Entscheidungsdatum: 30.08.2018
1. Der 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages hat nochmals über die Beweisanträge der Antragsteller vom 1. März 2018, wonach zum gesamten Untersuchungsauftrag mit Ausnahme der Ziffer B II 7. Beweis erhoben werden soll durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. beim Bundesnachrichtendienst entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode aufgrund dessen Beschluss vom 16. Januar 2017 übermittelt bzw. zur Verfügung gestellt wurden, beim Bundesministerium des Inneren bzw. Bundeskanzleramt , abzustimmen und diesen - sollten sie weiterhin von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden -, zumindest mehrheitlich zuzustimmen.
2. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
I.
Das Begehren der Antragsteller richtet sich gegen die Ablehnung zweier im 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gestellter Anträge auf Beweiserhebung durch Beiziehung von Akten und anderer Beweismittel bei dem Bundesministerium des Inneren bzw. dem Bundeskanzleramt.
1. Der 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages wurde am 1. März 2018 zur Aufklärung der Hintergründe des Terroranschlages vom 19. Dezember 2016 auf dem Berliner Breitscheidplatz eingesetzt (BT-Drucks. 19/943, Plenarprotokoll 19/17, S. 1406). Untersuchungsgegenstand ist u.a. die Schaffung eines Gesamtbildes "zu dem Terroranschlag vom 19. Dezember 2016 auf dem Breitscheidplatz in Berlin, zum Attentäter, seiner Person und seinen Aliasidentitäten, zu seinem Umfeld und zu seinen Kontaktpersonen und zu möglichen Mittätern, Hintermännern und Unterstützern." Insbesondere unterliegt der Klärung des Untersuchungsausschusses auch der Informationsfluss zwischen den Behörden. So soll u.a. untersucht werden, "ob Informationen zwischen den einzelnen Behörden zeit- und sachgerecht ausgetauscht wurden und ob mit Nachrichtendiensten und Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden im europäischen und außereuropäischen Ausland sachgerecht zusammengearbeitet bzw. Informationen ausgetauscht wurden" (B I BT-Drucks. 19/943). Überdies ist im Einsetzungsbeschluss unter B II 9 explizit aufgeführt, der Untersuchungsausschuss solle „insbesondere“ klären, "welche Erkenntnisse dem Bundesministerium des Inneren, dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz oder dem Bundeskanzleramt sowie der Bundesregierung insgesamt zum Attentäter wann vorlagen, ob die gebotene Information des Deutschen Bundestages (Chronologie u.a.) zeitgerecht, umfassend und zutreffend erfolgte und ob die Öffentlichkeit angemessen und zutreffend informiert wurde" (B II 9 BT-Drucks. 19/943).
In der der konstituierenden Sitzung folgenden, zweiten Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages in der 19. Legislaturperiode (im Folgenden: "Untersuchungsausschuss") am 1. März 2018 legten die Antragsteller zwei Beweisanträge vor, wonach zum gesamten Untersuchungsauftrag mit Ausnahme der Ziffer B II 7. Beweis erhoben werden soll durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Bundesamt für Verfassungsschutz bzw. beim Bundesnachrichtendienst entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode aufgrund dessen Beschluss vom 16. Januar 2017 übermittelt bzw. zur Verfügung gestellt wurden, beim Bundesministerium des Inneren bzw. Bundeskanzleramt, § 18 Abs. 1 Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG). Nachdem die Beschlussfassung über diese Anträge zunächst wegen rechtlicher Bedenken dahingehend, dass der Beweiserhebung die Geheimschutzklausel des § 10 des Gesetzes über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes (Kontrollgremiumsgesetz - PKGrG) entgegenstehen könnte, zurückgestellt wurde, brachten die Antragsteller die Anträge erneut ein, ergänzt um eine Begründung, in der dargelegt wird, dass mit den Beweisanträgen eine unzulässige Kontrolle des Parlamentarischen Kontrollgremiums und ein Eingriff in die besonders geschützte Arbeit des Gremiums nicht verbunden sei. In der 3. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 15. März 2018 wurden die Beweisanträge der Antragsteller mehrheitlich abgelehnt, da die Mehrheit der Ausschussmitglieder diese für unzulässig hielt.
2. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Ablehnung der beschlussgegenständlichen Beweisanträge durch den Antragsgegner verstoße gegen § 17 Abs. 2 PUAG, da die begehrte Beweiserhebung zulässig sei. Die Beweiserhebung, die darauf ziele, zu überprüfen, ob die verschiedenen Organe des Deutschen Bundestages - Ausschüsse einerseits und Parlamentarisches Kontrollgremium andererseits - von der Bundesregierung die gleichen Informationen erhalten haben und die Gründe möglicher Unterschiede zu untersuchen und zu würdigen, sei vom Untersuchungsauftrag gedeckt. Dieser beziehe sich gemäß B II 9 ausdrücklich auf die Frage, ob die Bundesregierung den Deutschen Bundestag "zeitgerecht, umfassend und zutreffend" informiert hat. Auch das Parlamentarische Kontrollgremium sei als Hilfsorgan des Deutschen Bundestages, Art. 45 d Abs. 1 GG, Teil desselben. Überdies decke sich der sachliche Untersuchungsgegenstand, zu welchem das Parlamentarische Kontrollgremium von den Bundesbehörden mit Beschluss vom 16. Januar 2017 Akten angefordert hatte, mit dem des Untersuchungsausschusses.
Die Beweiserhebung sei auch im Übrigen zulässig, insbesondere verletze sie nicht das Beratungsgeheimnis aus § 10 Abs. 1 Satz 1 PKGrG, denn dieses werde durch die beantragte Beweiserhebung nicht berührt. Die Beweisanträge bezögen sich nicht auf die Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums, dessen Diskussionen und inhaltliche Befassung; insbesondere werde nicht die Beiziehung dort entstandener Beratungsprotokolle begehrt. Kontrolliert werden solle nicht das Parlamentarische Kontrollgremium, sondern die Bundesregierung. Betreffend die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums würde einzig der Umstand, dass dieses durch den genannten Beschluss vom 16. Januar 2017 selbst Akten des Bundes zum Untersuchungsgegenstand "Amri" angefordert habe, thematisiert. Dies habe das Parlamentarische Kontrollgremium jedoch durch Veröffentlichung seiner Bewertung vom 31. Mai 2017 (BT-Drucks. 18/1285) bereits selbst öffentlich kund getan. Adressat der Beweisanträge sei ausschließlich die Bundesregierung. Der Antrag sei inhaltlich darauf gerichtet, die Auswahl der Informationen, welche diese dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt habe, zu überprüfen. Sollte es Gründe geben, die es rechtfertigten, die Informationen, die dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt worden sind, dem Untersuchungsausschuss nicht zur Verfügung zu stellen, so habe darüber allein die Bundesregierung gemäß § 18 Abs. 2 PUAG zu entscheiden. Durch die Einsetzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums seien die Rechte des Deutschen Bundestages im Bereich der Nachrichtendienste um eine durchgehende parlamentarische Kontrolle erweitert worden. Dies entziehe dem Bundestag jedoch nicht das Recht, zu nachrichtendienstlichen Tätigkeiten einen Untersuchungsausschuss zu bestellen. Gegenstand eines solchen Untersuchungsausschusses könne auch der Informationsfluss zwischen den Nachrichtendiensten und dem Parlamentarischen Kontrollgremium sein. So habe es vorliegend mit Einsetzung des Untersuchungsausschusses und Festlegung dessen Untersuchungsauftrages das Plenum beschlossen. Mit den beantragten Beweiserhebungen solle entsprechend Ziffer B II 9 des Einsetzungsbeschlusses überprüft werden, ob der Deutsche Bundestag hinreichend informiert worden sei. Nachdem das Parlamentarische Kontrollgremium nach der gesetzlichen und verfassungsrechtlichen Konzeption als "Hilfsorgan des Deutschen Bundestages" tätig sei, stelle seine unzulängliche Information zugleich eine nicht hinreichende Information des Deutschen Bundestages dar.
Die Antragsteller beantragen daher folgendes anzuordnen:
1. Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (BT-Drucks. 19/943) jedoch mit Ausnahme der Ziff. B II 7 durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die im Bundesamt für Verfassungsschutz entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode aufgrund dessen Beschlusses vom 16. Januar 2017 übermittelt bzw. zur Verfügung gestellt wurden, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundesministerium des Inneren.
2. Es wird Beweis erhoben zum gesamten Untersuchungsauftrag (Drucks. 19/943) jedoch mit Ausnahme der Ziffer B II 7 durch Beiziehung sämtlicher Akten, Dokumente, in Dateien oder auf andere Weise gespeicherter Daten und sonstiger sächlicher Beweismittel, die beim Bundesnachrichtendienst entstanden oder in behördlichen Gewahrsam genommen worden sind und dem Parlamentarischen Kontrollgremium des Deutschen Bundestages in der 18. Wahlperiode aufgrund dessen Beschlusses vom 16. Januar 2017 übermittelt bzw. zur Verfügung gestellt wurden, gemäß § 18 Abs. 1 PUAG beim Bundeskanzleramt.
Hilfsweise beantragen die Antragsteller den 1. Untersuchungsausschuss der 19. Wahlperiode des Deutschen Bundestages zu verpflichten, nochmals über die Beweisanträge der Antragstellerin vom 15. März 2018 (Ausschuss-Drucks. 19 [25/110] und 19 [25111]) abzustimmen und ihnen - zumindest mehrheitlich - zuzustimmen.
3. Der Antragsgegner, der keinen expliziten Antrag stellt, ist der Ansicht, Haupt- und Hilfsanträge seien unzulässig.
§ 17 Abs. 4 PUAG eröffne dem Gericht nicht die Möglichkeit, den begehrten Beweisbeschluss selbst zu treffen. Selbst wenn die Beweisanträge zu Unrecht zurückgewiesen worden wären, könne das Gericht nur die Rechtswidrigkeit der Ablehnung feststellen. Auch der Hilfsantrag sei unzulässig. Einer Verpflichtung, der begehrten Beweiserhebung mehrheitlich zuzustimmen bedürfe es überdies nicht. Ein entsprechender Beschluss könne mehrheitlich auch bei Stimmenthaltung durch die Mehrheit erfolgen.
Der Antrag sei überdies unbegründet, da die Ablehnung der Beweisanträge rechtmäßig sei.
Zum einen bezögen sich die Beweisanträge auf sämtliche Akten, die dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegt wurden. Der Antrag umfasse damit zwangsläufig auch Beweismittel, die dem Untersuchungsausschluss bereits aufgrund gefasster Beweiserhebungsbeschlüsse vorliegen bzw. vorgelegt werden müssen. Zudem sei der Antrag unklar. So ergebe sich aus der Antragsbegründung nicht zweifelsfrei, ob durch die Beweiserhebung dem Untersuchungsausschuss die dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegten Akten einschließlich des Zuganges zu deren Inhalt verschafft werden sollen oder vielmehr lediglich eine Übersicht über die dem Kontrollgremium vorgelegten Akten begehrt werde.
Die durch die Antragsteller beantragte Beweiserhebung verstoße überdies gegen § 17 Abs. 2 PUAG i.V.m. § 10 Abs. 1 PKGrG. Das Beratungsgeheimnis des § 10 Abs. 1 PKGrG gelte auch gegenüber Untersuchungsausschüssen. § 10 Abs. 1 PKGrG umfasse nicht allein den Vorgang der Beratung, sondern auch die dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorliegenden Informationen und schütze diese vor der Weitergabe an andere Organe und Gremien des Deutschen Bundestages einschließlich der Untersuchungsausschüsse. Das Beratungsgeheimnis korrespondiere mit den spezifischen Aufgaben, Funktionen und Befugnissen des Parlamentarischen Kontrollgremiums, die sich von jenen der Untersuchungssauschüsse unterscheiden. Die erhöhten Geheimschutzanforderungen seien Voraussetzung dafür, dass die Bundesregierung gegenüber dem Kontrollgremium deshalb keine Informationen zurückhalten dürfe, weil sie befürchtet, die Vertraulichkeit werde nicht gewahrt und so die Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste gefährdet. Lediglich in eng umgrenzten, in § 10 PKGrG enumerativ aufgezählten Fällen, sehe das Gesetz eine Durchbrechung des Beratungsgeheimnisses vor. Durch die begehrte Aktenvorlage werde das Beratungsgeheimnis des § 10 Abs. 1 PKGrG verletzt, nachdem die vorgelegten Akten Rückschlüsse auf die Art und den Inhalt der Beratungen im Kontrollgremium, die der Anforderung vorausgegangen sind und daher in der Anforderungen einen konkreten Ausdruck gefunden haben, ermöglichen. Damit würde ein wesentlicher Teil der vertraulichen Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums offenbart. Dem stehe auch nicht entgegen, dass dieses die Ergebnisse seiner Untersuchung im Fall „Amri“ der Öffentlichkeit am 31. Mai 2017 in einer öffentlichen Bewertung nach § 10 Abs. 2 PKGrG (BT-Drucks. 18/12585) bekannt gegeben habe. Überdies habe die Ausschussmehrheit mit der Ablehnung der Beweisanträge auch nicht in unzulässiger Art und Weise einer Prüfung vorgegriffen, zu der allein die Bundesregierung in der Bearbeitung der Beweisanträge zuständig und berechtigt gewesen sei. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sei die grundsätzliche Möglichkeit unterschiedlicher Aktenvorlagen, nicht die Vorlage einzelner Akten oder Aktenteile. Denn das Parlamentarische Kontrollgremium könne und habe selbst zu überprüfen, ob es hinreichend und korrekt unterrichtet wurde. Um dies sicherzustellen sehe das Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes in Paragrafen 4 und 5 diverse Instrumente der Informationsgewinnung durch das Kontrollgremium vor. Ferner habe das Parlamentarische Kontrollgremium auch die Möglichkeit, auf ein unkorrektes Verhalten der Nachrichtendienste öffentlich aufmerksam zu machen und gezielt weitergehende Kontrollen anzustoßen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Verfahrensbeteiligten wird auf die Antragsschrift vom 4. Juni 2018 nebst Anlagen und Erwiderung des Vertreters des Gegners vom 7. August 2018 Bezug genommen.
II.
Das Begehren der Antragsteller hat im Hilfsantrag Erfolg.
Der Antragsgegner ist verpflichtet, sich nochmals mit den im Tenor genannten Anträgen der Antragsteller vom 15. März 2018 zu befassen und diesen - sollten sie weiterhin von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses unterstützt werden - zumindest mehrheitlich i.S. von § 9 Abs. 4 Satz 1 PUAG zuzustimmen.
1. Der Hauptantrag ist unzulässig, denn der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs kann die Entscheidung des Untersuchungsausschusses nicht ersetzten (vgl. BGH, Ermittlungsrichter, Beschluss vom 20. Februar 2009 - I ARs 3/2008, 1 BGs 20/09, zitiert nach juris, dort Rn. 47/48).
2. Der Hilfsantrag ist zulässig, insbesondere ist er statthaft und hinreichend bestimmt. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Antragsteller ist gegeben.
a) Der Antrag ist statthaft. Die Antragsteller repräsentieren mindestens ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Sie erfüllen auch das Quorum nach Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG, denn sie repräsentieren auch mehr als ein Viertel der Mitglieder des 19. Deutschen Bundestages (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - 3 ARs 20/16, BGHSt 62, 60 Rdn. 19 ff.).
b) Der Hilfsantrag ist hinreichend bestimmt.
Der Umfang der begehrten Beweiserhebung - hier die körperliche Beiziehung der genannten Akten und sonstigen Beweismittel - ergibt sich zweifelsfrei aus dem Wortlaut der Beweisanträge der Antragsteller. Soweit die Antragsteller in ihrer Antragsschrift vom 4. Juni 2018 ausführen, Zweck der begehrten Beweiserhebung sei die Überprüfung, ob verschiedene Organe des Deutschen Bundestages gleiche Informationen erhalten haben, steht dies dem Wortlaut der Beweisanträge nicht entgegen, sondern dient lediglich der Erläuterung des Beweiszweckes. Ob der erstrebte Beweiszweck nur durch die körperliche Vorlage der Beweismittel oder als milderes Mittel durch eine bloße Auflistung der dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegten Beweismittel, erreicht werden kann, ist keine Frage der Bestimmtheit des Antrages, sondern der Verhältnismäßigkeit der begehrten Beweiserhebung, die im Rahmen der Frage des Missbrauches des Antragsrechts zu prüfen ist.
c) Ein Rechtsschutzbedürfnis ist gegeben. Insbesondere steht diesem die zwischenzeitlich durch den Ausschuss umfänglich gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundesnachrichtendienst angeordnete Beweiserhebung nicht entgegen. Denn der durch die Antragsteller formulierte Zweck der Beweiserhebung, hier die Überprüfung, ob die verschiedenen Organe des Deutschen Bundestages - Ausschüsse einerseits und Parlamentarisches Kontrollgremium andererseits - von der Bundesregierung die gleichen Informationen erhalten haben, kann durch die bislang erhobenen bzw. noch zu erhebenden Beweise nicht erreicht werden. Aus der bislang durch den Untersuchungsausschuss angeordneten Beweiserhebung ergibt sich naturgemäß nicht, ob die dem Untersuchungsausschuss vorgelegten Beweismittel auch dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegen haben. Soweit dem Parlamentarischen Kontrollgremium zur Verfügung gestellte Beweismittel dem Untersuchungsausschuss bereits aufgrund dessen Beweisbeschlüssen vorgelegt wurden, werden sich die verpflichteten Stellen auf einen Hinweis, dass diese Beweismittel bereits vorliegen, begnügen können.
3. Der Antrag hat in der Sache Erfolg. Die Beweisanträge durften von der Ausschussmehrheit nicht abgelehnt werden, da keiner der Ablehnungsgründe des § 17 Abs. 2 PUAG vorlag.
a) Die angestrebte Beweiserhebung ist von dem Untersuchungsgegenstand gedeckt (zur Unzulässigkeit der Beweiserhebung nach § 17 Abs. 2 PUAG wegen Überschreitung des Untersuchungsauftrages vgl. Waldhoff/Gärditz/Gärditz, PUAG, § 17 Rn 13).
Nach Ziffer B II 9 des Einsetzungsbeschlusses vom 1. März 2018 (BT-Drucks. 19/943, Plenarprotokoll 19/17, S. 1406), soll der Untersuchungsausschuss u.a. klären, ob die Bundesregierung den Deutschen Bundestag "zeitgerecht, umfassend und zutreffend" über den Fall „Amri“ informiert hat. Da das Parlamentarische Kontrollgremium ein „Hilfsorgan“ des Deutschen Bundestages ist, Art 45d Abs. 1 GG (vgl. Maunz/Dürig/Klein, GG, Stand: Januar 2018, Art. 45d Rn. 12), ist die durch die Antragsteller angestrebte Beweiserhebung von dem Einsetzungsbeschluss nach dessen Wortlaut umfasst.
Anhaltspunkte dafür, den Einsetzungsbeschluss entgegen seinem Wortlaut einschränkend auszulegen, bestehen nicht. Dies dürfte auch der Auslegung durch den Antragsgegner entsprechen, der gerade nicht ausführt, die von den Antragstellern erstrebte Beweiserhebung sei nicht von dem Einsetzungsbeschluss gedeckt.
Auch eine Verfassungswidrigkeit des Einsetzungsbeschlusses, die den Ermittlungsrichter zur Vorlage an das Bundesverfassungsgericht veranlassen würde, § 36 Abs. 2 PUAG, ist weder ersichtlich, noch vorgetragen.
Im Hinblick auf das gesetzlich vorgesehene „Nebeneinander“ von Untersuchungsausschuss und Parlamentarischen Kontrollgremium, § 1 Abs. 2 PKGrG, Art 45d Abs. 2 GG, begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, einen Untersuchungsausschuss auch mit der Frage der hinreichenden Information des Parlamentarischen Kontrollgremiums durch die Bundesregierung bzw. einem Abgleich des Informationsflusses an dieses mit der Unterrichtung anderer Gremien des Deutschen Bundestages zu betrauen.
Das Parlamentarische Kontrollgremium stellt ein zusätzliches Instrument parlamentarischer Kontrolle der Regierung im Bereich der Nachrichtendienste dar, das parlamentarische Informationsrechte nicht verdrängt, § 1 Abs. 2 PKGrG, Art. 45d Abs. 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 2009 - 2 BvE 5/06, BVerfGE 124, 161 Rn. 126; Huber in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, PKGrG § 1 Rn. 9/10). Seine Tätigkeit unterscheidet sich nach dem auf Grundlage von Art. 45d Abs. 2 GG ergangenem Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes von der der Untersuchungsausschüsse. Im Einzelnen:
Dem Parlament sollen durch das Parlamentarische Kontrollgremium nicht einzelfallbezogen, sondern kontinuierlich und umfassend Informationen über die Nachrichtendienste verschafft werden, vgl. § 2 ff. PKGrG. Die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes durch ein ständiges Gremium schließt eine Lücke in der Kontrolle der Nachrichtendienste. So kann die allgemeine parlamentarische Kontrolle ihre Grenzen an der Geheimhaltungsbedürftigkeit von Vorgängen finden. Durch die Besonderheiten der Ausgestaltung des Parlamentarischen Kontrollgremiums, für dessen Arbeit - im Gegensatz zu der der Untersuchungsausschüsse - nicht das Öffentlichkeitsprinzip, sondern vielmehr eine strenge Geheimhaltungspflicht gilt, § 10 PKGrG, wird die Vertraulichkeitsgewähr erhöht. Als „Gegenleistung“ für die hohe Vertraulichkeitsgewähr darf das Parlamentarische Kontrollgremium faktisch alles erfahren, was den Bereich der Nachrichtendienste betrifft. Das Recht Informationen zurückzuhalten ist auf wenige Fälle beschränkt (vgl. Christopeit/Wolff, Die Reformgesetzte zur parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste, ZG 2010, 77, 80/81).
Die mit dem erhöhten Informationsrecht verbundene Geheimhaltung hat zur Folge, dass einzelne Abgeordnete, die Fraktionen und das Plenum des Deutschen Bundestages nicht über das Parlamentarische Kontrollgremium auf Informationen zugreifen können, die die Bundesregierung diesem zur Verfügung gestellt hat. Dem Deutschen Bundestag muss daher, um mit der Einrichtung des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht eine Verschlechterung der Informationsmöglichkeiten des Parlaments einhergehen zu lassen, neben der Einrichtung desselben in nachrichtendienstlichen Angelegenheiten eine eigene Informationsmöglichkeit, z.B. über die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen verbleiben (vgl. BVerfG, aaO Rn. 128).
Wenn damit die nachrichtendienstliche Kontrolle dem Parlament durch die Tätigkeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums nicht entzogen ist, ist kein Grund ersichtlich, warum es dem Deutschen Bundestag verwehrt sein sollte, (auch) zur Überprüfung der ordnungsgemäßen Information seines „Hilfsorgans“ bzw. eines Abgleichs des Informationsflusses an dieses mit der Unterrichtung anderer Gremien des Deutschen Bundestages einen Untersuchungsausschuss einzurichten. Soweit der Antragsgegner ausführt, das Parlamentarische Kontrollgremium könne und habe selbst zu überprüfen, ob es hinreichend und korrekt unterrichtet werde, so ist dies zutreffend, schließt indes eine Kontrolle durch das Parlament nicht aus. Bestünde diese externe Kontrollmöglichkeit nicht, läge ein Kontrolldefizit in Bezug auf das Gremium vor, für dessen Rechtfertigung plausible Gründe nicht ersichtlich sind.
b) Dahingestellt bleiben kann, ob ein Verstoß gegen das Geheimhaltungsgebot des § 10 Abs. 1 PKGrG die Unzulässigkeit der Beweiserhebung zur Folge hat oder vielmehr lediglich dazu führen kann, dass die angeforderte Stelle berechtigt ist, die Übersendung der Beweismittel abzulehnen (zur Unzulässigkeit der Beweiserhebung gemäß § 17 Abs. 2 PUAG wegen Verstoßes gegen geltendes Recht vgl. Waldhoff/Gärditz/Gärditz, PUAG, § 17 Rn 12). Denn ein Verstoß gegen das Geheimhaltungsgebot des § 10 Abs. 1 PKGrG ist nicht zu besorgen.
Wie vorstehend ausgeführt ist das Geheimhaltungsgebot des § 10 Abs. 1 PKGrG quasi der „Preis“ für die dem Parlamentarischen Kontrollgremium in besonders hohem Maße gewährte Vertraulichkeit. Umfasst von dem Geheimhaltungsgebot gemäß § 10 Abs. 1 PKGrG sind nicht lediglich die Beratungen und durch das Gremium selbst erstellten Unterlagen, sondern auch die durch dieses beigezogenen Beweismittel, unabhängig davon, ob diese geheimhaltungsbedürftig sind (vgl. BVerfG, aaO Rn. 128). Lediglich in enumerativ normierten Fällen wird dieses Prinzip durchbrochen. So darf das Parlamentarische Kontrollgremium nach § 10 Abs. 2 PKGrG bei Zustimmung einer Mehrheit von zwei Dritteln seiner anwesenden Mitglieder Vorgänge bewerten und diese Bewertung veröffentlichen. Auch in diesem Fall darf jedoch nur ein Urteil über das Verhalten der Dienste abgegeben werden, geheimhaltungsbedürftige Vorgänge dürfen nicht veröffentlicht werden (vgl. BVerfG aaO Rn. 127).
Vorliegend begehren die Antragsteller gerade nicht den ihnen nach § 10 Abs. 1 PKGrG verwehrten Zugang zu den genannten Beweismitteln über das Parlamentarische Kontrollgremium. Vielmehr sollen die relevanten Beweismittel durch die Bundesregierung, die grundsätzlich auch gegenüber Untersuchungsausschüssen zu Auskünften über nachrichtendienstliche Vorgänge verpflichtet ist, ausgehändigt werden (vgl. BVerfG aaO Rn. 128).
Mit der Anforderung der Beweismittel, die dem Parlamentarischen Kontrollgremium vorgelegen haben, über die Bundesregierung wird das Geheimhaltungsgebot des § 10 Abs. 1 PKGrG auch nicht umgangen. Sinn des § 10 Abs. 1 PkGrG ist es insoweit - wie vorstehend ausgeführt, zu verhindern, dass geheimhaltungsbedürftige Vorgänge, die zwar dem Parlamentarischen Kontrollgremium, nicht aber dem Deutschen Bundestag selbst übermittelt werden können, über das Gremium dorthin gelangen. Diese Gefahr besteht vorliegend jedoch nicht. Soweit sich unter den Beweismitteln Unterlagen befinden, die aus Sicht der Bundesregierung aus Geheimhaltungsgründen zwar dem Parlamentarischen Kontrollgremium, nicht jedoch dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden können, so liegt es in deren alleinigen Entscheidungsbefugnis entsprechende Unterlagen zurückzuhalten.
Durch die begehrte Beweiserhebung wird das Beratungsgeheimnis auch nicht dadurch umgangen, als die Mitteilung der dem Parlamentarischen Kontrollgremium übergebenen Unterlagen und Beweismittel Rückschlüsse auf die Beratungen des Gremiums zuließe.
Das Parlamentarische Kontrollgremium hat zum einen zu dem Fall „Anis Amri“ unter dem 31. Mai 2017 (BT-Drucks. 18/12585) eine öffentliche Bewertung nach § 10 Abs. 2 PKGrG abgegeben. Darin ist u.a. ausgeführt, von welchen Stellen Akten beigezogen und - ohne Benennung konkreter Umstände - welche angeforderten Stellen dem Ersuchen nur eingeschränkt nachgekommen sind (BT-Drucks. 18/12585, S. 2). Zum anderen richtet sich der Antrag nicht auf die Vorlage des Anforderungsbeschlusses vom 16. Januar 2017, sondern nur auf Vorlage der Akten, die im Hinblick darauf tatsächlich übersandt wurden. Aus der begehrten Beweiserhebung ergibt sich damit z.B. nicht, ob und bejahendenfalls welche vom Parlamentarischen Kontrollgremium erbetenen Akten die Bundesregierung nicht übersandt hat. Ein Rückschluss auf geheimhaltungsbedürftigen Inhalt der Beratungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist damit nicht zu besorgen.
c) Die Beweisanträge sind auch nicht rechtsmissbräuchlich.
Zwar kann eine unverhältnismäßige Beweiserhebung, deren Aufwand in keinem Verhältnis zu dem zu erwartenden Erkenntnisgewinn steht und dadurch eine effektive Aufklärung nur verzögert, missbräuchlich und daher abzulehnen sein (vgl. Waldhoff/Gärditz/Gärditz, PUAG, § 17 Rn. 17). Hierfür bestehen vorliegend jedoch keine Anhaltspunkte. Eine Rechtsmissbräuchlichkeit wird durch den Antragsgegner nicht vorgetragen. Dahingestellt bleiben kann damit letztlich, ob die Übermittlung einer Auflistung der dem Parlamentarischen Kontrollgremium übersandten Akten dem Beweiszweck genügen würde. Die körperliche Übersendung der Akten und sonstigen Beweismittel, die - wie der Antragsgegner selbst vorträgt - in großen Teilen dem Ausschuss ohnehin bereits vorliegen dürften bzw. aufgrund der gefassten Beweisbeschlüsse noch vorzulegen sind, stellt gegenüber der Auflistung der Akten keinen so erhöhten Mehraufwand dar, dass insoweit von einer Missbräuchlichkeit des Beweisantragsrechts ausgegangen werden könnte.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Ein Gebührentatbestand bezüglich der Gerichtskosten ist weder im Untersuchungsausschussgesetz noch in oder für die hier sinngemäß anzuwendende Strafprozessordnung (Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG) gegeben; zudem würden solche Gebühren nicht erhoben (§ 2 GKG). Auch für die Überführung der Kosten und Auslagen des Antragsgegners mangelt es an einer Rechtsgrundlage (vgl. zudem § 35 PUAG).
Wimmer
Richterin am Bundesgerichtshof