Entscheidungsdatum: 13.06.2012
1. Durch die Zulassung der Revision wird ein - gesetzlich nicht vorgesehener - Instanzenzug nicht eröffnet (im Anschluss an BGH Beschluss vom 1. Oktober 2002, IX ZB 271/02, NJW 2003, 70).
2. Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt nicht dazu, dass gegen eine inkorrekte Entscheidung auch dann ein ihrer äußeren Form entsprechendes Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof zulässig ist, wenn gegen die korrekte Entscheidung eine Anrufung des Bundesgerichtshofs aus besonderen Gründen des jeweiligen Verfahrens nicht statthaft wäre (im Anschluss an BGH Beschluss vom 5. Juli 1990, LwZR 7/89, NJW-RR 1990, 1483).
3. Wenn in solchen Fällen das nach der Form der tatsächlich ergangenen Entscheidung eingelegte Rechtsmittel ausnahmsweise unstatthaft ist, ist es - jedenfalls im Rahmen des § 281 Abs. 1 ZPO bei Vorliegen eines Verweisungsantrages - als das Rechtsmittel zu behandeln, das gegen eine korrekte Entscheidung zulässig wäre. Insoweit besteht ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung des § 281 ZPO (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 10. Juli 1996, XII ZB 90/95, FamRZ 1996, 1544).
Der Bundesgerichtshof ist für das Rechtsmittel unzuständig.
Das Verfahren wird an das Oberlandesgericht Karlsruhe verwiesen.
A.
Die Kläger begehren mit ihrer Klage, die vom Vormundschaftsgericht im September 2003 ausgesprochene Adoption der volljährigen Beklagten durch den im Mai 2005 verstorbenen S. B. für nichtig zu erklären beziehungsweise aufzuheben. Der Annehmende, Sohn der verstorbenen Klägerin zu 1 und Bruder der Kläger zu 2 und 3, war italienischer Staatsangehöriger.
Die Kläger haben ihr Begehren damit begründet, dass bei der Adoption, die nach italienischem Recht zu beurteilen sei, Formvorschriften nicht beachtet worden seien. Die danach erforderliche Zustimmungserklärung des Vaters der Beklagten habe nicht in rechtsgültiger Form vorgelegen; im Übrigen sei die vorgelegte Zustimmungserklärung gefälscht gewesen. Aufgrund möglicher Erbansprüche nach dem Tod des verstorbenen Annehmenden seien sie prozessführungsbefugt. In einem solchen Fall eröffne das italienische Recht die Möglichkeit einer Nichtigkeitsklage, welche auch in Deutschland zulässig sein müsse.
Das Amtsgericht - Zivilabteilung - hat die Klage durch Urteil als unzulässig abgewiesen. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger ebenfalls durch Urteil zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vom Landgericht zugelassenen Revision.
In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Verfahrensbevollmächtigte der Kläger hilfsweise beantragt, das Verfahren an das Oberlandesgericht Karlsruhe zu verweisen.
B.
Auf den Hilfsantrag der Kläger ist das Verfahren in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 ZPO an das Oberlandesgericht Karlsruhe zu verweisen. Der Bundesgerichtshof ist zur Entscheidung über das Rechtsmittel nicht berufen.
Zwar hat das Landgericht die Revision zugelassen. An die Zulassung ist der Senat indes nicht gebunden, weil gegen die Entscheidung des Landgerichts eine Revision nicht statthaft ist. Die Bindungswirkung der Rechtsmittelzulassung nach § 543 Abs. 2 Satz 2 ZPO umfasst nur die in § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO genannten Zulassungsvoraussetzungen; die Zulassung des Rechtsmittels kann dagegen nicht dazu führen, dass ein gesetzlich nicht vorgesehener Instanzenzug eröffnet wird (BGH Beschluss vom 1. Oktober 2002 - IX ZB 271/02 - NJW 2003, 70).
I.
Gegen die angefochtene Entscheidung des Landgerichts ist allein die weitere Beschwerde nach §§ 27 ff. FGG an das Oberlandesgericht statthaft.
Gegenstand des "Klagebegehrens" ist die Nichtigkeitserklärung beziehungsweise die Aufhebung der Adoption der Beklagten. Da die Kläger das Verfahren bereits im Mai 2009 anhängig gemacht haben, ist noch das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) anzuwenden (vgl. Senatsbeschlüsse vom 14. März 2012 - XII ZB 436/11 - juris Rn. 10 und vom 6. Juli 2011 - XII ZB 100/11 - FamRZ 2011, 1575 Rn. 7).
1. Gemäß § 1771 BGB in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung war für die Aufhebung der Volljährigenadoption das Vormundschaftsgericht zuständig. Vormundschaftssachen waren in dem - ebenfalls bis zum 31. August 2009 geltenden - Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geregelt (§§ 56 d ff. FGG), wobei § 56 f. FGG die Bestimmungen für das Aufhebungsverfahren enthielt (vgl. nunmehr § 198 Abs. 2 FamFG). Eine Bestimmung, nach der ein Adoptionsbeschluss für nichtig erklärt werden kann, enthielt das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht. Allerdings wird bei Vorliegen besonders schwerer, offensichtlicher Mängel wegen einer möglicherweise daraus folgenden Nichtigkeit des Annahmebeschlusses die Zulässigkeit einer Feststellungsklage erwogen (Palandt/Diederichsen BGB 71. Aufl. § 1759 Rn. 2; vgl. auch NK-BGB/Finger 2. Aufl. § 1759 Rn. 2; zweifelnd MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1759 Rn. 5 ff.).
Unbeschadet der vom Landgericht als grundsätzlich erachteten Frage, ob gegebenenfalls durch die Anwendung ausländischen Sachrechts eine über die vorstehenden Möglichkeiten hinausgehende Rechtsschutzmöglichkeit besteht, wäre für die Entscheidung über ein solches Begehren wegen des engen Sachzusammenhangs das Vormundschaftsgericht zuständig. Denn der Gesetzgeber hat durch die Ansiedlung der Adoptionsverfahren einschließlich des entsprechenden Aufhebungsverfahrens beim Vormundschaftsgericht zu erkennen gegeben, dass dieses wegen seiner besonderen Sachkunde für alle die Adoption - jedenfalls in ihrem Bestand - betreffenden Verfahren zuständig sein soll. Hinzu kommt, dass die Kläger zweitinstanzlich zusätzlich einen Aufhebungsantrag gestellt haben, der gemäß § 1771 BGB aF ausdrücklich in die Zuständigkeit des Vormundschaftsgerichts fiel.
Schon weil vorliegend die Aufhebung bzw. Nichtigkeitserklärung einer inländischen Adoption im Streit steht, es also nicht um die Feststellung einer (von vornherein) unwirksamen Adoption geht, findet § 640 Abs. 2 Nr. 1 ZPO aF (s. jetzt § 169 Nr. 1 FamFG) entgegen der Auffassung der Beklagten keine Anwendung (vgl. Zöller/Philippi ZPO 27. Aufl. § 640 Rn. 8; s. auch zum neuen Recht MünchKommBGB/Maurer 6. Aufl. § 1759 Rn. 14 f.). Deshalb handelt es sich nach dem hier maßgeblichen Verfahrensrecht nicht um eine Familiensache.
2. Demgemäß hätte über das Begehren der Kläger erstinstanzlich das Vormundschaftsgericht entscheiden müssen, und zwar durch Beschluss im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Hiergegen wäre dann die Beschwerde gemäß § 19 Abs. 1 FGG statthaft gewesen, über die gemäß § 19 Abs. 2 FGG (ebenfalls) das Landgericht hätte entscheiden müssen. Gegen die Entscheidung des Landgerichts wiederum wäre die weitere Beschwerde zum Oberlandesgericht statthaft gewesen (§§ 27 ff. FGG); die Zulassung eines Rechtsmittels zum Bundesgerichtshof durch das Landgericht sah das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit dagegen nicht vor.
Der Umstand, dass das Amtsgericht im Zivilprozess durch Urteil entschieden hat und die Kläger hiergegen Berufung eingelegt haben, stand einer verfahrensgemäßen Entscheidung durch das Landgericht im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durch Beschluss nicht entgegen. Zwar ist nichts dagegen einzuwenden, dass das Landgericht die Berufung als - in diesem Fall - zulässig erachtet hat; dies folgt aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 mwN). Dieser führt allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittel auf dem vom erstinstanzlichen Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste; vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben, wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz und dem danach gegebenen Rechtsmittel geschehen wäre (Senatsbeschlüsse vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 und vom 6. April 2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 12; s. auch BGHZ 72, 182, 190 ff. = FamRZ 1978, 873).
Von daher ist entgegen der Auffassung des Landgerichts im vorliegenden Verfahren ein Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof nicht eröffnet.
II.
Die Revision ist auch nicht unter Beachtung des sogenannten Meistbegünstigungsgrundsatzes statthaft.
1. Nach allgemeiner Auffassung dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlassen hat, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb grundsätzlich sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre. Die Meistbegünstigung soll die beschwerte Partei vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 mwN).
Der Grundsatz der Meistbegünstigung findet ebenso Anwendung, wenn - wie hier - das Gericht nach dem von ihm angewandten Verfahrensrecht die Entscheidungsform zwar zutreffend gewählt hat, der Fehler jedoch auf der Anwendung falschen Verfahrensrechts beruht (Senatsbeschlüsse vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 13 und vom 6. April 2011 - XII ZB 553/10 - FamRZ 2011, 966 Rn. 13).
Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt aber nicht dazu, dass gegen eine inkorrekte Entscheidung auch dann ein ihrer äußeren Form entsprechendes Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof zulässig ist, wenn gegen die korrekte Entscheidung eine Anrufung des Bundesgerichtshofs aus besonderen Gründen des jeweiligen Verfahrens nicht statthaft wäre. Die Meistbegünstigung führt nämlich nicht zu einer dem korrekten Verfahren widersprechenden Erweiterung des Instanzenzugs (BGH Beschlüsse vom 5. Juli 1990 - LwZR 7/89 - NJW-RR 1990, 1483 mwN; vom 27. Januar 2010 - AnwZ (B) 104/09 - juris Rn. 4; vom 8. Mai 2006 - II ZB 10/05 - NJW-RR 2006, 1184 f.; BGHZ 124, 192, 194 f. = WM 1994, 257 und Senatsbeschluss vom 3. November 1993 - XII ZR 135/92 - FamRZ 1994, 237, 238; Rosenberg/Schwab/Gottwald ZPO 17. Aufl. § 135 Rn. 13).
2. Ausgehend von dem vom Landgericht einzuhaltenden (FGG-) Verfahren und der damit einhergehenden Entscheidungsform (Beschluss) stellt die Zulassung der Revision eine vom Meistbegünstigungsgrundsatz nach den oben dargestellten Grundsätzen nicht erfasste Erweiterung des Rechtsmittelzugs dar.
Richtigerweise hätte das Landgericht über das Rechtsmittel der Kläger gemäß § 19 Abs. 2 FGG als Beschwerdegericht entscheiden müssen, woran es nach dem oben Gesagten trotz des erstinstanzlichen Urteils und der hiergegen eingelegten Berufung nicht gehindert gewesen wäre. Gegen die Entscheidung des Landgerichts wäre die weitere Beschwerde nach § 27 Abs. 1 FGG statthaft gewesen, über die das Oberlandesgericht gemäß § 28 Abs. 1 FGG hätte befinden müssen. Ein Rechtsmittel der Beteiligten zum Bundesgerichtshof sah das Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit insoweit nicht vor. Allenfalls wäre eine Vorlage nach § 28 Abs. 2 FGG zum Bundesgerichtshof in Betracht gekommen. Die Voraussetzungen einer solchen Vorlage unterscheiden sich von den Voraussetzungen der Zulassung einer Revision jedoch dadurch, dass § 28 Abs. 2 FGG eine Vorlage wegen grundsätzlicher Bedeutung bzw. zur Fortbildung des Rechts nicht kennt. § 28 Abs. 2 FGG lässt die Vorlage nur zu, wenn das Oberlandesgericht von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will.
Von daher wäre bei Einhaltung des richtigen Verfahrens und der zutreffenden Entscheidungsform die Anrufung des Bundesgerichtshofs durch die Parteien nicht möglich gewesen.
III.
Weil der Bundesgerichtshof nicht zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufen ist, ist das Verfahren auf den Hilfsantrag der Kläger in entsprechender Anwendung des § 281 Abs. 1 ZPO an das Oberlandesgericht Karlsruhe zu verweisen. Dabei ist die von den Klägern gegen das Urteil des Landgerichts eingelegte Revision als - gemäß §§ 27 ff. FGG statthafte - weitere Beschwerde zu behandeln.
Der Rechtsmittelführer kann - wie bereits ausgeführt - neben dem gegen eine korrekte Entscheidung zulässigen Rechtsmittel grundsätzlich auch das nach der Form der tatsächlich ergangenen Entscheidung zulässige Rechtsmittel einlegen. Wenn letzteres aber - wie hier - ausnahmsweise unstatthaft ist, ist es - jedenfalls im Rahmen des § 281 Abs. 1 ZPO bei Vorliegen eines Verweisungsantrages - als das Rechtsmittel zu behandeln, das gegen eine korrekte Entscheidung zulässig wäre. Andernfalls könnte in diesen Fällen der Zweck der Meistbegünstigung nicht erreicht werden, nämlich die beschwerte Partei vor Nachteilen zu schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen (s. hierzu Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 mwN).
Insoweit besteht ein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung des § 281 ZPO; denn einer Partei, die ein (an sich) zulässiges Rechtsmittel eingelegt hat, ist daran gelegen, ohne vermeidbare Umwege und Kosten eine Entscheidung in der Sache selbst von Seiten des nach der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung wirklich zuständigen Rechtsmittelgerichts zu erhalten (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Juli 1996 - XII ZB 90/95 FamRZ 1996, 1544 und BGHZ 72, 182, 192 ff. = FamRZ 1978, 873).
Einer Verweisung an das Oberlandesgericht steht § 29 Abs. 1 Satz 2 FGG nicht entgegen. Danach muss die - durch Einreichung einer Beschwerdeschrift eingelegte - weitere Beschwerde von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein; es muss sich indes nicht um einen beim Beschwerdegericht oder beim Gericht der weiteren Beschwerde zugelassenen Rechtsanwalt handeln. Vielmehr genügt es, wenn die Beschwerde von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben ist (BayObLG MDR 1980, 56; Keidel/Kuntze/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. § 29 Rn. 14). Diesem Erfordernis wird die von dem Verfahrensbevollmächtigten der Kläger unterschriebene Revision gerecht.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger