmend gehandhabt würden, also ein (auch im Sinne des Bauplanungsrechts) auf Dauer angelegter landwirtschaftlicher Betrieb vorliege.
Insofern hat die Beschwerdeführerin allerdings schon den maßgeblichen Sachverhalt nicht ausreichend geschildert. Namentlich ist der Verfassungsbeschwerde selbst nicht zu entnehmen, ob überhaupt und, wenn ja, für welches Vorhaben ihr Ehemann eine Baugenehmigung beantragt hat, aus welchen Gründen diese gegebenenfalls abgelehnt worden und ob und mit welchem Erfolg ihr Ehemann gegen die Ablehnung vorgegangen ist. Damit ist nicht erkennbar, ob die behauptete Diskrepanz zwischen § 35 BauGB und § 1 ALG im konkreten Fall überhaupt zum Tragen kommt und ob die angegriffenen Entscheidungen mithin auf dem vermeintlichen Verfassungsverstoß beruhen können.
Im Übrigen hat sich die Beschwerdeführerin aber auch mit dem einfachen Recht und den Ausführungen hierzu namentlich im Urteil des Landessozialgerichts nicht ausreichend auseinandergesetzt. Insbesondere hat das Landessozialgericht nachvollziehbar auf den unterschiedlichen Zweck von § 35 BauGB - der der Begrenzung von Bautätigkeiten im planerischen Außenbereich dient - und von § 1 ALG hingewiesen und auf dieser Grundlage herausgestellt, dass die zu § 35 BauGB entwickelte Anforderung, das landwirtschaftliche Unternehmen müsse auf Dauer lebensfähig sein, dem ALG fremd sei. Tatsächlich zielt das ALG auf die soziale Sicherung des Landwirts (und seines Ehegatten) in und auf Grund seiner aktuellen wirtschaftlichen Tätigkeit; normative Anhaltspunkte dafür, dass die versicherte Tätigkeit langfristig ausgeübt werden müsste, um die Sozialversicherungspflicht zu begründen, sind - wie auch in anderen Zweigen des Sozialversicherungsrechts - nicht ersichtlich. Damit hat sich die Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt.
3. Aus ähnlichen Gründen ist ein möglicher Grundrechtsverstoß auch insoweit nicht substantiiert vorgetragen, als sich die Beschwerdeführerin gegen die behördlichen und gerichtlichen Entscheidungen wendet, mit denen ihr Befreiungsantrag nach § 3 Abs. 1 ALG abgelehnt wurde. Insoweit rügt sie in erster Linie einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot, weil in den Entscheidungen ihre Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung und die behauptete Überversorgung nicht als ausreichende Grundlage für eine Befreiung angesehen wurden.
Die Verfassungsbeschwerde setzt sich insofern schon mit dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstab für die Annahme der Unvertretbarkeit einer fachgerichtlichen Entscheidung nicht auseinander. Dazu reicht nicht aus, dass die angegriffene Rechtsanwendung oder das dazu eingeschlagene Verfahren fehlerhaft ist. Hinzukommen muss vielmehr, dass Rechtsanwendung oder Verfahren unter keinem denkbaren Aspekt mehr rechtlich vertretbar ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass die Entscheidung auf sachfremden und damit willkürlichen Erwägungen beruht (vgl. nur BVerfGE 83, 82 <84>; stRspr). Anhaltspunkte hierfür zeigt die Verfassungsbeschwerde nicht auf. Vielmehr setzt sie nur ihre eigene Rechtsauffassung der der Fachgerichte entgegen.
Zudem fehlt es an einer hinreichenden inhaltlichen Auseinandersetzung mit den naheliegenden Argumenten für die von den Fachgerichten befürwortete Auslegung von § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG. Mit Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen sind dort als Bezugspunkt für das "vergleichbare Einkommen" im Sinne der Vorschrift Einkommensarten aufgeführt, die, wie das Bundessozialgericht in der angegriffenen Entscheidung unter Verweis auf seine Entscheidung vom 23. Januar 2008 (BSG, Urteil vom 23. Januar 2008 - B 10 LW 1/07 R -, SozR 4-5868 § 3 Nr. 3) ausgeführt hat, als "Früchte des Einsatzes der eigenen Arbeitskraft" anzusehen sind. Dem ist Einkommen aus Vermietung und Verpachtung nicht vergleichbar, auch wenn ein Vermieter und Verpächter selbstverständlich (auch) Aufwendungen hat und, wie die Beschwerdeführerin geltend macht, sich "regelmäßig um eine Vielzahl von Dingen kümmern" muss: Gegenleistung für den Miet- oder Pachtzins ist die Überlassung der Mietsache zum Gebrauch und gegebenenfalls zur Fruchtziehung, nicht die damit verbundenen Aufwendungen oder gar die persönliche Mühewaltung. Zudem korrespondiert die Vorschrift ersichtlich mit der Konzeption der deutschen Sozialversicherung als einer auf die Erwerbstätigkeit bezogenen sozialen Sicherung. Mit den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 ALG genannten Einkommensarten ist dementsprechend auch in anderen Zweigen der Rentenversicherung typischerweise der Erwerb von Anwartschaften verbunden oder sie lassen typisierend den Schutzbedarf entfallen; Ähnliches gilt im Übrigen für die tatsächlichen Umstände, die eine Befreiung nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 ALG ermöglichen. Dagegen ist das Vorhandensein oder Fehlen von Miet- und Pachteinnahmen für das Bestehen von Sozialversicherungspflicht regelmäßig von vornherein ohne Bedeutung.
Hinsichtlich der als Grundlage für eine Befreiungsmöglichkeit geltend gemachten Überversorgung hat sich die Beschwerdeführerin nicht ausreichend damit auseinandergesetzt, dass das deutsche Sozialversicherungsrecht allgemein nicht auf die individuelle Versorgungssituation abstellt. Es greift vielmehr typisierend die soziale Schutzbedürftigkeit in bestimmten Lebenslagen auf und bindet zudem unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs durchaus auch Personengruppen ein, die die entsprechenden Risiken nach ihren individuellen Einkommens- und Vermögensverhältnissen auch anderweitig absichern könnten (vgl. nur BVerfGK 3, 15 <18>).
Im Ergebnis hat die Beschwerdeführerin weder eine Ungleichbehandlung, die die Rechtsprechung im Wege der Auslegung eingeführt hätte, obwohl sie dem Gesetzgeber durch Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt wäre, substantiiert dargetan noch gar eine willkürliche Auslegung und Anwendung des Fachrechts in den angegriffenen Entscheidungen.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.