Entscheidungsdatum: 17.05.2017
Ein Einwilligungsvorbehalt kann nicht gegen den freien Willen des Betroffenen angeordnet werden.
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Regensburg vom 10. Oktober 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
I.
Der Betroffene wendet sich gegen die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.
Er leidet an einer leichten Intelligenzminderung und steht unter anderem hinsichtlich der Vermögenssorge unter Betreuung.
Auf Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht nach Einholung eines Sachverständigengutachtens und Anhörung des Betroffenen einen Einwilligungsvorbehalt für die Vermögenssorge angeordnet. Das Landgericht hat seine Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Sachverständige sei in seinem Gutachten zu dem Ergebnis gelangt, der Betroffene komme aufgrund seines unkritischen Umgangs mit seinen Finanzen, der mittlerweile zu einer erheblichen Verschuldung des zumindest partiell geschäftsfähigen Betroffenen geführt habe, zu dem Ergebnis, dass bei Fortführung der Betreuung ohne Einwilligungsvorbehalt die konkrete Gefahr bestehe, dass sich der Betroffene weiterhin massiv finanziell schädige. Daher halte der Sachverständige aus medizinischer Sicht die Einrichtung eines Einwilligungsvorbehalts für den Aufgabenkreis Vermögenssorge für sinnvoll und notwendig.
Aufgrund der zum Zeitpunkt der Anordnung vorliegenden Verschuldung des Betroffenen hätten hinreichend konkrete Anhaltspunkte für eine erhebliche Gefahr vorgelegen. Er nehme am Rechtsverkehr teil und gebe regelmäßig nachteilige Willenserklärungen ab. Der Einwilligungsvorbehalt sei daher notwendig, um eine weitere Verschuldung des Betroffenen zu verhindern. Bei dem Betroffenen sei die Fähigkeit des Erkennens der Notwendigkeit des Einwilligungsvorbehalts zumindest erheblich eingeschränkt.
Der Einwilligungsvorbehalt sei auch erforderlich. Zwar beruhe die Gefährdung des Vermögens auch auf der Eingehung von Dauerschuldverhältnissen und Ratenzahlungsvereinbarungen, beschränke sich jedoch nicht hierauf. Ausweislich der Übersicht der Betreuerin habe der Betroffene auch Mietschulden angehäuft, Darlehen abgeschlossen und ohne entsprechende finanzielle Mittel ein Kraftfahrzeug unterhalten. Es sei daher erforderlich gewesen, den Einwilligungsvorbehalt nicht auf einzelne Willenserklärungen zu beschränken.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Das Landgericht hat bereits keine ausreichenden Feststellungen zum Fehlen des freien Willens getroffen.
a) Auch ein Einwilligungsvorbehalt kann nicht gegen den freien Willen des Betroffenen angeordnet werden.
Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist.
Auch wenn § 1903 BGB weder eine dem § 1896 Abs. 1a BGB entsprechende Vorschrift zum freien Willen enthält, noch auf letztere verweist, kann ein Einwilligungsvorbehalt nicht gegen den freien Willen des Betroffenen angeordnet werden. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung des Gesetzes. Denn der Staat hat von Verfassungs wegen nicht das Recht, seine erwachsenen und zu freier Willensbestimmung fähigen Bürger zu erziehen, zu "bessern" oder daran zu hindern, sich selbst zu schädigen (BayObLG FamRZ 1993, 851 f.; s. auch BVerfG NJW 1967, 1795, 1800; MünchKommBGB/Schwab 7. Aufl. § 1903 Rn. 6 mwN). Die Gegenmeinung, die im Rahmen des § 1903 BGB keinen Raum für eine solche Feststellung sieht, weil bereits die Betreuerbestellung gegen den Willen des Betroffenen die Feststellung voraussetze, dass der Betroffene keinen freien Willen bilden könne (Bienwald in Bienwald/Sonnenfeld/Harm Betreuungsrecht 6. Aufl. § 1903 Rn. 38), vermag nicht zu überzeugen. Zum einen könnten bei einer isolierten Anordnung des Einwilligungsvorbehalts die früheren Feststellungen zum (fehlenden) freien Willen – wie auch hier – nicht mehr aktuell sein. Zum anderen kann der Betroffene zwar mit der Betreuung als solcher, nicht aber mit einem Einwilligungsvorbehalt einverstanden sein. Schließlich muss sich die Prüfung, ob der Betroffene hinsichtlich der Einrichtung der Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge einen freien Willen hat, nicht zwingend mit der Frage decken, ob dies auch hinsichtlich der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts der Fall ist.
b) Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen zum Vorliegen eines freien Willens genügen danach nicht, um einen Einwilligungsvorbehalt anordnen zu können.
Das Landgericht hat in seiner Entscheidung ausgeführt, dass die Fähigkeit des Erkennens der Notwendigkeit des Einwilligungsvorbehalts beim Betroffenen zumindest erheblich eingeschränkt sei. Zutreffend weist die Rechtsbeschwerde darauf hin, dass diese Feststellung nicht genügt, um mit der erforderlichen Sicherheit eine vom freien Willen getragene Ablehnung des Einwilligungsvorbehalts ausschließen zu können (vgl. Senatsbeschluss vom 16. März 2016 - XII ZB 455/15 - FamRZ 2016, 970 Rn. 8).
3. Gemäß § 74 Abs. 5 und Abs. 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen.
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
Dose |
|
Klinkhammer |
|
Schilling |
|
Nedden-Boeger |
|
Guhling |
|