Entscheidungsdatum: 28.07.2015
Stirbt während eines Abstammungsverfahrens der als Vater geltende Mann, so sind seine Eltern nach seinem Tod jedenfalls so lange nicht am Verfahren zu beteiligen, wie nicht ein hierzu berechtigter übriger Beteiligter fristgerecht gemäß § 181 FamFG die Fortsetzung des Verfahrens verlangt hat.
Der weiteren Beteiligten zu 4 wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 14. November 2014 gewährt.
Die Rechtsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 4 zurückgewiesen.
Wert: 2.000 €
I.
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Mutter des die Vaterschaft anfechtenden Mannes nach dessen Tod an einem Abstammungsverfahren zu beteiligen ist, dessen Fortsetzung keiner der übrigen Beteiligten verlangt hat.
Der Antragsteller hatte am 9. Mai 2011 die Vaterschaft für das am 20. April 2011 geborene betroffene Kind anerkannt. Mit Schriftsatz vom 18. April 2013 hat er die Vaterschaft angefochten. Der Schriftsatz ist der Kindesmutter (Beteiligte zu 2) am 17. Mai 2013 zugestellt worden. Am 27. Mai 2013 ist der Antragsteller verstorben. Im Anhörungstermin vom 15. Juli 2013, zu dem seine Verfahrensbevollmächtigte, die Beteiligte zu 2 sowie ein Vertreter des Kreisjugendamts (Beteiligter zu 3) erschienen waren, hat das Amtsgericht die Unterbrechung des Verfahrens festgestellt. Weiter hat es darauf hingewiesen, dass das Verfahren nur fortgesetzt werde, wenn ein Beteiligter dies innerhalb einer Frist von einem Monat verlange. Nachdem binnen dieser Frist kein Fortsetzungsantrag eingegangen war, hat das Amtsgericht mit Verfügung vom 19. August 2013 die Erledigung des Verfahrens festgestellt.
Mit Schriftsatz vom 8. August 2014 hat die Mutter des Antragstellers (Beteiligte zu 4) beantragt, sie zum Verfahren hinzuzuziehen und dieses fortzusetzen. Das Amtsgericht hat die Anträge zurückgewiesen. Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Beschluss hat das Oberlandesgericht die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 4 gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Hinzuziehung als Beteiligte zurückgewiesen. Die Beteiligte zu 4 verfolgt mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde ihren Antrag auf Hinzuziehung weiter.
II.
Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht gemäß §§ 7 Abs. 5 Satz 1 FamFG, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte (vgl. Senatsbeschlüsse vom 15. Februar 2012 - XII ZB 133/11 - FamRZ 2012, 960 Rn. 4 und vom 5. Januar 2011 - XII ZB 152/10 - FamRZ 2011, 368 Rn. 2) und auch im Übrigen zulässige - insbesondere nach der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsbeschwerdebegründungsfrist fristgerecht begründete - Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat seine in FamRZ 2015, 687 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
Das Amtsgericht habe den Antrag auf Hinzuziehung zu Recht abgelehnt. Wer am Vaterschaftsanfechtungsverfahren zu beteiligen sei, werde durch § 172 FamFG geregelt, der die Eltern des verstorbenen Mannes nicht nenne. Die Aufzählung in der Vorschrift sei jedoch nicht abschließend. Vielmehr müssten nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG auch diejenigen zum Verfahren hinzugezogen werden, deren Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen werde. Das sei bei der Beteiligten zu 4 aber nicht der Fall.
Schon dem Wortlaut des § 181 FamFG könne entnommen werden, dass das Recht zur Stellung des Fortsetzungsantrags nur den übrigen, also den bereits bis zum Tod des Mannes am Verfahren Beteiligten zustehe. Bei dem Anfechtungsrecht und damit auch bei dem Recht, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen, handele es sich um höchstpersönliche Rechte. Ausschlaggebend sei jedoch, dass die Erben oder Angehörigen des verstorbenen Mannes durch die Entscheidung im Vaterschaftsanfechtungsverfahren nicht unmittelbar, sondern allenfalls reflexartig und damit mittelbar in ihren Rechten betroffen seien.
Das Vater-Kind-Verhältnis betreffe unmittelbar nur den Vater und das Kind selbst. Eine Rechtsbeeinträchtigung im erforderlichen Sinne leite sich zum einen nicht aus einer möglichen Erbenstellung ab, weil es vorliegend nicht um die Vaterschaftsfeststellung, sondern um die Anfechtung einer bestehenden Vaterschaft gehe. Zum anderen ergebe sie sich auch nicht aufgrund der aus dem Verwandtschaftsverhältnis abgeleiteten Rechte und Pflichten, etwa dem Umgangsrecht oder der Unterhaltspflicht. Schließlich folge sie nicht aus materiellem Recht, nachdem der Gesetzgeber die früher in bestimmten Fallgestaltungen bestehende Möglichkeit, dass Eltern die Vaterschaftsanerkennung ihres Sohnes nach dessen Tod anfechten konnten, ersatzlos gestrichen habe.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.
a) Die Beteiligung in Abstammungssachen regelt § 172 FamFG, wonach das Kind, die Mutter und der Vater sowie in bestimmten Fällen auch das Jugendamt (auf seinen Antrag) zu beteiligen sind. Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, ist diese Aufzählung jedoch nicht abschließend. Vielmehr sind auch weitere Personen als sog. Mussbeteiligte zum Verfahren hinzuzuziehen, sofern die Voraussetzungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG vorliegen, also ihr Recht durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird (vgl. BT-Drucks. 16/6308 S. 345; Keidel/Engelhardt FamFG 18. Aufl. § 172 Rn. 13).
Dass die Eltern des Kindesvaters - ebenso wie seine sonstigen nächsten Verwandten - zu dessen Lebzeiten zu diesen Mussbeteiligten gehören, wird zu Recht von niemandem vertreten. Denn sämtliche verwandtschaftlichen und rechtlichen Beziehungen zum Kind stellen sich für sie nur als Reflex ihres Verwandtschaftsverhältnisses zum Kindesvater, nicht aber als unmittelbares Recht dar (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 163, 37 = FamRZ 2005, 1067 f.).
b) Die Beteiligte zu 4 macht ohne Erfolg geltend, mit dem Tod ihres Sohnes sei sie durch das Abstammungsverfahren unmittelbar in ihren Rechten betroffen und daher nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 FamFG als Beteiligte zum Verfahren hinzuzuziehen.
aa) Stirbt in einer Abstammungssache im Sinne von § 169 FamFG ein Beteiligter vor Rechtskraft der Entscheidung, hat das Gericht gemäß § 181 Satz 1 FamFG die übrigen Beteiligten darauf hinzuweisen, dass das Verfahren nur fortgesetzt wird, wenn ein Beteiligter dies innerhalb einer Frist von einem Monat durch Erklärung gegenüber dem Gericht verlangt. Ohne ein solches Verlangen binnen der vom Gericht gesetzten Frist gilt das Verfahren gemäß § 181 Satz 2 FamFG als in der Hauptsache erledigt.
Während des Laufs der Frist nach § 181 FamFG befindet sich das Verfahren mithin in einem Schwebezustand, in dem allein zu klären ist, ob es aufgrund des Antrags eines hierzu Berechtigten fortgesetzt wird oder mit dem Tod des Beteiligten sein Ende gefunden hat. Die Hinzuziehung nächster Verwandter des verstorbenen Mannes im Stadium zwischen dessen Tod und dem Fortsetzungsverlangen eines der übrigen Beteiligten bzw. dem Fristablauf käme daher nur dann in Betracht, wenn den nächsten Verwandten selbst das Antragsrecht des § 181 Satz 1 FamFG zustünde und ihnen dadurch die Möglichkeit eröffnet wäre, den Schwebezustand durch ein eigenes Fortsetzungsverlangen zu beenden. Verneint man hingegen ihre Berechtigung im Sinne des § 181 FamFG, fehlt es dann, wenn wie hier keiner der übrigen Beteiligten ein Fortsetzungsverlangen innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist stellt, an einem (Hauptsache)Verfahren, an dem die nächsten Verwandten beteiligt werden könnten.
bb) Wie der Senat mit Beschluss vom heutigen Tage in dem Parallelverfahren XII ZB 671/14 entschieden hat, sind die Eltern des Kindesvaters nach dessen Tod nicht gemäß § 181 Satz 1 FamFG berechtigt, die Fortsetzung des Verfahrens zu verlangen. Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift nach Wortlaut, Gesetzgebungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie Systematik des Gesetzes.
Mangels eines Fortsetzungsverlangens durch einen der hierzu berechtigten übrigen Verfahrensbeteiligten gilt das Abstammungsverfahren daher als in der Hauptsache erledigt. Für die von der Mutter des Verstorbenen begehrte Hinzuziehung ist mangels anhängigen Verfahrens demnach kein Raum.
cc) Um eine Beteiligung im Rahmen der nach Erledigung der Hauptsache gemäß §§ 83 Abs. 2, 81 FamFG zu treffenden Kostenentscheidung geht es vorliegend nicht. Die Beteiligte zu 4, die im Übrigen auch nicht Erbin ihres verstorbenen Sohnes geworden ist, macht dies auch nicht geltend.
Die Frage, ob die nächsten Verwandten des Verstorbenen - und damit gegebenenfalls auch die Beteiligte zu 4 - im Falle eines wirksamen Fortsetzungsverlangens zu dem dann fortzuführenden Verfahren hinzuzuziehen wären, bedarf vorliegend keiner Entscheidung.
Dose Schilling Günter
Nedden-Boeger Guhling