Entscheidungsdatum: 14.09.2011
1. Werden bei einer Auslandszustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ) vom 15. November 1965 die Anforderungen dieses Abkommens gewahrt und bei der Zustellung nur Formvorschriften des Verfahrensrechts des Zustellungsstaates verletzt, wird der Zustellungsmangel nach § 189 ZPO geheilt, wenn das Schriftstück dem Zustellungsempfänger tatsächlich zugegangen ist (Abgrenzung zum Senatsbeschluss, 2. Dezember 1992, XII ZB 64/91, BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311 ff.) .
2. Dies gilt auch dann, wenn das gemäß Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ anwendbare Recht des Zustellungsstaates eine Heilung nicht vorsieht .
Die Revision gegen das Urteil des 3. Senats - Senat für Familiensachen - des Kammergerichts in Berlin vom 4. September 2009 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten im Scheidungsverfahren um die Wirksamkeit einer Auslandszustellung.
Die Parteien sind deutsche Staatsangehörige mit Wohnsitz in San Francisco (Vereinigte Staaten von Amerika). Im Mai 1997 schlossen sie in Rutherford/Kalifornien die Ehe.
Im August 2006 reichte die Antragstellerin beim Amtsgericht Schöneberg einen Scheidungsantrag ein, den ihre Verfahrensbevollmächtigte auch dem Antragsgegner mit der Aufforderung übersandte, einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Im April 2007 beantragte der spätere Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners unter Vorlage einer Vollmacht für Scheidungs- und Scheidungsfolgesachen Akteneinsicht. Das Amtsgericht übersandte den Scheidungsantrag nebst Anlagen an den späteren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners zur Zustellung gegen Empfangsbekenntnis. Dieser unterzeichnete das Empfangsbekenntnis nicht, sondern schickte die Unterlagen im Original zurück mit der Begründung, er sei von dem Antragsgegner nur zur Akteneinsicht bevollmächtigt worden.
In der Folge ließ das Amtsgericht dem Antragsgegner den Scheidungsantrag im Wege der Auslandszustellung nach Art. 5 HZÜ unter dessen Wohnanschrift in San Francisco zustellen. Ein Nachweis über eine am 31. Juli 2007 erfolgte Zustellung gelangte am 15. August 2007 zur Akte. Die Parteien streiten darüber, ob bei der Zustellung des Scheidungsantrags am Wohnsitz des Antragsgegners die Voraussetzungen des kalifornischen Verfahrensrechts für eine Zustellung durch persönliche Übergabe erfüllt wurden. Der Antragsgegner räumte ein, am 6. August 2007 jedenfalls einen Teil der Dokumente erhalten zu haben.
Im August 2008 reichte der Antragsgegner einen eigenen Scheidungsantrag beim Familiengericht in San Francisco ein und erhob im deutschen Verfahren die Einrede der anderweitigen Rechtshängigkeit.
Das Amtsgericht hat dem Scheidungsantrag stattgegeben. Die Berufung des Antragsgegners hatte keinen Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision möchte der Antragsgegner weiter die Abweisung des Scheidungsantrags erreichen.
Für das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis Ende August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 179/10 - FamRZ 2011, 100).
Die zulässige Revision ist unbegründet.
A.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sei der Scheidungsantrag der Antragstellerin zwar nicht bereits mit der Übersendung an den späteren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners wirksam zugestellt worden. Denn dieser sei zur Entgegennahme von Zustellungen nicht bevollmächtigt gewesen.
Eine wirksame Zustellung läge jedoch deshalb vor, weil der Scheidungsantrag und die verfahrenseinleitenden Verfügungen des Gerichts dem Antragsgegner vom Amtsgericht in dem nach § 183 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit den Vorschriften des Haager Zustellungsübereinkommens (HZÜ) vorgesehenen Verfahren übersandt worden seien und der Antragsgegner diese Unterlagen jedenfalls am 6. August 2007 erhalten habe. Dabei könne die zwischen den Parteien streitige Frage dahinstehen, ob die Zustellung der Antragsschrift nach den in den Vereinigten Staaten von Amerika für eine Zustellung durch persönliche Übergabe maßgeblichen Vorschriften wirksam gewesen sei. Etwaige Mängel bei dieser Zustellung seien jedenfalls nach § 189 ZPO geheilt, da der Antragsgegner die Antragsschrift zusammen mit den Verfügungen des Gerichts jedenfalls am 6. August 2007 erhalten habe.
Die Heilung etwaiger Zustellungsmängel richte sich für die nach § 183 ZPO in Verbindung mit den Vorschriften des Haager Zustellungsübereinkommens bewirkte Zustellung nach § 189 ZPO. Maßgeblich für die Zustellung seien die Vorschriften des Urteilsstaates einschließlich des in diesem Staat geltenden Völkerrechts, also hier das deutsche Recht. Das Haager Zustellungsübereinkommen stünde der Anwendung des § 189 ZPO nicht entgegen, weil sich dem Abkommen nicht entnehmen ließe, dass es eine Heilung von Zustellungsmängeln in jedem Fall ausschließen wolle. Das Haager Zustellungsübereinkommen enthalte selbst keine Regelung, wie bei Zustellungsmängeln zu verfahren sei, die auch bei Beachtung des im Haager Zustellungsübereinkommen vorgesehenen Zustellungsverfahrens auftreten könnten. Soweit der Bundesgerichtshof in Fällen, in denen die Zustellung unter vollständiger Missachtung des im Haager Zustellungsübereinkommen vorgeschriebenen Zustellungsverfahrens und ohne die erforderlichen Übersetzungen in die Sprache des Zustellungsstaates vorgenommen wurde, annehme, dass das Haager Zustellungsübereinkommen eine Heilung von Zustellungsmängeln überhaupt nicht zulasse, könne dieser Auffassung jedenfalls für die vorliegende Konstellation, in der bei einer nach dem Haager Zustellungsübereinkommen durchgeführten Zustellung Mängel im Zustellungsstaat aufgetreten seien, nicht gefolgt werden. Weder aus Art. 15 HZÜ noch aus anderen Bestimmungen oder den Materialien zum Haager Zustellungsübereinkommen könne geschlossen werden, dass eine Heilung von Zustellungsmängeln grundsätzlich ausgeschlossen sein solle. Art. 15 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 2 HZÜ ließen erkennen, dass es nach Sinn und Zweck des Übereinkommens vorrangig auf den Erfolg der Zustellung ankomme und die Einhaltung der Formalien gegebenenfalls zurücktreten könne.
Die Annahme einer Heilung nach § 189 ZPO führe vorliegend auch nicht zu einer Verletzung der Schutzrechte des Antragsgegners, weil die Vorschrift voraussetze, dass der Zustellungsempfänger die zuzustellenden Dokumente jedenfalls erhalten habe und von ihrem Inhalt Kenntnis habe nehmen können. Dadurch sei er in der Lage, seine prozessualen Rechte wahrzunehmen und sich zu verteidigen, auch wenn das vorgeschriebene Zustellungsverfahren nicht eingehalten worden sei.
Danach komme es auf die zwischen den Parteien streitigen konkreten Umstände der Zustellung in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht an, da etwaige Mängel der unter Berücksichtigung des nach dem Haager Zustellungsübereinkommen vorgeschriebenen Verfahrens vorgenommenen Zustellung jedenfalls dadurch nach § 189 ZPO geheilt worden seien, dass der Antragsgegner die Antragsschrift und die verfahrenseinleitende Verfügung des Gerichts am 6. August 2007 erhalten habe. Der vom Antragsgegner am 1. August 2008 beim Familiengericht in San Francisco eingereichte Scheidungsantrag sei damit erst später rechtshängig geworden, weshalb der Antragsgegner im vorliegenden Verfahren den Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht erheben könne.
B.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung und den Angriffen der Revision stand.
I. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Amtsgericht veranlasste Übersendung des Scheidungsantrags an den späteren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners nicht zu einer wirksamen Zustellung geführt hat.
1. Nach § 174 Abs. 1 ZPO kann einem Anwalt ein Schriftstück gegen Empfangsbekenntnis zugestellt werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt für die Wirksamkeit einer in dieser Form vorgenommenen Zustellung allerdings weder allein die Bevollmächtigung des Zustellungsempfängers zur Entgegennahme von Zustellungen noch der tatsächliche Zugang des Schriftstücks. Hinzukommen muss vielmehr die Äußerung des Willens, das zur Empfangnahme angebotene Schriftstück dem Angebot entsprechend als zugestellt entgegenzunehmen (st. Rspr.; vgl. nur BGHZ 30, 335 = NJW 1959, 2062, 2063; BGH Urteil vom 3. Mai 1994 - VI ZR 248/93 - NJW 1994, 2297; Beschluss vom 26. September 1996 - V ZB 25/96 - NJW-RR 1997, 55; für die Rechtslage nach Inkrafttreten des ZustRG BGH Beschluss vom 11. Juli 2005 - NotZ 12/05 - NJW 2005, 3016, 3017). Für eine wirksame Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO ist daher regelmäßig erforderlich, dass der Zustellungsempfänger seinen Willen zur Entgegennahme der Zustellung durch die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses bekundet (BGH Urteil vom 18. Januar 2006 - VIII ZR 114/05 - NJW 2006, 1206, 1207) und dieses, versehen mit dem Datum des Eingangs des Schriftstücks, an das Gericht zurückreicht (vgl. § 174 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Verweigert der Zustellungsempfänger die Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses und reicht er die ihm übersandten Dokumente an das Gericht zurück, ist die Zustellung nach § 174 Abs. 1 ZPO unwirksam (BGH Urteil vom 16. Mai 1975 - I ZB 6/75 - VersR 1975, 906).
2. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs war entgegen der Auffassung der Antragstellerin die vom Amtsgericht veranlasste Zustellung an den späteren Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners unwirksam, da dieser die ihm übersandten Unterlagen an das Amtsgericht mit dem Hinweis zurückgereicht hat, er sei vom Antragsgegner nur zur Akteneinsicht bevollmächtigt worden und könne daher das Empfangsbekenntnis nicht unterzeichnen. Die zwischen den Parteien umstrittene Frage, ob der spätere Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners aufgrund der von ihm vorgelegten Prozessvollmacht überhaupt wirksam zur Entgegennahme von Zustellungen bevollmächtigt war, ist daher für die Wirksamkeit dieser Zustellung unerheblich.
II. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die vom Amtsgericht vorgenommene Auslandszustellung wirksam war und zur Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags der Antragstellerin geführt hat.
1. Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist eine Zustellung im Ausland nach den bestehenden völkerrechtlichen Vereinbarungen vorzunehmen. Zustellungen gerichtlicher Schriftstücke an Personen mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten von Amerika richten sich nach dem Haager Zustellungsüberein-kommen (HZÜ) vom 15. November 1965 (BGBl. II 1977 S. 1453), dem sowohl Deutschland (BGBl. II 1979 S. 779) als auch die Vereinigten Staaten von Amerika beigetreten sind (vgl. Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 7 Rn. 62; MünchKommZPO/Rauscher 3. Aufl. Völkervertragliches Zustellungsrecht Rn. 8). Nach Art. 5 Abs. 1 HZÜ wird die Zustellung des Schriftstücks von der Zentralen Behörde des ersuchten Staates bewirkt oder veranlasst, und zwar entweder in einer der Formen, die das Recht des ersuchten Staates für die Zustellung der in seinem Hoheitsgebiet ausgestellten Schriftstücke an dort befindliche Personen vorschreibt (Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ) oder in einer besonderen von der ersuchenden Stelle gewünschten Form, es sei denn, dass diese Form mit dem Recht des ersuchten Staates unvereinbar ist (Art. 5 Abs. 1 lit. b HZÜ).
2. Im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht die Zustellung des Scheidungsantrags nach Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ veranlasst. Nach dem danach maßgeblichen kalifornischen Zustellungsrecht muss das Schriftstück dem Zustellungsempfänger persönlich übergeben werden (sec. 415.10 California Code of Civil Procedure). Der Revision ist zuzugeben, dass das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, ob diese nach dem kalifornischen Recht notwendige Voraussetzung für eine wirksame Zustellung durch persönliche Übergabe vorliegend erfüllt ist. Das Berufungsgericht konnte diese Frage jedoch offenlassen, weil ein möglicher Verfahrensfehler bei der Zustellung in Kalifornien jedenfalls dadurch geheilt worden ist, dass der Antragsgegner den Scheidungsantrag und die beigefügten verfahrenseinleitenden Verfügungen des Amtsgerichts tatsächlich erhalten hat.
3. Ob bei einer Auslandszustellung auf der Grundlage des Haager Zustellungsübereinkommens eine Heilung von Mängeln im Zustellungsverfahren möglich ist, ist umstritten.
a) Teilweise wird bei Auslandszustellungen nach dem Haager Zustellungsübereinkommen die Möglichkeit einer Heilung von Verfahrensmängeln nach § 189 ZPO grundsätzlich abgelehnt (Prütting/Gehrlein/Völzmann-Stickelbrock ZPO 2. Aufl. § 328 Rn. 20; vgl. auch BGHZ 98, 263, 270 und BGH IPRspr 1978 Nr. 152 zu § 187 ZPO aF; OLG Jena IPrax 2002, 298 m. Anm. Stadler). Vereinzelt wird auch die Möglichkeit einer Heilung uneingeschränkt bejaht (Geimer Internationales Zivilprozessrecht 4. Aufl. Rn. 2102; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 695; Jayme IPrax 1997, 195; MünchKommZPO/Gottwald 3. Aufl. § 328 Rn. 84, der eine Heilung nur dann ausschließen will, wenn das autonome Recht des Zustellungsstaates eine Heilung nicht vorsieht; vgl. auch MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 183 Rn. 17 und BGH Beschluss vom 18. Februar 1993 - IX ZB 87/90 - NJW 1993, 2688 f.).
b) Die überwiegende Auffassung im Schrifttum differenziert nach der Art des Zustellungsmangels und lehnt eine Heilung nur dann ab, wenn die Zustellung unter Verletzung der sich unmittelbar aus dem Haager Zustellungsabkommen ergebenden Formvorschriften vorgenommen wurde. Sofern bei einer Auslandszustellung dagegen die formalen Anforderungen des Abkommens gewahrt und nur Verfahrensvorschriften des nationalen Zustellungsrechts des Ursprungs- oder des Zustellungsstaates verletzt wurden, wird von den Vertretern dieser Auffassung eine Heilung des Verfahrensmangels bejaht, wenn der Zustellempfänger das Schriftstück tatsächlich erhalten hat (Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 11 Rn. 47; De Lind van Wijngaarden-Maack IPrax 2004, 212, 215; Brand/Reichhelm IPrax 2001, 173, 176; Stürner JZ 1992, 325, 323; Rauscher IPrax 1991, 155, 159; zustimmend auch Musielak/Stadler ZPO 8. Aufl. § 328 Rn. 15 und MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 183 Rn. 17; differenzierend nach dem Zweck der verletzten Vorschrift noch Stadler IPrax 2002, 282, 284 f.).
4. Der Senat bejaht für Fälle wie den vorliegenden, in denen bei Wahrung der Anforderungen des Haager Zustellungsübereinkommens nur Formvorschriften des Verfahrensrechts des Zustellungsstaates verletzt wurden, die Möglichkeit einer Heilung des Zustellungsmangels, wenn das Schriftstück dem Zustellungsempfänger tatsächlich zugegangen ist.
a) Entgegen der Auffassung der Revision steht das Haager Zustellungsübereinkommen in diesen Fällen der Anwendung der Heilungsvorschriften des autonomen Rechts nicht entgegen. Zwar sieht das Abkommen, insbesondere auch in Art. 5 Abs. 2 und Art. 15 HZÜ, eine Heilung von Zustellungsmängeln nicht vor (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 313; BGHZ 141, 286 = ZIP 1999, 1226, 1227; BGH Beschluss vom 4. April 1991 IX ZB 87/90 - WM 1991, 1050, 1052; ebenso Rauscher IPrax 1991, 155, 159; Stürner JZ 1992, 325, 332; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 69). Dies schließt jedoch einen Rückgriff auf Heilungsvorschriften nach dem autonomen Zustellungsrecht des ersuchenden Staates oder des Zustellungsstaates nicht aus.
b) Grundsätzlich ist die Zustellung der Klage oder eines verfahrenseinleitenden Antrags Teil des Verfahrens vor dem angerufenen Prozessgericht, so dass sich die Frage ihrer Ordnungsmäßigkeit und der möglichen Heilung von Zustellungsmängeln nach dessen Verfahrensrecht einschließlich der einschlägigen völkerrechtlichen Verträge richtet (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 312).
Bei einer Auslandszustellung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ findet außerdem das Zustellungsrecht des ersuchten Staates Anwendung, wodurch das Haager Zustellungsübereinkommen auch die Heranziehung der nach dem dortigen Ortsrecht vorgesehenen Heilungsvorschriften zulässt (vgl. Musielak/Stadler ZPO 8. Aufl. § 328 Rn. 15; Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 11 Rn. 47; Roth FS Gerhardt S. 798, 810; Kondring Die Heilung von Zustellungsmängeln im internationalen Zivilrechtsverkehr 1995 S. 269, 270; Rauscher JR 1993, 413, 414; Stadler IPrax 2002, 282, 283; Stürner JZ 1993, 325, 331).
c) Bei der Frage der Heilung von Zustellungsmängeln ist allerdings danach zu differenzieren, ob bei der Zustellung Bestimmungen des Haager Zustellungsübereinkommens oder des autonomen Zustellungsrechts der beteiligten Staaten verletzt wurden.
(1) Der Zweck einer Zustellung besteht dem Adressaten gegenüber darin, zu gewährleisten, dass er Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung oder Rechtsverfolgung darauf einrichten kann (BGHZ 118, 45 = NJW 1992, 2280, 2281). Insoweit dienen Zustellungsvorschriften der Verwirklichung des rechtlichen Gehörs (BVerfGE 67, 208, 211). Daran knüpft die Heilungsmöglichkeit des § 189 ZPO an. Mit dieser Vorschrift soll verhindert werden, dass Mängel eines streng formalisierten Zustellungsvorgangs die Zustellung unwirksam machen, wenn feststeht, dass der Adressat das Dokument erhalten hat und sachlich so gestellt ist, als ob die Zustellung ordnungsgemäß erfolgt wäre, ihr Zweck also erreicht ist (MünchKommZPO/Häublein 3. Aufl. § 189 Rn. 1; Musielak/Wolst ZPO 8. Aufl. § 189 Rn. 1). Der Zustellungsfehler führt dann zwar möglicherweise dazu, dass der weitere Zweck einer förmlichen Zustellung, den Zeitpunkt der Übergabe eindeutig nachweisen zu können, nicht erreicht wird (vgl. dazu Prütting/Gehrlein/Kessen ZPO 2. Aufl. § 166 Rn. 5). Der Anspruch des Zustellungsempfängers auf rechtliches Gehör ist dagegen gewahrt, wenn er das Schriftstück tatsächlich erhalten hat. Dies rechtfertigt es, den Verfahrensfehler zu ignorieren und eine wirksame Zustellung zu fingieren (vgl. Prütting/Gehrlein/Kessen ZPO 2. Aufl. § 189 Rn. 1).
(2) Anders verhält es sich bei Auslandszustellungen nach dem Haager Zustellungsübereinkommen.
Die Anforderungen, die dieses Abkommen an eine wirksame Zustellung zwischen den Vertragsstaaten stellt, dienen - anders als Zustellungsvorschriften sonst - nicht primär dem Schutz des rechtlichen Gehörs des Zustellungsempfängers. Durch sie sollen vielmehr die Belange eines geordneten zwischenstaatlichen Rechtsverkehrs sichergestellt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 312) und die Zustellungsmaßstäbe im zwischenstaatlichen Rechtsverkehr vereinheitlicht werden (Rauscher JR 1993, 413, 414).
Dieser besondere Schutzzweck verbietet es, die Beachtung der Bestimmungen des Haager Zustellungsübereinkommens den Heilungsvorschriften des ersuchenden Staates zu unterstellen. Dadurch würde dem Vorrang der staatsvertraglichen Regelung des Haager Zustellungsübereinkommens nicht entsprochen (Schack JZ 1993, 621, 622). Außerdem bestünde die Gefahr einer Aushebelung der völkervertraglich vereinbarten Zustellungswege und es würde letztlich die Beachtung der in dem Abkommen festgelegten Zustellungsvoraussetzungen zur Disposition des nationalen Rechts gestellt (Roth FS Gerhardt S. 798, 805; Stürner JZ 1993, 325, 331). Hinzu kommt, dass ein Verstoß gegen wesentliche Förmlichkeiten des internationalen Rechtsverkehrs sanktionslos bliebe, wenn das zuzustellende Schriftstück den Beklagten nur auf irgendeine Weise erreichte (BGHZ 141, 286 = ZIP 1999, 1226 ff.; Schack JZ 1993, 621, 622). Dies liefe dem erstrebenswerten Ziel einer einheitlichen Anwendung des Abkommens in den Vertragsstaaten zuwider (Senatsbeschluss BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 313; Brand/Reichhelm IPrax 2001, 174, 176).
(3) Diese Gründe tragen jedoch nicht, wenn bei einer Auslandszustellung die formalen Anforderungen des Haager Zustellungsübereinkommens gewahrt wurden und nur ein Verstoß gegen die maßgeblichen Vorschriften des Zustellungsstaates vorliegt. In diesem Fall geht es nicht um die Korrektur von Fehlern bei der Anwendung des Übereinkommens, sondern allein um die Frage, ob der Empfänger einer unter Einhaltung der Bestimmungen des Haager Zustellungsübereinkommens vorgenommenen Zustellung diese gegen sich gelten lassen muss, wenn bei der Zustellung nationale Vorschriften verletzt wurden. Die Belange des internationalen Rechtsverkehrs werden hierbei nicht berührt, weil der völkerrechtlich vereinbarte Zustellungsweg gerade beachtet worden ist (Roth in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 183 ZPO Rn. 78). Deshalb wird durch den Rückgriff auf die nationalen Heilungsvorschriften das Völkerrecht nicht verletzt. Dies rechtfertigt es, die Interessen des Zustellungsempfängers wieder in den Vordergrund treten zu lassen und die Möglichkeit der Heilung von Zustellungsmängeln zuzulassen, wenn der Zustellungsadressat das zuzustellende Dokument tatsächlich erhalten hat und damit der Zweck einer förmlichen Zustellung nach dem autonomen Prozessrecht des ersuchenden Staates erfüllt ist (vgl. Rauscher IPrax 1991, 155, 159; im Ergebnis auch Zöller/Geimer ZPO 28. Aufl. § 328 ZPO Rn. 160).
(4) Entgegen der Auffassung der Revision ist die Möglichkeit einer Heilung von Zustellungsmängeln in diesen Fällen auch nicht davon abhängig, ob das Recht des Zustellungsstaates eine Heilung von fehlerhaften Zustellungen vorsieht und gegebenenfalls die hierfür erforderlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Zwar finden bei einer Auslandszustellung nach Art. 5 Abs. 1 lit. a HZÜ die Zustellungsvorschriften des ersuchten Staates Anwendung, so dass auch dessen Heilungsvorschriften herangezogen werden können. Sieht das autonome Recht des Zustellungsstaates allerdings eine Heilung nicht vor, schließt das einen Rückgriff auf § 189 ZPO nicht aus, weil das Zustellungsverfahren Teil des Verfahrens des Prozessgerichts ist (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311, 312) und damit jedenfalls die für die Ordnungsmäßigkeit einer Zustellung maßgeblichen Vorschriften der §§ 166 ff. ZPO Anwendung finden (vgl. zur alternativen Heilungsmöglichkeit Roth FS Gerhardt S. 798, 808; ders. in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 183 ZPO Rn. 78; einschränkend wegen Art. 15 Abs. 2 HZÜ Kondring Die Heilung von Zustellungsmängeln im internationalen Zivilrechtsverkehr 1995, S. 272 ff.; aA Stadler IPrax 2002, 282, 283: Heilung nur nach dem Recht des Zustellungsstaates; ähnlich Stürner JZ 1992 325, 330).
(5) Die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs steht dieser Rechtsauffassung nicht entgegen. Soweit sich der Bundesgerichtshof in der Vergangenheit bei einer Auslandszustellung nach dem Haager Zustellungsübereinkommen an einer Anwendung der Heilungsvorschriften des autonomen Rechts gehindert gesehen hat, betraf dies jeweils Fälle, in denen bei der Zustellung gerade die Bestimmungen des Haager Zustellungsübereinkommens missachtet wurden (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311 ff.; BGHZ 141, 286 = ZIP 1999, 1226 ff.; vgl. insoweit auch BGHZ 58, 177, 180 f.).
Im Senatsbeschluss vom 2. Dezember 1992 (BGHZ 120, 305 = FamRZ 1993, 311 ff.) hatte das im Scheidungsverfahren vom Ehemann angerufene Gericht des Staates South Carolina (USA) die Zustellung der Klageschrift nebst Vorladung an die in Deutschland lebende Ehefrau unmittelbar auf dem Postweg veranlasst, obwohl die Bundesrepublik Deutschland dieser in Art. 10 HZÜ vorgesehenen Zustellungsform formgerecht widersprochen hat (vgl. Nr. 4 Satz 3 der Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 - BGBl. II S. 779 und § 6 Satz 2 des Ausführungsgesetzes zum Haager Zustellungsübereinkommen vom 22. Dezember 1977 - BGBl. I S. 3105). Außerdem waren die an die Ehefrau übersandten Schriftstücke nicht in die deutsche Sprache übersetzt, obwohl die Bundesrepublik Deutschland in Nr. 1 der angeführten Bekanntmachung vom 21. Juni 1979 erklärt hat, dass eine förmliche Zustellung nach Art. 5 Abs. 1 HZÜ nur zulässig ist, wenn das zuzustellende Schriftstück in deutscher Sprache abgefasst oder in diese Sprache übersetzt ist.
In dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 29. April 1999 (BGHZ 141, 286 = ZIP 1999, 1226, 1231) waren bei einer von einem US-amerikanischen Gericht veranlassten Zustellung einer Klageschrift nebst Vorladung an die in Deutschland ansässige Beklagte die Schriftstücke weder in deutscher Sprache abgefasst noch in diese Sprache übersetzt.
Für Zustellungen, bei denen Bestimmungen des Haager Zustellungsübereinkommens verletzt wurden, hält der Senat ausdrücklich daran fest, dass eine Heilung nach den Vorschriften des autonomen Rechts ausscheidet (vgl. auch Nagel/Gottwald Internationales Zivilprozessrecht 6. Aufl. § 11 Rn. 47; Schack Internationales Zivilverfahrensrecht 5. Aufl. Rn. 69; Roth in Stein/Jonas ZPO 22. Aufl. § 183 ZPO Rn. 76; Roth FS Gerhardt S. 798, 811; Brand/Reichhelm IPrax 2001, 174).
5. Auf dieser rechtlichen Grundlage ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht eine Heilung des möglichen Verfahrensfehlers bei der Zustellung des Scheidungsantrags und der verfahrenseinleitenden Verfügungen in Kalifornien angenommen hat.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Antragsgegner diese Unterlagen jedenfalls am 6. August 2007 tatsächlich erhalten. Damit sind mögliche Fehler bei der am Wohnsitz des Antragsgegners erfolgten Zustellung nach § 189 ZPO geheilt. Das Berufungsgericht konnte daher die Frage offen lassen, ob die dortige Zustellung tatsächlich fehlerhaft war oder nach kalifornischem Recht als wirksam angesehen werden würde. Schützenswerte Belange des Antragsgegners werden dadurch nicht beeinträchtigt. Termin zur mündlichen Verhandlung über den Scheidungsantrag wurde mit Verfügung des Amtsgerichts vom 10. September 2008 auf den 12. November 2008 bestimmt. Der Antragsgegner hatte somit auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass er sich zu dieser Zeit in den Vereinigten Staaten von Amerika aufhielt, die Möglichkeit, in dem deutschen Scheidungsverfahren seine Interessen angemessen wahrzunehmen.
6. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass der Scheidungsantrag der Antragstellerin nicht wegen anderweitiger Rechtshängigkeit gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO unzulässig ist. Weil der vom Antragsgegner behauptete Zustellungsmangel jedenfalls nach § 189 ZPO geheilt wäre, war der Scheidungsantrag der Antragstellerin bereits seit dem 6. August 2007 und damit vor dem vom Antragsgegner am 1. August 2008 beim Familiengericht in Kalifornien eingereichten Scheidungsantrag rechtshängig.
Hahne Dose Klinkhammer
Günter Nedden-Boeger