Entscheidungsdatum: 31.05.2017
1. Der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG schließt familiäre Bindungen zwischen nahen Verwandten ein und umfasst das Recht naher Verwandter, bei der Entscheidung über die Auswahl eines Betreuers nach § 1897 Abs. 5 BGB berücksichtigt zu werden (im Anschluss an BVerfG 24. Juni 2014, 1 BvR 2926/13, FamRZ 2014, 1435 und 27. August 2014, 1 BvR 1467/14, FamRZ 2014, 1841).
2. Das fremdnützig ausgestaltete Betreuungsverfahren kennt kein subjektives Recht auf eine Bestellung als Betreuer. Die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für eine Beteiligung am Betreuungsverfahren nach §§ 1897 Abs. 5 BGB, 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG ist daher ausgeschlossen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014, XII ZB 125/14, FamRZ 2015, 133).
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Gießen vom 22. November 2016 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.
Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei (§ 25 Abs. 2 GNotKG).
Beschwerdewert: 5.000 €
I.
Die Betroffene leidet an einer chronischen, residualen, paranoiden Schizophrenie mit akustischen und optischen Halluzinationen und ausgeprägtem Hospitalismus. Für sie ist seit Jahren eine Betreuung eingerichtet, die zuletzt mit Überprüfungsfrist bis zum 13. März 2020 verlängert wurde. Die Beschwerdeführerin (Beteiligte zu 1), die Schwester der Betroffenen, war zunächst als Betreuerin bestellt worden, wurde aber Ende 2004 entlassen, weil sie "ohne jeden konstruktiven Vorschlag zur sonstigen Gestaltung des Aufenthalts der Betroffenen deren weitere Unterbringung in einer beschützenden Einrichtung abgelehnt" habe. Ihre dagegen gerichtete Beschwerde blieb ohne Erfolg. Zuletzt wurden die Tochter der Beteiligten zu 1, die Beteiligte zu 3, und die Beteiligte zu 2 als Mitbetreuerinnen bestellt. Der Aufgabenkreis der Beteiligten zu 3 umfasst derzeit die Sorge für die Gesundheit, die Aufenthaltsbestimmung, die Vermögenssorge, die Entgegennahme und das Öffnen der Post sowie die Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten. Hinsichtlich der Gesundheitssorge und der Aufenthaltsbestimmung ist die Beteiligte zu 3 nur gemeinsam vertretungsberechtigt mit der Beteiligten zu 2, deren Aufgabenkreis als Mitbetreuerin sich auf diese Bereiche beschränkt, die insoweit aber allein vertretungsberechtigt ist. Die weitere Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung wurde auf Antrag der Beteiligten zu 2 zuletzt bis 10. März 2017 genehmigt.
Im April 2016 beantragte die Beteiligte zu 2 beim Amtsgericht altersbedingt ihre Entlassung als Betreuerin und schlug zugleich eine andere Berufsbetreuerin, die sich zur Übernahme der Betreuung bereit erklärt habe, als Nachfolgerin vor. Die Beteiligte zu 3 beantragte ihrerseits, die Betreuung nunmehr allein zu übernehmen. Diesem Ansinnen trat die Beteiligte zu 2 unter Hinweis darauf entgegen, dass die Beteiligte zu 3 nicht in der Lage sei, dem Verhalten ihrer Mutter (der Beteiligten zu 1) entgegenzutreten, das der Betroffenen mehr schade als nutze.
Die Beteiligte zu 1 hat daraufhin beantragt, sie selbst als Beteiligte zum Verfahren hinzuzuziehen, ihr Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen und sie als Betreuerin für die Betroffene zu bestellen. Das Amtsgericht hat ihr Verfahrenskostenhilfe versagt. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit ihrer zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 ihren Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe in vollem Umfang weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, vgl. BGHZ 184, 323, 326 f. und Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 125/14 - FamRZ 2015, 133 Rn. 4 mwN) und es um Fragen des Verfahrens der Verfahrenskostenhilfe geht (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 125/14 - FamRZ 2015, 133 Rn. 4 mwN); sie ist auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie dagegen keinen Erfolg.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs könne Verfahrenskostenhilfe nur derjenige erhalten, der sowohl bedürftig als auch in eigenen Rechten betroffen sei. Daraus, dass in Betreuungsverfahren nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG auch nahe Angehörige und Vertrauenspersonen des Betroffenen in dessen Interesse beteiligt werden könnten, folge nichts anderes. Dass ein nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG Beteiligter (auch) eigene Interessen verfolge, indem er etwa verlange, aufgrund durch familiäre Verbundenheit geprägter besonders enger Bindungen zum Betroffenen bei der Betreuerauswahl bevorzugt berücksichtigt zu werden, habe der Bundesgerichtshof nur im Verhältnis zwischen Eltern und Kindern in Betracht gezogen. Jedenfalls existiere außerhalb des Eltern-Kind-Verhältnisses kein subjektives Recht auf Bestellung zum Betreuer, so dass ein Betroffensein in eigenen Rechten bei Geschwistern stets ausscheide. Alle Erwägungen im Betreuungsverfahren hätten sich nämlich allein am Wohl des Betroffenen zu orientieren und nicht an den Wünschen und Bedürfnissen des Betreuers.
2. Diese Erwägungen halten rechtlicher Überprüfung im Ergebnis stand.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend ist die Auffassung des Landgerichts, dass Verfahrenskostenhilfe nach §§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ff. ZPO nur der bedürftige Beteiligte erhalten kann, der eigene Rechte geltend zu machen beabsichtigt, während für eine rein fremdnützige Verfahrensbeteiligung eine Gewährung von Verfahrenskostenhilfe nicht möglich ist (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 125/14 - FamRZ 2015, 133 Rn. 8 ff. mwN). Daraus, dass die Beteiligte zu 1 hier nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG als Schwester und Vertrauensperson der Betroffenen in deren Interesse am Verfahren beteiligt werden kann, folgt nichts anderes (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 125/14 - FamRZ 2015, 133 Rn. 12 ff. mwN).
b) Indessen geht das Landgericht zu Unrecht davon aus, nach der Rechtsprechung des Senats komme ein subjektives Recht auf Bestellung zum Betreuer zwar im Eltern-Kind-Verhältnis in Betracht, nicht aber bei erwachsenen Geschwistern, da deren Beziehung untereinander nicht denselben verfassungsrechtlichen Rang genieße. Der Senat hat es bislang ausdrücklich offen gelassen, ob ein Verwandter Verfahrenskostenhilfe erhalten kann, wenn er verlangt, an der Betreuerauswahl beteiligt und wegen enger familiärer Bindungen bevorzugt berücksichtigt zu werden (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 125/14 - FamRZ 2015, 133 Rn. 19).
Allerdings erweist sich die angefochtene Entscheidung im Ergebnis aus anderen Gründen als zutreffend.
c) Soweit das Bundesverfassungsgericht in Sorgerechtsverfahren bereits wiederholt entschieden hat, dass der Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG die familiären Bindungen zwischen nahen Verwandten einschließt und insbesondere das Recht umfasst, bei der Entscheidung über die Auswahl eines Vormunds oder Ergänzungspflegers in Betracht gezogen zu werden (BVerfG FamRZ 2014, 1435, Rn. 24, 30 und FamRZ 2014, 1841 Rn. 16 ff.), kann dies ein Beschwerderecht in Betreuungssachen nicht begründen. Denn die Auswahl eines Betreuers als solche greift nicht in die eigene Rechtssphäre des Betreuers ein, da die Betreuung nicht in seinem Interesse, sondern ausschließlich im Interesse des Betroffenen angeordnet wird (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 333/13 - FamRZ 2014, 470 Rn. 5 f. mwN). Entsprechend steht einem Betreuer gegen die Aufhebung einer Betreuung keine Beschwerdebefugnis aus eigenem Recht zu (vgl. Senatsbeschluss vom 4. Dezember 2013 - XII ZB 333/13 - FamRZ 2014, 470 Rn. 5 f. mwN und BVerfG FamRZ 2014, 1435 Rn. 31 ff. mwN).
d) Dem Schutz der Familie nach Art. 6 Abs. 1 GG wird im Betreuungsverfahren durch die Regelung in § 1897 Abs. 5 BGB hinreichend Rechnung getragen. Schlägt ein Volljähriger niemanden vor, der zum Betreuer bestellt werden kann, so ist danach bei der Auswahl des Betreuers auf die verwandtschaftlichen und sonstigen persönlichen Bindungen des Betroffenen, insbesondere auf die Bindungen zu Eltern, zu Kindern, zum Ehegatten und zum Lebenspartner, sowie auf die Gefahr von Interessenkonflikten Rücksicht zu nehmen. Entsprechend können Ehepartner, Verwandte und Vertrauenspersonen nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG am Verfahren zur Bestellung eines Betreuers beteiligt werden (Senatsbeschluss vom 30. September 2015 - XII ZB 53/15 - FamRZ 2015, 2165 Rn. 23 ff.).
Diese Beteiligung erfolgt indessen nach § 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG (ausschließlich) im Interesse des Betroffenen. Damit ist die Verfahrensbeteiligung rein fremdnützig ausgestaltet. Eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe ist daher ausgeschlossen, ohne dass es darauf ankommt, wie die familiären oder verwandtschaftlichen Beziehungen im Einzelfall ausgestaltet sind.
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