Entscheidungsdatum: 01.08.2012
Zu den Voraussetzungen einer Kontrollbetreuung bei Vorliegen einer wirksamen General- und Altersvorsorgevollmacht.
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 29. Juli 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 3.000 €
I.
Die Betroffene wendet sich gegen die Anordnung einer Kontrollbetreuung.
Die Betroffene erteilte mit notarieller Urkunde vom 10. Februar 2003 ihrem Ehemann, ihrem Sohn und ihrer Tochter, der Beteiligten zu 1, eine umfassende General- und Altersvorsorgevollmacht, die auch die Berechtigung zur Erteilung von Untervollmachten enthielt. Der Ehemann der Betroffenen verstarb im September 2009. Da es im Rahmen der Nachlassabwicklung zu Unstimmigkeiten zwischen der Beteiligten zu 1 und ihrem Bruder kam, erteilte dieser einer Rechtsanwältin (nachfolgend: Unterbevollmächtigte) im Namen der Betroffenen eine Untervollmacht, um mögliche Schadensersatzansprüche gegen die Beteiligte zu 1 geltend zu machen bzw. Schaden abzuwenden.
Der Sohn der Betroffenen verstarb im Januar 2011. Im Februar 2011 beantragte die Unterbevollmächtigte unter Berufung auf die ihr erteilte Vollmacht im Namen der Betroffenen die Bestellung eines Betreuers, hilfsweise eines Kontrollbetreuers für Rechts- und Vermögensangelegenheiten, weil die Beteiligte zu 1 nicht willens oder in der Lage sei, die finanziellen Angelegenheiten der Betroffenen sorgfältig zu regeln.
Ohne der Betroffenen oder der Beteiligten zu 1 die Möglichkeit zu geben, zu den von der Unterbevollmächtigten behaupteten Beanstandungen Stellung zu nehmen, hat das Notariat II Marbach am Neckar - Betreuungsgericht - die Beteiligte zu 2 zur Kontrollbetreuerin bestellt. Die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde.
II.
Die gemäß § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FamFG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Landgericht hat, im Wesentlichen gestützt auf das Vorbringen der Unterbevollmächtigten, die Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB damit begründet, dass die Beteiligte zu 1 zur Geschäftsführung ungeeignet sei. Schon der Umstand, dass die Beteiligte zu 1 in einem für die Betroffene abgeschlossenen notariellen Grundstückskaufvertrag nicht die Kontonummer der Betroffenen, sondern ihre eigene angegeben habe, zeige, dass die Beteiligte zu 1 mit der Vertretung der Betroffenen überfordert sei. Dieser Vorgang belege, dass die Beteiligte zu 1 das Vermögen der Betroffenen nicht klar von ihrem eigenen Vermögen zu trennen vermöge. Außerdem habe die Beteiligte zu 1 keine Erklärung dafür gegeben, warum es nachfolgend nicht zur Eröffnung eines Gemeinschaftskontos der Generalbevollmächtigten gekommen sei, auf das der restliche Kaufpreis für das Grundstück hätte überwiesen werden können, obwohl dies zwischen ihr und ihrem Bruder vereinbart worden sei. Außerdem bestehe ein erheblicher Interessenkonflikt. Die Beteiligte zu 1 habe von der ersten Kaufpreisrate des Grundstücksgeschäfts einen Betrag von 100.000 € als Pflichtteil am Nachlass ihres verstorbenen Vaters einbehalten und sich aus dem Vermögen der Betroffenen ein Darlehen in Höhe von 20.000 € zu einem Zinssatz von monatlich 20,00 € gewährt. Außerdem verlange sie aus dem Vermögen der Betroffenen einen Geldbetrag von 120.000 € als vorweggenommenes Erbe mit der Begründung, dass sie und ihr Bruder als Generalbevollmächtigte der Mutter sich jeweils einen Betrag in dieser Höhe zugewandt hätten.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.
a) Nach § 1896 Abs. 3 BGB kann ein Betreuer zur Geltendmachung von Rechten des Betreuten gegenüber seinem Bevollmächtigten bestellt werden. Mit dieser so genannten Kontrollbetreuung kann im Falle einer wirksam erteilten Vorsorgevollmacht für eine Kontrolle des Bevollmächtigten gesorgt werden, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung nicht mehr in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen und ggf. die Vollmacht zu widerrufen (vgl. Senatsbeschluss vom 13. April 2011 - XII ZB 584/10 - FamRZ 2011, 964 Rn. 26).
Wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, darf eine Kontrollbetreuung jedoch - wie jede andere Betreuung (vgl. § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB) - nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Da der Vollmachtgeber die Vorsorgevollmacht gerade für den Fall erteilt hat, dass er seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln kann, um eine gerichtlich angeordnete Betreuung zu vermeiden, kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, dass der Vollmachtgeber aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage ist, den Bevollmächtigten zu überwachen. Denn der Wille des Vollmachtgebers ist auch bei der Frage der Errichtung einer Kontrollbetreuung zu beachten (vgl. § 1896 Abs. 1 a BGB). Daher müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erforderlich machen. Notwendig ist der konkrete, d.h. durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht Genüge getan wird (Senatsbeschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 666/11 - FamRZ 2012, 871 Rn. 11 mwN).
Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil die zu besorgenden Geschäfte von besonderer Schwierigkeit und/oder besonderem Umfang sind oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und dem Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 30. März 2011 - XII ZB 537/10 - FamRZ 2011, 1047 Rn. 10 mwN).
b) Ausgehend von diesen rechtlichen Grundsätzen hat das Landgericht zu Unrecht die Voraussetzungen für die Errichtung einer Kontrollbetreuung bejaht. Denn die vom Landgericht getroffenen Feststellungen beruhen - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - auf einem nicht hinreichend ermittelten Sachverhalt und sind demnach verfahrensfehlerhaft. Das Landgericht hat entscheidungserhebliches Vorbringen der Betroffenen, das Anlass zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts gegeben hätte, übergangen. Damit hat es gegen die Amtsermittlungspflicht gemäß § 26 FamFG verstoßen.
aa) Gemäß § 26 FamFG hat das Gericht von Amts wegen alle zur Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen erforderlichen Ermittlungen durchzuführen. Dabei entscheidet der Tatrichter über Art und Umfang seiner Ermittlungen nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (Senatsbeschlüsse BGHZ 185, 272 = FamRZ 2010, 1060 Rn. 29 mwN; vom 15. Dezember 2010 - XII ZB 165/10 - FamRZ 2011, 285 Rn. 13 und vom 13. April 2011 - XII ZB 584/10 - FamRZ 2011, 964 Rn. 11).
bb) Diesen Anforderungen ist das Landgericht nicht ausreichend nachgekommen.
Die Betroffene hat in ihrer Beschwerdebegründung umfassend zu den Behauptungen der Unterbevollmächtigten, aus denen das Landgericht die Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung hergeleitet hat, Stellung genommen. Die Betroffene hat dort ausgeführt, dass die Angabe der Kontonummer in dem notariellen Grundstückskaufvertrag auf einem Versehen beruht habe und die Beteiligte zu 1 sofort, nachdem die von ihrem Bruder beauftragte Rechtsanwältin dies beanstandet hatte, eine entsprechende Änderung der Kontoverbindung bei dem zuständigen Notar veranlasst habe. Die Betroffene hat in der Beschwerdebegründung auch erläutert, weshalb die mit der Unterbevollmächtigten besprochene Eröffnung eines Gemeinschaftskonto, auf das der restliche Kaufpreis aus dem Grundstücksgeschäft einbezahlt werden sollte, unterblieben sei und hierzu ein Schreiben der Bank vorgelegt, bei der das Konto eingerichtet werden sollte. Das Landgericht hat sich auch nicht mit den von der Betroffenen vorgelegten Schreiben der Beteiligten zu 1 vom 22. September 2010 und des Notars B. vom 19. November 2010 auseinandergesetzt. Aus diesen Schreiben ergibt sich, dass die Beteiligte zu 1 unmittelbar nach einer Besprechung mit der Unterbevollmächtigten dem beurkundenden Notar mitgeteilt hat, dass die ausstehende Kaufpreisrate aus dem Grundstücksgeschäft auf das Girokonto der Betroffenen überwiesen werden solle. Dass es hierzu nicht gekommen ist, weil die Unterbevollmächtigte zwischenzeitlich den Restkaufpreis auf ihr Rechtsanwaltsanderkonto überweisen ließ, zieht das Landgericht ebenfalls nicht in seine Überlegungen mit ein.
Soweit das Landgericht meint, die Beteiligte zu 1 befinde sich in einem Interessenkonflikt, weil sie sich aus der ersten Kaufpreisrate des Grundstücksgeschäfts eine Betrag von 100.000 € als Pflichtteil am Nachlass ihres verstorbenen Vaters einbehalten habe, setzt sich das Landgericht nicht mit dem Vorbringen der Betroffenen auseinander, dass dies im Einverständnis mit der Unterbevollmächtigten erfolgt sei und sich der Sohn der Betroffenen im Wege eines Insich-Geschäfts ebenfalls einen Geldbetrag von 100.000 € aus dem Vermögen der Betroffenen zugewendet habe. Schließlich ist nach dem Vorbringen der Betroffenen auch die Darlehensgewährung im Einverständnis mit der Unterbevollmächtigten erfolgt. Hierüber hat die Betroffene sogar ein Gesprächsprotokoll vom 20. September 2010 vorgelegt, das vom Landgericht ebenfalls nicht gewürdigt worden ist.
Da das Beschwerdevorbringen geeignet war, die Voraussetzungen für die Errichtung einer Kontrollbetreuung in Frage zu stellen, hätte das Landgericht vor einer Entscheidung über das Rechtsmittel den Sachverhalt weiter aufklären müssen. Der Amtsermittlungsgrundsatz gilt auch im Beschwerdeverfahren, weil das Beschwerdegericht vollständig an die Stelle des erstinstanzlichen Gerichts tritt (vgl. Keidel/Sternal FamFG 17. Aufl. § 36 Rn. 82 mwN).
3. Die angefochtene Entscheidung kann danach nicht bestehen bleiben. Der Senat vermag in der Sache nicht abschließend zu entscheiden, da weitere tatsächliche Ermittlungen erforderlich sind. Die Sache ist daher an das Landgericht zurückzuverweisen.
Dose Weber-Monecke Vézina
Schilling Günter