Entscheidungsdatum: 18.04.2012
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 12. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 1. September 2010 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 3.216 €
I.
Auf den am 26. Januar 2010 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 4. Juli 1975 geschlossene Ehe der Antragstellerin (Ehefrau) und des Antragsgegners (Ehemann) - insoweit rechtskräftig - geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Die am 8. Oktober 1950 geborene Ehefrau hat während der Ehezeit (1. Juli 1975 bis 31. Dezember 2009; § 3 Abs. 1 VersAusglG) eine Anwartschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung Bund sowie eine weitere Anwartschaft aus der Zusatzversorgung des Öffentlichen Dienstes bei der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (Beteiligte zu 1; im Folgenden: VBL) erworben. Der Ehemann hat Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung bei der Deutschen Rentenversicherung Braunschweig-Hannover und aus einer privaten Altersversorgung bei der Allianz LebensversicherungsAG erworben. Er hat am 13. August 2009 eine Rente wegen Erwerbsminderung beantragt, deren Bewilligung noch aussteht.
Das Familiengericht hat die gesetzlichen Rentenanwartschaften beider Eheleute sowie die vom Ehemann bei der Allianz LebensversicherungsAG erworbene Anwartschaft jeweils gemäß § 10 VersAusglG intern geteilt. Im Übrigen, also hinsichtlich der bei der VBL erworbenen Anwartschaften, hat es den schuldrechtlichen Ausgleich vorbehalten.
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde des Ehemanns, mit der er die Aussetzung des gesamten Versorgungsausgleichsverfahrens begehrt, zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich seine vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der er die Aussetzung des Verfahrens weiter verfolgt.
II.
Die zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung, die in FamRZ 2011, 222 veröffentlicht ist, wie folgt begründet: Zu Recht habe das Familiengericht den Ausgleich der bei der VBL erworbenen Anwartschaft dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten. Nach der Umstellung des Zusatzversorgungssystems von einer umlagefinanzierten Zusatzversorgung auf eine kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung und der danach festgestellten Grundrechtswidrigkeit der getroffenen Regelungen über die Startgutschriften sogenannter rentenferner Jahrgänge stehe die notwendige Änderung der Satzung der VBL noch aus.
Eine Aussetzung des Verfahrens sei nach dem nunmehr anwendbaren § 21 FamFG nur aus wichtigem Grund zulässig. Ein solcher könne begrifflich nur dann vorliegen, wenn eine anderweitige Erledigung nicht möglich sei. Diese Möglichkeit sei mit § 19 VersAusglG geschaffen worden. Das Anrecht der Ehefrau bei der VBL sei nicht ausgleichsreif im Sinne dieser Vorschrift, denn die Berechnung der Höhe sei von der noch ausstehenden Einigung der Tarifparteien abhängig.
Der Vorbehalt des schuldrechtlichen Versorgungsausgleichs habe keinen Einfluss auf ein etwaiges Rentnerprivileg. Der Wunsch des Ehemanns, das Versorgungsausgleichsverfahren insgesamt auszusetzen, damit die verzögerte Rechtskraft ihm eine zunächst ungekürzte Rente sichere, sei unbeachtlich. Auch wenn es unbillig sei, dass die von ihm vorzeitig bezogene Rente nach der Teilung gekürzt werde, während ihm aus den von der Ehefrau bei der VBL erworbenen Anrechten noch kein Anspruch zuwachse, sehe das Gesetz eine Korrektur nicht vor.
2. Diese Ausführungen sind durch die inzwischen eingetretene Entwicklung überholt.
Gemäß § 5 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG sind rechtliche oder tatsächliche Veränderungen nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ehezeitanteil zurück-wirken, bei der Entscheidung über den Versorgungsausgleich zu berücksichtigen. Das gilt auch, wenn sich die maßgebliche Versorgungsordnung in einer Weise ändert, die sich auf die Qualität oder die Höhe der Versorgungsanwartschaften auswirkt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2005 - XII ZB 197/04 - FamRZ 2006, 321, 322; vom 26. Oktober 1989 - IVb ZB 81/87 - FamRZ 1990, 382, 383 und vom 9. Juli 1986 - IVb ZB 32/83 - FamRZ 1986, 976, 977 f. mwN).
Durch Änderungstarifvertrag Nr. 5 vom 30. Mai 2011 zum Tarifvertrag Altersversorgung haben die Tarifparteien des öffentlichen Dienstes die Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Versicherte neu geregelt. Auf Grundlage ihrer daraufhin geänderten Satzung (17. Satzungsänderung vom 30. November 2011, BAnz Nr. 14 vom 25. Januar 2012) hat die VBL am 22. Februar 2012 eine neue Versorgungsauskunft erteilt. Dadurch ist das vormalige Hindernis entfallen; nunmehr sind die Voraussetzungen gegeben, unter denen der Versorgungsausgleich bereits im Erstverfahren vollständig durchgeführt werden kann.
Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann nicht in der Sache abschließend entscheiden, da der Ehezeitanteil der von der Ehefrau bei der VBL erworbenen Versorgungsanrechte durch den Tatrichter festzustellen ist.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger