Entscheidungsdatum: 16.03.2016
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Gera vom 31. August 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
I.
Die Betroffene leidet an einer wahnhaften Störung nach operativer Entfernung eines Gehirntumors.
Nach mehrfachen jeweils einstweilig angeordneten Unterbringungen der Betroffenen hat das Amtsgericht dieser im vorliegenden Verfahren einen Verfahrenspfleger und mit Beschluss vom 4. Dezember 2014 den Beteiligten zu 2 als Berufsbetreuer bestellt. Der Aufgabenkreis umfasst die Gesundheitssorge, die Aufenthaltsbestimmung einschließlich Unterbringung und unterbringungsähnlichen Maßnahmen, Wohnungsangelegenheiten, Vermögenssorge mit Einwilligungsvorbehalt, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, "im Rechtsverkehr mit Unterschriftsleistung".
Das Landgericht hat die dagegen gerichtete Beschwerde nach persönlicher Anhörung der Betroffenen (bezüglich der Unterbringung) und Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen.
II.
Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
Auf der Grundlage der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen kann nicht ausgeschlossen werden, dass gemäß § 1896 Abs. 1a BGB der freie Wille der Betroffenen der Betreuung entgegensteht. Außerdem enthält der angefochtene Beschluss keine Begründung zur Erforderlichkeit des bezüglich der Vermögenssorge angeordneten Einwilligungsvorbehalts.
1. Nach § 1896 Abs. 1a BGB darf gegen den freien Willen des Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden. Wenn der Betroffene - wie hier - der Einrichtung einer Betreuung nicht zustimmt, ist neben der Notwendigkeit einer Betreuung stets zu prüfen, ob die Ablehnung durch den Betroffenen auf einem freien Willen beruht. Das fachärztlich beratene Gericht hat daher festzustellen, ob der Betroffene trotz seiner Erkrankung noch zu einer freien Willensbestimmung fähig ist. Dabei ist der Begriff der freien Willensbestimmung im Sinne des § 1896 Abs. 1a BGB und des § 104 Nr. 2 BGB im Kern deckungsgleich. Die beiden entscheidenden Kriterien sind dabei die Einsichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beiden Elemente, liegt kein freier, sondern nur ein natürlicher Wille vor (Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2014 - XII ZB 632/12 - FamRZ 2014, 647 Rn. 6; vom 7. Oktober 2015 - XII ZB 58/15 - FamRZ 2015, 2158 Rn. 8 f. und vom 16. September 2015 - XII ZB 500/14 - FamRZ 2015, 2160 Rn. 12 f.).
Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen voraus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellung sprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anforderungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestellt werden. Auch der an einer Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1 BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freien Willen zu bilden und ihn zu äußern. Abzustellen ist jeweils auf das Krankheitsbild des Betroffenen. Wichtig ist das Verständnis, dass ein gesetzlicher Vertreter (§ 1902 BGB) bestellt wird, der eigenständige Entscheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichen treffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung und Tragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können, was denknotwendig voraussetzt, dass er seine Defizite im Wesentlichen zutreffend einschätzen und auf der Grundlage dieser Einschätzung die für oder gegen eine Betreuung sprechenden Gesichtspunkte gegeneinander abwägen kann. Ist der Betroffene zur Bildung eines klaren Urteils zur Problematik der Betreuerbestellung in der Lage, muss es ihm weiter möglich sein, nach diesem Urteil zu handeln und sich dabei von den Einflüssen interessierter Dritter abzugrenzen. Die Feststellungen zum Ausschluss der freien Willensbestimmung müssen durch ein Sachverständigengutachten belegt sein (Senatsbeschlüsse vom 22. Januar 2014 - XII ZB 632/12 - FamRZ 2014, 647 Rn. 7 ff.; vom 7. Oktober 2015 - XII ZB 58/15 - FamRZ 2015, 2158 Rn. 9 f. und vom 16. September 2015 - XII ZB 500/14 - FamRZ 2015, 2160 Rn. 14 f. mwN).
Im vorliegenden Fall mangelt es dem angefochtenen Beschluss bereits an einer eindeutigen Feststellung. Das Landgericht hat lediglich angenommen, die Willensbildung bei der Betroffenen sei "deutlich eingeschränkt bis aufgehoben." Damit steht aber nicht fest, dass die Betroffene zu einer Willensbildung nicht mehr in der Lage ist.
2. Des Weiteren rügt die Rechtsbeschwerde zu Recht, dass es zur Erforderlichkeit eines Einwilligungsvorbehalts im Sinne von § 1903 Abs. 1 BGB im angefochtenen Beschluss an einer Begründung mangelt.
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Die Sache ist zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Landgericht zurückzuverweisen. Der Senat weist darauf hin, dass die weiteren von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen nicht durchgreifend sein dürften. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Günter Guhling