Entscheidungsdatum: 13.02.2013
Eine befristete Herabsetzung des Versorgungsausgleichs ist nicht bereits deshalb geboten, weil das Verfahren über den Versorgungsausgleich ausgesetzt war und dem ausgleichspflichtigen Ehegatten, wäre über den Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht entschieden worden, das sogenannte Rentnerprivileg (§ 101 SGB VI Abs. 3 in der Fassung vom 20. April 2007) zugutegekommen wäre.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 7. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 15. August 2012 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 4.978 €
I.
Die Beteiligten streiten über den Versorgungsausgleich.
Auf die im Januar 2009 zugestellten wechselseitigen Anträge hat das Familiengericht die am 4. März 1976 geschlossene Ehe des Antragstellers (Ehemann) und der Antragsgegnerin (Ehefrau) unter Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich rechtskräftig geschieden. Es hat das Verfahren über den Versorgungsausgleich ausgesetzt, weil beide Ehegatten Anrechte aus einer Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes erworben hatten, die vorübergehend nicht bewertet werden konnten, nachdem der Bundesgerichtshof die der zugrundeliegenden Versorgungsordnung entsprechende Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) im Hinblick auf die Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Jahrgänge für unwirksam erklärt hatte.
Im Oktober 2010 hat das Familiengericht das Verfahren über den Versorgungsausgleich wieder aufgenommen. Während der Ehezeit (1. März 1976 bis 31. Dezember 2008; § 3 Abs. 1 VersAusglG) erwarben der Ehemann 57,2616 Entgeltpunkte und die Ehefrau 19,6534 Entgeltpunkte in der gesetzlichen Rentenversicherung. Außerdem erwarben der Ehemann 205,84 Versorgungspunkte und die Ehefrau 61,29 Versorgungspunkte aus einer Pflichtversicherung der Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes.
Am 2. Juni 2009 trafen die Ehegatten eine notarielle Scheidungsvereinbarung, in der sie wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt verzichteten und ergänzend vereinbarten, dass eine künftige Veränderung in den Verhältnissen, gleich welcher Art, keinen Einfluss auf den vereinbarten gegenseitigen Unterhaltsverzicht haben soll. Für die Zukunft wurde Gütertrennung vereinbart und der Ausgleich des bisherigen Zugewinns in einer Gesamtvermögensauseinandersetzung geregelt, bei der auch Regelungen über Miteigentumsanteile an Immobilien getroffen wurden.
Die im August 1955 geborene Ehefrau hat während der Ehe bis zum 27. Mai 1978 zunächst in Vollzeit gearbeitet. Anschließend hat sie bis Mitte 1986 ihre Tätigkeit unterbrochen und die in dieser Zeit geborenen Kinder und den Haushalt versorgt. Seit Mitte 1986 arbeitet sie wieder in Vollzeit mit einem durchschnittlichen Monatsnettoeinkommen von rund 1.800 €.
Der im Juli 1951 geborene Ehemann hat während der Ehezeit durchgehend in Vollzeit gearbeitet und dabei Einkünfte erzielt, die deutlich über denen der Ehefrau lagen. Im Dezember 2003 stellte er einen Antrag auf Altersteilzeit in Form des Blockmodells. Die Freistellungsphase lief ab Februar 2009. Seit 1. August 2011 bezieht der Antragsteller eine (noch nicht durch den Versorgungsausgleich gekürzte) Altersrente in Höhe von netto 1.418,45 €. Zur Finanzierung seiner aus der Scheidungsvereinbarung folgenden Lasten hat der Ehemann ein Bankdarlehen aufgenommen, auf das er monatlich 399 € bis Ende 2024 zu zahlen hat. Außerdem hat er durch Einnahmen nicht gedeckte Lasten der übernommenen Miteigentumsanteile in Höhe von monatlich 50 € zu zahlen. Aus seiner Abfindung für die Altersteilzeit verfügt er noch über rund 10.700 €.
Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich durch interne Teilung vollständig durchgeführt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde des Ehemanns, mit der er weiterhin eine Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nach § 27 VersAusglG verfolgt hat, hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist nicht begründet.
Auf das Verfahren zum Versorgungsausgleich ist gemäß Art. 111 Abs. 4 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG das seit dem 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verfahren vom Scheidungsverbund abgetrennt, als Folgesache ausgesetzt und erst nach dem 1. September 2009 wieder aufgenommen worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 567/10 - FamRZ 2012, 98 Rn. 7 ff. und vom 16. Februar 2011 - XII ZB 261/10 - FamRZ 2011, 635 Rn. 10 ff.).
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Es bestehe kein Anlass, den Versorgungsausgleich im vorliegenden Fall unter dem Aspekt der "phasenverschobenen Ehe" herabzusetzen, da der Renteneintritt des Ehemanns erst nach dem Ende der Ehezeit erfolgt sei und weder ein besonders großer Altersunterschied zwischen den Ehegatten noch eine besonders lange Trennungszeit vorliege. Auch sei der Versorgungsausgleich nicht herabzusetzen, falls die nach der Ehezeit weiter berufstätige Ehefrau über eine im Verhältnis zum vorzeitig in Rente gegangenen ausgleichspflichtigen Ehemann "unverhältnismäßig hohe" Rente verfügen werde. Denn dieses beruhe darauf, dass der Ehemann bereits mit 60 Jahren aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei, während die Ehefrau bis zu ihrem 66. Lebensjahr arbeite und gerade in den letzten Jahren ihres Berufslebens noch erhebliche Anwartschaften erwerbe. Das sei kein Anlass für eine Berichtigung des Versorgungsausgleichs, zumal der Ehemann auch unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs noch über ein monatliches Nettoeinkommen von 1.500 € verfüge. Auch sei eine befristete Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nicht geboten, weil damit die Grundentscheidung des Gesetzgebers zur Abschaffung des Rentnerprivilegs und die gesetzliche Regelung in § 35 VersAusglG in den Fällen, in denen eine Aussetzung der Kürzung des Versorgungsausgleichs auf Antrag noch möglich sei, zu Lasten des Versorgungsträgers umgangen würden.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Gemäß § 27 VersAusglG findet ein Versorgungsausgleich ausnahmsweise nicht statt, soweit er grob unbillig wäre. Dies ist nur der Fall, wenn die gesamten Umstände des Einzelfalls es rechtfertigen, von der Halbteilung abzuweichen.
Ob und in welchem Umfang die Durchführung des Versorgungsausgleichs grob unbillig erscheint, unterliegt grundsätzlich der tatrichterlichen Beurteilung. Diese ist im Verfahren der Rechtsbeschwerde nur daraufhin zu überprüfen, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (Senatsbeschluss vom 19. September 2012 - XII ZB 649/11 - FamRZ 2013, 106 Rn. 16 mwN).
Dabei erfordert § 27 VersAusglG für einen Ausschluss oder eine Herabsetzung des Wertausgleichs eine grobe Unbilligkeit, d.h. eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs muss unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe beider Ehegatten an den in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten zu gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen. Die grobe Unbilligkeit muss sich wegen des Ausnahmecharakters von § 27 VersAusglG im Einzelfall aus einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten ergeben (Senatsbeschluss vom 19. September 2012 - XII ZB 649/11 - FamRZ 2013, 106 Rn. 19 mwN).
b) Nach diesem Maßstab sind die Erwägungen, mit denen das Oberlandesgericht das Vorliegen eines Härtefalls im Ergebnis verneint hat, nicht zu beanstanden.
aa) Zwar kann, wie der Senat entschieden hat, der Ausgleich von Versorgungsanrechten, die ein Ehegatte nach der Trennung bis zum Ende der Ehe erworben hat, im Zusammenhang mit einer langen Trennungszeit zu einer groben Unbilligkeit führen, wenn der ausgleichspflichtige Überschuss an Versorgungsanrechten, die dieser Ehegatte erzielt hat, nicht auf seiner höheren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit während der Ehezeit beruht, sondern auf dem Umstand, dass der andere Ehegatte nach der Trennung aufgrund seines Alters - und damit nicht ehebedingt - keine Versorgungsanwartschaften mehr erworben hat (Senatsbeschluss vom 19. Mai 2004 - XII ZB 14/03 - FamRZ 2004, 1181, 1183).
So liegen die Dinge hier jedoch nicht. Während der einjährigen Trennungszeit haben beide Ehegatten Anrechte durch ihre Arbeit erworben. Zwar befand sich der Ehemann während der Trennungszeit in der sogenannten Arbeitsphase der Altersteilzeit, in der sein Arbeitsentgelt und die daraus erworbenen Versorgungsanrechte geschmälert waren. Dies betrifft aber nur einen kurzen Zeitraum, welcher sich in der Ausgleichsbilanz im Übrigen nicht zu Lasten, sondern zugunsten des Ehemanns ausgewirkt hat. Denn die Ehefrau erwarb während dieser Zeit Anwartschaften aus einer in Vollzeit ausgeübten Tätigkeit.
bb) Ebenfalls zutreffend hat das Oberlandesgericht es für nicht maßgeblich erachtet, dass die nach der Ehezeit weiter berufstätige Ehefrau weitere Rentenanwartschaften erwirbt und mit dem Eintritt in das Rentenalter womöglich über einen höheren Rentenanspruch als der vorzeitig in Altersteilzeit gegangene ausgleichspflichtige Ehemann verfügen werde. Denn soweit der höhere Rentenanspruch darauf beruht, dass die Ehefrau Beitragsleistungen über das Ehezeitende hinaus bis zum Erreichen der allgemeinen Altersgrenze erbringt und für sich selbst nicht die vorzeitigen Freistellungsvorteile des Altersteilzeitmodells in Anspruch nimmt, handelt es sich um nachehezeitliche Tatsachen und Entwicklungen, die den ehezeitlichen Versorgungsausgleich grundsätzlich unbeeinflusst lassen.
cc) Schließlich ist auch eine befristete Herabsetzung des Versorgungsausgleichs nicht bereits deshalb geboten, weil dem Ehemann - wäre über den Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht entschieden worden - das sogenannte Rentnerprivileg (§ 101 SGB VI Abs. 3 a.F.) zugutegekommen wäre. Nach dieser Vorschrift wurde, wenn nach Beginn der Rente eine Entscheidung des Familiengerichts über den Versorgungsausgleich zu Lasten des Versicherten wirksam wurde, die Rente des Ausgleichspflichtigen erst zu dem Zeitpunkt um einen Abschlag verändert, zu dem bei einer Rente des Ausgleichsberechtigten ein Zuschlag berücksichtigt wird.
Bei der Abschaffung dieser Regelung, die den ausgleichspflichtigen Ehegatten über den Halbteilungsgrundsatz hinaus durch eine versicherungsfremde Sozialleistung aus den Mitteln der gesetzlichen Regelsicherungssysteme begünstigte (vgl. auch Senatsbeschluss vom 7. November 2012 - XII ZB 271/12 - FamRZ 2013, 189 Rn. 15), handelt es sich um eine grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmende Gesetzesänderung. Sie trifft auch den Ehemann des vorliegenden Verfahrens, da die gerichtliche Entscheidung über den Versorgungsausgleich nicht vor dem Inkrafttreten der Neuregelung getroffen war.
Zu Recht hat das Oberlandesgericht darauf hingewiesen, dass das am 1. September 2009 in Kraft getretene Recht eine Aussetzung der Kürzung der laufenden Versorgung auf Grund des Versorgungsausgleichs nur noch in Betracht zieht, wenn die ausgleichspflichtige Person eine laufende Versorgung wegen Invalidität oder Erreichens einer besonderen Altersgrenze erhält und sie aus einem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Leistung beziehen kann (§ 35 Abs. 1 VersAusglG). Unter diese Vergünstigung fällt der Ehemann nicht, da er eine vorgezogene Rente nicht wegen Invalidität oder Erreichens einer besonderen Altersgrenze bezieht, sondern aufgrund einer in Anspruch genommenen Altersteilzeitregelung.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger