Entscheidungsdatum: 08.07.2015
Zur Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gegen eine in der zugestellten Ausfertigung fälschlicherweise nicht als solche bezeichnete einstweilige Anordnung.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Saarbrücken vom 13. Oktober 2014 wird verworfen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtsgebührenfrei.
I.
Die Betroffene wendet sich gegen die durch Zeitablauf erledigte Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung.
Für die Betroffene wurde am 5. September 2014 eine rechtliche Betreuung eingerichtet. Auf Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht mit einstweiliger Anordnung vom 11. September 2014 die Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 22. Oktober 2014 genehmigt. Die der Betroffenen zugestellte Ausfertigung der Entscheidung lässt den Charakter einer vorläufigen Anordnung nicht erkennen. Ihre hiergegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt die Betroffene die Feststellung, dass die Beschlüsse von Amts- und Landgericht sie in ihren Rechten verletzt haben.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 4 FamFG nicht statthaft, da der angefochtene Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung ergangen ist. Denn das Amtsgericht hat in dem dem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Beschluss im Wege der einstweiligen Anordnung nur über die vorläufige Unterbringung der Betroffenen gemäß § 331 FamFG entschieden.
1. Allerdings weist die Rechtsbeschwerde zu Recht darauf hin, dass der der Betroffenen zugestellten Ausfertigung des amtsgerichtlichen Beschlusses nicht zweifelsfrei entnommen werden kann, dass das Amtsgericht nur eine vorläufige Unterbringung der Betroffenen im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 331 FamFG genehmigen wollte.
a) Die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels richtet sich jedoch allein nach der Rechtsnatur der vom Gericht erlassenen Entscheidung. Nach § 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG wird in Verfahren nach dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ein Beschluss durch die Übergabe an die Geschäftsstelle oder durch Verlesen der Beschlussformel erlassen. Mit ihrem Erlass wird eine Entscheidung existent (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 38 Rn. 88; MünchKommFamFG/Ulrici 2. Aufl. § 38 Rn. 31). Das Gericht ist ab diesem Zeitpunkt an seine Entscheidung gebunden und kann diese nicht mehr außerhalb eines gesetzlich dafür vorgesehenen Verfahrens abändern (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 38 Rn. 88). Zudem kann eine Entscheidung ab dem Zeitpunkt ihres Erlasses auch Gegenstand eines Rechtsmittels sein (vgl. § 63 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Wegen dieser Wirkungen können Fehler bei der anschließenden Erstellung der zur Bekanntgabe an die Verfahrensbeteiligten dienenden Ausfertigung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle die Rechtsnatur der gerichtlichen Entscheidung nicht verändern. Nur für die Frage der Zustellung als Voraussetzung für den Beginn der Rechtsmittelfristen kommt es entscheidend auf die äußere Form und den Inhalt der zur Zustellung verwendeten Ausfertigung an (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Januar 2001 - XII ZB 75/00 - NJW 2001, 1653, 1654 mwN zu § 317 ZPO).
b) Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der in der Akte befindlichen Urschrift des angefochtenen Beschlusses zweifelsfrei, dass das Amtsgericht nur im Wege einer einstweiligen Anordnung über die vorläufige Unterbringung der Betroffenen entschieden hat. Der vom Richter unterzeichnete und an die Geschäftsstelle übergebene Formularbeschluss ist als "Vorl. Unterbringung d. einstw. Anordnung incl. Beschlussfassung nach § 1846 BGB" überschrieben. Im Beschlusstext ist ausgeführt, dass "die vorläufige Unterbringung d. Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung" genehmigt werde. Zusätzlich ist auf dem vorgedruckten Formblatt der Textbaustein markiert, wonach "die Notwendigkeit der vorläufigen Unterbringung durch die Anhörung d. Betroffenen und den unmittelbaren Eindruck des Gerichts ... bestätigt" werde. Schließlich wird in der Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses auf die für die Anfechtung einer Entscheidung im Verfahren der einstweiligen Anordnung maßgebliche Beschwerdefrist von zwei Wochen (§ 63 Abs. 2 Nr. 1 FamFG) hingewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch nicht unter Beachtung des sogenannten Meistbegünstigungsgrundsatzes statthaft.
Danach dürfen die Verfahrensbeteiligten dadurch, dass das Gericht seine Entscheidung in einer falschen Form erlassen hat, keinen Rechtsnachteil erleiden. Ihnen steht deshalb grundsätzlich sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel, das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig wäre. Der Grundsatz der Meistbegünstigung soll die beschwerte Partei vor Nachteilen schützen, die auf der unrichtigen Entscheidungsform beruhen (Senatsbeschluss vom 29. Februar 2012 - XII ZB 198/11 - FamRZ 2012, 783 Rn. 12 mwN). Er kann daher auch herangezogen werden, wenn der Inhalt einer Entscheidung im Hinblick auf ihre Anfechtbarkeit falsch oder unklar ist (Keidel/Meyer-Holz FamFG 18. Aufl. § 58 Rn. 109).
Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt aber nicht dazu, dass gegen eine inkorrekte Entscheidung auch dann ein ihrer äußeren Form entsprechendes Rechtsmittel zum Bundesgerichtshof zulässig ist, wenn gegen die korrekte Entscheidung eine Anrufung des Bundesgerichtshofs aus besonderen Gründen des jeweiligen Verfahrens nicht statthaft wäre. Die Meistbegünstigung führt nämlich nicht zu einer dem korrekten Verfahren widersprechenden Erweiterung des Instanzenzugs (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZR 77/10 - FamRZ 2012, 1293 Rn. 18 mwN). Daher kann die Betroffene im Hinblick auf den Ausschluss der Rechtsbeschwerde gegen die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 70 Abs. 4 FamFG die Statthaftigkeit ihrer Rechtsbeschwerde auch nicht aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung herleiten.
3. Schließlich rechtfertigt die Erledigung der Unterbringung keine andere Beurteilung. Die Möglichkeit, das Verfahren mit einem geänderten Antrag fortzusetzen, eröffnet nicht ein gesetzlich nicht vorgesehenes Rechtsmittel, sondern besteht nur innerhalb des für die jeweilige Verfahrensart vorgesehenen Instanzenzuges. Dieser ist vorliegend mit der Beschwerdeentscheidung erschöpft (vgl. BGH Beschluss vom 12. Mai 2011 - V ZB 135/10 - FGPrax 2011, 253 Rn. 6).
Dose Weber-Monecke Schilling
Günter Botur