Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 22.08.2012


BGH 22.08.2012 - XII ZB 474/11

Betreuungsverfahren: Einrede der Verjährung durch den Verfahrenspfleger


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
22.08.2012
Aktenzeichen:
XII ZB 474/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Duisburg, 29. August 2011, Az: 12 T 148/11vorgehend AG Duisburg, 21. Juli 2011, Az: 13 XVII K 1268
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Der Verfahrenspfleger kann für den Betreuten nicht die Einrede der Verjährung erheben.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 12. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg vom 29. August 2011 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.

Beschwerdewert: 4.418 €

Gründe

I.

1

Der Beteiligte zu 2 wendet sich als Verfahrenspfleger gegen die Festsetzung von Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatzansprüchen gegen den Betreuten aus der Zeit bis einschließlich 2007.

2

In der Zeit vom 14. Januar 2003 bis zum 31. März 2011 wurden an die Betreuerin des Betroffenen Vergütung und Aufwendungsersatz in Höhe von insgesamt 13.967,45 € aus der Landeskasse gezahlt.

3

Mit Beschluss vom 21. Juli 2011 hat das Amtsgericht die Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 9.962,45 € gemäß §§ 1908 i, 1836 e BGB aus dem Vermögen des Betreuten angeordnet. Die Beschwerde des Verfahrenspflegers, die dieser damit begründet hat, dass der über 5.544 € hinausgehende geltend gemachte Betrag von 4.418,45 € für die Zeit bis zum 31. Dezember 2007 verjährt sei, hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich der Verfahrenspfleger mit seiner vom Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.

II.

4

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet.

5

1. Nach § 70 FamFG ist die Rechtsbeschwerde statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat; der Senat ist gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG an die Zulassung gebunden. Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig.

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2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.

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a) Das Beschwerdegericht vertritt die Auffassung, der Rückforderungsanspruch bis einschließlich 2007 sei nicht verjährt. Zwar unterlägen die Regressforderungen nur noch der dreijährigen Regelverjährung. Doch sei insoweit die Übergangsvorschrift in Art. 229 § 23 Abs. 2 EGBGB zu beachten. Danach beginne die dreijährige Verjährungsfrist erst am 1. Januar 2010.

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b) Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

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Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mit Beschlüssen vom 25. Januar 2012 entschieden hat, verjähren die - gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Staatskasse übergegangenen - Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatzansprüche des Betreuers aus § 1908 i Abs. 1 Satz 1 iVm §§ 1835, 1836 BGB in drei Jahren. Zugleich hat der Senat entschieden, dass die Mittellosigkeit des Betreuten im Sinne von § 1836 d BGB dem Verjährungsbeginn nicht entgegensteht und nicht zu einer Hemmung der Verjährung nach § 205 BGB führt. Schließlich findet die Übergangsregelung des Art. 229 § 23 EGBGB auf den Regressanspruch aus § 1836 e BGB keine Anwendung. Wegen der Begründung wird auf die Senatsbeschlüsse vom 25. Januar 2012 verwiesen (XII ZB 461/11 - FamRZ 2012, 627 und XII ZB 605/10 - BtPrax 2012, 118; zu dem auf die Staatskasse übergegangenen Aufwandsentschädigungsanspruch siehe Senatsbeschluss vom 25. Januar 2012 - XII ZB 497/11 - FamRZ 2012, 629 [Leitsatz]).

10

3. Der Senat kann allerdings nicht gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG in der Sache abschließend entscheiden, weil die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht den von ihm - ersichtlich gezogenen - Schluss zu rechtfertigen vermögen, wonach von einer wirksamen Erhebung der Verjährungseinrede auszugehen ist.

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a) Der Verfahrenspfleger kann entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts für den Betreuten die Einrede der Verjährung nicht erheben.

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aa) Gemäß § 276 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Gericht dem Betreuten einen Verfahrenspfleger zu bestellen, wenn dies zur Wahrnehmung der Interessen des Betreuten erforderlich ist. Die vorrangige Aufgabe des Verfahrenspflegers besteht darin, gegenüber dem Gericht den Willen des Betreuten kundzutun und dessen aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf rechtliches Gehör zu verwirklichen (BT-Drucks. 15/2494 S. 41). Aus dieser Aufgabenstellung folgt, dass ein Verfahrenspfleger vor allem dann zu bestellen ist, wenn der Betreute nicht mehr in der Lage ist, seinen Willen kundzutun bzw. einen freien Willen überhaupt noch zu bilden (Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - XII ZB 199/11 - FamRZ 2011, 1577 Rn. 7 f. mwN).

13

Wie seine Bezeichnung in § 276 FamFG zu erkennen gibt, hat der Verfahrenspfleger die rechtlichen Interessen des Betreuten im Verfahren wahrzunehmen bzw. zur Geltung zu bringen. Anders als der Betreuer in den jeweiligen Aufgabenkreisen gemäß § 1902 BGB ist er jedoch nicht (gesetzlicher) Vertreter des Betreuten (Keidel/Budde FamFG 17. Aufl. § 276 Rn. 27; MünchKommZPO/Schmidt-Recla 3. Aufl. § 276 FamFG Rn. 3; Haußleiter/Heidebach FamFG § 276 Rn. 1; Hahne/Munzig/Bohnert BeckOK FamFG § 276 Rn. 8).

14

bb) Bei der Einrede der Verjährung handelt es sich um eine Einrede im materiellen Sinne (Wernecke JA 2004, 331; MünchKommBGB/Grothe 6. Aufl. § 214 Rn. 4). Sie ändert die materielle Rechtslage und weist damit einen rechtsgeschäftsähnlichen Charakter auf (BGHZ 184, 128 = FamRZ 2010, 887 Rn. 29 mwN; s. auch MünchKommBGB/Grothe 6. Aufl. § 214 Rn. 4; Peters/Jacoby in Staudinger BGB [2009] § 214 Rn. 6). Deshalb kann die Einrede grundsätzlich nur der Schuldner bzw. sein gesetzlicher Vertreter erheben (vgl. BGHZ 131, 376 = NJW 1996, 1060, 1061).

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cc) Dem steht nicht etwa der Umstand entgegen, dass auch der Streithelfer im Zivilprozess gemäß §§ 66, 67 ZPO für die Hauptpartei die Einrede der Verjährung erheben kann (s. dazu BGH Urteil vom 23. Oktober 1984 - III ZR 230/82 - VersR 1985, 80 f.; MünchKommZPO/Schultes 3. Aufl. § 67 Rn. 5; Musielak/Weth ZPO 9. Aufl. § 67 Rn. 6). Denn die Besonderheit beim Streithelfer besteht darin, dass er durch die zu treffende Entscheidung in seiner eigenen Rechtsstellung betroffen wird und der Gesetzgeber ihm deshalb in § 67 ZPO ausdrücklich die Befugnis eingeräumt hat, Angriffs- und Verteidigungsmittel, damit also auch materielle Einreden für die Hauptpartei geltend zu machen (MünchKommZPO/Schultes 3. Aufl. § 67 Rn. 5; Musielak/Weth ZPO 9. Aufl. § 67 Rn. 6). Aus den gleichen Gründen kann auch der Bürge nach § 768 BGB die dem Hauptschuldner zustehenden Einreden geltend machen.

16

b) Feststellungen dazu, ob die Betreuerin des Betroffenen als seine gesetzliche Vertreterin für ihn die Einrede der Verjährung erhoben hat, finden sich in der angegriffenen Entscheidung indessen nicht. Zwar darf das Gericht nicht ohne weiteres auf die Geltendmachung der Verjährungseinrede hinwirken (s. BGHZ 156, 269 = NJW 2004, 164). Nachdem sich aber der Verfahrenspfleger - wenn auch in nicht wirksamer Weise - bereits zugunsten des Betroffenen auf die Einrede der Verjährung berufen hat, hätte das Gericht weitere Feststellungen zur wirksamen Erhebung der Verjährungseinrede (etwa durch die Betreuerin) treffen müssen.

Dose                                   Klinkhammer                                   Schilling

              Nedden-Boeger                                        Botur