Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 19.11.2014


BGH 19.11.2014 - XII ZB 522/14

Unterhaltsklage des geschiedenen Ehegatten: Anforderungen an die hinreichende Bestimmtheit von Berufungsanträgen; Zulässigkeit von unbezifferten Anträgen in der Berufungsinstanz; prozessuales Vorgehen bei einer Stufenklage


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
19.11.2014
Aktenzeichen:
XII ZB 522/14
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 27. Januar 2014, Az: 4 UF 333/11vorgehend AG Wetzlar, 22. September 2011, Az: 612 F 151/04
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Berufungsanträge sind gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO hinreichend bestimmt, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014, XII ZB 134/13, FamRZ 2014, 1443).

2. Ein unbezifferter Antrag kann grundsätzlich auch in der Berufungsinstanz gestellt werden (im Anschluss an BGH Urteil vom 9. Oktober 1974, IV ZR 164/73, WM 1974, 1162).

3. Die prozessuale Selbständigkeit der im Wege der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche bedingt, dass über jeden in der vorgegebenen Reihenfolge im Wege der abgesonderten Antragstellung durch Teil- oder Schlussurteil zu befinden ist. Nach rechtskräftigem Erlass eines Auskunftsurteils kann das Verfahren nur auf Parteiantrag fortgesetzt werden (im Anschluss an BGH Urteil vom 24. Mai 2012, IX ZR 168/11, FamRZ 2012, 1296).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 4. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. Januar 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: bis 5.000 €

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, ihrem geschiedenen Ehemann, nachehelichen Unterhalt.

2

Die Parteien schlossen im Jahr 2002 einen Vergleich, wonach sich der Beklagte verpflichtete, an die Klägerin nachehelichen Unterhalt von monatlich 300 € zu zahlen.

3

In dem vorliegenden, seit 2004 anhängigen Unterhaltsverfahren begehrt die Klägerin höheren Unterhalt. Vor dem Amtsgericht hat sie für den im Rechtsbeschwerdeverfahren allein noch maßgeblichen Zeitraum ab Oktober 2009 zuletzt eine Stufenklage erhoben. Nachdem das Amtsgericht den Beklagten im Wege eines Teilanerkenntnisurteils zur Auskunft verurteilt und der Beklagte Einkommensbelege überreicht hatte, hat das Amtsgericht aufgrund eines von Amts wegen anberaumten Fortsetzungstermins den unbezifferten Zahlungsantrag abgewiesen. Mit der Berufung hat die Klägerin diesen Antrag unter Hinweis darauf weiterverfolgt, dass sie die Unterhaltsbeträge "nach vollständiger Erfüllung des Teilanerkenntnisurteils beziffern" werde. Das Oberlandesgericht hat die Berufung verworfen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

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1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entscheidung des Senats (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Der angefochtene Beschluss verletzt die Klägerin in ihrem Verfahrensgrundrecht auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip), das den Gerichten verbietet, den Beteiligten den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 - XII ZB 167/11 - FamRZ 2013, 1117 Rn. 4 mwN).

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2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet.

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a) Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Berufung für die Zeit ab 1. Oktober 2009 unzulässig sei, weil die Berufungsbegründung keinen konkreten Berufungsantrag enthalte. Der unbezifferte Antrag sei ungenügend, weil die gesetzliche Vorgabe eines bestimmten Berufungsantrags für die Klägerin keine unmögliche Leistung dargestellt habe; sie habe über die zur Bezifferung ihres Antrags nötigen Informationen verfügt. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des Familiengerichts bestünden.

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b) Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

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Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der Zulässigkeit der Berufung nicht entgegen, dass die Klägerin an ihrem unbezifferten Leistungsantrag im Rahmen der Stufenklage festgehalten hat. Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Berufungsbegründung einen hinreichend bestimmten Berufungsantrag enthält.

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aa) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO zwar nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger aber im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und das Berufungsgericht sowie den Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (Senatsbeschluss vom 25. Juni 2014 - XII ZB 134/13 - FamRZ 2014, 1443 Rn. 16 mwN). Dabei kann ein unbezifferter Antrag grundsätzlich auch in der Berufungsinstanz gestellt werden (BGH Urteil vom 9. Oktober 1974 - IV ZR 164/73 - WM 1974, 1162, 1164).

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Gemessen hieran ist der die Berufungsbegründung enthaltene Berufungsantrag hinreichend bestimmt. Danach hat die Klägerin - worauf die Rechtsbeschwerde zu Recht hinweist - klar zu erkennen gegeben, dass sie bezogen auf den Unterhaltszeitraum ab Oktober 2009 die Stufenklage, wie sie sie in der ersten Instanz erhoben hat, weiterverfolgt. Ihrem Berufungsbegehren lässt sich demgemäß entnehmen, dass die Klägerin insoweit die Aufhebung des amtsgerichtlichen Urteils und eine Entscheidung auf der Leistungsstufe erst nach Erfüllung des titulierten Auskunftsanspruchs erstrebt.

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bb) Daneben ergeben sich aus der Berufungsbegründung auch die Umstände, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergeben (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO). Das Amtsgericht hätte den Fortsetzungstermin, der Grundlage für das mit der Berufung angefochtene Urteil war, nicht von Amts wegen bestimmen dürfen.

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Die prozessuale Selbständigkeit der im Wege der Stufenklage geltend gemachten Ansprüche bedingt, dass über jeden in der vorgegebenen Reihenfolge im Wege der abgesonderten Antragstellung durch Teil- oder Schlussurteil zu befinden ist, weil das frühere Teilurteil für die spätere Entscheidung vorgreiflich ist. Nach rechtskräftigem Erlass eines Auskunftsurteils kann das Verfahren nur auf Parteiantrag fortgesetzt werden. Keinesfalls wird der Fortsetzungstermin von Amts wegen bestimmt (BGH Urteil vom 24. Mai 2012 - IX ZR 168/11 - FamRZ 2012, 1296 Rn. 28 mwN).

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Gemessen hieran hätte das Amtsgericht - auch nach Auffassung des Berufungsgerichts - nicht über die Leistungsstufe entscheiden dürfen. Das Amtsgericht hat in demselben Termin, in dem es aufgrund des von der Klägerin gestellten Stufenantrags das Teilanerkenntnisurteil über die Auskunftsverpflichtung des Beklagten erlassen hat, von Amts wegen einen Fortsetzungstermin bestimmt. Obgleich die Klägerin kurz vor dem Fortsetzungstermin dessen Aufhebung mit der Begründung beantragt hatte, dass der Beklagte noch keine Auskunft erteilt habe, hat das Amtsgericht diesen Termin durchgeführt und aufgrund dessen über den Leistungsantrag entschieden. Dieser Verfahrensfehler wird auch nicht dadurch geheilt, dass die Klägerin in dem Fortsetzungstermin einen unbezifferten Antrag gestellt hat. Damit hat sie - entgegen der in dem Prozesskostenhilfebeschluss des Berufungsgerichts vom 10. April 2013 anklingenden Auffassung - deutlich zu erkennen gegeben, dass sie zu einer Präzisierung noch nicht in der Lage ist und deshalb auch keine Entscheidung hierüber begehrt. Das wird überdies dadurch bestätigt, dass die Klägerin in demselben Termin wegen der bislang unterbliebenen Auskunft einen Zwangsgeldantrag gegen den Beklagten gestellt hat.

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cc) Im Übrigen durfte das Berufungsgericht der Klägerin auch nicht vorhalten, dass sie den Zahlungsantrag hätte beziffern können, wobei insoweit - worauf die Rechtsbeschwerde ebenfalls zu Recht hinweist - allein die Zulässigkeit der Klage gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO angesprochen ist.

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Bei Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hatte der Beklagte die gemäß dem Teilurteil geschuldete Auskunft nach den Feststellungen des Berufungsgerichts noch nicht erteilt. Das vom Beklagten in der Verhandlung vor dem Amtsgericht kommentarlos übergebene Konvolut von Belegen stellt keine Auskunft über sein Einkommen dar. Die geschuldete Auskunft erfordert vielmehr eine systematische Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben und muss dem Auskunftsgläubiger die Ermittlung des Einkommens ermöglichen (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 385/13 juris Rn. 16 und Senatsurteil vom 29. Juni 1983 - IVb ZR 391/81 - FamRZ 1983, 996, 998). Mithin war die Klägerin mangels hinreichender Auskunftserteilung noch nicht zu einer Bezifferung ihres Antrages verpflichtet bzw. in der Lage. Im Übrigen handelte es sich bei der nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist erfolgten Bezifferung um eine zulässige Präzisierung des Klagantrags, die nicht einmal eine Klageänderung darstellt (MünchKommZPO/Becker-Eberhard 4. Aufl. § 254 Rn. 23).

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3. Gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann nicht abschließend in der Sache entscheiden, da diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO. Denn das Oberlandesgericht hat lediglich über die Zulässigkeit der Berufung, nicht aber in der Sache selbst entschieden.

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Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

19

Trotz der für das Berufungsgericht grundsätzlich bestehenden Möglichkeit, bei Vorliegen eines entsprechenden Antrages die Sache analog § 538 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO an das Amtsgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH Urteile vom 22. September 2008 - II ZR 257/07 - NJW 2009, 431 Rn. 12 und vom 9. Oktober 1974 - IV ZR 164/73 - WM 1974, 1162, 1164 zu § 538 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aF), dürfte es hier sachdienlich sein, wenn das Oberlandesgericht über den - nach vollständiger Auskunftserteilung - fortzuführenden Teil in der Sache selbst entscheidet. Eine Sachentscheidung durch das Oberlandesgericht liegt vor allem deshalb nahe, weil das Amtsgericht bereits durch Teilurteil über die Auskunftsstufe entschieden hat und die Berufung im Übrigen (hinsichtlich des vorangegangenen Zeitraums) ohnehin beim Berufungsgericht anhängig ist.

Dose                               Schilling                    Günter

            Nedden-Boeger                       Botur