Entscheidungsdatum: 06.12.2017
Nutzt ein Rechtsanwalt zur Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes ein Telefaxgerät, hat er eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, um einen vollständigen Zugang des zu übermittelnden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 8. Mai 2017 wird auf Kosten der Beklagten verworfen.
Beschwerdewert: 122.000 €
I.
Die Beklagte wendet sich gegen die Verwerfung ihrer Berufung und die Zurückweisung ihres Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.
Die Beklagte wird von dem Kläger nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft der Parteien auf Rückzahlung eines Darlehens in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 1. Dezember 2016 zur Zahlung von 122.000 € nebst Zinsen verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte hat gegen diese ihr am 7. Dezember 2016 zugestellte Entscheidung am 3. Januar 2017 Berufung eingelegt. Auf Antrag ihrer Prozessbevollmächtigten hat das Oberlandesgericht die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 7. März 2017 verlängert.
Nach den Aufzeichnungen im Telefaxgerät des Oberlandesgerichts mit der Rufnummer +49-89-5597-2747 hat am 7. März 2017 um 23:59 Uhr eine Übertragung begonnen, die die Berufungsbegründung zum Gegenstand hatte und die eine Minute und 14 Sekunden gedauert hat. Nach den Aufzeichnungen im Telefaxgerät des Oberlandesgerichts mit der Rufnummer +49-89-5597-3570 hat am 8. März 2017 um 0:00 Uhr eine weitere Übertragung der Berufungsbegründung begonnen, die eine Minute und 12 Sekunden in Anspruch genommen hat. In beiden Fällen ist als Eingang der Berufungsbegründung der 8. März 2017 vermerkt.
Nachdem die Beklagte mit Verfügung des Vorsitzenden am 8. März 2017 auf die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungfrist hingewiesen worden war, hat sie mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27. März 2017 vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt.
Das Oberlandesgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 2 und 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juli 2017 - XII ZB 463/16 - FamRZ 2017, 1704 Rn. 5 mwN). Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts. Insbesondere wird die Beklagte durch die angegriffene Entscheidung nicht in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt.
2. Das Oberlandesgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, weil die Beklagte die Berufungsbegründungsfrist versäumt habe. Aus dem Empfangsjournal des Telefaxgeräts ergebe sich, dass die vollständige Berufungsbegründungsschrift erst am 8. März 2017 und somit nach Ablauf der am 7. März 2017 endenden Berufungsbegründungsfrist beim Oberlandesgericht eingegangen sei. Deshalb komme es nicht darauf an, dass zu einem späteren Zeitpunkt noch eine weitere Faxübertragung des Schriftsatzes erfolgt sei. Technische Störungen des Telefaxgeräts hätten nicht vorgelegen. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass das Telefaxgerät die Empfangszeit falsch aufgezeichnet habe.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei unbegründet. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs habe ein Rechtsanwalt, der eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag ausschöpfe, eine erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen. Bei der Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes per Telefax habe der Rechtsanwalt zudem Verzögerungen einzukalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist. Ein Rechtsanwalt, der eine Frist bis zur letzten Sekunde ausschöpfe, habe daher ein Sicherheitspolster für die Übertragungszeit einzukalkulieren, die den technischen Gegebenheiten und der Möglichkeit von Schwierigkeiten bei der Übertragung Rechnung trage. Die Prozessbevollmächtigte der Beklagten habe daher deutlich früher als - wie von ihr behauptet - 23:52 Uhr mit der Versendung der Berufungsbegründung beginnen müssen.
3. Dies hält sich im Rahmen der Rechtsprechung des Senats. Das Berufungsgericht hat zu Recht wegen eines der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnenden Anwaltsverschuldens eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt und die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Die Rüge der Rechtsbeschwerde, das Berufungsgericht habe bei dieser Entscheidung unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG entscheidungserheblichen Vortrag der Beklagten nicht berücksichtigt, greift nicht durch.
a) Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die bis zum 7. März 2017 verlängerte Berufungsbegründungsfrist nicht gewahrt worden ist, weil die vollständige Berufungsbegründungsschrift nach Mitternacht und somit erst am 8. März 2017 beim Berufungsgericht eingegangen ist (vgl. BGH Beschluss vom 14. Mai 2013 - III ZR 289/12 - NJW 2013, 2514 Rn. 11 mwN). Hiergegen erinnert auch die Rechtsbeschwerde nichts.
b) Zu Recht hat das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag der Beklagten zurückgewiesen. Nach § 233 ZPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn eine Partei ohne ihr Verschulden verhindert war, die Berufungsfrist einzuhalten. Ein Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten ist der Partei zuzurechnen (§ 85 Abs. 2 ZPO).
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat ein Rechtsanwalt durch organisatorische Vorkehrungen sicherzustellen, dass ein fristgebundener Schriftsatz rechtzeitig gefertigt wird und innerhalb der laufenden Frist beim zuständigen Gericht eingeht. Entschließt sich ein Rechtsanwalt, einen fristgebundenen Schriftsatz selbst bei Gericht einzureichen, übernimmt er damit die alleinige Verantwortung für die Einhaltung der Frist. Er hat auch in diesem Fall geeignete Maßnahmen zu treffen, um einen fristgerechten Eingang des Schriftsatzes zu gewährleisten. Reicht er den Schriftsatz nicht rechtzeitig bei Gericht ein, kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur in Betracht, wenn der Rechtsanwalt alle erforderlichen Schritte unternommen hat, die bei einem normalen Verlauf der Dinge mit Sicherheit dazu führen würden, dass die Frist gewahrt wird (Senatsbeschluss vom 20. April 2016 - XII ZB 390/15 - FamRZ 2016, 1153 Rn. 10 mwN). Schöpft ein Rechtsanwalt - wie im vorliegenden Fall - eine Rechtsmittelbegründungsfrist bis zum letzten Tag aus, hat er wegen des damit erfahrungsgemäß verbundenen Risikos zudem erhöhte Sorgfalt aufzuwenden, um die Einhaltung der Frist sicherzustellen (vgl. BGH Beschluss vom 9. Mai 2006 - XI ZB 45/04 - FamRZ 2006, 1191 mwN).
Nutzt ein Rechtsanwalt zur Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes ein Telefaxgerät, hat er bei ordnungsgemäßer Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits Erforderliche zur Fristwahrung getan, wenn er so rechtzeitig mit der Übertragung beginnt, dass unter normalen Umständen mit deren Abschluss vor 24:00 Uhr des letzten Tages der Frist zu rechnen ist (BGH Beschluss vom 8. April 2014 - VI ZB 1/13 - NJW 2014, 2047 Rn. 8 mwN; Senatsbeschluss vom 6. April 2011 - XII ZB 701/10 - NJW 2011, 1972 Rn. 9 mwN). Dabei hat der Absender die Belegung des Empfangsgeräts des Gerichts in Rechnung zu stellen und eine ausreichende Zeitreserve einzuplanen, um gegebenenfalls durch Wiederholung der Übermittlungsvorgänge einen Zugang des zu übermittelnden Schriftsatzes bis zum Fristablauf zu gewährleisten (vgl. BGH Beschluss vom 12. Februar 2015 - V ZB 75/13 - NJW-RR 2015, 1196 Rn. 8 mwN).
bb) Diesen Anforderungen an die Sorgfaltspflichten eines Rechtsanwalts ist die Prozessbevollmächtigte der Beklagten nicht gerecht geworden.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist weder eine Störung des Empfangsgeräts im Gericht noch eine solche bei dem Telefaxgerät der Prozessbevollmächtigten der Beklagten glaubhaft gemacht. Der verspätete Eingang der Berufungsbegründung beruhte vielmehr darauf, dass die Prozessbevollmächtigte der Beklagten den Sendevorgang des Faxgeräts nach ihrer Behauptung erst gegen 23:52 Uhr und damit zu einem Zeitpunkt eingeleitet hat, zu dem auch bei einem Schriftsatz, der nur sieben Seiten umfasste, eine fristwahrende Übermittlung an das Gericht nicht mehr sichergestellt war.
cc) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde insoweit, dass das Beschwerdegericht unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG das Vorbringen der Beklagten nicht berücksichtigt habe, wonach ihre Prozessbevollmächtigte aufgrund eines unvorhersehbaren epileptischen Anfalls ihrer Tochter gegen 20:00 Uhr in ihre Wohnung habe fahren müssen und erst nach der Ruhigstellung ihrer Tochter um 22:15 Uhr in ihre Kanzlei habe zurückkehren können. Ohne diese Kanzleiabwesenheit hätte die Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Berufungsbegründung bereits gegen 21:20 Uhr fertig stellen können, so dass ausreichend Zeit zur Verfügung gestanden hätte, um den Schriftsatz fristgerecht per Telefax an das Berufungsgericht zu übermitteln.
Zwar folgt aus Art. 103 Abs. 1 GG die Verpflichtung des Gerichts, entscheidungserhebliche Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dass diesem Erfordernis genügt wurde, müssen auch die Entscheidungsgründe erkennen lassen (vgl. Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 257/14 - FamRZ 2015, 135 Rn. 12 mwN). Daran fehlt es hier zwar. Denn die angegriffene Entscheidung verhält sich zu diesem Vorbringen der Beklagten nicht.
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist der Vortrag der Beklagten zu der unerwarteten Kanzleiabwesenheit ihrer Prozessbevollmächtigten jedoch nicht entscheidungserheblich. Die Beklagte trägt insoweit vor, dass ihre Prozessbevollmächtigte gegen 22:15 Uhr in die Kanzlei zurückgekehrt war und sie die Berufungsbegründung gegen 23:35 Uhr/23:40 Uhr fertiggestellt hatte. Warum die Prozessbevollmächtigte mit der Übermittlung des Schriftsatzes dann erst um 23:52 Uhr begonnen haben will, erschließt sich aus dem Vorbringen der Beklagten nicht. Der Prozessbevollmächtigten war der drohende Ablauf der Berufungsbegründungsfrist um 24:00 Uhr bekannt. Auch bei einer bloß siebenseitigen Berufungsbegründungschrift durfte sie angesichts der Möglichkeit unerwarteter Verzögerungen beim Übertragungsvorgang oder der Möglichkeit, dass das Empfangsgerät belegt sein könnte, bei einer Zeitreserve von höchstens acht Minuten nicht darauf vertrauen, dass der Schriftsatz rechtzeitig bei Gericht eingehen werde. Daher liegt auch aufgrund des Vorbringens, dessen Nichtberücksichtigung die Rechtsbeschwerde rügt, ein der Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten vor.
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