Entscheidungsdatum: 21.08.2018
Der Kläger, ein 28-jähriger türkischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen die Anordnung seiner Abschiebung in die Türkei. Der Kläger ist in Deutschland geboren und aufgewachsen und befand sich vor seiner Abschiebung zuletzt im Besitz einer bis zum 14. April 2018 gültigen Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG. Seit 2015 ist er mit der russischen Staatsangehörigen M. E. nach islamischem Ritus verheiratet. Seinen Lebensunterhalt bestritt er zuletzt von Leistungen nach dem SGB II.
Mit Verfügung vom 16. Oktober 2017, dem Kläger anlässlich seiner Festnahme am 18. Oktober 2017 ausgehändigt, ordnete das Ministerium für Inneres, ländliche Räume und Integration des Landes Schleswig-Holstein - gestützt auf § 58a AufenthG - die Abschiebung des Klägers in die Türkei an. Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger dem jihadistischen Salafismus zuzurechnen sei und mit der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat (IS)" zumindest sympathisiere. Er besuche regelmäßig salafistisch geprägte Moscheen und habe an Seminaren von "C. Y." teilgenommen. Zu weiteren Personen, die dem islamistisch-salafistischen Spektrum zuzurechnen seien, unterhalte er engen Kontakt. Auf diversen Speichermedien des Klägers seien zahlreiche phänomenrelevante Audio-, Video- und Bilddateien aufgefunden worden. Der Kläger bewerbe und verbreite seine ideologische Überzeugung mittels sozialer Netzwerke, insbesondere "Facebook". Zudem habe er einen Hang zu Waffen aller Art. Er befürworte öffentlich Gewalt gegen "Ungläubige" und rufe zu Anschlägen auf. Diese Handlungen seien geeignet, andere Personen zu Anschlägen zu motivieren. Auch sei davon auszugehen, dass der Kläger zu denjenigen Personen gehöre, die die "Hijra (Auswanderung)" nicht vollzögen und sich daher verpflichtet sähen, selbst Anschläge zu verüben. Daraus ergebe sich die auf Tatsachen gestützte Prognose, dass von dem Kläger eine terroristische Gefahr sowie eine besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgehe. Aufgrund des Verhaltens des Klägers und der sich daraus ergebenden besonderen Gefährdungslage überwiege bei der Ermessensentscheidung das Interesse an der Ausreise das Bleibeinteresse des Klägers. Abschiebungsverbote seien nicht ersichtlich.
Am 25. Oktober 2017 hat der Kläger beim Bundesverwaltungsgericht Klage gegen die Abschiebungsanordnung erhoben. Er bestreitet, dass von ihm eine Gefahr ausgehe. Mit dem Islam beschäftige er sich lediglich aus Gründen des persönlichen Interesses und der Klärung religiöser und philosophischer Fragen. In keiner Weise habe er sich mit dem Kampf gegen "Ungläubige" identifiziert, hierzu aufgerufen oder konkrete Vorbereitungen dazu getroffen. Die hierzu ermittelten Tatsachen seien nicht belastbar. Es gehe um Handlungen, welche er unbedarft und aus naivem Interesse für den Islam getätigt habe. Die Audio-, Video- und Bilddateien habe er auf sein Mobiltelefon geladen, um diese später im Hinblick auf die Glaubensausrichtung der Personen, die diese Texte verfasst haben, zu analysieren. Auch bei den über Facebook geteilten Texten handele es sich nicht um eigene Texte oder Meinungen, sondern ausschließlich um Texte, die er auf der Suche nach der richtigen Auslegung des Islams habe lesen und einschätzen wollen. Die Abschiebungsanordnung verstoße ferner gegen Art. 41 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963. Eine "Ausweisung" dürfte nicht automatisch aus Gründen der Generalprävention, sondern nur aufgrund einer Ermessensentscheidung erlassen werden. Eine solche sei in der Abschiebungsanordnung nicht enthalten. Die Abschiebungsanordnung verletze ihn auch in seinen Rechten aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Mit seiner Lebenspartnerin sei er bereits nach islamischem Ritus verheiratet, beabsichtige auch eine staatliche Eheschließung und habe ein im April 2018 geborenes gemeinsames Kind. Darüber hinaus stünden seiner Abschiebung die in der Türkei zu erwartenden Haftbedingungen entgegen. Aufgrund der in Deutschland gegen ihn geführten Ermittlungsverfahren sei zu erwarten, dass er auch in der Türkei als "Gefährder" eingestuft und deshalb inhaftiert und gefoltert werde. Als mutmaßlichem "Gefährder" drohe ihm - nach der in der Türkei beabsichtigten Wiedereinführung - sogar die Todesstrafe. Zudem drohe ihm nach der Abschiebung die Einberufung zum türkischen Militärdienst, den er trotz entgegenstehender Überzeugung nicht verweigern und sich nach der Abschiebung auch nicht mehr davon freikaufen könne. Zwar sei er nach erfolgter Abschiebung laut vorgelegter Bescheinigung "für ein weiteres Jahr" als nicht militärdiensttauglich eingestuft worden; er müsse aber im März 2019 nach erneutem Gesundheits-Check dort wieder vorstellig werden, andernfalls werde er festgenommen. Sein Lebensunterhalt sei nach der Abschiebung in die Türkei dort nicht gesichert. Er sei körperlich angeschlagen und seit dem Verfahren auch aus psychischen Gründen arbeitsunfähig; zudem erhalte er keine "Yesil Card" und damit keine staatliche Unterstützung.
Der Kläger beantragt,
die Verfügung des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration des Beklagten vom 16. Oktober 2017 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die angegriffene Verfügung.
Der Vertreter des Bundesinteresses beteiligt sich nicht an dem Verfahren.
Mit Bescheid vom 13. November 2017 ordnete die Ausländerbehörde gegen den Kläger ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot an, das mit Vollzug der Abschiebung wirksam werden sollte. Über den dagegen erhobenen Widerspruch wurde noch nicht entschieden.
Mit Beschluss vom 16. Januar 2018 - 1 VR 12.17 - hat der Senat einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage abgelehnt. Am 26. Januar 2018 ist der Kläger in die Türkei abgeschoben worden. Mit Beschluss vom 12. Juli 2018 - 1 VR 4.18, 1 PKH 29.18 - hat der Senat einen weiteren Antrag des Klägers auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (nach § 80 Abs. 7 VwGO) und Rückgängigmachung der Vollziehung abgelehnt und mit Beschluss vom 8. August 2018 - 1 VR 9.18 - eine dagegen erhobene Anhörungsrüge zurückgewiesen.
Der Senat hat eine Liste mit Erkenntnismitteln über die abschiebungsrelevante Lage in der Türkei (Stand: Februar 2018) erstellt und den Beteiligten die darin aufgeführten Erkenntnismittel zur Kenntnis gebracht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakten der Verfahren BVerwG 1 VR 12.17, 1 VR 4.18 und 1 VR 9.18, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (MI), die Ausländerakte des Klägers (AA), die beigezogenen Ermittlungsakten der Staatsanwaltschaft Flensburg zum Strafverfahren 107 Js 12051/17 sowie - teilweise als Bestandteil der vorgenannten Ermittlungsakten - die Akten des Landeskriminalamts Schleswig-Holstein.
Die Klage gegen die Verfügung des Ministeriums für Inneres, ländliche Räume und Integration des Beklagten vom 16. Oktober 2017 ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Zulässigkeit der Klage steht die zwischenzeitliche Abschiebung des Klägers nicht entgegen. Hierdurch hat sich die Abschiebungsanordnung nicht erledigt, da von ihr weiterhin rechtliche Wirkungen ausgehen. Sie bildet unter anderem die Grundlage für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung und darauf aufbauende Rechtsfolgen, etwa die Haftung des Klägers für die durch seine Abschiebung entstandenen Kosten nach §§ 66 und 67 AufenthG (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 12).
2. Die Klage ist aber unbegründet. Die Verfügung des Beklagten vom 16. Oktober 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Maßgeblich für die gerichtliche Beurteilung einer Abschiebungsanordnung ist in Fällen, in denen der Ausländer - wie hier - in Vollziehung der gegen ihn ergangenen Entscheidung bereits abgeschoben worden ist, die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Abschiebung. Mit dem Vollzug der Abschiebungsanordnung ist der mit dieser Maßnahme verfolgte Zweck eingetreten, und die Berücksichtigung nach der Abschiebung eintretender neuer Umstände - zu Gunsten wie zu Lasten des Betroffenen - widerspräche ihrem Charakter als Vollstreckungsmaßnahme. Nachträgliche Änderungen sind daher in einem Verfahren nach § 11 AufenthG zu berücksichtigen. Auch in Bezug auf die - inzidente - Prüfung von Abschiebungsverboten kommt es nur darauf an, ob diese im Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen. Dies steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der hinsichtlich der Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung im Zielstaat einer Abschiebung auf den Zeitpunkt der Abschiebung abstellt und nachträglich bekannt werdende Tatsachen nur ergänzend heranzieht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 14 unter Hinweis auf EGMR, Urteil vom 14. März 2017 - Nr. 47287/15, Ilias u. Ahmed/Ungarn - Rn. 105 m.w.N.).
Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 58a Abs. 1 AufenthG. Danach kann die oberste Landesbehörde gegen einen Ausländer aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose zur Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ohne vorhergehende Ausweisung eine Abschiebungsanordnung erlassen.
2.1 Diese Regelung ist formell und materiell verfassungsgemäß (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 16; BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 24. Juli 2017 - 2 BvR 1487/17 - NVwZ 2017, 1526 Rn. 20 ff. und vom 26. Juli 2017 - 2 BvR 1606/17 - NVwZ 2017, 1530 Rn. 18). Die im vorliegenden Verfahren erneut erhobenen Einwände des Klägers gegen die Verfassungsmäßigkeit der Norm geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung.
Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (BGBl. 1972 II S. 385) - ZP - steht der Anwendbarkeit von § 58a AufenthG unabhängig davon nicht entgegen, ob der Kläger sich (noch) auf den Schutz dieser Regelung berufen kann. Gemäß Art. 41 Abs. 1 ZP werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Selbst bei unterstellter Anwendbarkeit des Art. 41 Abs. 1 ZP auf den Kläger und der Annahme, dass es sich bei § 58a AufenthG um eine "neue Beschränkung" im Sinne von Art. 41 Abs. 1 ZP handelt, wäre eine daraus resultierende Verschlechterung der rechtlichen Situation des Klägers aber jedenfalls gerechtfertigt. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Schaffung einer "neuen Beschränkung" nämlich dann nicht verboten, wenn diese "durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet ist, die Erreichung des angestrebten legitimen Ziels zu erreichen, und nicht über das zu dessen Erreichung Erforderliche hinausgeht" (EuGH, Urteil vom 10. Juli 2014 - C 138/13 [ECLI:EU:C:2014:2066], Dogan - Rn. 37). Dies ist vorliegend der Fall. § 58a AufenthG dient dem Schutz höchster Schutzgüter, ist geeignet das angestrebte Ziel zu erreichen und geht nicht über das notwendige Maß hinaus. Entsprechendes gilt hinsichtlich der Vereinbarkeit von § 58a AufenthG mit der Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80, da eine Aufenthaltsbeendigung nach § 58a AufenthG jedenfalls aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nach Art. 14 ARB 1/80 bzw. durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses (vgl. EuGH, Urteil vom 7. November 2013 - C-225/12 [ECLI:EU:C:2013:725], Demir - NVwZ-RR 2014, 115 Rn. 40) gerechtfertigt ist (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 7.17 - NVwZ 2017, 1798 Rn. 45; s.a. - zu der mit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 erfolgten Einführung des Regelausweisungstatbestands des Unterstützens einer terroristischen Vereinigung - BVerwG, Urteil vom 22. Februar 2017 - 1 C 3.16 - BVerwGE 157, 325 Rn. 64).
2.2 Die Abschiebungsanordnung ist - wie bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren dargelegt - formell rechtmäßig. Der formellen Rechtmäßigkeit steht insbesondere nicht entgegen, dass der Kläger vor Erlass der Verfügung nicht angehört worden ist, denn eine Anhörung war vorliegend entbehrlich.
a) Nach nationalem Verfahrensrecht war eine Anhörung hier entbehrlich. § 58a AufenthG schreibt eine Anhörung weder ausdrücklich vor, noch verbietet er eine solche, so dass § 87 des Allgemeinen Verwaltungsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (Landesverwaltungsgesetz - LVwG SH -) in der Fassung vom 2. Juni 1992 (GVOBl. Schl.-H. 1992, 243 und 534) anzuwenden ist. Nach dieser Regelung ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern (Abs. 1). Nach § 87 Abs. 2 LVwG SH kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist, insbesondere wenn eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint (Nr. 1).
Danach konnte hier auf eine Anhörung verzichtet werden, weil eine sofortige Entscheidung zumindest im öffentlichen Interesse notwendig war (§ 87 Abs. 2 Nr. 1 LVwG SH). § 58a AufenthG zielt auf die Bewältigung von beachtlichen Gefahren für hochrangige Rechtsgüter. Bei der mit einer Anhörung verbundenen "Vorwarnung" bestünde regelmäßig die Gefahr, dass sich der Betroffene durch Untertauchen der Abschiebung entzieht oder sonst den mit der kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung verfolgten Zweck vereitelt. Unabhängig davon war eine sofortige Entscheidung auch deshalb im öffentlichen Interesse notwendig, weil von dem Kläger eine terroristische Gefahr ausgeht, die sich jederzeit aktualisieren kann (siehe näher unten). Besondere atypische Umstände, die hier eine Anhörung ohne Gefährdung des Zwecks der Abschiebungsanordnung oder zumindest eine eingehendere Begründung der Ermessensentscheidung für den Verzicht auf eine Anhörung erfordert hätten, liegen nicht vor (BVerwG, Beschlüsse vom 31. Mai 2017 - 1 VR 4.17 - juris Rn. 13 und vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 17).
b) Auch nach Unionsrecht bedurfte es nicht zwingend einer Anhörung des Klägers vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Selbst wenn man unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung eine dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über gemeinsame Normen und Verfahren in den Mitgliedstaaten zur Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger (ABl. L 348 S. 98) unterfallende Rückkehrentscheidung darstellt, ist sie mit den sich hieraus dann ergebenden unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren.
Die Richtlinie 2008/115/EG enthält selbst nicht ausdrücklich ein Anhörungsgebot vor Erlass einer Rückkehrentscheidung. Dieses gilt aber als allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts (vgl. näher EuGH, Urteil vom 5. November 2014 - C-166/13 [ECLI:EU:C:2014:2336], Mukarubega - Rn. 40 bis 45). Das Recht auf Anhörung garantiert jeder Person die Möglichkeit, im Verwaltungsverfahren, bevor ihr gegenüber eine für ihre Interessen nachteilige Entscheidung erlassen wird, sachdienlich und wirksam ihren Standpunkt vorzutragen. Die Regel, wonach der Adressat einer beschwerenden Entscheidung in die Lage versetzt werden muss, seinen Standpunkt vorzutragen, bevor die Entscheidung getroffen wird, soll der zuständigen Behörde erlauben, alle maßgeblichen Gesichtspunkte angemessen zu berücksichtigen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union sind Grundrechte wie das Recht auf Beachtung der Verteidigungsrechte aber nicht schrankenlos gewährleistet, sondern können Beschränkungen unterworfen werden, sofern diese tatsächlich dem Gemeinwohl dienenden Zielen entsprechen, die mit der fraglichen Maßnahme verfolgt werden, und keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen und untragbaren Eingriff darstellen, der die so gewährleisteten Rechte in ihrem Wesensgehalt antastet (EuGH, Urteil vom 11. Dezember 2014 - C-249/13 [ECLI:EU:C:2014:2431], Boudjlida - Rn. 43). Dabei ist auch das Ziel der Richtlinie, nämlich die wirksame Rückführung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger in ihr Herkunftsland, zu berücksichtigen (ebd. Rn. 45).
Danach bedurfte es auch unionsrechtlich nicht zwingend einer Anhörung des Klägers vor Bekanntgabe der Abschiebungsanordnung. Mit der grundsätzlichen Entbehrlichkeit einer Anhörung vor Erlass einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG wird unter anderem bezweckt zu verhindern, dass sich die vorausgesetzte besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder terroristische Gefahr (die hier auch tatsächlich besteht, s.u.) in der Zwischenzeit realisiert (BVerwG, Beschluss vom 13. Juli 2017 - 1 VR 3.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 5 Rn. 21). Dies wäre bei Durchführung einer vorherigen Anhörung durch die zuständige Behörde - wie oben ausgeführt - nicht hinreichend sicher gewährleistet.
2.3 Die Verfügung ist auch materiell nicht zu beanstanden. Die Abschiebungsanordnung ist gegenüber der Ausweisung nach den §§ 53 ff. AufenthG eine selbstständige ausländerrechtliche Maßnahme der Gefahrenabwehr. Sie zielt auf die Abwehr einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und/oder einer terroristischen Gefahr. Eine solche Gefahr ging vom Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose aus.
a) Der Begriff der "Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland" ist - wie die wortgleiche Formulierung in § 54 Abs. 1 Nr. 2 und § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG - nach der Rechtsprechung des Senats enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit im Sinne des allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <120 f.>). In diesem Sinne richten sich auch Gewaltanschläge gegen Unbeteiligte zum Zwecke der Verbreitung allgemeiner Unsicherheit gegen die innere Sicherheit des Staates (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 21).
Der Begriff der "terroristischen Gefahr" knüpft an die neuartigen Bedrohungen an, die sich nach dem 11. September 2001 herausgebildet haben. Diese sind in ihrem Aktionsradius nicht territorial begrenzt und gefährden die Sicherheitsinteressen auch anderer Staaten. Im Aufenthaltsgesetz findet sich zwar keine Definition, was unter Terrorismus zu verstehen ist, die aufenthaltsrechtlichen Vorschriften zur Bekämpfung des Terrorismus setzen aber einen der Rechtsanwendung fähigen Begriff des Terrorismus voraus. Auch wenn bisher die Versuche, auf völkerrechtlicher Ebene eine allgemein anerkannte vertragliche Definition des Terrorismus zu entwickeln, nicht in vollem Umfang erfolgreich gewesen sind, ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts doch im Grundsatz geklärt, unter welchen Voraussetzungen die - völkerrechtlich geächtete - Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln anzunehmen ist. Wesentliche Kriterien können insbesondere aus der Definition terroristischer Straftaten in Art. 2 Abs. 1 Buchst. b des Internationalen Übereinkommens zur Bekämpfung der Finanzierung des Terrorismus vom 9. Dezember 1999 (BGBl. 2003 II S. 1923), aus der Definition terroristischer Straftaten auf der Ebene der Europäischen Gemeinschaft im Beschluss des Rates Nr. 2002/475/JI vom 13. Juni 2002 (ABl. L 164 S. 3) sowie dem Gemeinsamen Standpunkt des Rates Nr. 2001/931/GASP über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Dezember 2001 (ABl. L 344 S. 93) gewonnen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. März 2005 - 1 C 26.03 - BVerwGE 123, 114 <129 f.>). Trotz einer gewissen definitorischen Unschärfe des Terrorismusbegriffs liegt nach der Rechtsprechung des Senats eine völkerrechtlich geächtete Verfolgung politischer Ziele mit terroristischen Mitteln jedenfalls dann vor, wenn politische Ziele unter Einsatz gemeingefährlicher Waffen oder durch Angriffe auf das Leben Unbeteiligter verfolgt werden (BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2011 - 1 C 13.10 - BVerwGE 141, 100 Rn. 19 m.w.N.). Entsprechendes gilt bei der Verfolgung ideologischer Ziele. Eine terroristische Gefahr kann nicht nur von Organisationen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine terroristische Organisation eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder "Szeneeinbindungen", die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und die Bereitschaft im Einzelfall zu wecken oder zu fördern geeignet sind (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 22).
Das Erfordernis einer "besonderen" Gefahr bei der ersten Alternative bezieht sich allein auf das Gewicht und die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter sowie das Gewicht der befürchteten Tathandlungen des Betroffenen, nicht auf die zeitliche Eintrittswahrscheinlichkeit. In diesem Sinne muss die besondere Gefahr für die innere Sicherheit aufgrund der gleichen Eingriffsvoraussetzungen eine mit der terroristischen Gefahr vergleichbare Gefahrendimension erreichen. Dafür spricht auch die Regelung in § 11 Abs. 5 AufenthG, die die Abschiebungsanordnung in eine Reihe mit Verbrechen gegen den Frieden, Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit stellt. Geht es um die Verhinderung schwerster Straftaten, durch die im "politischen/ideologischen Kampf" die Bevölkerung in Deutschland verunsichert und/oder staatliche Organe der Bundesrepublik Deutschland zu bestimmten Handlungen genötigt werden sollen, ist regelmäßig von einer besonderen Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und jedenfalls von einer terroristischen Gefahr auszugehen. Da es um die Verhinderung derartiger Straftaten geht, ist es nicht erforderlich, dass mit deren Vorbereitung oder Ausführung in einer Weise begonnen wurde, die einen Straftatbestand erfüllt und etwa bereits zur Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen geführt hat (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 23).
Die für § 58a AufenthG erforderliche besondere Gefahrenlage muss sich aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose ergeben. Aus Sinn und Zweck der Regelung ergibt sich, dass die Bedrohungssituation unmittelbar vom Ausländer ausgehen muss, in dessen Freiheitsrechte sie eingreift. Ungeachtet ihrer tatbestandlichen Verselbstständigung ähnelt die Abschiebungsanordnung in ihren Wirkungen einer für sofort vollziehbar erklärten Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung. Zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung ist sie aber mit Verkürzungen im Verfahren und beim Rechtsschutz verbunden. Insbesondere ist die Abschiebungsanordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AufenthG). Da es keiner Abschiebungsandrohung bedarf (§ 58a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AufenthG), erübrigt sich auch die Bestimmung einer Frist zur freiwilligen Ausreise. Zuständig sind nicht die Ausländerbehörden, sondern grundsätzlich die obersten Landesbehörden (§ 58a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 AufenthG). Die Zuständigkeit für den Erlass einer Abschiebungsanordnung begründet nach § 58a Abs. 3 Satz 3 AufenthG zugleich eine eigene Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG ohne Bindung an hierzu getroffene Feststellungen aus anderen Verfahren. Die gerichtliche Kontrolle einer Abschiebungsanordnung und ihrer Vollziehung unterliegt in erster und letzter Instanz dem Bundesverwaltungsgericht (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 VwGO), ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes muss innerhalb einer Frist von sieben Tagen gestellt werden (§ 58a Abs. 4 Satz 2 AufenthG). Die mit dieser Ausgestaltung des Verfahrens verbundenen Abweichungen gegenüber einer Ausweisung lassen sich nur mit einer direkt vom Ausländer ausgehenden terroristischen und/oder dem gleichzustellenden Bedrohungssituation für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland rechtfertigen (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 24).
Die vom Ausländer ausgehende Bedrohung muss aber nicht bereits die Schwelle einer konkreten Gefahr im Sinne des polizeilichen Gefahrenabwehrrechts überschreiten, bei der bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Verletzung des geschützten Rechtsguts zu erwarten ist. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut der Vorschrift, die zur Abwehr einer besonderen Gefahr lediglich eine auf Tatsachen gestützte Prognose verlangt. Auch Sinn und Zweck der Regelung sprechen angesichts des hohen Schutzguts und der vom Terrorismus ausgehenden neuartigen Bedrohungen für einen abgesenkten Gefahrenmaßstab, weil seit den Anschlägen vom 11. September 2001 damit zu rechnen ist, dass ein Terroranschlag mit hohem Personenschaden ohne großen Vorbereitungsaufwand und mithilfe allgemein verfügbarer Mittel jederzeit und überall verwirklicht werden kann. Eine Abschiebungsanordnung ist daher schon dann möglich, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte ein beachtliches Risiko dafür besteht, dass sich eine terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik in der Person des Ausländers jederzeit aktualisieren kann, sofern nicht eingeschritten wird (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 25).
Diese Auslegung steht trotz der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen im Einklang mit dem Grundgesetz. Der Gesetzgeber ist von Verfassungs wegen nicht von vornherein für jede Art der Aufgabenwahrnehmung auf die Schaffung von Eingriffstatbeständen beschränkt, die dem tradierten sicherheitsrechtlichen Modell der Abwehr konkreter, unmittelbar bevorstehender oder gegenwärtiger Gefahren entsprechen. Vielmehr kann er die Grenzen für bestimmte Bereiche der Gefahrenabwehr mit dem Ziel schon der Straftatenverhinderung auch weiter ziehen, indem er die Anforderungen an die Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs reduziert. Dann bedarf es aber zumindest einer hinreichend konkretisierten Gefahr in dem Sinne, dass tatsächliche Anhaltspunkte für die Entstehung einer konkreten Gefahr bestehen. Hierfür reichen allgemeine Erfahrungssätze nicht aus, vielmehr müssen bestimmte Tatsachen im Einzelfall die Prognose eines Geschehens tragen, das zu einer zurechenbaren Verletzung gewichtiger Schutzgüter führt. Eine hinreichend konkretisierte Gefahr in diesem Sinne kann schon bestehen, wenn sich der zum Schaden führende Kausalverlauf noch nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit vorhersehen lässt, aber bereits bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen. In Bezug auf terroristische Straftaten, die oft von bisher nicht straffällig gewordenen Einzelnen an nicht vorhersehbaren Orten und in ganz verschiedener Weise verübt werden, kann dies schon dann der Fall sein, wenn zwar noch nicht ein seiner Art nach konkretisiertes und zeitlich absehbares Geschehen erkennbar ist, jedoch das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet, dass sie solche Straftaten in überschaubarer Zukunft begehen wird. Angesichts der Schwere aufenthaltsbeendender Maßnahmen ist eine Verlagerung der Eingriffsschwelle in das Vorfeldstadium dagegen verfassungsrechtlich nicht hinnehmbar, wenn nur relativ diffuse Anhaltspunkte für mögliche Gefahren bestehen, etwa allein die Erkenntnis, dass sich eine Person zu einem fundamentalistischen Religionsverständnis hingezogen fühlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 26.). Allerdings kann in Fällen, in denen sich eine Person in hohem Maße mit einer militanten, gewaltbereiten Auslegung des Islam identifiziert, den Einsatz von Gewalt zur Durchsetzung dieser radikal-islamischen Auffassung für gerechtfertigt und die Teilnahme am sogenannten "Jihad" als verpflichtend ansieht, von einer hinreichend konkreten Gefahr auszugehen sein, dass diese Person terroristische Straftaten begeht (BVerwG, Beschluss vom 19. September 2017 - 1 VR 8.17 - juris Rn. 18).
Für diese "Gefahrenprognose" bedarf es - wie bei jeder Prognose - zunächst einer hinreichend zuverlässigen Tatsachengrundlage. Der Hinweis auf eine auf Tatsachen gestützte Prognose dient der Klarstellung, dass ein bloßer (Gefahren-)Verdacht oder Vermutungen bzw. Spekulationen nicht ausreichen. Zugleich definiert dieser Hinweis einen eigenen Wahrscheinlichkeitsmaßstab. Abweichend von dem sonst im Gefahrenabwehrrecht geltenden Prognosemaßstab der hinreichenden Eintrittswahrscheinlichkeit mit seinem nach Art und Ausmaß des zu erwartenden Schadens differenzierenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab muss für ein Einschreiten nach § 58a AufenthG eine bestimmte Entwicklung nicht wahrscheinlicher sein als eine andere. Vielmehr genügt angesichts der besonderen Gefahrenlage, der § 58a AufenthG durch die tatbestandliche Verselbstständigung begegnen soll, dass sich aus den festgestellten Tatsachen ein beachtliches Risiko dafür ergibt, dass die von einem Ausländer ausgehende Bedrohungssituation sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen kann (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 27).
Dieses beachtliche Eintrittsrisiko kann sich auch aus Umständen ergeben, denen (noch) keine strafrechtliche Relevanz zukommt, etwa wenn ein Ausländer fest entschlossen ist, in Deutschland einen mit niedrigem Vorbereitungsaufwand möglichen schweren Anschlag zu verüben, auch wenn er noch nicht mit konkreten Vorbereitungs- oder Ausführungshandlungen begonnen hat und die näheren Tatumstände nach Ort, Zeitpunkt, Tatmittel und Angriffsziel noch nicht feststehen. Eine hinreichende Bedrohungssituation kann sich aber auch aus anderen Umständen ergeben. In jedem Fall bedarf es einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Ausländers, seines bisherigen Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren oder geäußerten inneren Einstellung, seiner Verbindungen zu anderen Personen und Gruppierungen, von denen eine terroristische Gefahr und/oder eine Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland ausgeht sowie sonstiger Umstände, die geeignet sind, den Ausländer in seinem gefahrträchtigen Denken oder Handeln zu belassen oder zu bekräftigen. Dabei kann sich - abhängig von den Umständen des Einzelfalls - in der Gesamtschau ein beachtliches Risiko, das ohne ein Einschreiten jederzeit in eine konkrete Gefahr umschlagen kann, auch schon daraus ergeben, dass sich ein im Grundsatz gewaltbereiter und auf Identitätssuche befindlicher Ausländer in besonderem Maße mit dem radikal-extremistischen Islamismus in seinen verschiedenen Ausprägungen bis hin zum ausschließlich auf Gewalt setzenden jihadistischen Islamismus identifiziert, über enge Kontakte zu gleichgesinnten, möglicherweise bereits anschlagsbereiten Personen verfügt und sich mit diesen in "religiösen" Fragen regelmäßig austauscht (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 28).
Der obersten Landesbehörde steht bei der für eine Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG erforderlichen Gefahrenprognose aber keine Einschätzungsprärogative zu. Als Teil der Exekutive ist sie beim Erlass einer Abschiebungsanordnung - wie jede andere staatliche Stelle - an Recht und Gesetz, insbesondere an die Grundrechte, gebunden (Art. 1 Abs. 3 und Art. 20 Abs. 3 GG) und unterliegt ihr Handeln nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG der vollen gerichtlichen Kontrolle. Weder Wortlaut noch Sinn und Zweck der Vorschrift sprechen für einen der gerichtlichen Überprüfung entzogenen behördlichen Beurteilungsspielraum. Auch wenn die im Rahmen des § 58a AufenthG erforderliche Prognose besondere Kenntnisse und Erfahrungswissen erfordert, ist sie nicht derart außergewöhnlich und von einem bestimmten Fachwissen abhängig, über das nur oberste (Landes-)Behörden verfügen. Vergleichbare Aufklärungsschwierigkeiten treten auch in anderen Zusammenhängen auf. Der hohe Rang der geschützten Rechtsgüter und die Eilbedürftigkeit der Entscheidung erfordern ebenfalls keine Einschätzungsprärogative der Behörde (BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 29).
b) In Anwendung dieser Grundsätze ist aufgrund einer auf Tatsachen gestützten Prognose davon auszugehen, dass von dem Kläger im Zeitpunkt seiner Abschiebung ein beachtliches Risiko im Sinne des § 58a AufenthG ausging, auch wenn den Sicherheitsbehörden kein konkreter Plan zur Ausführung einer terroristischen Gewalttat bekannt geworden war. Es bestand ein zeitlich und sachlich beachtliches Risiko, dass er einen terroristischen Anschlag begehen oder sich an einem solchen beteiligen würde, bei dem Unbeteiligte ums Leben kämen.
(1) Wie der Senat bereits in seinem Beschluss vom 16. Januar 2018 ausgeführt hat, gehörte der Kläger vor seiner Verhaftung der radikal-islamischen Szene in Deutschland an. Nach den Feststellungen der Landesbehörde für Verfassungsschutz Schleswig-Holstein hat er, wie er selbst einräumt (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 10), seit dem Jahr 2014 regelmäßig die salafistisch geprägte F. C. Moschee in N. besucht (Bl. 161 MI). Soweit er behauptet hat, diese Moschee unabhängig von deren Ausrichtung auf eine bestimmte islamische Glaubensrichtung besucht zu haben, weil er dort aufgrund der 24-Stunden-Öffnung zu jeder Zeit einkehren könne, erscheint dies in Zusammenschau mit den weiteren im Folgenden angeführten Erkenntnissen und Wertungen nicht glaubhaft, zumal der Kläger nach den Feststellungen der Verfassungsschutzbehörde zu den maßgeblichen Akteuren im Umfeld der Moschee gezählt und darüber hinaus gelegentlich auch die ebenfalls salafistisch geprägte Moschee Islamisches Zentrum L. besucht hat (Bl. 161 MI).
Zudem reiste der Kläger mindestens zweimal nach H. zum Deutschsprachigen Islamkreis H. e.V. (...) und nahm im Zeitraum vom 31. Dezember 2015 bis 1. Januar 2016 sowie vom 25. bis 28. März 2016 an Seminaren des bundesweit bekannten sogenannten Hasspredigers C. C. alias "C. Y." teil. Dieser war Imam in der Moschee des zwischenzeitlich rechtskräftig verbotenen Vereins ..., der unter anderem eine Anlaufstelle für jihadistische Salafisten darstellte und aus dessen Umfeld mehrere Personen zum "IS" in das Kriegsgebiet nach Syrien ausreisten (Bl. 162 MI, vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 30. August 2017 - 1 VR 5.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 8 Rn. 37). Gegen "C. Y." wurde am 10. Juli 2017 Anklage unter anderem wegen Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung "IS" (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 129b StGB) und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten (§ 111 Abs. 1 StGB) erhoben (Bl. 161 MI). Einer der Teilnehmer des Seminars im März 2016 war nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden auch der spätere Attentäter Anis Amri, der am 19. Dezember 2016 einen Anschlag auf Besucher eines Weihnachtsmarktes in Berlin verübte (Bl. 161 MI). Den Besuch der Seminare räumt der Kläger ein (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 10). Soweit er dabei behauptet, ihm sei Anis Amri dort weder aufgefallen, noch habe er mit diesem persönlichen Kontakt gehabt, ist dies unerheblich, weil die Seminarteilnahme unabhängig von diesem Kontakt die Zugehörigkeit des Klägers zur jihadistischen-salafistischen Szene in Deutschland belegt.
Der Kontakt des Klägers zu "C. Y." ging über die bloße Seminarteilnahme hinaus. So ergab die Auswertung des vom Kläger genutzten iPhones 5s, dass zwischen dem von ihm genutzten Telegram-Account und dem von "C. Y." genutzten Telegram-Account von Februar bis Mai 2016 und im Juli 2016 ein Chat-Kontakt bestand. Neben religiösen Fragestellungen fragte der Kläger im Rahmen dieser Kommunikation bei "C. Y." am 16. April 2016 an, ob dieser zum Freitagsgebet "bei uns" predigen kommen könne, was dieser jedoch ablehnte, weil er bis zu dem am 10. Mai 2016 endenden Seminar "leider" nicht könne. Am 7. Mai 2016 wiederholte der Kläger seine Anfrage (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 9 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018; Bl. 372 MI; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 11 und 52 f.). Diese Erkenntnisse widerlegen die zunächst vom Kläger aufgestellte (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 10), später von ihm selbst revidierte Behauptung (Schriftsatz vom 17. November 2017 S. 12), er habe keinen persönlichen Kontakt bzw. persönliche Chat-Korrespondenz zu "C. Y." unterhalten. Sie belegen zugleich die von den Verfassungsschutzbehörden festgestellte Rolle des Klägers als Akteur im Umfeld der F. C. Moschee in N. Der Einwand des Klägers, er habe zum Zeitpunkt der Kommunikation nicht um die Rolle des "C. Y." als Hassprediger gewusst (Schriftsatz vom 17. November 2017 S. 12), erscheint angesichts des hohen Bekanntheitsgrades des "C. Y." in der Salafistenszene und der Tatsache, dass die Kommunikation nach der Seminarteilnahme des Klägers stattfand, unglaubhaft. Hinzu kommt, dass der Kläger am 8. Mai 2016 gegenüber "C. Y." im Rahmen der Chat-Kommunikation äußerte, er habe gehört, dass [bei dem Seminar des "C. Y."] "viele Bullen" dagewesen seien (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 52), was verdeutlicht, dass er die Rolle des "C. Y." richtig einordnen konnte. Dass der Kläger seine Sympathiebekundungen gegenüber "C. Y." auch noch nach dessen Verhaftung und der gegen ihn erfolgten Anklageerhebung uneingeschränkt aufrechterhalten hat, geht aus einem Eintrag des Klägers vom 26. September 2017 in der Facebook-Gruppe "Free our sisters - Fukuu Akhwatina" hervor. In der Gruppe postete er auf einen Beitrag, der den Beginn des Gerichtsprozesses gegen "C. Y." zum Gegenstand hatte, den Wunsch: "Möge Allah jeden einzelnen V-Mann verräter Heuchler die für die kuffar arbeiten sehr schlimm im Diesseits & jenseits bestrafen [...] die dawa geht hinter Gitter weiter [Fehler im Original]" (Bl. 440 f. MI).
Überdies stand der Kläger nach den Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Kontakt zu einer Vielzahl weiterer Islamisten. So ergab die Auswertung seines Mobiltelefons iPhone 5s, dass er im Zeitraum von August 2016 bis Juni 2017 wiederholt mit einer Person in Kontakt stand, die sich im Kriegsgebiet aufhielt und von dort berichtete ("du konntest verbranntes Fleisch riechen von weiten", vgl. Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 46 bis 50; Bl. 315 MI). Diese Person konnte im Zuge der Ermittlungen als R. P. identifiziert werden, der im April 2016 nach Syrien ausgereist war und sich dort der Nusra-Front (= Terrororganisation, die sich mit dem "IS" verbündet hat) angeschlossen hatte (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 8 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018; Ermittlungsvermerk vom 4. Januar 2018 S. 1 bis 3, Bl. 368 ff. Gerichtsakte). Der Kläger hat zwar eingeräumt, dass er R. P. in der N.er Moschee getroffen und ihm gestattet habe, einmal in seiner Wohnung zu übernachten. Er hat aber behauptet, über dessen weiteren Verbleib nichts zu wissen und keinen Kontakt zu ihm zu haben (Schriftsätze vom 25. Oktober 2017 S. 12 und vom 17. November 2017 S. 12), was jedoch durch die zuvor angeführten Erkenntnisse und mehrere auf dem Mobiltelefon des Klägers sichergestellte Bildaufnahmen des R. P., darunter eine Aufnahme, auf der beide gemeinsam mit ausgestrecktem Zeigefinger abgebildet sind (eine häufig von den Anhängern des "IS" verwendete Geste), widerlegt ist (Bl. 313 und 314 MI).
Engen Kontakt unterhielt der Kläger auch zu O. W., der 2012 im Zusammenhang mit einer gewalttätigen salafistischen Demonstration in Bonn wegen Landfriedensbruchs sowie Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz verurteilt und im August 2013 an der Ausreise in das syrische Kriegsgebiet gehindert worden war (Schriftsatz vom 3. Januar 2018 S. 4). Zuletzt wurden der Kläger und O. W. zusammen am 12. Mai 2017 als Beschuldigte in der Tatortnähe eines Wohnungseinbruchdiebstahls (Bl. 18 bis 22 MI) und am 7. Juli 2017 anlässlich eines Geschwindigkeitsverstoßes als Beifahrer und Fahrer in einem Fahrzeug festgestellt (Bl. 45 f. MI). Nach der Festnahme des Klägers informierte O. W. die nach islamischem Ritus angetraute Frau des Klägers von dessen Inhaftierung (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Verdeckte Maßnahmen Bl. 61 f.).
Des Weiteren stand der Kläger mit einer Person namens "W. O." in Kontakt, die durch die Ermittlungsbehörden als V. W. C. identifiziert werden konnte, der von den niedersächsischen Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestuft wird (Schriftsatz vom 3. Januar 2018 S. 4; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. II Bl. 736). Mit diesem tauschte er sich im Zeitraum vom 20. bis 22. Oktober 2016 über die Kampfhandlungen des "IS" im Bereich der nordirakischen Stadt Kirkuk aus, wobei die Kämpfer des "IS" heroisiert wurden, und teilte am 29. Mai 2017 den Wunsch nach der Freilassung des "C. Y." (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 259 bis 261 und 308).
Weitere - für die Gefahrenprognose relevante - Erkenntnisse folgen aus den beim Kläger sichergestellten Gegenständen. Im Rahmen einer richterlich angeordneten Durchsuchungsmaßnahme wurde am 9. Juni 2017 in der Wohnung des Klägers unter anderem eine schwarze Flagge, auf der auf Arabisch in weißen Buchstaben das islamische Glaubensbekenntnis gezeigt wird, aufgefunden. Diese Flagge ist ein Symbol für den offensiv verstandenen Jihad und kennzeichnet die Verwender als Anhänger eines wieder zu errichtenden Kalifats, mithin des durch den "IS" verfolgten Ziels (Bl. 89 MI; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Durchsuchungsband Bl. 38 f.). Eine solche Flagge wurde bereits anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung am 21. Januar 2016 zusammengefaltet im Wohnzimmerschrank des Klägers aufgefunden und beschlagnahmt (Bl. 50 bis 52 MI). Außerdem wurden bei der Durchsuchung am 9. Juni 2017 eine Mütze mit "IS"-Symbolik (Bl. 84 und 93 MI; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Durchsuchungsband Bl. 36) und ein bei "IS"-Sympathisanten beliebter Prophetensiegelring (Bl. 91 MI; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Durchsuchungsband Bl. 37 f.) aufgefunden. Der Einwand des Klägers, er habe den Siegelring und die Flagge schon jahrelang in seinem Besitz, ohne dass ihm bewusst gewesen sei, dass es sich um dem "IS" zugehörige Symbole handele (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 12 f.), ist im Hinblick auf die festgestellten zahlreichen weiteren Erkenntnisse, welche die Sympathie des Klägers mit dem "IS" belegen, nicht glaubhaft. Entgegen der Darstellung des Klägers befand sich die Flagge (zumindest am 9. Juni 2017) auch nicht etwa zusammengefaltet im Schrank, so dass sie für Besucher seiner Wohnung nicht sichtbar war (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 13), sondern hing - wie auf einem Lichtbild von der Wohnungsdurchsuchung erkennbar - offen sichtbar an der Wand des Wohnzimmers (Bl. 89 MI). Diese nachweisliche Feststellung wird nicht dadurch infrage gestellt, dass sich Herr P. I., der nur einmal Anfang 2016 in der Wohnung des Klägers gewesen ist, und Herr C. D. nicht erinnern können, im Wohnzimmer des Klägers je diese Flagge gesehen zu haben (vgl. Gerichtsakte 1 VR 4.18, Bl. 49 und 51). Mit dem Siegelring an der Hand wurde der Kläger am 24. März 2017 anlässlich einer Verkehrsunfallaufnahme angetroffen (Bl. 53 bis 56 MI). Auch die auf seinem Mobiltelefon festgestellten Bilder bestätigen, dass er den Siegelring und die "IS"-Mütze trug (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 685; Bl. 437 MI).
Auf dem vom Kläger verwendeten, im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung ebenfalls sichergestellten iPhone 5s wurden zahlreiche Mediendateien mit jihadistisch-salafistischen Inhalten festgestellt. Auf dem Handy wurden nach der vorläufigen Auswertung der Sicherheitsbehörden 133 Audiodateien mit radikal-islamistischen Inhalten, insbesondere sogenannte Naschids, welche mit der Bezeichnung "IS" versehen sind, sichergestellt (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 2 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). Dabei handelt es sich um Propaganda- und Kampflieder für den gewaltsamen Jihad, welche der Kläger auch regelmäßig - wie im Rahmen der PKW-Innenraumüberwachung festgestellt werden konnte - gehört hat (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. II Bl. 326 f.). Soweit der Kläger behauptet, er könne die Inhalte und Bedeutung dieser Lieder nicht verstehen und mithin keine Wertung damit verbinden, weil er der arabischen Sprache nicht mächtig sei (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 11 f.), handelt es sich nach Wertung des Senats um eine Schutzbehauptung. Zum einen waren auf dem iPhone 5s des Klägers auch türkisch- und deutschsprachige Naschids gespeichert (vgl. LKA Schleswig-Holstein, Islamwissenschaftliche Bewertung von mehreren auf dem Handy des Klägers gespeicherten Videos vom 29. September 2017, S. 13 f. und 18 = Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 181 f. und 186). Zum anderen war dem Kläger selbst dann, wenn er die arabischsprachigen Naschids nicht verstehen konnte, zumindest deren grundlegende Ausrichtung bekannt. Hierfür spricht bereits, dass diese Audio-Dateien mit der Bezeichnung "IS" versehen waren. Zudem befanden sich auf den Mobiltelefonen des Klägers auch Videos mit "IS"-Propaganda, die ebenfalls mit Naschids hinterlegt waren, so dass jedenfalls in der Zusammenschau von bewegten Bildern und Gesängen die jihadistische Bedeutung der gewaltverherrlichenden Naschids als solche ohne Weiteres erkennbar war. Auch die Regelmäßigkeit, mit der der Kläger Naschids gehört hat, spricht ganz maßgeblich dafür, dass er um deren Bedeutung wusste.
Insgesamt wurden im Rahmen der vorläufigen Auswertung auf dem iPhone 5s 81 als relevant eingestufte Videos gesichert, worunter sich neben "IS"-Propaganda-Videos auch Amateuraufnahmen aus den Kampfgebieten befanden. Dass es sich dabei um jihadistisch-salafistische Inhalte handelt, wird etwa dadurch deutlich, dass in einem der Videos das Selbstmordattentat eines elfjährigen Kindes glorifiziert wird, in einem anderen zur Tötung des bekannten deutschen salafistischen Predigers R. X. aufgerufen wird, nachdem dieser Terroranschläge als "unislamisch" bezeichnet hatte, und in weiteren Videos mit Kampf- und grausamen Hinrichtungsszenen für den Anschluss an den "IS" geworben wird und Selbstmordanschläge abgebildet sind. In einigen Videos wird F. E. dargestellt, ein Deutscher, der sich im April 2014 dem "IS" angeschlossen hat und in einem der Videos Deutschland mit Anschlägen bedroht ("Die deutschen Schläfer warten."; Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 1 f. = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018; Islamwissenschaftliche Bewertung von mehreren auf dem Handy des Klägers gespeicherten Videos = Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 169 ff.).
Ferner stellten die Ermittlungsbehörden auf dem Mobiltelefon mehr als 25 000 als relevant eingestufte Bilder fest, darunter jihadistisch-salafistische und "IS"-Propagandaaufnahmen, Hinrichtungsbilder, Selbstaufnahmen des Klägers (u.a. mit "IS"-Mütze und Prophetensiegelring sowie in Kämpferpose), Bilder von Waffen und Kampfkleidung, Screenshots von Nachrichtenmeldungen über Terroranschläge in Europa (z.B. Paris, Berlin, Nizza, Ansbach). Auf einer Abbildung, auf der ein am Boden liegendes Opfer des Terroranschlags von London zu sehen ist, ist ein Tränen lachender Smiley und der Kommentar "Parr besoffene Hunde von London Eine Kreuzler Turirist am Sterben LACH MINUTE AN DIE OPFER [Fehler im Original]" eingefügt worden, wodurch zum Ausdruck gebracht wird, dass man sich über die Opfer des Terroranschlags lustig macht (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 2 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018; Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Datenträgerauswertung II Bl. 66 ff., 120 und 148 ff.).
Die Einwände des Klägers, er bestreite die Anzahl der Bild-, Video- und Audiodateien, weil sein Handy nur 16 GB Speicher habe, zudem kenne er die Vielzahl der Inhalte nicht und vermute, dass diese aus dem "Hintergrundspeicher" des Mobiltelefons stammen könnten (Schriftsätze vom 25. Oktober 2017 S. 11 und vom 17. November 2017 S. 16 f.), stellen nicht die Annahme infrage, dass er eine große Vielzahl solcher Dateien bewusst und gewollt auf sein Smartphone geladen und dort abgespeichert hatte. Zum einen sind die Dateien auf dem Gerät tatsächlich gesichert worden. Das weitere Vorbringen des Klägers ist als bloße Schutzbehauptung zu werten, weil es unglaubhaft erscheint, dass jemand auf seinem täglich genutzten Mobiltelefon eine solche Anzahl von Mediendateien mit sich führt, ohne diese - und sei es im Rahmen von Chats - zu einem großen Teil auch angesehen bzw. angehört zu haben. Dass dem Kläger bewusst war, dass sich auf seinem Mobilfunkgerät für die Ermittlungsbehörden relevante Daten befinden, wird auch aus einem Telegram-Chat vom 11. August 2016 deutlich, in dem sich der Kläger nach Möglichkeiten erkundigte, ein Handy bzw. WhatsApp-Verläufe zu löschen, wenn ein Mobiltelefon beschlagnahmt wurde (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 7 = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018).
Nur drei Wochen nach der Sicherstellung des iPhones 5s wurde am 30. Juni 2017 erneut ein vom Kläger genutztes Mobiltelefon beschlagnahmt. Auf diesem Gerät, einem iPhone 7, wurden wiederum relevante Inhalte festgestellt. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um drei verschiedene Banner bzw. Flaggen von terroristischen Organisationen ("Al-Qaida" in Nord-Algerien, "Kaukasisches Emirat" und "Al-Nusra-Front"), sechs Videos mit Naschid-Gesängen mit jihadistischem Inhalt und ein "IS"- Propaganda-Video mit Kampfszenen und 18 aus der Luft aufgenommenen, heroisch dargestellten Selbstmordattentaten. Außerdem ergab die Auslesung des Mobiltelefons, dass der Kläger Webseiten mit Hinrichtungsvideos besucht hat (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 12 ff. = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018).
Darüber hinaus verbreitete und bewarb der Kläger nach den Erkenntnissen der schleswig-holsteinischen Landesbehörde für Verfassungsschutz über ein von ihm genutztes Facebook-Profil über einen längeren Zeitraum und mit zunehmender Radikalisierung jihadistisch-salafistische Inhalte bzw. Inhalte islamistisch-terroristischer Gruppierungen, insbesondere des "IS", und rief dabei offen zu Gewalt gegen "Ungläubige" auf (Bl. 160 ff. MI). So postete er am 21. Oktober 2015 als Profilbild einen anscheinend gottesfürchtigen Kämpfer mit dem Spruch "Ich werde mit Männern kommen, die den Tod mehr lieben wie ihr das Leben." Dabei handelt es sich ausweislich der nachvollziehbaren islamwissenschaftlichen Einschätzung, die sich der Senat aus eigener Überzeugung zu eigen macht, um ein beliebtes Motiv bei jihadistischen Salafisten, mit dem die Jihadisten propagandistisch heroisiert und als Vorbild präsentiert werden, da sie als "wahre" Muslime bereit seien, sich Gott und dem Islam zu opfern (Bl. 78 und 168 MI). Dabei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass ein Facebook-Nutzer mit seinem Profilbild unter Facebook agiert, z.B. damit bei Veröffentlichungen oder Postings in Facebook-Gruppen visuell in Erscheinung tritt, da zusammen mit dem eingestellten Beitrag jeweils der Name und (in kleinem Format) das Profilbild des Verfassers angezeigt wird, wodurch auch die über das Profilbild transportierte Nachricht weiterverbreitet wird.
Am 19. November 2015 stellte der Kläger unter seinem Facebook-Profil einen Beitrag in die Facebook-Gruppe "Konvertierte Muslime" ein, in welchem drei aneinandergereihte übersetzte Koran-Verse (Sure 2, Vers 191; Sure 4, Vers 89 und Sure 8, Vers 12), denen gemein ist, dass sie - zumindest wenn man allein den Wortlaut der übersetzten Fassungen betrachtet - zur Tötung von "Ungläubigen" aufrufen, mit dem Resümee verbunden sind:
"Durch die eben zitierten Verse lässt sich über die zwei Arten von Muslimen folgendes feststellen:
Die friedlichen Moslems lügen
Die gewalttätigen Muslime verhalten sich genau so, wie es ihnen zweifelsfrei vorgeschrieben wird und sind damit die 'wahren' Gläubigen [Fehler im Original]" (Bl. 166 f. MI mit zugehörigem Beleg auf Bl. 198 MI).
In einem am 23. November 2015 unter seinem Profil veröffentlichten Beitrag bringt der Kläger seine unmissverständliche Sympathie mit dem "IS" zum Ausdruck. Dieser stehe im Einklang mit dem Islam ("so sieht man NICHTS was dem Islam widerspricht", "Entweder man stand zu ihnen und steht jetzt immer noch zu ihnen oder man teilte NIE mit Ihnen den selben Gedanken. Aber bitte keine Heuchelei!!! Ja3ni es sind Muslime zu 100 %!" [Fehler im Original]), wobei er auch die Ermordung eines jordanischen Piloten, der durch den "IS" in einen Käfig gesperrt bei lebendigem Leib verbrannt wurde, als legitim erachtet ("... dass die Art und Weise wie der Pilot getötet wurde, eine Grundlage im Islaam hat. [Fehler im Original]"
Am 2. Januar 2016 - mithin nur einen Tag nach der Teilnahme an dem Seminar des "C. Y." - stellte der Kläger unter seinem Profil eine Grafik ein, auf der in der Reihenfolge von oben nach unten in arabischer Schrift das islamische Glaubensbekenntnis (Schahada), ein Ritter mit einem Schwert in der rechten Hand haltend, der Schriftzug "Fisabilillah" (übersetzt: "Auf dem Wege Gottes") und ein Schwert abgebildet sind. Nach der nachvollziehbaren islamwissenschaftlichen Einschätzung, die sich der Senat aus eigener Überzeugung zu eigen macht, stellen diese Motive den Jihad im Sinne des bewaffneten Kampfes im Namen der Religion dar (Bl. 76 und 173 MI).
Der Kläger brachte seine radikal-islamische Überzeugung ferner dadurch zum Ausdruck, dass er über sein Facebook-Profil am 17. Juni 2016 in einer Facebook-Gruppe einen Link zum Telegram-Kanal und in einem Beitrag vom 14. Juli 2016 einen Link zur Internetseite des bereits oben erwähnten Hasspredigers "C. Y." veröffentlichte, damit bewarb und zu einer möglichen weitergehenden Radikalisierung anderer Nutzer beitrug (Bl. 179 mit den zugehörigen Belegen auf Bl. 226 bis 227 MI).
Im Jahr 2017 ist eine weitere Zunahme der Radikalisierung des Klägers zu verzeichnen. Am 28. Mai 2017 stellte er unter seinem Facebook-Profil ein Foto ein, welches er zeitweise auch als Profilbild verwendete, auf dem eine Person abgebildet ist, die offenbar unmittelbar vom Gebet kommend zu einem Sturmgewehr greift (Bl. 168 MI). Die entgegenstehende Behauptung des Klägers, es handele sich nicht um sein eigenes Profilbild (Schriftsatz vom 17. November 2017 S. 13), ist dadurch widerlegt, dass dieses Bild bei der Auswertung des vom Kläger genutzten Facebook-Profils sichergestellt worden ist, wobei das Bild mehrfach auch als Profilbild neben dem vom Kläger verwendeten Nutzernamen zu erkennen ist (Bl. 167 f. MI). In einem Beitrag vom 3. Juni 2017, den der Kläger unter anderem in den jeweils über 20 000 Mitglieder zählenden Facebook-Gruppen "Islam" und "Geschwister im Islam" veröffentlichte, verbreitete er zunächst in Form eines Bittgebets (arab. "Douaa"), in dem er die "IS"-Kämpfer (als Mudschahedin bezeichnet) verherrlicht, die Aufforderung, für diese Kämpfer zu beten:
"[...] Schämt euch nicht Douaa für die Mujaheddin zu machen, für diejenigen die Ihre Heimat und Familien verließen um dieser Religion und der Ummah zum Sieg zu verhelfen.
Die Sterne sind Ihre Decke und der Kalte harte Boden ist Ihre Matratze. Sie stehen den Feinden ALLAHs Tag und Nacht gegenüber. Sie ertragen den ekelhaften Sound der Jets über Ihnen und deren Bombadierungen. Es gibt niemanden Heute der wie Sie ist!!!
Bittet ALLAH ta ALA das er den Mujaheddin den Sieg gibt und bittet ALLAH azza wa jall das die Frauen der Kuffar Witwen werden, so wie unsere Schwestern Witwen wurden!! Bittet ALLAH azza wa jall das Ihre Kinder Weisen werden sowie unsere Kinder Weisen wurden !!! Schämt euch nicht ALLAH darum zu bitten und tut es mit YAQIN! [Fehler im Original]".
Unmittelbar daran schließt sich im Rahmen dieses Bittgebets eine Sympathiebekundung zu terroristischen Anschlägen des "IS" gegen die "Ungläubigen" (arab. kuffār) in verschiedenen Städten der arabischen und westlichen Welt an:
"Bittet ALLAH ta ALA das die Mujaheddin das Blut der Kuffar in den Straßen von Bagdad, Mossul, Fallujah, Aleppo, Raqqa, London, New York, Rom, Berlin fließen lassen !!! Macht die Douaa mit Yaqin und wisset das noch bevor Ihr die Hände runter macht ALLAH irgendwo auf der Welt Antworten wird! [Fehler im Original]".
Es folgt ein Aufruf an diejenigen, die nicht in die Kriegsgebiete des "IS" reisen können ("Hijra" bzw. "Hidschra" = Auswanderung), einen terroristischen Anschlag vor Ort zu verüben und die nächsten "Ungläubigen", die ihnen über den Weg laufen, zu töten:
"[...] Ya Akhil Muslim wenn du nicht die Hijra in den Islamischen Staat machen kannst, sodann leg dein ganzes Vetrauen in ALLAH. Sag LA ILAHA ILA ALLAH und beseitige die nächsten Kuffar denen du über den Weg läufst. [...] [Fehler im Original]" (Bl. 164 bis 166 MI mit den zugehörigen Belegen auf Bl. 192 bis 195 MI).
Am 6. Juni 2017 stellte der Kläger in die Facebook-Gruppe "Islam" das folgende Zitat als Graphik ein:
"Es ist eine komische Ummah, in der niemand den Jihad führt, ausser die Khawarij. Und es ist eine komische Ummah, in der niemand die Scharia gründen will, ausser die Khawarij. Und es ist eine komische Ummah, in der niemand den Ungläubigen Angst einjagt, außer die Khawarij. Und es ist eine komische Ummah, in der niemand beim sterben lächelt, ausser die Khawarij. [Fehler im Original]" (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. I Bl. 5 und 13).
Durch dieses Zitat wird die muslimische Gemeinschaft ("Ummah") kritisiert, weil mit Ausnahme der "Khawarij" (Bezeichnung für Mitglieder eines extremistischen Islam-Verständnisses) niemand bereit sei, den Jihad zu führen und nach der Scharia zu leben.
Der Kläger räumt ein, die Texte über das Facebook-Profil unter dem Fantasienamen "O. R." eingestellt zu haben (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 13 f.).
Hinzu kommt, dass der Kläger zahlreiche radikale Beiträge anderer Facebook-Nutzer mit "gefällt mir" gekennzeichnet hat. So markierte er ein Bild mit "gefällt mir", auf dem vier Reiter zu sehen sind. Das Bild ist - wie auch das bereits oben dargestellte Profilbild vom 21. Oktober 2015 - überschrieben mit: "Ich werde mit Männern kommen, die den Tod mehr lieben, als ihr das Leben" (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. II Bl. 448). Auch markierte der Kläger ein Bild mit "gefällt mir", welches mit dem Namen R. X. überschrieben ist und den folgenden Text enthält: "Wir rechnen mit allem, man muss aber eins wissen, wir gehen keinen Millimeter zurück, egal was es kostet, auch wenn es das Leben kostet" (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. II Bl. 449).
Der Kläger warb für seine Einstellung nicht nur über die sozialen Netzwerke, sondern auch in persönlichen Gesprächen. Dabei beließ er es nicht bei einem bloßen Werben, sondern kritisierte die eigene Untätigkeit mit Blick auf die vielen durch "Ungläubige" getöteten Muslime. Im Rahmen einer gemeinsamen Autofahrt mit mehreren türkischsprachigen Personen am 1. September 2017, sagte (vermutlich) der Kläger beispielsweise:
"Die Ungläubigen haben voll viele Muslime verbrannt und umgebracht ... da zählt jede Sekunde und wir sitzen hier ..." (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Wohnraum- und Fahrzeuginnenraumüberwachung II Bl. 190).
Selbst wenn der Senat zu Gunsten des Klägers unterstellt, dass diese Äußerung nicht von ihm stammt, so ist zumindest zu berücksichtigen, dass der Kläger, in dessen Fahrzeug das Gespräch stattfand, dem in keiner Weise entgegengetreten ist.
Für eine Gewaltbereitschaft des Klägers spricht auch sein ständiger Umgang mit Waffen und anderen gefährlichen Gegenständen, die er wiederholt mit sich geführt bzw. zu Hause aufbewahrt hat. Anlässlich einer Verkehrskontrolle am 11. September 2013 in N. wurde der Kläger mit einem Einhandmesser, einem Teleskopschlagstock und einem Tierabwehrspray angetroffen (Bl. 26 und 27 MI). Am 14. April 2014 wurde bei einer Verkehrskontrolle im vom Kläger geführten Fahrzeug eine Machete mit einer Klingenlänge von 55 cm festgestellt (Bl. 28 und 29 MI). Am 10. März 2015 transportierte er in seinem Fahrzeug (dieses Mal in einem verschlossenen Behältnis) einen Teleskopschlagstock und ein "Pfefferspray" (Bl. 30 bis 32 MI). Auch am 8. November 2015 wurde er mit einem Teleskopschlagstock angetroffen (Bl. 33 und 34 MI). Anlässlich einer Wohnungsdurchsuchung am 21. Januar 2016 wurde in der Wohnzimmerschrankwand des Klägers ein Schreckschussrevolver der Marke Röhm aufgefunden, weshalb die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Kiel mit Datum vom 27. Januar 2017 Anklage wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe erhoben hat (Bl. 35 und 36 MI; Anklageschrift im Verfahren 588 Js 12162/16 vom 27. Januar 2017, Anlage zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). Im Zusammenhang mit der Aufklärung eines Wohnungseinbruchdiebstahls, bei dem der Kläger als Beschuldigter geführt wird und in der Nähe des Tatorts festgestellt wurde, fand man bei ihm am 12. Mai 2017 ein Gürtelschnallenmesser. Dabei handelt es sich um eine sogenannte "Tarnwaffe" in Form eines Gürtels, dessen Gürtelschnalle aus einem feststehenden Messer mit einer Klingenlänge von 5,5 cm besteht (Bl. 37 bis 39 MI). Ein ebensolches Gürtelschnallenmesser wurde - obwohl am 12. Mai 2017 eine Sicherstellung des dort aufgefundenen Messers erfolgte - auch im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung am 9. Juni 2017 aufgefunden. Daneben wurden diverse Messer in der Anbauwand und eine Machete im Wohnzimmer festgestellt. Im Spalt der Klappe des neben der Wohnungseingangstür befindlichen Sicherungskastens steckte griffbereit ein Messer (Bl. 83 ff. MI).
Relevant ist weiterhin, dass der Kläger sich bereits einmal wegen einer von ihm hervorgerufenen Bedrohungslage im Gewahrsam befand. Am Nachmittag des 9. Juni 2017 kam es zu einem Disput zwischen dem Kläger und einem Polizeibeamten, der im Rahmen der Observation des Klägers von diesem aufgedeckt worden war. Der Kläger beendete den Disput mit der Äußerung, dass er noch am Abend zur "..." (ein Stadtfest, das zu diesem Zeitpunkt in N. stattfand) gehen wolle und es dort "richtig krachen" werde. Aufgrund dieser Ankündigung, die zusammen mit den zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Erkenntnissen über radikal-islamistische Äußerungen des Klägers im Internet von den Ermittlungsbehörden als ernsthafte Ankündigung eines möglichen Terroranschlags auf das Stadtfest aufgefasst wurde, kam es noch am Abend desselben Tages zur richterlich angeordneten Ingewahrsamnahme des Klägers und zur Durchsuchung seiner Wohnung. Nach Beendigung des Stadtfestes wurde der Kläger am Abend des 11. Juni 2017 wieder aus dem Gewahrsam entlassen (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. I Bl. 40 f.).
(2) Angesichts der vorstehend festgestellten Tatsachen, die sich auf Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden stützen, hält es der Senat für hinreichend wahrscheinlich, dass der Kläger seinen über einen langen Zeitraum gebildeten und bekundeten Überzeugungen auch Taten folgen lässt und einen - ohne großen Vorbereitungsaufwand möglichen - Terroranschlag in Deutschland begeht. Die von ihm ausgehende Bedrohungssituation kann sich jederzeit aktualisieren und in eine konkrete terroristische Gefahr und/oder eine dem gleichzustellende Gefahr für die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umschlagen.
Die Gesamtschau der den Kläger betreffenden Erkenntnisse ergibt, dass sich der Kläger seit 2014 zunehmend islamistisch radikalisiert hat und mit der terroristischen Vereinigung "IS" und dem von dieser propagierten bewaffneten Kampf (Jihad) sympathisiert. Die auf den Mobiltelefonen des Klägers gefundenen unzähligen "IS"-Propaganda und grausame Gewalttaten darstellenden Bilder, Videos und Texte, zeigen in aller Deutlichkeit, dass der Kläger dem jihadistisch-salafistischen Spektrum zuzuordnen ist und eine sehr ausgeprägte Sympathie für den "IS" hegt. Zu diesem Ergebnis kommen auch die islamwissenschaftlichen Bewertungen der auf den Mobiltelefonen gespeicherten Bilder (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 683 ff.), Videos (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 697 ff.) und Textdokumente (Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 718 ff.), die sich der Senat aus eigener Überzeugung zu eigen macht. Darüber hinaus war auf den Mobiltelefonen des Klägers eine sehr große Anzahl an Naschids gespeichert, welche er auch fortwährend gehört hat. Die tiefe Verwurzelung des Klägers im jihadistischen Salafismus wird auch dadurch eindrucksvoll belegt, dass er nach Beschlagnahme seines iPhones 5s im Rahmen der Wohnungsdurchsuchung am 9. Juni 2017 binnen weniger Wochen erneut diverse phänomenrelevante Bild- und Videodateien auf sein neues Mobiltelefon (iPhone 7) geladen hatte (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 12 ff. = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018).
Der Kläger belässt es nicht bei einer innerlichen Identifikation mit dem jihadistischen Salafismus und "IS", sondern trägt seine extreme ideologische Überzeugung bewusst nach außen. Die zahlreichen Facebook-Einträge des Klägers - die im Laufe der Zeit immer radikalere Tendenzen aufweisen - belegen dies. Wer, wie der Kläger, den Bereich einer rein innerlichen Identifikation mit einer Ideologie verlässt, die seine Anhänger zum Handeln ("Jihad") auffordert, hat einen großen Schritt dahin getan, seiner Einstellung auch eigene Taten folgen zu lassen. Den Einwand des Klägers, es handele sich bei den Facebook-Einträgen nicht um eigene Meinungen, die er damit habe kundtun oder anderen mitteilen wollen, sondern um ein Sammelsurium von Texten, die ihn interessierten und die er auf der Suche nach der richtigen Auslegung des Islam habe lesen und einschätzen wollen (Schriftsatz vom 25. Oktober 2017 S. 13 f.), wertet der Senat als Schutzbehauptung. Das Facebook-Profil des Klägers enthält zahlreiche Einträge, die dem militanten Salafismus zuzurechnen sind (vgl. auch Islamwissenschaftliche Bewertung des Facebook-Profils vom 19. Mai 2017 = Bl. 73 ff. MI). Er hat überdies eine aktive Rolle bei der Indoktrinierung und Radikalisierung anderer Facebook-Nutzer eingenommen. Ein nur beiläufiges, sich auf die eigene Information beschränkendes Interesse wird allein hierdurch widerlegt. Hinzu kommt, dass der Kläger, wie ausgeführt, zahlreiche radikale Beiträge anderer Facebook-Nutzer mit "gefällt mir" gekennzeichnet hat und so eindeutig zu verstehen gibt, dass er sich mit diesem Gedankengut identifiziert und dies in dieser Weise auch nach außen kenntlich machen will.
Dass sich der Kläger - im Laufe seiner Radikalisierung - zuletzt nicht mehr damit zufrieden gegeben hat, für seine ideologische Einstellung zu werben, sondern immer deutlicher auch zu Anschlägen aufgefordert hat, verstärkt die von ihm ausgehende Gefahr einer eigenen Tat erheblich. Sein Verhalten ist von einer einstmals passiven Ausrichtung zunehmend ins Aktive umgeschlagen.
Die auf den Mobiltelefonen des Klägers festgestellten Bilder und Videos mit grausamen Inhalten (Hinrichtungen, getötete Zivilisten) lassen den Schluss zu, dass der Kläger - aufgrund des Konsums dieser Medien - eine emotionale Abstumpfung erfahren hat, die die Gefahr einer Begehung terroristischer Anschläge weiter erhöht. Diese Gefahr wird durch den Kontakt zu bekannten Salafisten (z.B. "C. Y.", R. P., O. W.) noch verstärkt. Diese Kontakte versetzen den Kläger in die Lage, Gleichgesinnte und damit mutmaßliche Unterstützer für etwaige Anschläge zu finden und sich in der Gesinnung und in ihren Taten gegenseitig zu bestärken.
Besondere Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der Waffenaffinität des Klägers beizumessen. Bei diesem wurden über Jahre hinweg und wiederholt zahlreiche Waffen und gefährliche Gegenstände (z.B. Pfefferspray, Klappmesser, Machete, Gürtel mit verstecktem Messer, Schreckschusspistole, Teleskopschlagstock) aufgefunden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich unter den festgestellten Gegenständen auch solche befanden, die typischerweise als Angriffsmittel Verwendung finden. Die beim Kläger aufgefundene Machete ist beispielsweise bereits aufgrund ihrer Größe (Klingenlänge von 55 cm) und den damit verbundenen Transportschwierigkeiten ersichtlich nicht zur Selbstverteidigung bestimmt. Auch ein Teleskopschlagstock ist eher eine Angriffs- als eine Selbstverteidigungswaffe. Damit wird deutlich, dass der Kläger auch im Zusammenhang mit Waffen den Rahmen einer (in bestimmten Kreisen noch als "gewöhnlich" zu bezeichnenden) Ausstattung verlassen hat, ohne dass hierfür Gründe - wie beispielsweise eine besondere Bedrohungslage des Klägers - ersichtlich wären. Dass er sich mit Waffen und gefährlichen Gegenständen ausstattet und diese bei sich führt, obwohl hierfür objektiv keine Notwendigkeit besteht, lässt auf eine erhebliche Gewaltbereitschaft und auf eine hiermit einhergehende erhöhte Gefährlichkeit des Klägers schließen.
Relevante Schutzfaktoren, welche die von dem Kläger ausgehende Gefahr für einen Anschlag verringern, sind nicht ersichtlich. Das Risiko eines terroristischen Anschlags wird auch nicht durch die geltend gemachte Bindung an seine ihm nach islamischem Ritus angetraute, die russische Staatsbürgerschaft besitzende Frau und deren im April 2018 geborenes Kind gemindert. Dabei bedarf es keiner abschließenden Klärung, ob diese Beziehung im Zeitpunkt der Abschiebung überhaupt noch bestanden hat, wogegen manches spricht. Denn eine derartige Beziehung wirkt allzumal dann nicht deeskalierend, wenn der Partner das Weltbild teilt. Ein mäßigender Einfluss der Frau auf den Kläger wird nicht substantiiert geltend gemacht und erschließt sich auch weder aus deren Eingaben an den Senat, etwa der im Klageverfahren vorgelegten eidesstattlichen Versicherung, noch aus dem sonstigen Akteninhalt (vgl. insbesondere die im Strafverfahren erfolgte Telekommunikationsüberwachung).
Soweit der Kläger erklärt hat, dass er sich "von gewaltsamen Aktionen distanzier[e] und ... das Angebot des in Schleswig-Holstein bestehenden Vereins R. und 'M'" annehme (Schriftsatz vom 11. Januar 2018 S. 2), bewirkt dies keine im Ergebnis beachtliche Minderung der vom Kläger ausgehenden Gefährdung. Der Senat verkennt dabei nicht, dass entsprechende Treffen vor der Abschiebung bereits stattgefunden hatten und nicht sicher auszuschließen ist, dass der Kläger an diesen Treffen aus mehr als nur "taktischen" Gründen teilgenommen hat. Indes fehlen bereits positive Anhaltspunkte für die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit der Bereitschaft des Klägers, sich auf einen Deradikalisierungsprozess einzulassen; auch sind - jenseits des durch die Abschiebungsanordnung und die Inhaftierungssituation geschaffenen äußeren Drucks, der für sich allein nicht ausreicht - keine nachvollziehbaren Anstöße für einen derart gravierenden Wandel vorgetragen oder ersichtlich, die dem Senat eine positive Prognose des Erfolges dieser Bemühungen ermöglichten. Solcher Anhaltspunkte bedarf es angesichts der bereits über Jahre hinweg bestehenden und stetig wachsenden Verwurzelung des Klägers im radikalen Gedankengut. Diese spricht gegen einen, aufgrund von (bislang) lediglich zwei Besuchen von R. erfolgten, ernstzunehmenden und grundlegenden Einstellungswandel beim Kläger. Der Kläger zeigte sich zudem auch ersichtlich unbeeindruckt von einer erfolgten mehrtägigen Ingewahrsamnahme und Wohnungsdurchsuchung am 9. Juni 2017 im Zusammenhang mit der Festveranstaltung "...". Auf dem ab diesem Zeitpunkt durch den Kläger genutzten Mobiltelefon iPhone 7 konnten bereits wenige Wochen später erneut phänomenrelevante Bild- und Videodateien festgestellt werden (Ermittlungsbericht vom 21. Dezember 2017 S. 12 ff. = Anlage 1 zum Schriftsatz vom 3. Januar 2018). Dies unterstreicht die tiefe Verwurzelung des Klägers im radikalen Gedankengut und die damit einhergehenden Hürden, die mit einem ernsthaften Einstellungswandel verbunden sind. Hinzu kommt, dass der Kläger sich im Rahmen eines am 8. Dezember 2017 geführten Telefonats mit seiner ihm nach islamischem Ritus angetrauten Frau darüber lustig macht, dass er an dem "Deradikalisierungsprogramm" von R. teilnehmen "soll" ("große(s) Gelächter auf beiden Seiten", vgl. Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 SB Verdeckte Maßnahmen Bl. 123 sowie SB TKÜ III Bl. 137). Auch das - von ihm vorgetragene, durch zahlreiche Eingaben seiner Mutter bekräftigte - gute Verhältnis zu seiner Familie, insbesondere zu seiner Mutter, hat den Kläger nicht von der festgestellten fortschreitenden Radikalisierung abgehalten.
Ebenso wenig überzeugt die mit eidesstattlicher Versicherung vom 26. Juni 2018 aufgestellte Behauptung des "langjährigen guten Bekannten" und Gründers des Moscheevereins P. I., der Kläger habe sich von den terroristischen Mitteln, mit denen der "IS" arbeite, deutlich distanziert; die Erklärungen von anderen zu "Taqfiri" hielten "sie" für unislamisch und hätten "sie" deutlich kritisiert. Angesichts der aktiven Rolle des Klägers bei der Verbreitung seiner islamistischen Überzeugung und der über einen langen Zeitraum immer wieder zum Ausdruck gebrachten Befürwortung des bewaffneten Jihad lässt sich ausschließen, dass er sich - wie behauptet - im weiteren lediglich "informieren" wollte oder eine punktuelle Kritik des "IS" und seiner Taten gegenüber Dritten die wahre Haltung des Klägers widerspiegelt. Aus denselben Gründen führt auch die eidesstattliche Versicherung des Freundes C. D. vom 28. Juni 2018 zu keinem anderen Ergebnis. Die in der mündlichen Verhandlung von der Unterbevollmächtigten des Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellten Beweisanträge, die Herren I. und D. als Zeugen zu vernehmen, waren als verspätet abzulehnen, weil sie nicht innerhalb der mit Verfügung vom 23. Mai 2018 gesetzten Frist gestellt worden sind und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Präklusion nach § 87b Abs. 3 VwGO vorliegen. Das Gleiche gilt für den Beweisantrag auf Vernehmung der Frau E. als Zeugin zu der behaupteten ablehnenden Einstellung des Klägers zu Terrorismus und dem Vorgehen von "Daesh" ("IS") (vgl. Sitzungsprotokoll vom 21. August 2018, S. 3 f.).
Die dem Kläger für weiteres tatsächliches Vorbringen und Bezeichnung von Beweismitteln bis zum 29. Juni 2018 gesetzte Frist war vorliegend nicht dadurch hinfällig geworden, dass der Beklagte nachträglich entstandenes Aktenmaterial (ergänzende Verwaltungsvorgänge des Ministeriums, Ergänzungen der Ausländerakte und der Akten des Landeskriminalamts) vorgelegt hat, das erst am 28. Juni 2018 bzw. 4. Juli 2018 bei Gericht eingegangen ist und sodann an den Prozessbevollmächtigten des Klägers auf CD zwecks Akteneinsicht weitergeleitet worden ist. Dieses ergänzende Aktenmaterial ändert nichts daran, dass der Kläger Anlass und Möglichkeit hatte, alle in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge, die gerade nicht an dieses Aktenmaterial anknüpfen, bereits innerhalb der ihm gesetzten Frist zu stellen. Der Senat hat dieses ergänzende Aktenmaterial im Übrigen nicht verwertet, soweit es die in den Beweisanträgen angesprochenen Punkte (namentlich die Gefahrenprognose und Familienverhältnisse des Klägers) betrifft.
Die Gesamtschau der den Kläger betreffenden Erkenntnisse, seiner Persönlichkeit, seines Verhaltens, seiner nach außen erkennbaren Einstellung und der Verbindung zu anderen radikal-islamischen Personen ergibt nicht lediglich eine radikal-religiöse Einstellung. Vielmehr ergibt diese Gesamtschau, dass der Kläger inzwischen einen Grad der Radikalisierung erreicht hat, der konkret besorgen lässt, dass er bereit ist, seiner islamistischen Überzeugung auch durch gewaltsame oder terroristische Methoden Ausdruck zu verleihen. Dies hat der Kläger selbst schon zu Beginn seines Radikalisierungsprozesses bestätigt, auch wenn es aufgrund der vorstehenden Ausführungen hierauf nicht mehr entscheidungserheblich ankommt. Ausweislich der Angaben von Herrn C. T. vom 16. Dezember 2015 äußerte der Kläger diesem gegenüber, dass er - der Kläger - es "gut finden würde, wenn Ungläubige sterben würden, er fände den 'IS' gut und werde sich Waffen und Schwerter besorgen, um zu kämpfen, man werde schon sehen, was passiert" (Strafanzeige vom 8. Juni 2017 S. 4 = Bl. 14 MI).
Der Senat kann zu dieser bewertenden Gesamtschau gelangen, ohne auf das vom Bundeskriminalamt entwickelte Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE (Regelbasierte Analyse potentiell destruktiver Täter zur Einschätzung des akuten Risikos - islamistischer Terrorismus - dazu Pressemitteilung des Bundeskriminalamts vom 2. Februar 2017) oder vergleichbare Instrumente zur Risiko- bzw. Gefährlichkeitseinschätzung (s. dazu Rettenberger, Die Einschätzung der Gefährlichkeit bei extremistischer Gewalt und Terrorismus, Kriminalistik 2016, 532) zurückgreifen zu müssen. Derartige Instrumente können bei Beachtung ihrer methodischen Anwendungsvoraussetzungen und unter Berücksichtigung der Grenzen ihrer Aussagekraft für eine erste Risikoeinschätzung nützlich und hilfreich sein und etwa die sicherheitsbehördliche Entscheidung über das Ob und den Umfang zu treffender Maßnahmen unterstützen; es handelt sich aber nicht um Instrumente, deren Einsatz notwendige Voraussetzung der gebotenen gerichtlichen Gesamtschau ist. Auch bei RADAR-iTE handelt es sich lediglich um ein Instrument zur strukturierten Erhebung der für eine Gefährdungsprognose relevanten Tatsachen, das der Priorisierung der polizeilichen Arbeit dient, eine eigenständige Gefahrenbewertung durch die Polizeibehörden aber nicht ersetzt (BVerwG, Urteil vom 27. März 2018 - 1 A 5.17 - juris Rn. 51). Ungeachtet dessen bestätigt die hier am 5. September 2017 durchgeführte Risikoanalyse mit dem Risikobewertungsinstrument RADAR-iTE die Gefahrenprognose des Senats. Denn diese ergab bei dem Kläger ein "hohes Risiko", das eine "hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung einer schweren Gewalttat in Deutschland" indiziere (vgl. LKA Schleswig-Holstein, Bericht zur Risikoanalyse des ... vom 24. November 2017, Ermittlungsakte 107 Js 12051/17 Hauptakte Bd. III Bl. 725 ff.).
Die in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge, einen näher bezeichneten Islamwissenschaftler und eine näher bezeichnete Psychiaterin als Sachverständige zu laden und zu vernehmen, waren gemäß 87b Abs. 3 VwGO als verspätet abzulehnen. Sie sind überdies überwiegend nicht auf Tatsachen, sondern auf Bewertungen oder Schlussfolgerungen gerichtet, die das Gericht aus eigener Sachkunde vorzunehmen in der Lage ist (vgl. dazu bereits näher BVerwG, Urteil vom 27. März 2018 - 1 A 4.17 - juris Rn. 80). Besonderheiten, die eine sachverständige Expertise Dritter erforderten, waren nicht substantiiert vorgetragen; allein die geltend gemachten persönlichen Umstände wie Migrationshintergrund, kulturelle Besonderheiten und Zugehörigkeit zu islamischer Religion reichen hierfür nicht aus (vgl. Sitzungsprotokoll vom 21. August 2018, S. 4).
Eine persönliche Anhörung des - in die Türkei abgeschobenen - Klägers durch den Senat war schließlich entgegen dessen Auffassung nicht geboten. Die Gefahrenprognose beruht auf einer umfassenden Tatsachengrundlage, die der Senat aus dem vom Beklagten vorgelegten umfangreichen Aktenmaterial gewonnen hat. Darin ist auch der Kläger zu Wort gekommen. Im gerichtlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes sowie im Klageverfahren vor dem Senat hatte er zudem Gelegenheit, sich über seinen jeweiligen Prozessbevollmächtigten zu äußern. Soweit Äußerungen erfolgt sind, hat der Senat diese zur Kenntnis genommen und verwertet; eine weitere Amtsermittlung durch persönliche Anhörung des Klägers, für die diesem unter Erteilung einer Betretenserlaubnis eine kurzfristige Rückreise nach Deutschland hätte ermöglicht werden müssen, drängte sich nicht auf. Der in der mündlichen Verhandlung gestellte förmliche Beweisantrag auf Parteivernehmung des Klägers war darüber hinaus schon deshalb abzulehnen, weil der Antrag nicht innerhalb der mit Verfügung vom 23. Mai 2018 gesetzten Frist nach § 87b VwGO gestellt worden ist und auch die weiteren Voraussetzungen für eine Präklusion nach § 87b Abs. 3 VwGO vorliegen (vgl. näher Sitzungsprotokoll vom 21. August 2018, S. 3). Der Kläger war bereits mit der Verfügung vom 23. Mai 2018 darauf hingewiesen worden, dass der Senat nicht beabsichtige, förmlich Beweis zu erheben und das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen; mit Verfügung vom 25. Juni 2018, die den Prozessbevollmächtigten des Klägers am 26. Juni 2018 und damit vor Ablauf der mit Verfügung vom 23. Mai 2018 gesetzten Frist erreicht hatte, wurde bekräftigt, dass keine sachliche Veranlassung bestehe, das persönliche Erscheinen des Klägers anzuordnen oder ihn in der mündlichen Verhandlung anzuhören. Bei dieser Sachlage ist auch nicht zu vertiefen, ob der Kläger bei der zuständigen Behörde eine Erlaubnis nach § 11 Abs. 8 Satz 1 i.V.m. Satz 2 und Abs. 5 Satz 2 AufenthG hätte beantragen müssen, um auch für das Gericht als Beweismittel erreichbar zu sein.
Auch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt sich hier kein Anspruch auf persönliches Erscheinen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Art. 6 Abs. 1 EMRK ist in asyl- und ausländerrechtlichen Verfahren, in denen sich ein Kläger gegen seine Abschiebung wendet, bereits nicht anwendbar (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. März 2002 - 1 C 15.01 - BVerwGE 116, 123 <125>; EGMR
c) Unterstellt, dass die Abschiebungsanordnung dem Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/115/EG unterfällt, ist sie auch mit den sich hieraus ergebenden materiellen unionsrechtlichen Vorgaben zu vereinbaren. Der Kläger war mit Bekanntgabe der sofort vollziehbaren Abschiebungsanordnung illegal aufhältig, weil seine Aufenthaltserlaubnis damit erlosch (§ 51 Abs. 1 Nr. 5a AufenthG). Art. 6 Abs. 6 Richtlinie 2008/115/EG erlaubt es, die Entscheidung über die Beendigung des illegalen Aufenthalts zugleich mit der Rückkehrentscheidung zu treffen (vgl. auch EuGH, Urteil vom 19. Juni 2018 - C-181/16 [ECLI:EU:C:2018:465], Gnandi - Rn. 49 f.); damit ist auch kein Grund ersichtlich, warum die Rechtsfolgen dieser beiden - kombinierbaren - Entscheidungen nicht durch eine einzige behördliche Entscheidung (die noch dazu auch die Abschiebung anordnet), bewirkt werden können sollen.
Eine Frist zur freiwilligen Ausreise musste dem Kläger nach Unionsrecht wegen der von ihm ausgehenden Gefahr der Begehung einer terroristischen Gewalttat nicht eingeräumt werden (Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2008/115/EG; vgl. BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 35).
d) Der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung steht auch nicht entgegen, dass der Beklagte mit der Abschiebungsanordnung keine Ausnahme nach § 11 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf die Dauer des nach nationalem Recht mit dem Vollzug einer Abschiebungsanordnung entstehenden Einreise- und Aufenthaltsverbot zugelassen hat und die Ausländerbehörde mit Bescheid vom 13. November 2017 ein solches unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot auch behördlich angeordnet hat. In diesem Zusammenhang bedarf es keiner Entscheidung, ob und inwieweit die Regelungen in § 11 Abs. 1, 2 und 5 AufenthG, wonach bei jeder Abschiebung kraft Gesetzes ein Einreise- und Aufenthaltsverbot eintritt, das von der Ausländerbehörde beim Vollzug einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG nicht befristet werden darf, solange die oberste Landesbehörde nicht im Einzelfall eine Ausnahme zulässt, für die hier gegenständliche Fallkonstellation einer Abschiebungsanordnung nach § 58a AufenthG an der Richtlinie 2008/115/EG zu messen und mit dieser ggf. zu vereinbaren ist. Dies hängt davon ab, ob die Richtlinie 2008/115/EG auch ein Einreiseverbot erfasst, das - wie hier - nicht im Zusammenhang mit einer Rückführung wegen Verletzung geltender Migrationsbestimmungen steht, sondern der Sache nach an eine Abschiebungsanordnung zum Schutze der öffentlichen Sicherheit wegen der von einem Drittstaatsangehörigen ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen Terroranschlags anknüpft. Hierbei könnte es sich auch um ein neben der Rückführungsrichtlinie zulässiges nationales Einreiseverbot zu nicht migrationsbedingten Zwecken handeln (vgl. hierzu die Ausführungen des Senats im Verweisungsbeschluss vom 22. August 2017 - 1 A 10.17 - NVwZ 2018, 345 Rn. 6 m.w.N. und der neuerliche Hinweis in der Empfehlung
Diese Frage ist hier aber nicht entscheidungserheblich. Denn es geht im vorliegenden Verfahren um die Rechtmäßigkeit einer Abschiebungsanordnung, die nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot verbunden ist. Auch eine fehlerhafte behördliche Entscheidung zur Dauer des hier von der Ausländerbehörde angeordneten (unbefristeten) Einreise- und Aufenthaltsverbots würde nicht zur Rechtswidrigkeit der Abschiebungsanordnung führen, da unionsrechtlich ein Einreiseverbot zwar im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung angeordnet wird (vgl. Art. 11 Abs. 1a Richtlinie 2008/115/EG: "gehen ... einher"), aber gleichwohl eine eigenständige Entscheidung darstellt, die gesondert anfechtbar ist (vgl. Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Richtlinie 2008/115/EG; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 22. August 2017 - 1 A 3.17 - BVerwGE 159, 296 Rn. 36 sowie Urteil vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 -). Ausgehend davon lassen sich der Richtlinie 2018/115/EG Anhaltspunkte für einen "Rechtswidrigkeitszusammenhang" zwischen dem Einreiseverbot und seiner Befristung einerseits und der Rückkehrentscheidung andererseits nicht entnehmen (BVerwG, Urteil vom 21. August 2018 - 1 C 21.17 -).
e) Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht unverhältnismäßig oder sonst ermessensfehlerhaft. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte dem öffentlichen Interesse an der Abwehr der von dem Kläger ausgehenden terroristischen Gefahr ein höheres Gewicht beimisst als dessen Interesse am Verbleib in Deutschland. Der Schutz der Allgemeinheit vor Terroranschlägen gehört zu den wichtigsten öffentlichen Aufgaben und kann auch sehr weitreichende Eingriffe in die Rechte Einzelner rechtfertigen (BVerfG, Urteil vom 20. April 2016 - 1 BvR 966/09 u.a. - BVerfGE 141, 220 Rn. 96 und 132; Beschluss vom 18. Juli 1973 - 1 BvR 23/73, 1 BvR 155/73 - BVerfGE 35, 382 <402 f.>).
Der Beklagte hat bei seiner Entscheidung gewürdigt, dass der Kläger in Deutschland geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen ist; die getrenntlebenden Eltern sowie der Bruder des Klägers leben ebenfalls hier. Auch hat der Beklagte berücksichtigt, dass der Kläger bei Erlass der Abschiebungsanordnung im Besitz einer befristeten Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG war und - was zu seinen Gunsten unterstellt worden ist - über seine Mutter besondere Aufenthaltsrechte nach dem Abkommen EWG-Türkei ableitet, indem er sich auf Art. 7 ARB 1/80 berufen kann. Damit konnte der Aufenthalt des Klägers nur unter den Voraussetzungen des Art. 14 ARB 1/80 beendet werden, das heißt sein persönliches Verhalten muss gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Aufenthaltsbeendigung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist (vgl. EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 [ECLI:EU:C:2011:809], Ziebell - NVwZ 2012, 422 Rn. 80 ff.; siehe auch § 53 Abs. 3 AufenthG). Diese Voraussetzungen lagen hier vor, da der von dem Kläger ausgehenden Gefahr eines jederzeit möglichen terroristischen Anschlags nicht auf andere Weise gleich wirksam begegnet werden konnte wie durch die Beendigung des Aufenthalts. Das nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zu erfüllende Erfordernis einer gegenwärtigen "konkreten Gefährdung" der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit (EuGH, Urteil vom 8. Dezember 2011 - C-371/08 - NVwZ 2012, 422 Rn. 84 f.) bedeutet, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht auf vergangenes strafbares Verhalten gestützt werden dürfen, sondern gegenwärtig noch eine konkrete Bedrohung für hochrangige Rechtsgüter vorliegen muss. Eine "konkrete Gefahr" im Sinne des deutschen Polizeirechts wird damit nicht gefordert, vielmehr reicht eine terroristische Gefahr im Sinne von § 58a Abs. 1 AufenthG aus, die gegenwärtig ist und sich jederzeit realisieren kann.
Soweit in der Abschiebungsanordnung die Bindung des Klägers zu der ihm nach islamischem Ritus angetrauten Frau E. und das von dieser erwartete, im April 2018 geborene Kind nicht erwähnt worden ist, kann der Kläger daraus keinen Ermessensfehler herleiten. Der Beklagte hat sein Ermessen mit Schriftsätzen vom 7. November 2017 (zum Verfahren 1 VR 12.17) und vom 13. August 2018 in Verbindung mit der dazu in der mündlichen Verhandlung erfolgten Klarstellung in mehrfacher Hinsicht ergänzt. Er hat ausgeführt, die Beziehung sei ausweislich der Ergebnisse der Telekommunikationsüberwachung im Zeitpunkt der Abschiebung bereits beendet gewesen. Ob dies zutrifft, brauchte der Senat nicht im Einzelnen aufzuklären. Denn der Beklagte hat seine Entscheidung hilfsweise ermessensfehlerfrei darauf gestützt, dass auch bei Annahme einer bei Abschiebung noch fortbestehenden Partnerschaft die Abschiebung gerechtfertigt und sachgerecht wäre. Er hat ausgeführt, dass die nach islamischem Ritus geschlossene Ehe nicht dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG unterfalle (was zutrifft, vgl. BVerwG, Beschluss vom 30. August 2017 - 1 VR 5.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 8 Rn. 51). Eine staatliche Eheschließung stehe auch weder unmittelbar bevor, noch lebe das Paar in einer Haushaltsgemeinschaft (letzteres hat Frau E. in ihrer mit Schriftsatz vom 21. Juni 2018 vorgelegten eidesstattlichen Versicherung letztlich bestätigt und wird auch durch ihre nachfolgenden weiteren schriftlichen Äußerungen nicht nachhaltig infrage gestellt). Die Vaterschaft des Klägers sei nicht nachgewiesen. Art. 8 EMRK sei auch im Falle einer trotz fehlender Haushaltsgemeinschaft bestehenden und bis zur Abschiebung fortbestehenden Lebensgemeinschaft zu Frau E. nicht verletzt. Der staatliche Auftrag, die vom Kläger drohenden Rechtsgutsverletzungen großen Ausmaßes effektiv im Wege der Abschiebung zu verhindern, lasse die staatliche Pflicht der Beachtung familiärer Bindungen im Rahmen der Abwägung zurücktreten.
Es begegnet keinen Bedenken, dass der Beklagte mit diesen Erwägungen den öffentlichen Sicherheitsinteressen gegenüber dem privaten Interesse des Klägers an einem Verbleib in Deutschland den Vorzug gegeben hat. Die Aufenthaltsbeendigung ist insbesondere auch mit Blick auf den grund- und menschenrechtlichen Schutz von Ehe und Familie und des Privatlebens (Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK) nicht unverhältnismäßig. Der Senat hat bereits im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ausgeführt, dass hinsichtlich des Kindes von Frau E. eine Vaterschaft des Klägers nicht nachgewiesen ist. Rechtlich ist er derzeit schon deshalb nicht der Vater, weil er nicht mit der Mutter verheiratet ist und eine Vaterschaftsanerkennung oder gerichtliche Vaterschaftsfeststellung weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist (§ 1592 BGB).
Die Beziehung zu seiner - in eigenem Haushalt lebenden - Lebensgefährtin steht auch dann, wenn der Senat sie als bei der Abschiebung fortbestehend unterstellt, der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung vorliegend nicht entgegen. Zwar ist der Schutzbereich des Art. 8 EMRK (auch) unter dem Aspekt des Familienlebens eröffnet, da eine familiäre Lebensgemeinschaft unter den von Frau E. geschilderten Umständen auch ohne gemeinsamen Haushalt anzunehmen sein dürfte. Der Beklagte durfte angesichts der vom Kläger ausgehenden erheblichen Anschlagsgefahr dem Schutz der öffentlichen Sicherheit hier aber in der Abwägung mit dem Privat- und Familienleben des Klägers den Vorrang geben. Die in der mündlichen Verhandlung förmlich beantragte Vernehmung der Frau E. als Zeugin war abzulehnen, weil der Beweisantrag auch insoweit gemäß § 87b Abs. 3 VwGO verspätet gestellt worden ist (vgl. näher Sitzungsprotokoll vom 21. August 2018, S. 3).
Wirtschaftlich konnte sich der Kläger in Deutschland nicht nachhaltig integrieren, vielmehr war er nur sporadisch berufstätig und lebte vor seiner Abschiebung von öffentlichen Leistungen. Eine Eingliederung in die Lebensverhältnisse seines Herkunftsstaates ist ihm möglich und zumutbar, auch wenn er - was der Beklagte ebenfalls berücksichtigt hat - nur geringe Bezüge zur Türkei hat. Die Türkei ist dem Kläger von Urlaubsreisen bekannt und er beherrscht die türkische Sprache in für den Alltagsgebrauch ausreichendem Umfang. Seine gegenteilige Behauptung ist durch mehrere Hinweise in den Akten widerlegt. So hat der Kläger bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalles selbst angegeben, dass er "nur deutsch und türkisch" spreche (MI Bl. 56). Auch Herr P. I. hat in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 26. Juni 2018 erklärt, dass der Kläger die türkische Sprache beherrscht.
Schließlich sprach aufgrund der Erkenntnislage im Zeitpunkt der Abschiebung auch nichts dafür, dass der Kläger seine Existenzgrundlage in der Türkei nicht auf einem bescheidenen Niveau würde sichern können. Eine längerfristige Arbeitsunfähigkeit hatte der Kläger vor der Abschiebung nicht geltend gemacht und jedenfalls (mit der bloßen Bescheinigung einer einmaligen Behandlung in einer ambulanten psychiatrischen Praxis, Gerichtsakte Bl. 124) nicht belegt. Dass er längerfristig arbeitsunfähig wäre, hat der Kläger im Übrigen auch mit seinem Vorbringen nach der Abschiebung nicht substantiiert dargelegt.
Die Abschiebungsanordnung ist auch nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie nach deutscher Rechtslage - deren Vereinbarkeit mit Unionsrecht allerdings noch nicht abschließend geklärt ist - im Falle einer Abschiebung mit einem grundsätzlich unbefristeten Fernhalten vom Bundesgebiet verbunden ist (§ 11 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und 5 AufenthG) und ein solches unbefristetes Einreiseverbot - nachdem der Beklagte von einer möglichen Ausnahme abgesehen hat - hier von der Ausländerbehörde auch gesondert angeordnet wurde. Auch in diesem Zusammenhang kann dahinstehen, ob das von der Ausländerbehörde angeordnete unbefristete Einreise- und Aufenthaltsverbot rechtmäßig ist und ob der Kläger möglicherweise unabhängig davon nach seiner zwischenzeitlichen Abschiebung einem gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbot unterliegt. Denn bei einer nachhaltigen Verhaltensänderung des Klägers besteht nach § 11 Abs. 4 und 5 AufenthG jedenfalls die Möglichkeit einer nachträglichen Aufhebung oder Verkürzung des - aufgrund behördlicher Anordnung oder kraft Gesetzes - mit der Abschiebung entstandenen Einreise -und Aufenthaltsverbots.
2.4 Die Abschiebungsanordnung ist schließlich nicht wegen eines Abschiebungsverbots (teil-)rechtswidrig, da im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung des Klägers in die Türkei Ende Januar 2018 kein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG bestand. Nach der gesetzlichen Konstruktion des § 58a AufenthG führt das Vorliegen eines zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG dazu, dass der Betroffene nicht in diesen Staat, nach (rechtzeitiger) Ankündigung aber in einen anderen (aufnahmebereiten oder -verpflichteten) Staat abgeschoben werden darf. Die zuständige Behörde hat beim Erlass einer Abschiebungsanordnung in eigener Verantwortung zu prüfen, ob der beabsichtigten Abschiebung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 1 bis 8 AufenthG entgegensteht. Dies umfasst sowohl die Frage, ob die Voraussetzungen für die Gewährung von Abschiebungsschutz als Flüchtling (§ 60 Abs. 1 AufenthG) oder in Anknüpfung an den subsidiären Schutz (§ 60 Abs. 2 AufenthG) vorliegen, als auch die Prüfung nationaler Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG. Wird im gerichtlichen Verfahren ein zielstaatsbezogenes Abschiebungsverbot festgestellt, bleibt die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung im Übrigen hiervon unberührt (§ 58a Abs. 3 i.V.m. § 59 Abs. 2 und 3 AufenthG in entsprechender Anwendung).
a) Für eine Verfolgung des Klägers wegen dessen Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Überzeugung im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG liegen keine Anhaltspunkte vor. Selbst wenn dem Kläger in der Türkei eine Bestrafung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung oder terroristischer Betätigung drohte, stellte dies grundsätzlich keine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG dar. Auch eine eventuell drohende Bestrafung wegen Wehrdienstentziehung, auf die der Kläger sich beruft, ist nicht schon für sich genommen eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung. Die an eine Wehrdienstentziehung geknüpften Sanktionen stellen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, selbst wenn sie von totalitären Staaten ausgehen, nur dann eine flüchtlingsrechtlich erhebliche Verfolgung dar, wenn sie nicht nur der Ahndung eines Verstoßes gegen eine allgemeine staatsbürgerliche Pflicht dienen, sondern darüber hinaus den Betroffenen auch wegen seiner Religion, seiner politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen Merkmals treffen sollen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 - Buchholz 402.25 § 2 AsylVfG Nr. 21 S. 63; Beschluss vom 2. Juni 2017 - 1 B 108.17 u.a. - juris Rn. 10 m.w.N.). Anderes folgt hier auch nicht aus Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9), wonach eine Verfolgungshandlung vorliegt bei "Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 fallen". Selbst wenn der Kläger - wofür sich in Anbetracht seiner Leidenschaft für Waffen und der auf seinem Smartphone sichergestellten Bilder und Videos mit Jihad-Szenen schutzwürdige Gründe nicht aufdrängen - den Militärdienst verweigern sollte, lässt sich den in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen nichts Substantiiertes dafür entnehmen, dass er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in einem "Konflikt" eingesetzt würde, in dem der Militärdienst die genannten Verbrechen oder sonstigen Handlungen umfassen würde. Jedenfalls ist nicht erkennbar, dass eine Bestrafung wegen (unterstellter) Wehrdienstverweigerung - wie nach § 3a Abs. 3 und § 3b AsylG gefordert - an einen tatsächlich vorhandenen oder dem Kläger zugeschriebenen Verfolgungsgrund anknüpfen würde (vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 21. November 2017 - 1 B 148.17 u.a. - juris Rn. 12).
Unabhängig davon steht der Berufung auf ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 1 AufenthG auch § 60 Abs. 8 AufenthG entgegen. Danach findet § 60 Abs. 1 AufenthG - im Einklang mit der Ausnahme vom Refoulementverbot des Art. 33 des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention - GK -) vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) und in Umsetzung von Art. 21 Abs. 2 Richtlinie 2011/95/EU - keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist (§ 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG). Die Voraussetzungen der ersten Alternative liegen hier vor. Der Kläger ist in Anbetracht der von ihm ausgehenden Gefahr eines terroristischen Anschlags als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen (zur Ausnahme vom Refoulementverbot, wenn vom Ausländer eine terroristische Gefahr ausgeht, vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. März 2017 - 1 VR 2.17 - Buchholz 402.242 § 58a AufenthG Nr. 3 Rn. 41).
b) Es bestand auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG oder nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Dem Kläger droht bei Abschiebung weder die Gefahr der Todesstrafe (aa), noch die Gefahr der Folter oder einer anderen gegen Art. 3 EMRK verstoßenden unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Bestrafung (bb).
aa) Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe bestand bei der Abschiebung des Klägers in die Türkei schon deshalb nicht, weil die Todesstrafe in der Türkei abgeschafft ist. Seit dem Jahr 2004 ist in Art. 38 der Verfassung der Republik Türkei verankert, dass die Todesstrafe unzulässig ist. Zudem hat die Türkei die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten ebenso wie die Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe unterzeichnet und ratifiziert. Zwar gibt es seit dem Putschversuch im Juli 2016 eine Debatte um die Wiedereinführung der Todesstrafe. Welchen Ausgang diese Debatte haben wird, ist derzeit aber nicht erkennbar (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19. Februar 2017 S. 24).
bb) Dem Kläger drohte bei Abschiebung auch nicht wegen Verdachts der Mitgliedschaft in einer islamistisch-extremistischen terroristischen Vereinigung bzw. wegen der Gründe für seine Abschiebung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 60 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG und/oder eine menschenrechtswidrige Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen werden Anhänger der Terrororganisation "Islamischer Staat" in der Türkei zwar grundsätzlich strafrechtlich verfolgt. Aus der Antwort des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017 auf Fragen des Senats in dem Verfahren BVerwG 1 A 7.17 - als Erkenntnismittel in das hiesige Verfahren eingeführt - ergibt sich, dass sich im Februar 2017 nach Angaben des türkischen Justizministeriums insgesamt 498 ausländische "IS"-Anhänger in türkischen Haftanstalten befunden haben sollen, davon 470 in Untersuchungshaft und 28 im Strafvollzug. Zahlen zu türkischen Staatsangehörigen liegen dem Auswärtigen Amt nicht vor. Es verfügt auch nicht über offizielle Angaben zu den angewandten Strafvorschriften und zur Strafhöhe. Nach Pressemeldungen zu Einzelfällen seien Art. 309 tStGB und Art. 314 tStGB angewandt worden. Amnesty International hat auf eine Anfrage des Senats in dem Verfahren BVerwG 1 A 7.17 mit Schreiben vom 29. August 2017 - als Erkenntnismittel in das hiesige Verfahren eingeführt - mitgeteilt, die Organisation verfüge über keine eigenen Erkenntnisse darüber, in welchem Ausmaß, mit welcher Konsequenz und ab welchem Grad der Unterstützungsaktivität "IS"-Anhänger in der Türkei verfolgt würden. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes geht der Senat allerdings davon aus, dass eine Strafverfolgung auch wegen Aktivitäten außerhalb der Türkei grundsätzlich möglich erscheint.
Nach einem Bericht von Tahiroglu/Schanzer, Islamic State Networks in Turkey, March 2017, S. 17 ff., auf den das Auswärtige Amt in der vorgenannten Auskunft für aktuellere Angaben verwiesen hat, wird die Strafverfolgung von "IS"-Anhängern in der Türkei allerdings nicht mit Nachdruck betrieben. Nach Angaben des türkischen Innenministeriums hätten türkische Sicherheitskräfte im Jahr 2016 22 größere terroristische Vorfälle mit "IS"-Bezug verhindert; 1 338 "IS"-Verdächtige, darunter 694 ausländische Staatsangehörige, seien im Laufe des Jahres 2016 verhaftet worden; Anfang Februar 2017 seien 820 "IS"-Verdächtige in einer "Zwei-Tages-Kampagne" verhaftet worden. Die Bemühungen der Türkei, die jihadistische Gefahr einzudämmen, seien aber zu gering und kämen zu spät. Die seit 2016 ansteigende Zahl von Verhaftungen sei irreführend, da viele "IS"-Verdächtige binnen Tagen oder Wochen wieder freigelassen worden seien. Während sich die Türkei damit brüste, 1 338 "IS"-Verdächtige verhaftet zu haben, sei es nur zu sieben Verurteilungen gekommen. Die gesetzlichen Standards für die Verurteilungen von Jihadisten in der Türkei lägen zu hoch. Türkische Kämpfer, die aus "IS"-Kampfgebieten im Irak oder Syrien zurückkehrten, würden nur verurteilt, wenn ihnen nachgewiesen werde, dass sie das Staatsgebiet oder Bürger der Türkei direkt angegriffen hätten. Ein früherer "IS-Henker" lebe ausweislich eines im Juli 2015 gegebenen Interviews derzeit unbehelligt in Ankara und arbeite dort als Parkplatzwächter. Ein anderer "IS"-Angehöriger, der beim Erschießen eines Menschen in Syrien gefilmt worden sei, sei im Juli 2016 wegen "guter Führung" nur zu einer reduzierten Freiheitsstrafe verurteilt worden. "IS"-Mitglieder, die Anschläge gegen die Türkei verübt haben, würden weder zeitnah noch mit der vollen Härte des Gesetzes verurteilt. So seien die Verantwortlichen für den "IS"-Anschlag von März 2014 in Zentralanatolien erst 2016 verurteilt worden. Die Verhandlung sei mehrmals verschoben und der Richter viermal ausgetauscht worden. Überdies würden dieselben Verdächtigen oft mehrmals verhaftet und wieder freigelassen, wofür mehrere Beispiele genannt werden. Dieses nachlässige Vorgehen stehe in auffälligem Kontrast zur Behandlung kurdischer Nationalisten und anderer Oppositioneller in der Türkei. Kurdische Politiker und Zivilpersonen würden häufig unter dubiosen Terrorismusvorwürfen verhaftet und verurteilt.
Angesichts dieser Lageeinschätzung war beim Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt seiner Abschiebung schon nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ("real risk") davon auszugehen, dass gegen ihn bei Rückführung in die Türkei aufgrund der in Deutschland erhobenen Terrorismusvorwürfe und des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens ein Strafverfahren geführt oder es über eine Befragung hinaus sonst zu einer Inhaftierung kommen würde.
Zwar interessieren sich die türkischen Behörden ausweislich der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017 für Strafverfahren gegen eigene Staatsangehörige, die Terrorismusvorwürfe zum Gegenstand haben. Auch wurde gegen den Kläger in Deutschland im Zeitpunkt seiner Abschiebung ein Ermittlungsverfahren wegen Straftaten nach § 89a StGB (Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat), § 89b StGB (Aufnahme von Beziehungen zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat) und § 129a Abs. 5 StGB (Unterstützung und Bildung einer terroristischen Vereinigung) geführt. Es war jedoch nicht damit zu rechnen, dass das Ermittlungsverfahren zu einer Verurteilung des Klägers führen würde. Weder war eine Anklageerhebung bis zur Abschiebung erfolgt, noch war künftig damit zu rechnen, weil die zuständige Staatsanwaltschaft ihr Einvernehmen zur Abschiebung gemäß § 72 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erteilt hatte (Bl. 363 MI), so dass nach erfolgter Abschiebung mit einer Einstellung des Verfahrens nach § 154b Abs. 3 StPO zu rechnen war. Dass diese bislang nicht erfolgt ist, sondern die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen zunächst fortgesetzt hat und vor einer Einstellung des Verfahrens den Ausgang des vorliegenden Verfahrens in der Hauptsache abwarten möchte (LKA-Akte Bl. 1068) ist in Anbetracht des maßgeblichen Zeitpunkts für die Rechtmäßigkeit der Abschiebung bereits irrelevant. Unabhängig davon stellt dieser Hinweis die im Eilverfahren getroffene Prognose, ein Strafverfahren gegen den Kläger in der Türkei sei unwahrscheinlich, nicht grundsätzlich infrage, zumal der Kläger auch nach seiner Abschiebung nicht behauptet hat, dass gegen ihn in der Türkei ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet worden wäre.
Auch aus der Auskunft des Auswärtigen Amtes, wonach sich die türkischen Behörden für die Gründe derartiger Abschiebungen interessierten, ergibt sich keine andere Einschätzung, weil durch die deutschen Behörden auf Nachfrage der türkischen Behörden keine näheren Angaben zu den Gründen erfolgen, die über die Feststellung des unrechtmäßigen Aufenthalts hinausgehen (Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 5. September 2017), so dass insbesondere davon auszugehen ist, dass Einzelheiten über die hier vorliegenden Ermittlungserkenntnisse und Beweismittel nicht an die türkischen Behörden weitergegeben werden. Zudem weisen die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe keinen unmittelbaren Bezug zur Republik Türkei auf; namentlich war bis zur Abschiebung nicht davon auszugehen, dass der Kläger aus der Sicht der türkischen Strafverfolgungsbehörden bereits spezifisch türkische Interessen verletzt hatte. Aus dem kurz vor der Abschiebung aufgrund der weiteren Smartphone-Auswertung aufgekommenen Verdacht der Terrorismusfinanzierung (vgl. dazu Vermerk des LKA vom 24. Januar 2018, LKA-Akte Bl. 910) ergibt sich nichts anderes. Selbst wenn der Kläger den in einem Kampfgebiet aufhältigen deutschen Staatsangehörigen R. P. tatsächlich finanziell unterstützt haben sollte, indem er Gelder an einen in der Türkei aufhältigen türkischen Staatsangehörigen zur Weiterleitung an jenen überwiesen hat, war zum Zeitpunkt der Abschiebung nicht davon auszugehen, dass den türkischen Strafverfolgungsbehörden dieses Ermittlungsdetail bekannt werden könnte.
Sofern der Kläger nach seiner Rückkehr in die Türkei den "IS" oder andere Terrororganisationen unterstützende Aktivitäten entfalten bzw. Terroranschläge planen oder unterstützen sollte, wäre ein solches Verhalten nach der Abschiebung nicht geeignet, für den maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung ein Abschiebungsverbot zu begründen.
War nach dem Vorstehenden nicht damit zu rechnen, dass der Kläger nach seiner Abschiebung - über eine kurzzeitige Befragung im Zusammenhang mit der Abschiebung hinaus - in den Fokus der türkischen Sicherheitsbehörden geraten wird, bestanden auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass ihm Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung gedroht hätten. Diese Prognose wird letztlich bestätigt durch die Angaben des Klägers über seine Behandlung nach der Abschiebung. Er ist danach nur kurzzeitig festgehalten und befragt, aber nicht verhaftet worden. Seine Darstellung rechtfertigt auch sonst nicht die Annahme einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung.
Mangels beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer Inhaftierung des Klägers nach seiner Abschiebung bedurfte es auch keiner Zusicherung bezüglich der Gestaltung der Haftbedingungen und der Ermöglichung von Besuchen eines Rechtsbeistandes. Insofern ergibt sich auch unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 18. Dezember 2017 (2 BvR 2259/17) kein weiterer Aufklärungsbedarf zu den Haftbedingungen in der Türkei.
c) Auch aus der nicht auszuschließenden Möglichkeit, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in die Türkei mit seiner Einberufung zum noch nicht abgeleisteten Wehrdienst rechnen musste, den er trotz der von ihm behaupteten entgegenstehenden Überzeugung nicht verweigern könnte, weshalb ihm die Inhaftierung drohe, folgt kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 oder 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Für eine im Zeitpunkt der Abschiebung bereits erfolgte Wehrdienstverweigerung, die eine Bestrafung nach sich ziehen könnte, bestanden bereits keine Anhaltspunkte. Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen, dass er vor der Abschiebung bereits gemustert bzw. einberufen worden wäre oder er sogar schon gegenüber den türkischen Behörden erklärt hätte, den Wehrdienst zu verweigern. Auch aus der möglichen Annahme einer künftigen, erst nach der Rückkehr des Klägers in die Türkei erklärten Wehrdienstverweigerung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer Bestrafung, folgt hier nichts anderes. Zwar kann sich aus einem erst künftig zu erwartenden Geschehen ein Abschiebungsverbot ergeben, wenn bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung ein Kausalverlauf in Gang gesetzt worden ist, der bei ungehindertem Ablauf zwingend dazu führt, dass die Gründe für ein Abschiebungsverbot eintreten werden. Davon ist vorliegend aber nicht auszugehen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat für das türkische System, das keinen Ersatzdienst und kein Verfahren vorsieht, in dem dargelegt werden kann, ob die Voraussetzungen einer Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen vorliegen, eine Verletzung der von Art. 9 EMRK garantierten Gewissensfreiheit angenommen, weil es keinen gerechten Ausgleich zwischen dem allgemeinen Interesse der Gesellschaft und jenem von Wehrdienstverweigern trifft. Die Wehrdienstverweigerern in der Türkei drohende Mehrfachbestrafung verletzt nach dieser Rechtsprechung Art. 3 EMRK (EGMR, Urteil vom 12. Juni 2012 - Nr. 42730/05, Savda/Türkei). Danach kommt ein Abschiebungsverbot allerdings nur dann in Betracht, wenn der Betroffene glaubhaft machen kann, dass er den Wehrdienst aus Gewissensgründen verweigert (zu einem solchen Fall vgl. etwa OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. Dezember 2017 - OVG 10 B 10.12 -). Daran fehlt es beim Kläger. Eine Gewissensentscheidung in diesem Sinne ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine sittliche Entscheidung, die der Kriegsdienstverweigerer innerlich als für sich bindend erfährt und gegen die er nicht handeln kann, ohne in schwere Gewissensnot zu geraten (vgl. BVerwG, Urteile vom 18. Oktober 1972 - 8 C 46.72 - BVerwGE 41, 53 <55> und vom 1. Februar 1989 - 6 C 61.86 - BVerwGE 81, 239 <240 f.>). Erforderlich ist eine Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg und damit die eigene Beteiligung an jeder Waffenanwendung. Sie muss absolut sein und darf nicht situationsbezogen ausfallen (vgl. VGH Kassel, Beschluss vom 5. Februar 2016 - 9 B 16/16 - juris Rn. 30). Der Kläger hat jedoch nur pauschal behauptet, er lehne den türkischen Militärdienst und den damit verbundenen möglichen Einsatz in Krisengebieten, in den kurdischen Siedlungsgebieten oder an der türkisch-syrischen Grenze entschieden ab. Dies genügt den nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts an die Glaubhaftmachung einer Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen im Krieg zu stellenden Anforderungen nicht (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1972 - 8 C 46.72 - BVerwGE 41, 53 <56>). Die Behauptung einer ernsthaften Gewissensentscheidung gegen das Töten von Menschen wird hier überdies durch die auf den beschlagnahmten Datenträgern vorgefundenen zahlreichen Aufnahmen, insbesondere von Maschinengewehren und Pistolen, Hinrichtungen und getöteten Kämpfern, sowie die im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung und bei Verkehrskontrollen beim Kläger sichergestellten Waffen widerlegt. Sollte der Kläger dennoch den Wehrdienst verweigern und deshalb in der Türkei zu einer Freiheitsstrafe verurteilt werden, wäre dieses künftige - nicht auf einer bindenden Gewissensentscheidung beruhende - Verhalten nicht geeignet, im maßgeblichen Zeitpunkt der Abschiebung ein Abschiebungsverbot zu begründen (zur Relevanz "zumutbaren Alternativverhaltens" vgl. BVerwG, Beschluss vom 19. April 2018 - 1 B 8.18 - juris Rn. 17 m.w.N.). Dass der Kläger bei Musterung nach seiner Abschiebung ohnehin zunächst für ein Jahr für militärdienstuntauglich befunden wurde, ist angesichts des für die Beurteilung maßgeblichen Zeitpunkts ohne Bedeutung.
3. Der Senat war nicht gehalten, den Terminverlegungsanträgen des Prozessbevollmächtigten des Klägers zu entsprechen; ebenso wenig musste er diesem zwecks gemeinsamen Aktenstudiums und Absprache des Vorbringens im Klageverfahren im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe eine Informationsreise in die Türkei oder dem Kläger einen kurzzeitigen Aufenthalt in Deutschland ermöglichen. Erhebliche Gründe für eine Terminverlegung (§ 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO) waren nicht dargelegt (vgl. die ablehnenden Entscheidungen durch Verfügung des Vorsitzenden vom 11. Juli 2018 und Beschluss des Senats vom 21. August 2018, Sitzungsprotokoll S. 2).
a) Die sich über den Terminstag erstreckende "Erholungs- und Urlaubsreise" des Prozessbevollmächtigten des Klägers ist erst am 21. Juni 2018 und damit deutlich nach der Zustellung der Ladung gebucht worden. Insofern hätte bei der Buchung auf die bereits terminierte mündliche Verhandlung Rücksicht genommen werden können. Dies war nicht im Hinblick auf das Vorbringen unzumutbar, die ursprünglich von Anfang Juli bis Mitte August geplante Urlaubsreise habe wegen eines - im Anschluss an eine Augen-Operation erforderlichen - nachoperativen Kontrolltermins Mitte Juli auf den Zeitraum von Mitte Juli 2018 bis Ende August 2018 verlegt werden müssen. Bei der Länge der beabsichtigten Reisedauer kann erwartet werden, dass die Reise mit Blick auf einen anstehenden Gerichtstermin entweder verkürzt oder aber ein Vertreter mit der Teilnahme an der mündlichen Verhandlung beauftragt wird. Dass ein "Genesungs- und Erholungsurlaub" gerade auch am Terminstag aus gesundheitlicher Sicht erforderlich gewesen wäre, ist mit den vorgelegten augenärztlichen Bescheinigungen nicht belegt worden.
b) Ein erheblicher Grund für eine Terminsverlegung war auch nicht in dem Vorbringen zu erblicken, dem Kläger müsse vor einer mündlichen Verhandlung die Möglichkeit zu einem unüberwachten Gespräch im Wege des persönlichen Kontakts mit seinem Prozessbevollmächtigten in Deutschland oder der Türkei gegeben werden; zudem sei er zur mündlichen Verhandlung persönlich zu laden. Die Ermöglichung eines persönlichen Kontakts zwischen dem Kläger und seinem Prozessbevollmächtigten war nicht geboten, weil eine sachgerechte Vorbereitung des Termins auch auf telefonischem oder elektronischem Wege möglich und zumutbar war. Soweit der Kläger eine Überwachung durch Geheimdienste befürchtet hat, war er auf die Nutzung der technischen Möglichkeiten geschützter Telekommunikation zu verweisen (vgl. Verfügung des Vorsitzenden vom 11. Juli 2018 und Senatsbeschluss vom 21. August 2018). Auf die im Verlegungsantrag genannten Beweismittel kam es - wie der Senatsvorsitzende mündlich zur Begründung des Beschlusses vom 21. August 2018 ausgeführt hat - nicht an, denn es fehlt an jeglichen Anhaltspunkten für eine gezielte Überwachung auch des Klägers, bei der die Anwaltskommunikation nicht ausgenommen ist und die nicht durch geschützte oder jedenfalls nicht der Überwachung unterliegende Kommunikation abgewendet werden kann. Soweit gleichwohl eine Geheimdienstüberwachung unterstellt wird, besteht kein Anlass, eine Einführung dadurch gewonnener Erkenntnisse in das Verfahren oder deren verdeckte Nutzung des Beklagten anzunehmen. Soweit der Kläger darauf verweist, dass auch die durch das Gericht übermittelten Unterlagen und Aktenbestandteile mit einer Versandverschlüsselung versehen gewesen seien, hat der Senat darauf hingewiesen, dass dies nicht durch potentielle Geheimdienstübergriffe motiviert war, und ergänzend auf die Verfügung vom 9. Juli 2018 verwiesen. Die Verschlüsselung hinderte auch nicht die Weitergabe der Unterlagen, ggf. mit eigener Verschlüsselung. Es bestand schließlich keine Notwendigkeit, den Kläger zur mündlichen Verhandlung persönlich zu laden; hierzu wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.