Entscheidungsdatum: 16.08.2017
1. Das Betreuungsgericht muss durch die rechtzeitige Benachrichtigung des Verfahrenspflegers vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 21. Juni 2017, XII ZB 45/17, NJW 2017, 2687).
2. Bei dem Einwilligungsvorbehalt handelt es sich um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 1. März 2017, XII ZB 608/15, FamRZ 2017, 754).
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Arnsberg vom 24. August 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
I.
Der Betroffene wendet sich gegen die Einrichtung seiner Betreuung.
Das Amtsgericht hat dem Betroffenen eine Verfahrenspflegerin bestellt, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten eingeholt und ihn angehört. Danach hat es den Beteiligten zu 3 zum Betreuer für den Aufgabenkreis Aufenthaltsbestimmung, Behördenangelegenheiten, Entscheidung über Unterbringung, Gesundheitssorge, Vermögensangelegenheiten, Vertretung gegenüber Behörden und Sozialversicherungsträgern und Wohnungsangelegenheiten bestellt. Darüber hinaus hat es für den Bereich der Vermögensangelegenheiten einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet. Der Beteiligte zu 4 ist zum Ersatzbetreuer bestellt worden. Das Landgericht hat die Beschwerde des Betroffenen zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Sachverständige sei überzeugend zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Betroffenen anamnestisch eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis bestehe. Nachvollziehbar habe der Sachverständige die Schlussfolgerung gezogen, dass der Betroffene nicht in der Lage sei, Wesentliches von Unwichtigem zu unterscheiden. Dieser Einschätzung des Sachverständigen sei aufgrund eigener Überzeugungsbildung zu folgen. Der Betroffene sei wegen seiner Erkrankung nicht ausreichend in der Lage, vernunftgeleitet seine Angelegenheiten zu besorgen. Der objektive Betreuungsbedarf sei aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen. Der Sachverständige habe insofern ausgeführt, dass der Betroffene wegen der angegebenen psychischen Störung nicht in der Lage sei, seine Angelegenheiten im Rahmen des später angeordneten Aufgabenkreises zu erledigen. Soweit das Amtsgericht für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge einen Einwilligungsvorbehalt angeordnet habe, sei dies aufgrund der Ablehnungshaltung des Betroffenen erforderlich. Schließlich sei der Betroffene krankheitsbedingt zu einer freien Willensbildung und -bekundung nicht in der Lage.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Zu Recht rügt die Rechtsbeschwerde, dass die Anhörung durch das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft erfolgt war, weshalb das Landgericht den Betroffenen erneut hätte anhören müssen.
aa) Zwar räumt § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG dem Beschwerdegericht auch in einem Betreuungsverfahren die Möglichkeit ein, von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abzusehen. Im Beschwerdeverfahren darf allerdings nicht von einer Wiederholung solcher Verfahrenshandlungen abgesehen werden, bei denen das Gericht des ersten Rechtszugs zwingende Verfahrensvorschriften verletzt hat. In diesem Fall muss das Beschwerdegericht den betreffenden Teil des Verfahrens nachholen (Senatsbeschluss vom 21. Juni 2017 - XII ZB 45/17 - juris Rn. 9 mwN).
bb) Das Amtsgericht hat die Anhörung verfahrensfehlerhaft durchgeführt, weil es der Verfahrenspflegerin des Betroffenen keine Gelegenheit gegeben hat, an ihr teilzunehmen.
(1) Der Verfahrenspfleger ist vom Gericht im selben Umfang an den Verfahrenshandlungen zu beteiligen wie der Betroffene. Das Betreuungsgericht muss durch die Benachrichtigung des Verfahrenspflegers vom Anhörungstermin sicherstellen, dass dieser an der Anhörung des Betroffenen teilnehmen kann. Außerdem steht dem Verfahrenspfleger ein eigenes Anhörungsrecht zu. Erfolgt die Anhörung dennoch ohne die Möglichkeit einer Beteiligung des Verfahrenspflegers, ist sie verfahrensfehlerhaft und verletzt den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG (Senatsbeschluss vom 21. Juni 2017 - XII ZB 45/17 - juris Rn. 11 mwN).
(2) Diesen Anforderungen wird das erstinstanzliche Verfahren nicht gerecht.
Im Zeitpunkt der Anhörung des Betroffenen am 12. Mai 2016 war die Beteiligte zu 1 zu seiner Verfahrenspflegerin bestellt. Die zwischenzeitlich erfolgte Bestellung von Rechtsanwältin F.-Ö. zur Verfahrenspflegerin hatte das Amtsgericht am 18. April 2016 wieder aufgehoben.
Den Gerichtsakten lässt sich bezogen auf diese Anhörung weder eine Terminsverfügung noch eine Benachrichtigung der Beteiligten zu 1 von dem Termin entnehmen. Demgemäß geht aus dem Anhörungsvermerk auch nicht hervor, dass sie an der Anhörung teilgenommen hat.
Dass die Beteiligte zu 1 eine Verfahrensvollmacht des Betroffenen zur Akte gereicht und damit auch seine anwaltliche Vertretung zu erkennen gegeben hat, ändert an ihrer Stellung als Verfahrenspflegerin nichts. Denn ihre Bestellung wirkt gemäß § 276 Abs. 5 FamFG bis zum Abschluss des Verfahrens fort, wenn sie nicht vorher aufgehoben worden ist. Anders als im Fall der irrtümlich zur Verfahrenspflegerin bestellten Rechtsanwältin F.-Ö. hat das Amtsgericht die Bestellung der Beteiligten zu 1 indes nicht aufgehoben. Auch der Umstand, dass das Amtsgericht mit Beschluss vom 23. Mai 2016 zusätzlich die Beteiligte zu 2 zur Verfahrenspflegerin bestellt hat, ändert nichts daran, dass das Amtsgericht der Beteiligten zu 1 als wirksam bestellter Verfahrenspflegerin Gelegenheit hätte einräumen müssen, an dem Anhörungstermin teilzunehmen. Im Übrigen hätte sie auch in ihrer Funktion als Verfahrensbevollmächtigte von dem Anhörungstermin benachrichtigt werden müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 9. November 2011 - XII ZB 286/11 - FamRZ 2012, 104 Rn. 25).
b) Zudem rechtfertigen die vom Landgericht getroffenen Feststellungen nicht die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.
aa) Soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, ordnet das Betreuungsgericht nach § 1903 Abs. 1 BGB an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenbereich des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt). Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen. Der Umfang der Ermittlung richtet sich auch danach, dass es sich bei dem Einwilligungsvorbehalt um einen gravierenden Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen handelt, der sich ohne weitere Feststellungen nicht rechtfertigen lässt (Senatsbeschluss vom 1. März 2017 - XII ZB 608/15 - FamRZ 2017, 754 Rn. 13 mwN).
bb) Danach ist das Landgericht seiner Amtsermittlungspflicht nicht gerecht geworden. Es hat zur Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts für die Vermögenssorge lediglich ausgeführt, dieser sei aufgrund der Ablehnungshaltung des Betroffenen erforderlich. Weitergehende Ausführungen finden sich auch im amtsgerichtlichen Beschluss nicht. Es fehlen konkrete Feststellungen dazu, dass die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts zur Abwendung einer erheblichen Gefahr namentlich für das Vermögen des Betroffenen erforderlich ist. Abstrakte Ausführungen zu einer vom Betroffenen eingenommenen Ablehnungshaltung vermögen diese nicht zu ersetzen (vgl. Senatsbeschluss vom 15. März 2017 - XII ZB 563/16 - juris Rn. 7 ff.).
3. Gemäß § 74 Abs. 5 und 6 Satz 2 FamFG ist der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Sache an das Landgericht zurückzuverweisen, das die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben wird. Dabei wird das Landgericht letztlich auch zu berücksichtigen haben, dass ein Betreuer nur für Aufgabenkreise bestellt werden darf, in denen die Betreuung erforderlich ist, was wiederum aufgrund der konkreten, gegenwärtigen Lebenssituation des Betroffenen zu beurteilen ist (Senatsbeschluss vom 22. März 2017 - XII ZB 260/16 - FamRZ 2017, 995 Rn. 7).
Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG).
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