Bundesverfassungsgericht

Entscheidungsdatum: 18.02.2016


BVerfG 18.02.2016 - 1 BvR 134/16

Nichtannahme einer offensichtlich unzureichend substantiierten Verfassungsbeschwerde - Missbrauchsgebühr zu Lasten des Bevollmächtigten


Gericht:
Bundesverfassungsgericht
Spruchkörper:
1. Senat 2. Kammer
Entscheidungsdatum:
18.02.2016
Aktenzeichen:
1 BvR 134/16
ECLI:
ECLI:DE:BVerfG:2016:rk20160218.1bvr013416
Dokumenttyp:
Nichtannahmebeschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Hamburg, 15. Dezember 2015, Az: 311 T 65/15, Beschlussvorgehend LG Hamburg, 11. November 2015, Az: 311 T 65/15, Beschlussvorgehend AG Hamburg, 31. August 2015, Az: 42 C 33/15, Urteil
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

Dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin wird eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 700 € (in Worten: siebenhundert Euro) auferlegt.

Gründe

1

1. Die Verfassungsbeschwerde ist nicht zur Entscheidung anzunehmen, weil die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen.

2

Insbesondere ist die Annahme nicht zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführerin angezeigt (§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG), weil die Verfassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (vgl. BVerfGE 90, 22 <26>; 96, 245 <250>; 108, 129 <136>; BVerfGK 12, 189 <196>; stRspr). Sie ist offensichtlich unzulässig, weil sie nicht den gesetzlichen Bestimmungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz BVerfGG entsprechend begründet ist. Die Beschwerdebegründung erfüllt in Bezug auf keines der als verletzt gerügten Grundrechte beziehungsweise grundrechtsgleichen Rechte die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts an sie zu stellenden Substantiierungsanforderungen (vgl. BVerfGE 78, 320 <329>; 99, 84 <87>; 115, 166 <179 f.>; 130, 1 <21>; stRspr).

3

Von einer weitergehenden Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.

4

2. Unter Berücksichtigung der demnach festzustellenden Nachlässigkeit des Beschwerdevorbringens und weiterer, in ähnlicher Weise von ihm erhobenen Verfassungsbeschwerden hat die Kammer von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, dem Bevollmächtigten der Beschwerdeführerin gemäß § 34 Abs. 2, 1. Alternative BVerfGG eine Missbrauchsgebühr aufzuerlegen.

5

Ein Missbrauch in diesem Sinne liegt unter anderem dann vor, wenn die Verfassungsbeschwerde offensichtlich unzulässig und ihre Einlegung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. BVerfGK 6, 219; 10, 94 <97>; 14, 468 <470>; stRspr). Das Bundesverfassungsgericht muss nicht hinnehmen, dass es in der Erfüllung seiner Aufgaben, nämlich grundsätzliche Verfassungsfragen zu entscheiden und - wo nötig - die Grundrechte des Einzelnen durchzusetzen, durch für jedermann erkennbar aussichtslose Verfassungsbeschwerden behindert wird und dadurch anderen Bürgern den ihnen zukommenden Grundrechtsschutz nur verzögert gewähren kann (vgl. BVerfGK 3, 219 <222>; 6, 219 f.; 10, 94 <97>). Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen das Bundesverfassungsgericht nach Erschöpfung des fachgerichtlichen Rechtswegs lediglich als (weitere) Rechtsmittelinstanz in Anspruch genommen wird, ohne dass sich der Beschwerdeführer mit Fragen von verfassungsrechtlicher Relevanz befasst (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 1. Dezember 1999 - 1 BvR 1559/99 -, juris, Rn. 2; Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. September 2000 - 2 BvR 1466/00 -, AnwBl 2001, S. 120 <121>; stRspr).

6

a) Demnach spricht für die Auferlegung einer Missbrauchsgebühr hier zunächst, dass die Begründung der Verfassungsbeschwerde in mehrfacher Hinsicht erkennbar nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Hinzu kommt, dass es sich um die dritte Verfassungsbeschwerde handelt, die die Beschwerdeführerin innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums erhoben hat und die jeweils rechtskräftig abgeschlossene zivilgerichtliche Klageverfahren wegen der Vermietung beziehungsweise Untervermietung ihrer Wohnung betrafen. Zuletzt hat die Kammer zwei in derselben mietrechtlichen Angelegenheit von der Beschwerdeführerin erhobene Verfassungsbeschwerden mit Beschlüssen vom 10. Oktober 2013 (1 BvR 2634/13) und 11. Juni 2015 (1 BvR 1072/15) nicht zur Entscheidung angenommen. Auch in jenen Verfahren genügte die Beschwerdebegründung jeweils offensichtlich nicht den gesetzlichen Anforderungen der §§ 92, 23 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbsatz BVerfGG.

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b) Da ihr Bevollmächtigter sie auch schon in diesem Verfahren vertreten hat, ist die Missbrauchsgebühr nicht gegen die Beschwerdeführerin, sondern unmittelbar gegen ihn festzusetzen. Von einem Rechtsanwalt, der ein Mandat zur Führung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht annimmt, ist zu verlangen, dass er sich mit den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Verfassungsbeschwerde auseinandersetzt, die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den aufgeworfenen Fragen prüft, die Erfolgsaussichten einer beabsichtigten Verfassungsbeschwerde eingehend abwägt und sich entsprechend den Ergebnissen seiner Prüfung verhält (vgl. BVerfGE 88, 382 <384>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 29. Mai 1996 - 2 BvR 725/96 -, NJW 1996, S. 2785; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 9. Juni 2004 - 1 BvR 915/04 -, NJW 2004, S. 2959; Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 24. August 2010 - 1 BvR 1584/10 -, NZS 2011, S. 257; stRspr). Diese Obliegenheiten hat der Bevollmächtigte nicht nur bei der Vertretung der Beschwerdeführerin außer Acht gelassen, sondern auch gegenüber anderen Mandanten, für die er in vergleichbarer Weise unzulänglich begründete Verfassungsbeschwerden erhoben hat, die ebenfalls nicht zur Entscheidung angenommen worden sind. Insoweit ist insbesondere auf den Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 16. Mai 2013 (2 BvR 792/13) und den Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 28. November 2015 (1 BvR 2081/15) hinzuweisen.

8

c) Nachdem der Bevollmächtigte der Beschwerdeführerin demnach mit von ihm verfassten Verfassungsbeschwerden wiederholt und erheblich hinter den an ihn als Rechtsanwalt zu stellenden Anforderungen zurückgeblieben ist, erscheint der Kammer eine Missbrauchsgebühr in Höhe von 700 € angemessen.

9

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.