Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 07.05.2014


BGH 07.05.2014 - XII ZB 408/13

Rechtsbeschwerde im Kindesunterhaltsverfahren: Mindestbeschwer nach einer Verurteilung zur Auskunftserteilung; Unmöglichkeit der Vorlage von in elektronischer Form erhaltenen Entgeltbescheinigungen und Geheimhaltungsinteresse des Unterhaltspflichtigen


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
07.05.2014
Aktenzeichen:
XII ZB 408/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend Brandenburgisches Oberlandesgericht, 13. Juni 2013, Az: 15 UF 134/10, Beschlussvorgehend AG Potsdam, 28. Juni 2010, Az: 43 F 215/07
Zitierte Gesetze

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Senats für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 13. Juni 2013 wird auf Kosten des Beklagten verworfen.

Wert: bis 600 €

Gründe

I.

1

Der 2004 geborene Kläger begehrt vom Beklagten, seinem Vater, mit der vor dem 1. September 2009 erhobenen Stufenklage die Erteilung von Auskünften und die Zahlung von Kindesunterhalt.

2

Das Amtsgericht hat den Beklagten durch Teilurteil zur Auskunftserteilung über sein Einkommen und Vermögen sowie zur Vorlage von Belegen zum Einkommen verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen, weil die gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Mindestbeschwer nicht erreicht sei. Der Beklagte hat dagegen Rechtsbeschwerde eingelegt, mit welcher er die Abweisung der Klage erstrebt.

II.

3

Auf das Verfahren ist gemäß Art. 111 Abs. 1 FGG-RG noch das bis 31. August 2009 geltende Prozessrecht anwendbar, weil der Rechtsstreit vor diesem Zeitpunkt eingeleitet worden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 3. November 2010 - XII ZB 197/10 - FamRZ 2011, 100 Rn. 10).

4

Die gemäß §§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind.

5

1. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Der angefochtene Beschluss verletzt den Beklagten weder in seinem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechtsschutz (Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip) noch in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG). Diese Verfahrensgrundrechte verbieten es den Gerichten, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren (Senatsbeschlüsse vom 23. Mai 2012 - XII ZB 594/11 - FamFR 2012, 353 und vom 12. Oktober 2011 - XII ZB 127/11 - FamRZ 2011, 1929 Rn. 8 mwN).

6

2. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zutreffend nach §§ 522 Abs. 1 Satz 2, 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO als unzulässig verworfen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht übersteige. Das stimmt mit der Rechtsprechung des Senats überein und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

7

a) Das Oberlandesgericht hat ausgeführt, der Wert des Beschwerdegegenstandes richte sich nach dem Interesse des Beklagten, die Auskunft nicht erteilen zu müssen. Es komme auf den Aufwand an Zeit und Kosten an, den die Erteilung der Auskunft erfordere. Da dem Beklagten, der bei der S.     AG abhängig beschäftigt sei, die Auskunft ohne Unterstützung eines Dritten möglich sei, sei die Beschwer anhand des persönlichen Zeit- und Arbeitsaufwands des Auskunftspflichtigen zu schätzen. Ein besonderes und schützenswertes Geheimhaltungsinteresse sei nicht dargelegt. Inwiefern der Kläger die im Rahmen der Auskunftserteilung erlangten Informationen nutzen könnte, um ihm zu schaden, sei nicht ersichtlich.

8

Das Oberlandesgericht hat näher begründet, dass der erforderliche Arbeitsaufwand wie auch Kosten aufgrund der Verpflichtung zur Vorlage von Belegen keinen 600 € übersteigenden Wert ergeben.

9

b) Die Rechtsbeschwerde vermag einen Grund im Sinne von § 574 Abs. 2 ZPO nicht aufzuzeigen.

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aa) Die Rechtsbeschwerde vertritt die Auffassung, der Beklagte sei zu einer unmöglichen Leistung verurteilt worden, weil er zur Vorlage von Originalen seiner Entgeltnachweise verurteilt sei, wobei er diese nur elektronisch erhalte. Er könne die Nachweise lediglich wieder in Papierform erhalten, die sich jedoch von dem elektronisch übermittelten Entgeltnachweis nicht unterscheide. Die Verpflichtung zur Vorlage von Originalen führe zwangsläufig zur Verhängung eines Zwangsgelds, was der Beschwer mit 1.000 € hinzuzurechnen sei.

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Das erscheint bereits deswegen zweifelhaft, weil die Vorlage eines Originals, etwa mit Datum, Stempel und Unterschrift des Arbeitgebers entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht geschuldet ist. Das Urteil bezieht sich ersichtlich auf § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach über die Höhe der Einkünfte auf Verlangen Belege, insbesondere Bescheinigungen des Arbeitgebers, vorzulegen sind. Es braucht nicht entschieden zu werden, ob der Beklagte - was naheliegt - durch die Vorlage von Ausdrucken der ihm erteilten Lohnnachweise seiner Verpflichtung genügen würde.

12

Denn eine Unmöglichkeit der Vorlage von Belegen ergibt sich aus dem Vorbringen des Beklagten jedenfalls nicht. Dass weder ein vom Beklagten selbst noch ein von seinem Arbeitgeber erstellter Lohnnachweis die Erfordernisse des Titels erfüllen könne, weil das Original nur die elektronische Version sei, trifft nicht zu. Vielmehr würde der Beklagte jedenfalls durch von seinem Arbeitgeber erstellte Ausdrucke seiner Pflicht aus dem Titel zweifellos Genüge tun. Die zur unmöglichen Auskunftserteilung ergangene Rechtsprechung des Senats zur Erhöhung der Beschwer um die Kosten einer notwendigen Rechtsverteidigung (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Oktober 2011 - XII ZB 465/11 - FamRZ 2012, 24 Rn. 18 ff. und Senatsurteil vom 10. Dezember 2008 - XII ZR 108/05 - FamRZ 2009, 495, 496) findet demnach keine Anwendung. Dass die von ihm im ungünstigsten Fall verlangte Beschaffung der von seinem Arbeitgeber noch zu erstellenden Lohnbescheinigungen einen nennenswerten Kostenaufwand verursacht, hat der Beklagte nicht dargetan. Dafür, dass er gegen seinen Arbeitgeber auf "Vorlage von Originalbelegen" klagen müsste, hat der Beklagte schließlich nichts vorgetragen.

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bb) Des Weiteren hat sich der Beklagte auf ein Geheimhaltungsinteresse berufen und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung geltend gemacht. Hierbei handelt es sich indessen schon nicht um eine besondere Interessenlage des Beklagten, weil es sich bei den Lohnbescheinigungen um eine übliche und vom Gesetz in § 1605 Abs. 1 Satz 2 BGB besonders hervorgehobene Form der Auskunftserteilung handelt (vgl. auch §§ 235, 236 FamFG), die dem Unterhaltsberechtigten eine Überprüfung der Unterhaltsbemessung ermöglichen soll. Dass dabei - etwa mit der Personalnummer bei seinem Arbeitgeber und der Kontonummer - auch Daten mitgeteilt würden, die für die Unterhaltsbemessung nicht notwendig seien, stellt entgegen der Auffassung des Beklagten keine reine Datenerhebung um der Datenerhebung Willen dar, sondern steht im Sachzusammenhang mit der Auskunft und eröffnet dem Gericht bei unzureichender Auskunft das in § 236 Abs. 1 Nr. 1 FamFG vorgesehene Auskunftsverlangen an den Arbeitgeber. Ob der Beklagte etwa befugt wäre, derartige Angaben zu schwärzen, braucht aber schon deswegen nicht entschieden zu werden, weil es sich - wie etwa auch bei der Mitteilung der Adresse - im Regelfall um nebensächliche Auskünfte handelt und ein im vorliegenden Einzelfall drohender konkreter Nachteil vom Beklagten insoweit nicht dargetan ist (vgl. BGH Beschluss vom 10. Juni 1999 - VII ZB 17/98 - NJW 1999, 3049).

14

cc) Schließlich liegt auch die vom Beklagten gerügte Gehörsverletzung nicht vor. Dafür, dass er durch den angefochtenen Beschluss in unzulässiger Weise überrascht worden sei, beruft sich der Beklagte darauf, er habe nach zweifacher Ladung zur mündlichen Verhandlung und von ihm in diesem wie in einem anderen Verfahren gestellten Ablehnungsgesuchen davon ausgehen können, dass das vorliegende Verfahren genau da fortgesetzt werden würde, wo es durch die Ablehnungsgesuche unterbrochen worden sei. Hierfür fehlt eine Grundlage. Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom 24. August 2010 auf eine mögliche Unzulässigkeit der Berufung hingewiesen. Nach der Erledigung des Ablehnungsgesuchs hat das Oberlandesgericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. April 2012 bestimmt. Nachdem dieser Termin wegen eines erneuten Ablehnungsgesuchs in einem anderen Verfahren wieder aufgehoben worden ist, durfte der anwaltlich vertretene Beklagte nicht darauf vertrauen, dass ein erneuter Termin anberaumt werden würde. Vielmehr hatte er ausreichende Gelegenheit, auf den Hinweis vom 24. August 2010 Stellung zu nehmen und den nach seiner Auffassung bestehenden Wert des Beschwerdegegenstandes eingehend zu begründen. Wenn das Oberlandesgericht mithin ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, weil es eine solche hinsichtlich der - ursprünglich noch angestrebten - einvernehmlichen Regelung des Unterhalts nicht mehr für zweckdienlich gehalten hat, ist dies nicht zu beanstanden.

15

dd) Die weiteren von der Rechtsbeschwerde geltend gemachten Beanstandungen betreffen die Begründetheit des Auskunftsverlangens und sind - mit Ausnahme des oben erörterten Einwands der Unmöglichkeit - schon deswegen für die Zulässigkeit der Berufung ohne Bedeutung.

Dose                      Klinkhammer                         Günter

             Botur                                Guhling