Entscheidungsdatum: 21.11.2013
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 15. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 21. September 2012 aufgehoben.
Das Verfahren wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 1.000 €
I.
Die Beteiligten streiten über den Ausgleich eines als Sicherheit abgetretenen Anrechts im Versorgungsausgleich.
Auf den am 5. Juli 2011 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 5. Juni 1992 geschlossene Ehe der Antragstellerin (im Folgenden: Ehefrau) und des Antragsgegners (im Folgenden: Ehemann) durch Verbundbeschluss geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Während der Ehezeit (1. Juni 1992 bis 30. Juni 2011; § 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarben beide Ehegatten Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung, der Ehemann darüber hinaus ein geringfügiges privates Versorgungsanrecht sowie ein weiteres Anrecht aus einer Lebensversicherung bei der Beteiligten mit einem ehezeitlichen Kapitalwert von 146.613,15 €, die zwecks Rückbesicherung einer Höchstbetragsbürgschaft über 50.000 €, welche der Ehemann zur Besicherung eines bis zum 30. Juni 2013 endfälligen Darlehensrückzahlungsanspruchs der Sparkasse S gegen die Ehefrau begeben hatte, an die Sparkasse abgetreten ist. Das Familiengericht hat sämtliche Anrechte mit Ausnahme des geringfügigen Anrechts intern geteilt. Auf die Beschwerde des Ehemanns und der Beteiligten hat das Oberlandesgericht angeordnet, dass ein Wertausgleich bei der Scheidung hinsichtlich des bei der Beteiligten erworbenen Anrechts nicht stattfinde. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau. Während des laufenden Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Ehemann für dieses Anrecht das Kapitalwahlrecht ausgeübt.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Zwar sei das Anrecht aus dem Vermögen des Ehemanns geschaffen worden und daher nach § 2 Abs. 1 VersAusglG ein grundsätzlich auszugleichendes Anrecht. Es lägen auch keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, den Versorgungsausgleich hinsichtlich dieses Anrechts wegen grober Unbilligkeit nach § 27 VersAusglG auszuschließen.
Das Anrecht unterfalle jedoch in entsprechender Anwendung des § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG nicht dem Ausgleich bei der Scheidung, weil noch nicht mit Sicherheit vorhersehbar sei, ob und in welchem Umfang die Sicherheit realisiert werde und sich deshalb auch nicht feststellen lasse, ob das Versorgungsanrecht endgültig und gegebenenfalls in welcher Höhe beim ausgleichspflichtigen Ehegatten verbleibe. Zwar habe sich durch die am 1. September 2009 eingetretene Änderung des Versorgungsausgleichsrechts nichts an der Beurteilung geändert, dass ein zur Sicherheit abgetretenes Anrecht der privaten Altersvorsorge grundsätzlich dem Versorgungsausgleich unterliege. Hierfür sei allein entscheidend, dass es weiterhin wirtschaftlich dem ausgleichsverpflichteten Ehegatten als Sicherungsgeber zuzuordnen sei. Im Unterschied zum früheren Versorgungsausgleichsrecht seien jedoch die einzelnen Versorgungsanwartschaften nicht mehr nur Rechnungsposten im Rahmen einer Gesamtsaldierung, sondern jedes Anrecht werde separat geteilt. Die interne Teilung würde dazu führen, dass in ein Anrecht eingegriffen würde, dessen Inhaber derzeit nicht der Ehemann, sondern das Kreditinstitut sei. Auch stünde die interne Teilung nicht wie ein in den Regelsicherungssystemen vorgenommener Versorgungsausgleich einer späteren Abänderung offen, wenn das zur Sicherheit abgetretene Anrecht später vom Sicherungsnehmer in Anspruch genommen werde und das Anrecht des Ausgleichspflichtigen somit entfiele. Die Unsicherheit darüber, ob die Versorgungsanwartschaft vom Ausgleichspflichtigen jemals in Anspruch genommen werden könne oder vom Sicherungsnehmer verwertet werde, rechtfertige es, das Anrecht als nicht ausgleichsreif zu behandeln. Hinzu komme, dass der Zugriff für den Sicherungsnehmer durch die Aufspaltung in zwei selbstständige Rechte erschwert werde, zumal sich auch das Risiko der Inanspruchnahme der Altersvorsorge nach der Aufteilung wesentlich ändern könne.
Die Ehefrau sei durch den schuldrechtlichen Ausgleich auch nicht rechtlos gestellt. Sollte der Ausgleichspflichtige durch sein Tilgungsverhalten die Inanspruchnahme der Sicherheit provozieren, stünde der Ausgleichsberechtigten ein Anspruch aus Eingriffskondiktion gegen den Ausgleichspflichtigen zu. Auch könne die Leistung des Versorgungsträgers an den Sicherungsnehmer als Kapitalleistung an den Pflichtigen gewertet werden und Ansprüche nach § 22 VersAusglG begründen. Ob bei der Bewertung des Anrechts ein Abschlag wegen der erfolgten Abtretung zu erfolgen habe, müsse im vorliegenden Verfahren nicht entschieden werden.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Wie der Senat nach dem Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, kann ein sicherungshalber abgetretenes Anrecht aus einer privaten Lebensversicherung bereits bei der Scheidung intern ausgeglichen werden (Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 673/12 - FamRZ 2013, 1715 Rn. 8 ff.). Die angefochtene Entscheidung kann bereits deshalb keinen Bestand haben.
3. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Entscheidung reif ist.
In einer Versorgungsausgleichssache können im Verfahren der Rechtsbeschwerde Umstände, die erst nach Erlass der angefochtenen Entscheidung eingetreten sind und deshalb vom Tatrichter nicht festgestellt werden konnten, bei der Entscheidung berücksichtigt werden, wenn die zugrundeliegenden Tatsachen ohne weitere tatrichterliche Beurteilung als feststehend angesehen werden können und wenn schützenswerte Belange eines Beteiligten nicht entgegenstehen (Senatsbeschluss vom 19. Juni 2013 - XII ZB 633/11 - FamRZ 2013, 1362 Rn. 12 mwN).
Im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Ehemann gegenüber dem Versorgungsträger der Lebensversicherung erklärt, dass er das Kapitalwahlrecht ausübe. Da diese Tatsache unstreitig ist, kann sie als feststehend angesehen werden und ist bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Schützenswerte Belange eines Beteiligten stehen dem nicht entgegen.
Wäre die Ausübung des Kapitalwahlrechts als rechtswirksam anzusehen, unterfiele die private Rentenversicherung nach der Rechtsprechung des Senats (Beschluss vom 18. April 2012 - XII ZB 325/11 - FamRZ 2012, 1039 mwN) nicht mehr dem Versorgungsausgleich, sondern dem güterrechtlichen Ausgleich.
Ob die vom Ehemann erklärte Ausübung des Kapitalwahlrechts Wirksamkeit erlangt hat, hängt davon ab, ob der Ehemann zur Abgabe der Erklärung befugt war. Das kann zweifelhaft sein, wenn der Ehemann die Ausübung des Kapitalwahlrechts an einen Dritten abgetreten hatte, insbesondere an das sicherungsnehmende Kreditinstitut. Hierzu bedarf es weiterer tatrichterlicher Aufklärung, da die Ehefrau die Befugnis des Ehemanns zur Ausübung des Kapitalwahlrechts in der Rechtsbeschwerdeinstanz angezweifelt hat.
Dose Weber-Monecke Schilling
Nedden-Boeger Guhling