Entscheidungsdatum: 22.03.2017
Zur Behandlung geringfügiger Anrechte (§ 18 VersAusglG) bei Tod eines Ehegatten vor Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich (§ 31 VersAusglG).
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des 5. Senats für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 21. April 2015 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: bis 4.000 €
I.
Auf den am 7. Dezember 2004 zugestellten Antrag hat das Familiengericht die am 19. Mai 1989 geschlossene Ehe der Antragstellerin und ihres Ehemanns geschieden und den Versorgungsausgleich nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht durchgeführt. Der Ausspruch zur Scheidung ist seit dem 24. August 2010 rechtskräftig. Auf die Berufung der Antragstellerin hat das Oberlandesgericht die Folgesache Versorgungsausgleich wegen Rechtsmängeln der Satzung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (im Folgenden: VBLS) in Bezug auf die Berechnung von Startgutschriften rentenferner Jahrgänge abgetrennt und ausgesetzt sowie im Mai 2012 wieder aufgenommen. Am 24. September 2014 verstarb der Ehemann; er wurde von der nunmehrigen Antragsgegnerin beerbt.
Während der Ehezeit (1. Mai 1989 bis 30. November 2004; § 3 Abs. 1 VersAusglG) hat die Antragstellerin 9,7090 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 4,8545 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 27.857,35 € in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, darüber hinaus eine private Lebensversicherung mit einem Deckungskapital von 2.194,83 €. Der Ehemann hat 16,7097 Entgeltpunkte mit einem Ausgleichswert von 8,3549 Entgeltpunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 47.944,26 € in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben sowie eine private Lebensversicherung mit einem Deckungskapital von 2.161,72 €. Außerdem hat er nach einer am 2. April 2013 erteilten Auskunft der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) 12,70 Versorgungspunkte in der Pflichtversicherung (VBLklassik) mit einem – nach Abzug von insgesamt 250 € Teilungskosten – Ausgleichswert von 6,72 Versorgungspunkten und einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.136,62 € erworben.
Das Familiengericht hatte unter Anwendung des bis 31. August 2009 geltenden Rechts eine gesetzliche Rentenanwartschaft in Höhe von monatlich 93,24 € vom Versicherungskonto des Ehemanns auf dasjenige der Ehefrau übertragen. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich deren zugelassene Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
Auf das Verfahren zum Versorgungsausgleich ist gemäß Art. 111 Abs. 3 FGG-RG, § 48 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG das seit dem 1. September 2009 geltende Verfahrensrecht und materielle Recht anzuwenden, weil das Verfahren nach dem 1. September 2009 ausgesetzt worden ist.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die Beschwerde der Ehefrau gegen die noch nach früherem Recht ergangene Entscheidung des Familiengerichts bleibe erfolglos, da sich auch nach dem seit 1. September 2009 geltenden Recht ein höherer Anspruch auf Wertausgleich für die Ehefrau nicht ergebe. Die vom Familiengericht vorgenommene Übertragung von Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 93,24 € entspreche, bezogen auf das Ehezeitende, 3,5683 Entgeltpunkten, während nach neuem Recht unter Anwendung des § 31 VersAusglG nur 3,5004 Entgeltpunkte zu übertragen wären.
Zu saldieren seien nach § 31 VersAusglG nur diejenigen Anrechte, für die der Versorgungsausgleich unter Lebenden durchgeführt worden wäre. Das seien hier nur die in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechte. Nicht in die Saldierung einzubeziehen seien die von den Ehegatten in der privaten Lebensversicherung und bei der VBL erworbenen Anrechte, da diese unter die Geringfügigkeitsregelung des § 18 Abs. 2 VersAusglG fielen. Die Geringfügigkeitsprüfung nach § 18 VersAusglG sei auch bei der Bestimmung des Wertausgleichs nach § 31 VersAusglG vorzunehmen, da andernfalls auch solche Bagatellanrechte ausgeglichen würden, die bei einem Hin- und Her-Ausgleich unter Lebenden unberücksichtigt geblieben wären, was dem in § 31 Abs. 2 VersAusglG normierten Besserstellungsverbot widerspreche. Die VBL habe den Ausgleichswert des bei ihr bestehenden Anrechts zutreffend unter Zugrundelegung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren mit 6,72 Versorgungspunkten ermittelt, was einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.136,62 € entspreche.
Bei Saldierung der korrespondierenden Kapitalwerte der hier nur auszugleichenden Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung ergebe sich eine Differenz von (47.944,26 € - 27.857,35 € =) 20.086,91 €, was 3,5004 Entgeltpunkten entspreche, deren Übertragung auf das Versicherungskonto der Antragstellerin nach § 31 VersAusglG angeordnet werden könnte. Das entspräche jedoch einem geringeren Wert als die vom Familiengericht nach früherem Recht bereits übertragenen Rentenanwartschaften in Höhe von 93,24 € monatlich (= 3,5683 Entgeltpunkte), so dass eine Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung auf das nur von der Ehefrau eingelegte Rechtsmittel hin nicht veranlasst sei.
2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Stirbt ein Ehegatte – wie hier der Ehemann – nach Rechtskraft der Scheidung, aber vor Rechtskraft der Entscheidung über den Wertausgleich nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG, so ist das Recht des überlebenden Ehegatten auf Wertausgleich gegen die Erben geltend zu machen. Die Erben haben kein Recht auf Wertausgleich (§ 31 Abs. 1 VersAusglG).
Der überlebende Ehegatte darf durch den Wertausgleich allerdings nicht bessergestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre (§ 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Um dies zu gewährleisten, ist eine Gesamtbilanz aller auszugleichenden Anrechte zu erstellen und der Ausgleich in Höhe des sich daraus insgesamt ergebenden Ausgleichswerts durchzuführen. Sind mehrere Anrechte auszugleichen, ist nach billigem Ermessen zu entscheiden, welche Anrechte zum Ausgleich herangezogen werden (§ 31 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG).
b) Welche auszugleichenden Anrechte in die Bilanz einzustellen sind, richtet sich – ebenso wie die Berechnung des Ehezeitanteils und Ausgleichswerts der einzelnen Anrechte – auch im Fall eines nach § 31 VersAusglG geltend zu machenden Anspruchs grundsätzlich nach den §§ 2 ff. VersAusglG.
Gemäß § 18 Abs. 2 VersAusglG soll allerdings das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen. Wie sich diese Vorschrift bei der Berechnung des Wertausgleichs in Fällen des § 31 VersAusglG auswirkt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten.
aa) Zum Teil wird – wie auch in der angefochtenen Entscheidung – vertreten, geringfügige Anrechte im Sinne des § 18 Abs. 2 VersAusglG blieben bei der Saldierung außer Betracht, da das Besserstellungsverbot des § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG eine Alternativberechnung erfordere, bei der zu prüfen sei, wie der Ausgleich bei Anwendung der §§ 9 bis 19 VersAusglG durchzuführen gewesen wäre und zu welchem Ergebnis dies geführt hätte. Der Ausgleichsbetrag nach § 31 VersAusglG sei daher auf den Betrag zu begrenzen, den der Berechtigte auch bei einem Hin- und Her-Ausgleich im Ergebnis als Überschuss bekommen hätte. Dabei sei auch § 18 VersAusglG zu berücksichtigen, denn für geringfügige Anrechte im Sinne dieser Vorschrift wäre ein Ausgleich nicht durchgeführt worden (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 2015, 507, 510; OLG Naumburg FamRZ 2013, 1046; Ruland Versorgungsausgleich 4. Aufl. Rn. 557; Götsche FamRB 2012, 56, 59; ders. in Götsche/Rehbein/Breuers Versorgungsausgleichsrecht 2. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 21).
bb) Nach anderer Auffassung ist § 18 VersAusglG jedenfalls auf die einzelnen in die Gesamtbilanz einzustellenden Anrechte nicht anwendbar, weil in den Fällen des § 31 VersAusglG ein Hin- und Her-Ausgleich ohnehin vermieden und im Ergebnis nur ein Anrecht ausgeglichen werde. Da demzufolge ein besonderer Verwaltungsaufwand bei der Teilung und eine Zersplitterung von Versorgungsanrechten nicht entstehen könnten, gebe es für die Anwendung des § 18 VersAusglG insoweit keine Rechtfertigung (OLG Oldenburg Beschluss vom 13. August 2016 - 11 UF 19/16 - juris Rn. 22 ff.; OLG Celle FamRZ 2013, 382, 385; OLG Koblenz FamRZ 2012, 1807; OLG Brandenburg FamRZ 2011, 1299; OLG Hamm NJW-RR 2011, 1376; OLG Dresden Beschluss vom 3. November 2010 - 23 UF 500/10 - juris Rn. 19; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 6. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 6; Wick Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 547; MünchKommBGB/Gräper 6. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 5; Erman/Norpoth BGB 14. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 4a; Bergner NZFam 2014, 539, 545; Borth Versorgungsausgleich 7. Aufl. Rn. 767).
Im Rahmen dieser Auffassung wird allerdings teilweise vertreten, dass die Bagatellprüfung nach § 18 VersAusglG dann vorzunehmen sei, wenn die Gesamtausgleichsdifferenz als solche nicht die Geringfügigkeitsgrenzen überschreite (vgl. OLG Oldenburg Beschluss vom 13. August 2016 - 11 UF 19/16 - juris Rn. 22 ff.; OLG Celle FamRZ 2013, 382, 385; Wick Der Versorgungsausgleich 3. Aufl. Rn. 547; Johannsen/Henrich/Holzwarth Familienrecht 6. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 6; MünchKommBGB/Gräper 6. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 5; Erman/Norpoth BGB 14. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 4a; Borth Versorgungsausgleich 7. Aufl. Rn. 767).
cc) Zutreffend ist im Wesentlichen die zuletzt genannte Auffassung.
Wie der Senat bereits ausgeführt hat, steht § 18 VersAusglG in einem Spannungsverhältnis zu dem im Versorgungsausgleich geltenden Halbteilungsgrundsatz. Mit der hälftigen Teilung der erworbenen Anrechte soll grundsätzlich die gleiche Teilhabe der Ehegatten an dem in der Ehe erwirtschafteten Versorgungsvermögen gewährleistet werden. Auch wenn der Halbteilungsgrundsatz vom Gesetz nicht ausnahmslos eingehalten wird, so ist er gleichwohl der Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts und bei der Auslegung einzelner Vorschriften und bei Ermessensentscheidungen vorrangig zu berücksichtigen (Senatsbeschlüsse vom 18. Januar 2012 - XII ZB 501/11 - FamRZ 2012, 513 Rn. 21 und vom 7. August 2013 - XII ZB 211/13 - FamRZ 2013, 1636 Rn. 32).
Gesetzeszweck der Regelungen des § 18 VersAusglG ist danach vornehmlich die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Aufwands für den Versorgungsträger. Es sind also die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten der Versorgungsträger gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - XII ZB 501/11 - FamRZ 2012, 513 Rn. 23). Hinzu kommt, dass § 18 VersAusglG neben der Reduzierung des Verwaltungsaufwands den weiteren Zweck verfolgt, sogenannte Splitterversorgungen zu vermeiden (Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - XII ZB 501/11 - FamRZ 2012, 513 Rn. 25). Es handelt sich um eine Ermessensvorschrift, die praktischen Bedürfnissen bei der Umsetzung des Ausgleichs im Einzelfall Rechnung tragen soll.
Können die mit § 18 VersAusglG verfolgten Gesetzesziele von vornherein nicht erreicht werden, sind die Voraussetzungen für ein ausnahmsweises Abweichen vom Halbteilungsgrundsatz nicht gegeben. Der Halbteilungsgrundsatz tritt dann in den Vordergrund mit der Folge, dass auch geringwertige Anrechte auszugleichen sind (vgl. Senatsbeschluss vom 18. Januar 2012 - XII ZB 501/11 - FamRZ 2012, 513 Rn. 25).
(1) Stellen die geringfügigen Anrechte lediglich Rechnungsposten in der Gesamtbilanz dar, ohne dass sie selbst zum Ausgleich herangezogen werden sollen, sprechen keine hinreichend gewichtigen Gründe dafür, sie abweichend vom Halbteilungsgrundsatz nicht zu berücksichtigen. Denn durch eine Nichtberücksichtigung in der Gesamtbilanz würden weder Splitterversorgungen vermieden noch ein Verwaltungsaufwand bei den Versorgungsträgern erspart.
(2) Steht jedoch in Rede, das geringfügige Recht selbst zum Ausgleich heranzuziehen, wie dies vor allem dann unausweichlich wäre, wenn ausschließlich der verstorbene Ehegatte ehezeitliche Versorgungsanrechte erworben hatte oder überhaupt nur geringfügige Anrechte für den Gesamtausgleich zur Verfügung stehen, gebietet die Sollvorschrift des § 18 Abs. 2 VersAusglG das Absehen von der Einbeziehung des Anrechts nach den sonst üblichen Kriterien für die Ermessensausübung.
(3) Dasselbe muss in entsprechender Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG gelten, wenn ein zwar an sich höherwertiges Anrecht zum Ausgleich herangezogen werden soll, nach durchgeführter Gesamtsaldierung jedoch nur noch eine geringe Wertdifferenz zum konkreten Ausgleich verbleibt, welche die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG für sich genommen nicht übersteigt. Denn die nach Sinn und Zweck des § 18 VersAusglG maßgebliche Frage, ob die Durchführung des Ausgleichs für den Versorgungsträger mit einem unnötigen Verwaltungsaufwand verbunden wäre oder das Entstehen unerwünschter Splitterversorgungen begünstigt, stellte sich auch in einem solchen Fall.
dd) Im vorliegenden Fall hat das Oberlandesgericht das in der gesetzlichen Rentenversicherung begründete Anrecht des Ehemanns für den Gesamtausgleich herangezogen. Hätte das Oberlandesgericht die beiderseits erworbenen geringfügigen Anrechte als weitere Rechnungsposten in der Gesamtsaldierung berücksichtigt, hätten diese Anrechte nicht für die Durchführung des Gesamtausgleichs herangezogen werden müssen, sondern es hätte ein entsprechend höherer Wertanteil des vom Ehemann in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbenen Anrechts auf die Antragstellerin übertragen werden können (§ 31 Abs. 2 Satz 2 VersAusglG). Dann aber stehen weder ein Verwaltungsaufwand bei den Versorgungsträgern noch das Interesse an einer Vermeidung von Splitterversorgungen einer Einbeziehung dieser Anrechte entgegen.
ee) Der Berücksichtigung der geringfügigen Anrechte als Rechnungsposten in der aufzustellenden Gesamtbilanz steht auch nicht entgegen, dass dies im Ergebnis zu einem weitergehenden Ausgleich führen kann, als wären diese Anrechte – im Falle eines noch unter Lebenden durchgeführten Hin- und Her-Ausgleichs – unberücksichtigt geblieben. Zwar darf der überlebende Ehegatte durch den Wertausgleich grundsätzlich nicht besser gestellt werden, als wenn der Versorgungsausgleich durchgeführt worden wäre (§ 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG). Mit dieser Regelung soll allerdings nur ausgedrückt werden, dass der überlebende Ehegatte nicht unter Beibehaltung seiner eigenen Anrechte den vollen Ausgleich der Anrechte des Verstorbenen verlangen kann, sondern der Ausgleich auf die Wertdifferenz der beiderseits erworbenen Anrechte beschränkt bleibt. Ist die Summe der eigenen Anrechte geringer als diejenige, die der überlebende Ehegatte nach durchgeführtem Versorgungsausgleich gehabt hätte, besteht ein Bedürfnis, diese Lücke zu schließen. In dieser Höhe ist der Wertausgleich zulasten eines der Anrechte oder gegebenenfalls mehrerer Anrechte des Verstorbenen durchzuführen. Hat der Überlebende hingegen höhere eigene Anrechte als der verstorbene Ehegatte, läuft das Recht auf Wertausgleich nach § 31 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG ins Leere (BT-Drucks. 16/10144 S. 71).
In der Regelung dieses Grundsatzes erschöpft sich die Bedeutung des § 31 Abs. 2 Satz 1 VersAusglG. Die Vorschrift verfolgt nicht den Zweck, solche Besserstellungen des ausgleichsberechtigten Ehegatten zu beschränken, die sich aus der Systematik des Versorgungsausgleichs selbst ergeben (ähnlich Erman/Norpoth BGB 14. Aufl. § 31 VersAusglG Rn. 4a). So kann sich der Wert eines einzustellenden Anrechts beispielsweise dadurch erhöhen, dass keine Teilungskosten abzuziehen sind, wenn das Anrecht nicht selbst für die Durchführung des Ausgleichs herangezogen wird. Ebenso schließt die Vorschrift nicht aus, Ermessenserwägungen in den Fällen des § 18 VersAusglG oder Billigkeitserwägungen im Rahmen der §§ 19 Abs. 3, 27 VersAusglG unter anderen Gesichtspunkten und mit anderem Ergebnis vorzunehmen als dies bei einem Ausgleich unter Lebenden angezeigt gewesen wäre.
ff) Nach vorstehenden Grundsätzen sind die beiderseits in der privaten Lebensversicherung erworbenen Anrechte ebenso wie das vom verstorbenen Ehemann bei der VBL erworbene Anrecht in die Gesamtbilanz einzustellen.
c) Bei der Berechnung des Gesamtausgleichs ist der vom Oberlandesgericht gewählte Ansatz, die Grenze zur Besserstellung anhand einer Saldierung von Deckungskapital und korrespondierenden Kapitalwerten der auszugleichenden Anrechte zu ermitteln, grundsätzlich nicht zu beanstanden (Senatsbeschluss vom 5. Juni 2013 - XII ZB 635/12 - FamRZ 2013, 1287 Rn. 30).
Danach ergäben sich auf Grundlage der bisher erteilten Auskünfte für die Antragstellerin Ausgleichswerte als Kapitalwerte in Höhe von 27.857,35 € in der gesetzlichen Rentenversicherung und (2.194,83 € / 2 =) 1.097,42 € in der privaten Lebensversicherung, insgesamt also 28.954,77 €. Für den Ehemann ergäben sich 47.944,26 € in der gesetzlichen Rentenversicherung, (2.161,72 € / 2 =) 1.080,86 € in der privaten Lebensversicherung und – unter Herausrechnung der anteiligen Teilungskosten – (2.136,62 € + 125 € =) 2.261,62 € in der Zusatzversorgung der VBL, insgesamt also 51.286,74 €. Der auszugleichende Saldo betrüge danach (51.286,74 € - 28.954,77 € =) 22.331,97 €. Das entspräche bei einem Umrechnungsfaktor von 0,0001742628 zum Ende der Ehezeit (22.331,97 € * 0,0001742628 =) 3,8916 Entgeltpunkte und überstiege somit den im ersten Rechtszug vorgenommenen Ausgleich.
d) Der Durchführung des Versorgungsausgleichs steht zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur (erneuten) Unwirksamkeit der Startgutschriftenregelung der VBL für rentenferne Versicherte (vgl. BGHZ 209, 201 = VersR 2016, 583) entgegen.
Zwar gehört der 1957 geborene Ehemann zu den sogenannten rentenfernen Jahrgängen, so dass an sich der Ehezeitanteil des erworbenen Anrechts durch den Tatrichter neu festzustellen wäre, sobald die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes die Berechnung der Startgutschriften für rentenferne Jahrgänge neu geregelt haben (vgl. Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 663/13 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Das bei der VBL bestehende Versorgungsanrecht hat im vorliegenden Fall jedoch lediglich Bedeutung in Form des mit ihm korrespondierenden Kapitalwerts als Rechnungsposten in der zu erstellenden Gesamtbilanz aller auszugleichenden Anrechte. Die Startgutschrift des kurz vor der Systemumstellung in die Pflichtversicherung eingetretenen Ehemanns ist bisher mit 1,00 € monatlich errechnet. Angesichts dieses ohnehin geringen Werts der Startgutschrift lässt die durch die Tarifparteien zu treffende Nachjustierung für den Ehemann allenfalls eine wirtschaftlich bedeutungslose Veränderung im Bagatellbereich erwarten. Das rechtfertigt es nicht, die Erstellung der ohnehin nur auf korrespondierenden Kapitalwerten beruhenden und schon deshalb mit Unschärfen behafteten Gesamtbilanz durch eine Aussetzung des Verfahrens auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern.
e) Die von der VBL erteilte Versorgungsauskunft beruht indessen inhaltlich auf einer Zugrundelegung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren und ist deshalb nicht verwertbar.
Wie der Senat bereits entschieden hat, führt das von der VBL auf der Grundlage von § 32 a Abs. 2 Satz 2 VBLS praktizierte Verfahren zur Ermittlung des Ausgleichswerts bei der internen Teilung unter Verwendung der im Technischen Gesamtplan der VBL enthaltenen geschlechtsspezifischen Barwertfaktoren für die Umrechnung bzw. Zurückrechnung von Barwerten zu einer mit Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von ausgleichsberechtigten Personen männlichen und weiblichen Geschlechts (Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 697/13 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) und sind deshalb ab einer angemessenen, inzwischen abgelaufenen Umstellungsphase nicht mehr verwertbar.
Ein schützenswertes Vertrauen in die Zulässigkeit geschlechtsspezifischer versicherungsmathematischer Rechnungsgrundlagen kann aufgrund der sogenannten „Test-Achats“-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH Urteil vom 1. März 2011 - Rs. C-236/09 - Slg. 2011, I-773 = NJW 2011, 907 Rn. 19-21) jedenfalls für die im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nach dem 21. Dezember 2012 neu abgeschlossenen Versicherungen nicht mehr in Anspruch genommen werden. Die möglichen Folgewirkungen der „Test-Achats“-Entscheidung auf das System der betrieblichen Altersversorgung haben ihren Niederschlag auch in den zwischen der VBL und der Fachvereinigung Zusatzversorgung in der Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung e.V. (AKA) vereinbarten „Richtlinien zum Versorgungsausgleich“ (abgedruckt bei Gilbert/Hesse Die Versorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes unter Nr. 610) gefunden. Nach Ziffer 2.4.1 der „Richtlinien“ sollen bei Versorgungsauskünften ab dem 1. Januar 2013 aus Gründen der Rechtssicherheit unabhängig vom Ehezeitende auch in der Pflichtversicherung nur noch geschlechtsneutrale Barwertfaktoren herangezogen werden. Vor diesem Hintergrund kann die von den „Richtlinien“ abweichende und im Ergebnis schon gegen nationales Verfassungsrecht verstoßende Praxis der Verwendung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren bei der Ermittlung des Ausgleichswerts nur noch für solche Versorgungsauskünfte hingenommen werden, die vor dem 1. Januar 2013 erteilt worden sind (Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 697/13 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt).
f) Wird die Versorgungsauskunft – wie hier – nach dem 1. Januar 2013 erteilt, ist sie bei Heranziehung geschlechtsspezifischer Barwertfaktoren grundsätzlich nicht verwertbar. Solange der betroffene Zusatzversorgungsträger sein Bewertungssystem noch nicht auf geschlechtsneutrale Rechnungsgrundlagen umgestellt hat, kommt in der Übergangszeit auch eine Schätzung aufgrund von Näherungsberechnungen (vgl. OLG Celle FamRZ 2014, 305, 308 f.) in Betracht (Senatsbeschluss vom 8. März 2017 - XII ZB 697/13 - zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Da es insoweit an den erforderlichen Feststellungen zu den maßgeblichen Barwertfaktoren fehlt, ist die Entscheidung aufzuheben und die Sache an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen.
Dose |
|
Günter |
|
Nedden-Boeger |
|
Botur |
|
Krüger |
|