Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.11.2017


BGH 22.11.2017 - XII ZB 578/16

Eheschließung gleichgeschlechtlicher Partner: Hauptsacheerledigung des Anweisungsverfahrens in der Rechtsbeschwerdeinstanz wegen Vollziehung der begehrten Amtshandlung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
22.11.2017
Aktenzeichen:
XII ZB 578/16
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2017:221117BXIIZB578.16.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Zweibrücken, 28. November 2016, Az: 3 W 115/16vorgehend AG Koblenz, 28. September 2016, Az: 283 UR III 17/16
Zitierte Gesetze
GleichGeschlEheEG

Leitsätze

Wird die von einem Beteiligten begehrte Amtshandlung des Standesamts im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nach § 49 Abs. 1 PStG vollzogen, ist das Anweisungsverfahren dadurch in der Hauptsache erledigt.

Tenor

Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Wert: 5.000 €

Gründe

I.

1

Die dem männlichen Geschlecht angehörenden Antragsteller erklärten mit Schreiben vom 15. Februar 2016 gegenüber dem Standesamt (Beteiligte zu 2) ihre Anmeldung zur Eheschließung, wobei sie ausdrücklich die Eingehung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz ablehnten. Das Standesamt verweigerte durch Schreiben vom 25. Februar 2016 seine „Mitwirkung bei der Anmeldung der Eheschließung“.

2

Den Antrag der Antragsteller, das Standesamt dazu anzuweisen, ihrer Anmeldung zur Eheschließung zu entsprechen und die Eheschließung vorzunehmen, hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Das Oberlandesgericht, dessen Entscheidung in FamRZ 2017, 601 veröffentlicht ist, hat die dagegen gerichtete Beschwerde der Antragsteller zurückgewiesen und die Rechtsbeschwerde gegen seinen Beschluss zugelassen.

3

Hiergegen richtet sich die am 15. Dezember 2016 eingelegte Rechtsbeschwerde der Antragsteller. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 20. Juli 2017 (BGBl. I S. 2787) haben die Antragsteller am 5. Oktober 2017 vor dem Standesamt die Ehe miteinander geschlossen. Sie haben die Hauptsache für erledigt erklärt.

II.

4

Das Verfahren ist in der Hauptsache erledigt.

5

1. Ein Antragsverfahren nach den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit endet grundsätzlich dann, wenn der Antragsteller die Erledigung erklärt. Stimmen alle Beteiligten der Erledigung zu, liegt eine einvernehmliche Verfahrensbeendigung im Sinne von § 22 Abs. 3 FamFG vor, die für das Gericht bindend ist, so dass es insbesondere nicht mehr nachprüfen darf, ob und wann tatsächlich eine Erledigung eingetreten ist. So liegt der Fall unter den hier obwaltenden Umständen jedoch nicht, weil sich jedenfalls die am Verfahren beteiligte Standesamtsaufsicht der Erledigungserklärung nicht angeschlossen hat. Eine einseitige Erledigungserklärung verpflichtet das Gericht demgegenüber zu der Prüfung, ob die Erledigung der Hauptsache eingetreten ist (vgl. Keidel/Sternal FamFG 19. Aufl. § 22 Rn. 29 f.; Borth/Grandel in Musielak/Borth FamFG 5. Aufl. § 22 Rn. 8).

6

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Hauptsache in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erledigt, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte, weil eine Sachentscheidung nicht mehr ergehen kann (vgl. Senatsbeschluss vom 25. November 1981 - IVb ZB 756/81 - FamRZ 1982, 156, 157; BGH Beschlüsse vom 27. Januar 2015 - II ZB 7/14 - NJW 2015, 1449 Rn. 7 mwN und vom 14. Oktober 2010 - V ZB 78/10 - FGPrax 2011, 39 Rn. 11 mwN). Für gerichtliche Verfahren nach dem Personenstandsgesetz, auf die gemäß § 51 Abs. 1 PStG die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuwenden sind, gelten insoweit keine Besonderheiten (vgl. BayObLG FamRZ 1982, 601, 602).

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3. Gemessen daran ist die Hauptsache im vorliegenden Fall erledigt.

8

a) Verfahrensgegenstand ist die von den Antragstellern nach § 49 Abs. 1 PStG erstrebte gerichtliche Anweisung an das Standesamt, die Vornahme einer bestimmten Amtshandlung, nämlich die Mitwirkung an der von den Antragstellern begehrten Eheschließung durch Entgegennahme der Anmeldung, Prüfung der Ehevoraussetzungen und Vornahme der Eheschließung, nicht deshalb zu verweigern, weil die Antragsteller dem gleichen Geschlecht angehören. Das Standesamt hat im Laufe des Rechtsbeschwerdeverfahrens in der gewünschten Weise an der Eheschließung der Antragsteller mitgewirkt. Wird die von einem Beteiligten begehrte Amtshandlung des Standesamts im Laufe des gerichtlichen Verfahrens nach § 49 Abs. 1 PStG vollzogen, ist das Anweisungsverfahren dadurch in der Hauptsache erledigt (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 893, 894).

9

b) Zwar hat das Standesamt die begehrten Amtshandlungen erst nach der Änderung der Rechtslage durch das am 1. Oktober 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vorgenommen. Darauf und auf die mit Blick auf die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG FamRZ 2015, 118 Rn. 178 mwN und FamRZ 2008, 1593 Rn. 45 mwN) sehr umstrittene Frage, ob der Gesetzgeber zur einfachgesetzlichen Öffnung des Instituts der Ehe für gleichgeschlechtliche Verbindungen befugt war (so etwa Blome NVwZ 2017, 1658, 1660 ff.; Meyer FamRZ 2017, 1281 ff.; Dethloff FamRZ 2016, 351 ff.; Beck/Tometten DÖV 2016, 581, 586 f.; Brosius-Gersdorf NJW 2015, 3557, 3559 f.) oder ob die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten zu den nach Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Strukturprinzipien der Ehe gehöre, die einer Änderung durch einfaches Gesetz nicht zugänglich sind (so etwa Badura in Maunz/Dürig GG [Stand: April 2012] Art. 6 Rn. 58; BeckOK GG/Uhle [Stand: August 2017] Art. 6 Rn. 4.1 ff.; Ipsen NVwZ 2017, 1096 ff.; Schmidt NJW 2017, 2225 ff.; Erbarth NZFam 2016, 536, 537 f.) kommt es im vorliegenden Fall nicht (mehr) an. Maßgeblich ist allein, dass mit der Vornahme der begehrten Amtshandlung die Grundlage für eine Sachentscheidung über den Verfahrensgegenstand im gerichtlichen Anweisungsverfahren nach § 49 Abs. 1 PStG entfallen ist. Die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der durch das Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts geschaffenen Rechtslage ist nicht entscheidungserheblich, so dass insbesondere eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht kommt.

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