Entscheidungsdatum: 15.12.2010
1. Veranlasst die Geschäftsstelle des Gerichts die nochmalige Zustellung eines Versäumnisurteils, weil sie irrig davon ausgeht, die bereits erfolgte Zustellung sei wegen fehlender Belehrung über den Einspruch unwirksam, so wird der bereits mit der ersten Zustellung ausgelöste Lauf der Einspruchsfrist davon nicht berührt .
2. Etwas anderes folgt auch nicht aus den europarechtlichen Vorgaben für eine Bestätigung des Versäumnisurteils als Europäischer Vollstreckungstitel .
3. Den Rechtsanwalt, der sich wegen der wiederholten Zustellung beim Gericht nach dem Grund erkundigt und von der Geschäftsstelle die nicht näher erläuterte Auskunft erhält, die erste Zustellung sei unwirksam und könne als gegenstandslos betrachtet werden, trifft jedenfalls dann kein Verschulden, wenn die Auskunft nicht offensichtlich fehlerhaft ist. Eine Pflicht zu einer weiteren Nachfrage nach dem konkreten Grund der Unwirksamkeit trifft ihn nicht .
4. Hat das erstinstanzliche Gericht den Einspruch als zulässig behandelt und in der Sache entschieden und wird die Versäumung der Einspruchsfrist erst vom Berufungsgericht aufgedeckt, so ist die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 3 ZPO allein dem Gericht zuzurechnen und steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008, XII ZB 179/07, FamRZ 2008, 978 und vom 7. Juli 2004, XII ZB 12/03, FamRZ 2004, 1478) .
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Köln vom 29. Januar 2009 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von Rechts wegen
Die Parteien sind Eheleute und streiten um Trennungsunterhalt.
Die Parteien heirateten im August 1999. Aus der Ehe ist ein 2001 geborenes Kind hervorgegangen. Das Kind ist schwer behindert und lebt seit seiner Geburt in einer Pflegefamilie. Seit Ende März 2004 leben die Parteien getrennt. Der Beklagte ist Unternehmensberater. Die Klägerin ist ausgebildete Bankkauffrau. Sie ist als selbständige Promoterin tätig, erzielt aus dieser Tätigkeit aber keinen Gewinn.
Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht - Familiengericht - am 12. Oktober 2006 ein Versäumnisurteil erlassen, durch das der Beklagte zur Zahlung von Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.894 € ab Juli 2004 verurteilt worden ist.
Das Versäumnisurteil ist dem damaligen Rechtsanwalt des Beklagten am 25. Oktober 2006 zugestellt worden. Die Zustellungsurkunde trägt den vom 9. November 2006 datierenden Vermerk des mit der Verwaltung der Geschäftsstelle betrauten Justizamtsinspektors: "Zustellung unwirksam! Es fehlt ZP 18". Das Versäumnisurteil ist am 3. November 2006 erneut zugestellt worden, diesmal mit dem Formular ZP 18, das die in § 338 Satz 2 ZPO vorgeschriebene Belehrung enthält. Mit dem am 17. November 2006 eingegangenen Schriftsatz seines Rechtsanwalts hat der Beklagte Einspruch gegen das Versäumnisurteil eingelegt.
Der Beklagte hat sodann die Aufhebung des Versäumnisurteils und die Abweisung der Klage beantragt. Ferner hat er Widerklage auf Rückzahlung von ihm geleisteter Unterhaltsbeträge erhoben. Das Amtsgericht hat auf den Einspruch in der Sache entschieden. Es hat den Unterhalt unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils herabgesetzt und die Klägerin zur teilweisen Rückzahlung der vom Kläger geleisteten Unterhaltszahlungen verurteilt.
Auf die Berufung beider Parteien hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass der Beklagte die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil des Amtsgerichts versäumt habe. Es hat sodann den Einspruch des Beklagten im Umfang des von der Klägerin in der Berufungsinstanz gestellten Antrags verworfen und die vom Beklagten beantragte Wiedereinsetzung abgelehnt. Die Widerklage hat es vollständig abgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Beklagten.
Auf das Verfahren findet nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht Anwendung (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Da die Klägerin in der mündlichen Verhandlung trotz rechtzeitiger Bekanntgabe des Termins nicht vertreten war, ist über die Revision des Beklagten antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Das Urteil beruht jedoch inhaltlich nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung (vgl. BGHZ 37, 79, 81 f.).
Die Revision hat Erfolg.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist der Einspruch des Beklagten gegen das Versäumnisurteil erst nach Ablauf der Einspruchsfrist eingegangen. Die Wahrung der Einspruchsfrist sei auch im Berufungsverfahren von Amts wegen zu prüfen. Die Frist habe aufgrund der (ersten) Zustellung am 25. Oktober 2006 zu laufen begonnen. Die Zustellung sei ungeachtet der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung nach §§ 338 Satz 2, 340 Abs. 3 Satz 4 ZPO (ZP 18) wirksam gewesen. Denn diese hindere lediglich die Ingangsetzung der Einspruchsbegründungsfrist, nicht aber der Einspruchsfrist. Durch die spätere erneute Zustellung werde keine neue Einspruchsfrist in Gang gesetzt.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei nicht zu gewähren, weil die Frist nicht ohne Verschulden versäumt worden sei. Dem Beklagten sei das Verschulden seines Rechtsanwalts zuzurechnen. Diesem habe es oblegen, die Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil genau zu ermitteln. Nachdem die Einspruchsfrist aufgrund der ersten Zustellung zunächst richtig eingetragen worden sei, habe er nach der zweiten Zustellung sorgfältig prüfen müssen, ob eine fehlerhafte erste Zustellung des Versäumnisurteils vorgelegen habe. Er habe wissen müssen, dass durch die Wiederholung einer wirksamen Zustellung keine erneute Einspruchsfrist zu laufen beginne. Demgemäß habe er sich auch veranlasst gesehen, Nachforschungen beim Amtsgericht hinsichtlich der Wirksamkeit der ersten Zustellung anzustellen. Diese seien jedoch nicht ausreichend gewesen.
Der Rechtsanwalt habe seinen Bürovorsteher damit beauftragt, beim Amtsgericht in Erfahrung zu bringen, was es mit den beiden Zustellungen auf sich gehabt habe. Dieser habe daraufhin zwei Telefonate geführt und beim zweiten Gespräch die Auskunft erhalten, das erste zugestellte Versäumnisurteil sei wegen fehlerhafter Zustellung als gegenstandslos zu betrachten, maßgeblich sei das am 3. November 2006 zugestellte Versäumnisurteil. Daraufhin habe der Rechtsanwalt verfügt, den nach der ersten Zustellung notierten Fristablauf im Fristenkalender zu streichen.
Dem Rechtsanwalt sei vorzuwerfen, dass er sich mit der lapidaren Auskunft zur Unwirksamkeit der ersten Zustellung des Versäumnisurteils wegen Fehlerhaftigkeit zufrieden gegeben habe. Als Zustellungsempfänger habe er keinen Anlass gehabt, die Wirksamkeit der ersten Zustellung zu bezweifeln. Er habe vielmehr die genauen Gründe der vom Amtsgericht angenommenen Unwirksamkeit der Zustellung erfragen und überprüfen müssen. Der Umstand, dass die falsche Information aus dem Bereich des Gerichts stammte, stehe dem Verschulden des Rechtsanwalts nicht entgegen. Er habe nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, dass es sich bei der zweiten Zustellung um eine sinnvolle Maßnahme gehandelt habe und dass erst diese Zustellung den Lauf der Einspruchsfrist in Gang gesetzt habe. Soweit der Bundesgerichtshof dies in einzelnen Fällen angenommen habe, seien diese mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar. Ein Rechtsirrtum könne den Rechtsanwalt nicht entlasten, weil er bei den zu stellenden hohen Anforderungen nicht unvermeidbar gewesen sei. Auch wenn er vom Amtsgericht den konkreten Grund der erneuten Zustellung erfahren habe, habe er anhand von Rechtsprechung und Literatur sorgfältig prüfen müssen, wie sich die fehlende Rechtsbehelfsbelehrung auf die Wirksamkeit der Zustellung auswirke.
II.
Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht auch im Berufungsverfahren die Zulässigkeit des Einspruchs gegen das in erster Instanz ergangene Versäumnisurteil überprüft. Dem Berufungsgericht ist ferner darin zu folgen, dass das Fehlen der nach §§ 338 Satz 2, 340 Abs. 3 Satz 4 ZPO vorgeschriebenen Rechtsbehelfsbelehrung für die Wirksamkeit der Zustellung und den Lauf der Einspruchsfrist ohne Bedeutung ist.
a) Die zweiwöchige Einspruchsfrist beginnt nach § 339 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO mit der Zustellung des Versäumnisurteils.
aa) Die Zustellung ist die Bekanntgabe eines Dokuments an eine Person in der nach §§ 166 ff. ZPO vorgesehenen Form (§ 166 Abs. 1 ZPO), die hier eingehalten worden ist. Das zuzustellende Dokument ist das Versäumnisurteil, nicht auch die Belehrung über den Einspruch. Nach § 317 Abs. 1 ZPO werden verkündete Versäumnisurteile der unterliegenden Partei zugestellt. Sowohl aus § 339 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO als auch aus § 317 Abs. 1 ZPO ergibt sich somit, dass das zuzustellende Dokument - nur - das Versäumnisurteil ist. Auch aus § 338 Satz 2 ZPO ist zu ersehen, dass die Rechtsbehelfsbelehrung nicht Bestandteil des Versäumnisurteils oder seiner Zustellung ist, weil auf den Einspruch nur "zugleich mit der Zustellung" hinzuweisen ist. Abgesehen davon stünde aber auch eine als vorgeschriebener Bestandteil der Entscheidung fehlende Rechtsbehelfsbelehrung der Wirksamkeit der Zustellung nicht ohne weiteres entgegen (vgl. etwa §§ 39, 17 Abs. 2 FamFG).
Die Revision meint, bei fehlender Belehrung beginne die Einspruchsbegründungsfrist nicht zu laufen, was bei fehlender Belehrung über die Einspruchsfrist ebenfalls gelten müsse. Dem ist nicht zu folgen.
Die Revision vernachlässigt, dass zwischen den beiden Fristen ein grundlegender Unterschied besteht. Dass die Einspruchsbegründung mit dem Einspruch zu erfolgen hat und die beiden Fristen demnach im Ausgangspunkt übereinstimmen, kann deren grundsätzliche Verschiedenheit nicht verdecken. Das zeigt sich daran, dass die Einspruchsbegründungsfrist verlängert werden kann (§ 340 Abs. 3 Satz 2 ZPO), die Einspruchsfrist dagegen nicht (§ 224 Abs. 2 ZPO). Die Einspruchsbegründungsfrist betrifft die Frage, ob das Vorbringen einer Partei noch zu berücksichtigen oder als verspätet zurückzuweisen ist. Dagegen regelt die Einspruchsfrist die Frage, ob der Rechtsstreit nach Erlass eines Versäumnisurteils fortzusetzen ist und das Gericht überhaupt noch in der Sache entscheidet oder aber der Einspruch - bei verspäteter Einlegung - als unzulässig verworfen werden muss. Während bei fehlender Belehrung über die Einspruchsbegründungsfrist spätestens nach der abschließenden mündlichen Verhandlung eine das Verfahren beendende Entscheidung ergeht, bliebe das Verfahren bei nicht anlaufender Einspruchsfrist in der Schwebe, denn der Einspruch könnte jederzeit nachgeholt werden. Demgemäß besteht schon im Interesse der Rechtssicherheit kein Anlass für eine einschränkende Interpretation der in § 339 Abs. 1 ZPO getroffenen - eindeutigen - gesetzlichen Anordnung, dass die Einspruchsfrist mit der Zustellung des Versäumnisurteils beginnt.
bb) Durch die Veranlassung einer nochmaligen Zustellung konnte die Geschäftsstelle die Rechtswirkungen der bereits erfolgten Zustellung nicht mehr rückgängig machen. Denn jedenfalls nach der erfolgreichen Zustellung liegt es nicht mehr in der Hand der Geschäftsstelle, die Wirkungen der Zustellung zu beseitigen und diese durch eine erneute Zustellung zu ersetzen.
b) Etwas anderes folgt nicht aus den europarechtlichen Vorgaben, auf denen die Belehrungspflicht nach § 338 Satz 2 ZPO beruht. Diese erfordern es nicht, dass die Einspruchsfrist erst nach einer Belehrung über den Einspruch zu laufen beginnt.
Die gesetzliche Belehrungspflicht nach § 338 Satz 2 ZPO ist durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 über einen Europäischen Vollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen (EG-Vollstreckungstitel-Durchführungsgesetz) vom 18. August 2005 (BGBl. I S. 2477) eingeführt worden. Die Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 (ABl. EU L 143 S. 15 - EuVTVO) verfolgt das Ziel, den Zugang zur Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat (Art. 2 Abs. 3 EuVTVO) als dem Mitgliedstaat, in dem die Entscheidung ergangen ist, ohne erforderliche Zwischenmaßnahmen zu beschleunigen und zu vereinfachen (Erwägungsgrund 8 der Verordnung). Demgemäß soll - nur der Mitgliedstaat der Ausgangsentscheidung (Ursprungsmitgliedstaat) die für die Vollstreckung im anderen Staat (Vollstreckungsmitgliedstaat) erforderliche Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel (Art. 6 EuVTVO) ausstellen und die Entscheidung im Vollstreckungsmitgliedstaat vollstreckbar sein, ohne dass es eines Vollstreckbarerklärungsverfahrens bedarf (Art. 5 EuVTVO; vgl. Erwägungsgrund 18 der Verordnung).
Zur Sicherung des fairen Verfahrens nach Art. 47 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (ABl. EG C 364) enthalten Art. 12 - 19 EuVTVO Mindestvorschriften für das Verfahren, deren Einhaltung Voraussetzung für die Erteilung einer Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel ist (Art. 12 Abs. 1 EuVTVO; vgl. Erwägungsgrund 11 der Verordnung). Zu den Mindestvorschriften gehören neben der Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks (Art. 13 - 15 EuVTVO) die Unterrichtung des Schuldners über die Forderung (Art. 16 EuVTVO) und über die Verfahrensschritte zum Bestreiten der Forderung (Art. 17 EuVTVO), wozu auch der Hinweis auf die Konsequenzen des Nichterscheinens gehört (Art. 17 lit. b EuVTVO; vgl. BGH Urteil vom 22. September 2010 - VIII ZR 182/09 - MDR 2010, 1340).
Die Belehrung über den Einspruch zugleich mit der Versäumnisentscheidung ist dagegen nach der EuVTVO nicht als Mindestvorschrift für die Bestätigung als Europäischer Vollstreckungstitel vorgesehen. Diese hat vielmehr eine andere Funktion. Denn die Belehrung führt nach Art. 18 Abs. 1 lit. b EuVTVO zur Heilung, wenn die Verfahrensvorschriften nach Art. 13 - 17 EuVTVO nicht eingehalten worden sind. Dementsprechend ist die Erfüllung der Belehrungspflicht nach § 338 Satz 2 ZPO zur Erteilung der Bestätigung gemäß Art. 6, 12 Abs. 1 EuVTVO nicht erforderlich.
Dem Gebot des fairen Verfahrens ist im Übrigen durch die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Genüge getan (vgl. BVerfG NJW 2000, 1633).
c) Demnach war die Zustellung des Versäumnisurteils am 25. Oktober 2006 wirksam und hat die Einspruchsfrist nach § 339 Abs. 1 ZPO in Lauf gesetzt. Die nochmalige Zustellung des Versäumnisurteils am 3. November 2006 konnte den Lauf der Frist nicht mehr beeinflussen (vgl. BGH Beschluss vom 20. Oktober 2005 - IX ZB 147/01 - NJW-RR 2006, 563 für den Fall einer bereits abgelaufenen Rechtsmittelfrist). Die Einspruchsfrist lief demzufolge mit dem 8. November 2006 ab. Durch den am 17. November 2006 beim Amtsgericht eingegangenen Einspruchsschriftsatz konnte die Frist somit nicht mehr gewahrt werden.
2. Das Berufungsgericht hat eine Wiedereinsetzung versagt, weil der Rechtsanwalt des Beklagten sich nicht mit der Auskunft des Amtsgerichts hätte zufrieden geben dürfen und statt dessen weitere Nachfragen hätte anstellen müssen. Auf eine Nachfrage hätte er sodann erkennen müssen, dass der Geschäftsstellenbeamte des Amtsgerichts sich im Irrtum befunden habe und schon die erste Zustellung wirksam gewesen sei.
Dem kann nicht beigetreten werden.
a) Ob Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer fehlenden Rechtsmittelbelehrung auch der anwaltlich vertretenen Partei zu gewähren ist, ist im vorliegenden Fall nicht zu entscheiden. Zum einen ist die Rechtsmittelbelehrung nachgeholt worden, zum anderen war die Einspruchsfrist dem Rechtsanwalt des Beklagten ohnedies bekannt (zur fehlenden Ursächlichkeit einer unzureichenden Rechtsmittelbelehrung Senatsbeschluss vom 23. Juni 2010 - XII ZB 82/10 - FamRZ 2010, 1425). Die verspätete Einlegung des Einspruchs ist vielmehr auf dessen Irrtum über die die Frist auslösende Zustellung zurückzuführen.
b) Richtig ist ferner der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass der Rechtsanwalt sich auf eine unzutreffende Rechtsauskunft des Gerichts nicht ohne weiteres verlassen darf, sondern verpflichtet ist, die sich bei der Prozessführung stellenden Rechtsfragen in eigener Verantwortung zu überprüfen. Dementsprechend schließen selbst ursächliche Gerichtsfehler im Allgemeinen ein anwaltliches Verschulden nicht aus (vgl. für die Anwaltshaftung BGHZ 174, 205, 209 und BGH Urteil vom 18. Dezember 2008 - IX ZR 179/07 - NJW 2009, 987).
Ob sich ein Rechtsanwalt auf eine unzutreffende gerichtliche Auskunft verlassen darf und aus diesem Grund eine Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelfrist versäumt wird, ist in mehreren Zusammenhängen Gegenstand der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gewesen. In einem Fall der irreführenden Belehrung über den statthaften Rechtsbehelf nach einem zweiten Versäumnisurteil hat der Bundesgerichtshof ein Verschulden des Rechtsanwalts bejaht, weil die unrichtige Rechtsmittelbelehrung offenkundig falsch gewesen sei und nicht zu einem unvermeidbaren oder entschuldbaren Rechtsirrtum geführt habe (BGH Beschluss vom 11. Juni 1996 - VI ZB 10/96 - VersR 1996, 1522). In anderen Entscheidungen ist der Bundesgerichtshof davon ausgegangen, dass der Rechtsanwalt sich auf eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung verlassen darf (BGH Beschluss vom 23. September 1993 - LwZR 10/92 - NJW 1993, 3206: unrichtige Rechtsmittelbelehrung durch einen Fachsenat beim Oberlandesgericht; BGH Beschluss vom 16. Oktober 2003 - IX ZB 36/03 - ZIP 2003, 2382 mwN).
Im Fall einer unzutreffenden Auskunft über die Zustellung und eines durch sie ausgelösten Rechtsirrtums über den Lauf einer Frist hat der Bundesgerichtshof mehrfach entschieden, dass der Rechtsanwalt sich auf die Auskunft verlassen und die Frist entsprechend der ihm erteilten Auskunft berechnen darf (BGH Beschluss vom 7. Oktober 1986 - VI ZB 8/86 - VersR 1987, 258: Erneute Zustellung, nachdem bereits die für den Prozessgegner vorgesehene Ausfertigung zugestellt worden war; Beschluss vom 26. Oktober 1994 - IV ZB 12/94 - VersR 1995, 680: Erneute Zustellung wegen falscher Aktenzeichen auf den Empfangsbekenntnissen; Beschluss vom 4. Mai 2005 - I ZB 38/04 - NJW-RR 2005, 1658: Erneute Zustellung nach Rückforderung der zunächst zugestellten, aber mangelhaften Ausfertigung).
Ob die vorgenannten Entscheidungen in Anbetracht des Umstands, dass die letztgenannten Entscheidungen jeweils für den Rechtsanwalt erkennbar falsche Auskünfte des Gerichts betrafen, in vollem Umfang miteinander vereinbar sind, bedarf hier jedoch keiner Entscheidung. Denn im vorliegenden Fall war die Auskunft der Geschäftsstelle für den Rechtsanwalt des Beklagten weder offenkundig fehlerhaft, noch traf diesen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - eine Pflicht zu weiteren Erkundigungen, die den Fehler des Amtsgerichts hätte offenbaren können.
Dem Rechtsanwalt des Beklagten wurde die Auskunft erteilt, das erste zugestellte Versäumnisurteil sei wegen fehlerhafter Zustellung als gegenstandslos zu betrachten. Maßgeblich sei das am 3. November 2006 zugestellte Versäumnisurteil. Aufgrund dieser Auskunft war für den Rechtsanwalt nicht offenkundig, dass die erste Zustellung entgegen der Meinung des zuständigen Geschäftsstellenbeamten wirksam war. Denn für eine Unwirksamkeit der Zustellung kamen neben der fehlenden Rechtsbehelfsbelehrung weitere Ursachen in Betracht. So hätte das Versäumnisurteil etwa noch nicht vom Richter unterschrieben und versehentlich ein Entwurf zugestellt worden sein können. Dass die zweite Zustellung nunmehr mit der Rechtsbehelfsbelehrung verbunden war, musste den Rechtsanwalt nicht darauf schließen lassen, dass die erneute Zustellung - nur - deswegen durchgeführt worden war.
Dementsprechend hat das Berufungsgericht dem Rechtsanwalt auch nicht vorgeworfen, dass die Wirksamkeit der ersten Zustellung für ihn offensichtlich gewesen sei, und auch nicht, dass er die Auskunft durch seinen Bürovorsteher einholen ließ. Vielmehr hat es ihm vorgehalten, dass er sich mit der "lapidaren" Auskunft zufrieden gegeben habe und statt dessen nach den genauen Gründen der vom Amtsgericht angenommenen Unwirksamkeit habe fragen müssen. Dann habe er erkennen müssen, dass die erste Zustellung nicht unwirksam gewesen sei.
Abgesehen davon, dass das Berufungsgericht sich mit dieser Auffassung entgegen seiner Begründung nicht im Einklang mit der oben aufgeführten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wiedereinsetzung bei doppelter Zustellung befindet, traf den Rechtsanwalt jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls keine Verpflichtung zu weiteren Nachfragen. Da er von der Geschäftsstelle die Auskunft erhalten hatte, die erste Zustellung sei unwirksam und gegenstandslos, konnte er sich ohne gegenteilige Anhaltspunkte darauf verlassen. Die von der Geschäftsstelle erteilte Auskunft war jedenfalls nicht offenkundig falsch, denn sie konnte auch auf anderen Unwirksamkeitsgründen beruhen als der unterbliebenen Rechtsbehelfsbelehrung. Den Rechtsanwalt traf überdies keine Pflicht, durch weitere Nachfrage danach zu forschen, ob die erste Zustellung womöglich dennoch wirksam war. Denn die Nachfrage hätte sich auf gerichtsinterne Vorgänge beziehen müssen, die der Rechtsanwalt jedenfalls in dem vorliegenden Zusammenhang von sich aus nicht aufklären muss. Das gilt umso mehr, als die Geschäftsstelle gemäß §§ 168 Abs. 1, 176 Abs. 1 ZPO die Zustellung in eigener Verantwortung veranlasst. Bei dieser Sachlage kann sich der Rechtsanwalt auf die Richtigkeit der ihm erteilten Auskunft verlassen und würde eine Pflicht zu weiterer Nachforschung die an ihn gestellten Sorgfaltsanforderungen überspannen.
c) Dass der Beklagte seinen Wiedereinsetzungsantrag erst nach Ablauf der Jahresfrist gemäß § 234 Abs. 3 ZPO gestellt hat, hindert eine Wiedereinsetzung nicht. Denn abgesehen von der möglichen Gewährung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO beruht die Fristüberschreitung darauf, dass der Beklagte im weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht davon ausgehen durfte, dass sein Einspruch rechtzeitig war. Damit ist die Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist nach § 234 Abs. 3 ZPO jedenfalls allein dem Gericht zuzurechnen und steht einer Wiedereinsetzung nicht entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 20. Februar 2008 - XII ZB 179/07 - FamRZ 2008, 978, 979 und vom 7. Juli 2004 - XII ZB 12/03 FamRZ 2004, 1478, 1479 f.).
III.
Das Berufungsurteil ist demnach aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, schon weil das Berufungsgericht noch nicht in der Sache entschieden hat.
Hahne Wagenitz Vézina
Dose Klinkhammer