Entscheidungsdatum: 13.03.2013
Begehrt ein Verein, der als Pfleger bestellt ist, seine Entlassung und die Bestellung seines Mitarbeiters, um entsprechend den Vorschriften zum Betreuungsrecht eine Vergütung beanspruchen zu können, ist diesem Antrag grundsätzlich stattzugeben, auch wenn der Verein bei seiner Bestellung nach der seinerzeit geltenden Rechtslage keinen Vergütungsanspruch hatte.
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des 1. Senats für Familienrecht des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 5. Juni 2012 aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung, auch wegen der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Beschwerdegericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 3.000 €
I.
Der Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Vormundschaftsverein) begehrt die Entlassung aus der Führung einer Ergänzungspflegschaft und die Bestellung seiner Mitarbeiterin, der Beteiligten zu 2, zur Vereinspflegerin.
Im Jahr 2006 wurde den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht entzogen und der Vormundschaftsverein zum Pfleger für das Kind bestellt. Für ihn übernahm die Beteiligte zu 2 die Führung der Pflegschaft.
Nach der Änderung der Senatsrechtsprechung im Jahr 2011, wonach ein zum Vormund bestellter Verein keine Vergütung mehr beanspruchen kann (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394), hat der Vormundschaftsverein u. a. beantragt, ihn aus dem Amt des Pflegers zu entlassen und die Beteiligte zu 2 als Vereinspflegerin analog § 1897 Abs. 2 BGB zu bestellen. Das Amtsgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die hiergegen eingelegte Beschwerde des Vormundschaftsvereins zurückgewiesen. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seine Anträge weiter.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Vormundschaftsverein habe seine gemäß §§ 1915 Abs. 1 Satz 1, 1791 a Abs. 1 Satz 2 aE BGB notwendige Einwilligung bei der im Jahr 2006 erfolgten Bestellung zum Pfleger auf der Grundlage erteilt, dass seine Tätigkeit nach der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht vergütungsfähig gewesen sei. Entsprechend habe er zunächst auch keine Vergütung beansprucht. Dies habe sich erst nach der Rechtsprechungsänderung im Jahr 2007 geändert (BGH FamRZ 2007, 900 f.). Die abermalige Änderung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Vergütungsfähigkeit von Vormundschaften und Pflegschaften, die durch einen zum Vormund/Pfleger bestellten Verein geführt würden, dahin, dass diese Vereine gemäß § 1836 Abs. 3 BGB keinen Anspruch auf Vergütung und Auslagenersatz hätten (BGH FamRZ 2011, 1394), berühre daher die Grundlage der Einwilligung des Beteiligten zu 1 in seine Bestellung nicht. Allein darauf komme es aber für die Frage an, ob ein Wechsel des Pflegers vorzunehmen sei. Entscheidend sei, ob der Verein bereits bei seiner Bestellung von der Vergütungsfähigkeit seiner Tätigkeit habe ausgehen können. Nur dann führe deren Wegfall zu einer veränderten Situation gegenüber derjenigen zum Zeitpunkt der Einwilligung in die Bestellung. Entgegen den Ausführungen in der Beschwerdebegründung sei daher allein der Umstand, dass nur bei Bestellung eines Vereinspflegers eine Vergütung verlangt werden könne, kein Grund im Sinne des § 1889 Abs. 2 Satz 2 BGB.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Gemäß § 1915 Abs. 1 i.V.m. § 1889 Abs. 2 Satz 1 BGB hat das Familiengericht das Jugendamt oder den Verein als Vormund (bzw. Pfleger i.S.d. § 1909 BGB) auf seinen Antrag zu entlassen, wenn eine andere als Vormund (Pfleger) geeignete Person vorhanden ist und das Wohl des Mündels dieser Maßnahme nicht entgegensteht. Nach Satz 2 ist ein Verein auf seinen Antrag ferner zu entlassen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Entscheidung steht nicht im Ermessen des Familiengerichts.
§ 1889 BGB regelt damit die Entlassung des Vormunds (Pflegers) aufgrund seines eigenen Interesses. Die Norm verleiht dem Vormund daher einen eigenen Anspruch auf Entlassung (MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1889 Rn. 1). Von dem Tatbestandsmerkmal "wichtiger Grund" im Sinne des § 1989 Abs. 2 Satz 2 BGB werden dabei auch berechtigte wirtschaftliche Interessen des Vereins umfasst (vgl. MünchKommBGB/Wagenitz 6. Aufl. § 1889 Rn. 7).
b) Gemessen hieran liegen entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts die Voraussetzungen für eine Entlassung des Vormundschaftsvereins vor, und zwar sowohl nach § 1889 Abs. 2 Satz 2 BGB wie auch nach dessen Satz 1.
aa) Es liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 1889 Abs. 2 Satz 2 BGB vor. Nach der geltenden Rechtslage kann der zum Pfleger bestellte Vormundschaftsverein keine Vergütung beanspruchen. Das hat der Senat in Änderung seiner früheren Rechtsprechung mit Beschluss vom 25. Mai 2011 (XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394) für einen Verein, der gemäß § 1791 a BGB selbst zum Vormund bestellt wird, entschieden. Gemäß § 1915 Abs. 1 BGB gilt Entsprechendes für den zum Pfleger bestellten Verein.
In dieser Entscheidung hat der Senat allerdings zugleich ausgeführt, dass der Verein für seinen Mitarbeiter, der zum Vormund bestellt worden ist, eine Vergütung beanspruchen kann, wobei § 1897 Abs. 2 Satz 1 BGB i.V.m. § 7 VBVG entsprechend heranzuziehen ist (Senatsbeschluss vom 25. Mai 2011 - XII ZB 625/10 - FamRZ 2011, 1394 Rn. 22 ff.). Auch dies gilt gemäß § 1915 Abs. 1 BGB entsprechend für einen zum Pfleger bestellten Mitarbeiter des Vereins, wobei § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten ist.
bb) Soweit das Beschwerdegericht maßgeblich darauf abstellt, dass der Vormundschaftsverein im vorliegenden Fall (anders als in den von ihm veröffentlichten Entscheidungen, s. OLG Düsseldorf Beschlüsse vom 9. Mai 2012 - 1 WF 17/12 - juris Rn. 6 und FamRZ 2013, 54 f.
cc) Es braucht deshalb nicht weiter erörtert zu werden, ob daneben auch die Voraussetzungen für eine Entlassung nach § 1889 Abs. 2 Satz 1 BGB vorliegen. Danach hat das Familiengericht den Verein als Vormund (Pfleger) auf seinen Antrag zu entlassen, wenn eine andere als Vormund (Pfleger) geeignete Person vorhanden ist und das Wohl des Mündels dieser Maßnahme nicht entgegensteht. Nach den getroffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts hat die Beteiligte zu 2, die nach dem Wunsch des Vormundschaftsvereins nunmehr als Vereinspflegerin bestellt werden soll, bereits seit 2006 diese Aufgabe für den Verein übernommen. Von daher würde sich für das Kind nichts ändern, weshalb auch keine Gründe ersichtlich sind, die einer Entlassung des Vormundschaftsvereins gemäß § 1889 Abs. 2 Satz 1 BGB entgegenstünden.
3. Gemäß § 74 Abs. 5 FamFG ist der Beschluss des Beschwerdegerichts aufzuheben. Nach § 74 Abs. 6 Satz 1 und 2 FamFG ist die Sache an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen, weil sie in der Sache selbst noch nicht entscheidungsreif ist. Zwar könnte der Senat bereits jetzt über die Entlassung entscheiden. Ihm ist es aber verwehrt, die mit der Entlassung einhergehende Bestellung eines neuen Pflegers anzuordnen. Das Beschwerdegericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine weiteren Feststellungen zur Auswahl des Pflegers getroffen (s. insbesondere § 1915 Abs. 1 i.V.m. § 1779 BGB).
Dose Schilling Günter
Nedden-Boeger Botur