Entscheidungsdatum: 04.12.2013
Dem Betreuer steht gegen die Aufhebung der Betreuung keine Beschwerdebefugnis aus eigenem Recht zu.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird verworfen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 5. Juni 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 3.000 €
I.
Der im Jahr 1966 geborene Betroffene erlitt im Jahr 1994 als Opfer eines Gewaltdelikts eine schwere Hirnschädigung. Am 1. Dezember 2005 erteilte er der Beteiligten zu 1 (im Folgenden: Bevollmächtigte) eine Vorsorgevollmacht.
Mit Schreiben an das Amtsgericht vom 22. Januar 2013 regte der Beteiligte zu 3 an, den Beteiligten zu 2 als Berufsbetreuer für den Betroffenen, seinen Neffen, zu bestellen. Dabei berief er sich auf eine ihm von dem Betroffenen erteilte Vollmacht vom 31. Dezember 2012. Die Betreuung sei erforderlich, nachdem der Vater des Betroffenen, der sich bislang um dessen Belange gekümmert habe, am 5. Dezember 2012 verstorben sei.
Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 2 zum Kontrollbetreuer mit dem Aufgabenkreis "Wahrnehmung der Rechte des Betroffenen gegenüber der Bevollmächtigten" bestellt. Auf die Beschwerde der Bevollmächtigten und des Betroffenen hat das Landgericht diese Betreuung aufgehoben. Hiergegen wenden sich die Beteiligten zu 2 und zu 3 mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 ist mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.
Dem (Kontroll-)Betreuer steht gegen die - hier durch das Beschwerdegericht erfolgte - Aufhebung der Betreuung keine Beschwerdebefugnis aus eigenem Recht zu. Die Aufhebung der Betreuung als solche greift nicht in die eigene Rechtssphäre des Betreuers ein, weil die Betreuung nicht in seinem Interesse, sondern ausschließlich im Interesse der Betroffenen angeordnet wird (BayObLG Beschluss vom 8. März 2004 - 3Z BR 242/03 - juris Rn. 4 ff.; OLG Düsseldorf FamRZ 1998, 1244, 1245; Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 59 Rn. 76 mwN und Keidel/Budde aaO § 303 Rn. 6; BeckOK FamFG/Günter [Stand: 1. Juli 2013] § 303 Rn. 16; Bumiller/Harders FamFG 10. Aufl. § 59 Rn. 17; Haußleiter FamFG § 303 Rn. 4; Prütting/Fröschle FamFG 3. Aufl. § 303 Rn. 38).
Der Beteiligte zu 2 beruft sich ohne Erfolg auf § 303 Abs. 2 Nr. 2 FamFG, wonach das Recht zur Beschwerde im Interesse des Betroffenen einer Person seines Vertrauens zusteht, wenn sie in der Vorinstanz beteiligt worden ist. Der Betreuer ist gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 2 FamFG Verfahrensbeteiligter, soweit sein Aufgabenkreis betroffen ist, und kann nach § 303 Abs. 4 Satz 1 FamFG gegen seinen Aufgabenkreis betreffende Entscheidungen im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen. Eine zusätzliche Verfahrensbeteiligung als Vertrauensperson ist durch die Vorinstanzen nicht erfolgt.
III.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 3 hat demgegenüber Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist der Beteiligte zu 3, der von Amts- und Landgericht ersichtlich als Vertrauensperson des Betroffenen (§ 274 Abs. 4 Nr. 1 FamFG) formell am Verfahren beteiligt worden ist, gemäß § 303 Abs. 2 Nr. 2 FamFG beschwerdebefugt.
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.
a) Das Landgericht hat ausgeführt, dass zwar die medizinischen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung vorlägen. Die Betreuung sei jedoch nicht erforderlich. Denn die Einrichtung einer Kontrollbetreuung sei nicht schon dann gerechtfertigt, wenn der Betroffene geschäftsunfähig und deshalb zu einer eigenständigen Kontrolle des Bevollmächtigten nicht mehr in der Lage sei. Vielmehr müsse aufgrund von Einzelfallumständen ein Bedürfnis für die Überwachung des Bevollmächtigten bestehen. Notwendig sei der konkrete, durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass dem Betreuungsbedarf mit der Vollmacht nicht Genüge getan sei. Daran fehle es hier. Im Übrigen bestehe für die Bestellung eines Kontrollbetreuers kein Anlass, weil der Betroffene in einem Heim lebe. Dadurch seien sowohl Pflege und Versorgung als auch die Kontrolle gewährleistet, ob die Bevollmächtigte diese Dinge zufriedenstellend organisiere und die finanziellen Angelegenheiten des Betroffenen erledige.
b) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Mit der im angefochtenen Beschluss gegebenen Begründung lässt sich die Erforderlichkeit einer Betreuung nach § 1896 BGB nicht verneinen.
Nach dem vom Landgericht zitierten Sachverständigengutachten leidet der Betroffene an einem schweren hirnorganischen Psychosyndrom. Aufgrund der psychischen Erkrankung fehle es ihm an der Kritikfähigkeit, so dass er nicht in der Lage sei, seinen Willen frei und unbeeinflusst zu äußern. Der Sachverständige hat deshalb eine Betreuung für alle Bereiche aus medizinisch-psychiatrischer Sicht für dringend indiziert gehalten. Das Landgericht ist daher zu dem Ergebnis gelangt, dass der Betroffene nicht mehr in der Lage sei, seine Angelegenheiten allein wahrzunehmen, und auch die Ausübung der der Bevollmächtigten erteilten Vollmacht nicht zu kontrollieren vermöge.
In Anbetracht dieser Feststellungen ist die Annahme des Landgerichts nicht tragfähig, einer Betreuung bedürfe es wegen der an die Bevollmächtigte erteilten Vorsorgevollmacht nicht. Das schwere hirnorganische Psychosyndrom des Betroffenen geht auf den körperlichen Übergriff im Jahre 1994 zurück, während die Vorsorgevollmacht erst Ende 2005 erteilt wurde. Das Landgericht hat entgegen § 26 FamFG keinerlei Feststellungen dazu getroffen, ob der Betroffene zum Zeitpunkt der Vollmachterteilung noch geschäftsfähig war. Hieran bestehen mit Blick auf den gutachterlich beurteilten Gesundheitszustand des Betroffenen und den Umstand, dass Anhaltspunkte für eine Verschlechterung desselben seit dem Jahre 1994 nicht ersichtlich sind, jedoch erhebliche Zweifel, denen das Landgericht von Amts wegen hätte nachgehen müssen.
c) Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig dar (§ 74 Abs. 2 FamFG). Insbesondere erlauben die landgerichtlichen Feststellungen nicht den Schluss, dass es einer Betreuung unabhängig von der - in ihrer rechtlichen Wirksamkeit derzeit zweifelhaften - Vorsorgevollmacht, auf die das Landgericht seine Entscheidung gestützt hat, nicht bedarf.
Die Erforderlichkeit der Betreuung im Sinn des § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB kann sich nicht allein aus der subjektiven Unfähigkeit des Betroffenen ergeben, seine Angelegenheiten rechtlich selbst regeln zu können. Hinzutreten muss vielmehr ein konkreter Bedarf für die Bestellung eines Betreuers. Ob und für welche Aufgabenbereiche ein solcher besteht, ist aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen (Senatsbeschluss vom 6. Juli 2011 - XII ZB 80/11 - FamRZ 2011, 1391 Rn. 9).
Dass der Betroffene derzeit in einer Einrichtung wohnt, steht für sich genommen einem Betreuungsbedarf jedenfalls für einzelne Aufgabenkreise nicht entgegen. Dies gilt nicht zuletzt für den Bereich der Vermögenssorge, für den die Rechtsbeschwerde auf die nicht unerheblichen laufenden Einkünfte des Betroffenen und auf die ungeklärten Barabhebungen durch die Bevollmächtigte verweist.
3. Der angefochtene Beschluss ist deshalb gemäß § 74 Abs. 5 FamFG aufzuheben und die Sache gemäß § 74 Abs. 6 Satz 2 FamFG an das Landgericht zurückzuverweisen. Dieses wird zuerst sachverständig beraten die Wirksamkeit der der Beteiligten zu 1 erteilten Vorsorgevollmacht zu überprüfen und sich für den Fall, dass es diese bejahen sollte, anschließend mit den vom Beteiligten zu 2 in seiner Stellungnahme vom 27. Mai 2013 aufgezeigten offenen finanziellen Fragen sowie damit auseinanderzusetzen haben, ob es (jedenfalls insoweit) einer Kontrollbetreuung bedarf. Erweist sich die Vorsorgevollmacht hingegen als unwirksam, ist zu klären, für welche Bereiche ein konkreter Betreuungsbedarf besteht.
Dose Klinkhammer Günter
Botur Guhling