Entscheidungsdatum: 20.03.2019
Auch wenn ein Betreuter Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen bezieht, hat er sein Vermögen für die Vergütung seines Betreuers insoweit einzusetzen, als es den allgemeinen Schonbetrag nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von derzeit 5.000 € übersteigt. Der erhöhte Vermögensfreibetrag nach § 60a SGB XII von bis zu 25.000 € findet dabei keine Anwendung.
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kassel vom 6. Juni 2018 aufgehoben.
Die zu den Geschäftszeichen 3 T 141/18 und 3 T 145/18 geführten Beschwerden des Betroffenen gegen die Beschlüsse des Amtsgerichts Kassel vom 5. Februar 2018 werden zurückgewiesen.
Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Wert: 6.534 €
I.
Der Beteiligte zu 2 wendet sich mit seiner Rechtsbeschwerde gegen die Festsetzung der Betreuervergütung aus der Staatskasse.
Für den Betroffenen, der an einer paranoiden Schizophrenie leidet, ist der Beteiligte zu 1 zum Betreuer bestellt. Dieser führt die Betreuung berufsmäßig und begehrt die Festsetzung einer Vergütung für seine in der Zeit vom 22. Juni 2016 bis zum 21. Juni 2017 entfaltete Tätigkeit. Die Vergütungen des Betreuers für die Zeit bis zum 21. Juni 2016 wurden mangels ausreichenden Einkommens und Vermögens des Betroffenen jeweils aus der Staatskasse gezahlt.
Der Betroffene bezieht u.a. Leistungen der Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Im April 2016 erhielt er eine Auszahlung aus einem Lebensversicherungsvertrag und verfügt seither über ein Sparvermögen, das sich zum 21. Dezember 2017 auf rund 28.000 € belief.
Das Amtsgericht hat durch zwei Beschlüsse vom 5. Februar 2018 einerseits die vom Betroffenen zu erstattende Vergütung des Betreuers für den Zeitraum vom 22. Juni 2016 bis zum 21. Juni 2017 auf 2.376 € festgesetzt und andererseits den Betroffenen für die Zeit bis zum 21. Juni 2016 zur Erstattung eines einmaligen Betrags in Höhe von 4.158 € an die Staatskasse verpflichtet. Auf die Beschwerden des Betroffenen hat das Landgericht die Betreuervergütung auf 1.848 € festgesetzt, deren Zahlung aus der Staatskasse angeordnet und den Beschluss über den Regress aufgehoben. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Beteiligte zu 2 (im Folgenden: Staatskasse) die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Beschlüsse.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückweisung der Beschwerden des Betroffenen.
1. Das Beschwerdegericht hat seine in BtPrax 2018, 157 veröffentlichte Entscheidung wie folgt begründet:
Die für den offenen Abrechnungszeitraum erfolgte Festsetzung der Betreuervergütung gegen den Betroffenen sei ebenso aufzuheben wie die Wiedereinziehung eines Betrags von 4.158 € für die Zeit bis zum 21. Juni 2016, weil der Betroffene nach wie vor als mittellos im Sinne des § 1836 d BGB anzusehen sei. Die für die Betreuervergütung einzusetzenden Mittel bestimmten sich gemäß § 1836 c BGB im Einzelnen nach den §§ 87 und 90 SGB XII. Der Betroffene verfüge zwar nach der Auszahlung einer Versicherungsleistung von rund 29.000 € über ein Sparvermögen in Höhe von rund 28.000 €, was den nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII regelmäßig zu berücksichtigenden Schonbetrag von derzeit 5.000 € um 23.000 € übersteige. Der Gesetzgeber habe aber - mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 - u.a. für Leistungsempfänger der Eingliederungshilfe eine Sonderregelung zum Vermögenseinsatz eingeführt. So bestimme § 60 a SGB XII, dass für Personen, die Eingliederungshilfe erhalten, bis zum 31. Dezember 2019 ein zusätzlicher Betrag von bis zu 25.000 € für die Lebensführung und die Alterssicherung im Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII als angemessen gelte. Dieser zusätzliche Freibetrag sei den Empfängern von Eingliederungshilfe stets pauschal und unabhängig von einer Einzelfallprüfung zu belassen.
Zwar verweise § 1836 c Nr. 2 BGB allein auf § 90 SGB XII, nicht hingegen auf § 60 a SGB XII. Indes würde der Zweck der letztgenannten Vorschrift unterlaufen, wollte man den höheren Freibetrag im vorliegenden Kontext nicht anerkennen. Der Gesetzgeber habe den Empfängern von Eingliederungshilfe, die als Menschen mit Behinderung oftmals vor erheblichen, insbesondere finanziellen Herausforderungen stünden, den Aufbau eines zusätzlichen geschützten Vermögens im Sinne des § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII zugebilligt, damit diese in der Lage seien, selbstbestimmt und angemessen auf unvorhergesehene Lebensereignisse zu reagieren. Dieser gesetzgeberische Wille müsse auch bei der Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens des Betroffenen Berücksichtigung finden.
Auf die Frage, ob die Zahlung der Betreuervergütung durch die Staatskasse als Eingliederungshilfe anzusehen oder dieser gleichzusetzen sei, komme es hingegen nicht an. Bereits die der Neuregelung ähnelnde Vorgängervorschrift des § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG sei nach herrschender Auffassung dahingehend auszulegen gewesen, dass der erhöhte Freibetrag nicht nur bei der Eingliederungshilfe zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen selbst, sondern auch bei der Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens des Hilfeempfängers zu berücksichtigen sei. Nichts anderes könne für § 60 a SGB XII gelten.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
a) Der Beteiligte zu 1 hat als Berufsbetreuer einen Anspruch auf Vergütung seiner Amtsführung gemäß §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB iVm § 1 Abs. 2 Satz 1 VBVG. Schuldner des Vergütungsanspruchs ist grundsätzlich der Betreute. Die zu bewilligende Vergütung ist aber nach § 1 Abs. 2 Satz 2 VBVG aus der Staatskasse zu zahlen, wenn der Betreute mittellos ist. Mit der Leistungserbringung durch die Staatskasse gehen die Vergütungsansprüche gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB auf diese über und können im Wege des Regresses gegen den Betreuten geltend gemacht werden. Der Betreute ist damit grundsätzlich zur Rückzahlung der Betreuervergütung verpflichtet. Ob und inwieweit die Staatskasse ihn dann aus der übergegangenen Forderung in Anspruch nehmen kann, hängt ebenfalls davon ab, ob der Betreute leistungsfähig oder mittellos ist. Ein zur Zeit der Betreuertätigkeit mittelloser Betreuter muss also - vorbehaltlich eingetretener Verjährung - etwaige später verfügbare Mittel für die Kosten der Betreuung einsetzen (Senatsbeschluss vom 9. Januar 2013 - XII ZB 478/11 - FamRZ 2013, 440 Rn. 10 ff.).
Der Betreute gilt nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 d Nr. 1 BGB als mittellos, wenn er die Vergütung aus seinem einzusetzenden Einkommen oder Vermögen nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Die Inanspruchnahme des Betreuten ist dabei auf die gemäß § 1836 c BGB einzusetzenden Mittel begrenzt. Sein Vermögen hat der Betreute gemäß § 1836 c Nr. 2 BGB nach Maßgabe des § 90 SGB XII für die Betreuervergütung aufzubringen.
b) Im Ausgangspunkt zutreffend hat das Beschwerdegericht erkannt, dass dem Betroffenen nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII iVm § 1 Nr. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII (BGBl. 2017 I S. 519) ein Schonbetrag in Höhe von derzeit 5.000 € zusteht, so dass sich sein für die Betreuervergütung einzusetzendes Vermögen auf 23.000 € beläuft. Rechtsfehlerhaft ist jedoch die Ansicht des Beschwerdegerichts, dem Betroffenen sei angesichts der Einführung des § 60 a SGB XII ein zusätzlicher Freibetrag von weiteren 25.000 € zuzubilligen.
aa) Welche Auswirkungen § 60 a SGB XII auf das nach § 1836 c BGB für die Betreuervergütung einzusetzende Vermögen hat, ist umstritten.
Einerseits wird vertreten, dass § 60 a SGB XII ausweislich seines ausdrücklichen Wortlauts die Vorschrift des § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB XII dahingehend modifiziere, dass ein zusätzlicher Betrag von 25.000 € für die Lebensführung und Alterssicherung als angemessen gelte. Der Gesetzgeber habe mit der Einführung des § 60 a SGB XII anerkannt, dass für Personen, die Eingliederungshilfe erhalten, ein erhöhter Vermögensfreibetrag erforderlich sei, um behinderungsbedingte Nachteile auszugleichen und eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben sowie eine angemessene Altersversorgung sicherzustellen. Angesichts dieser gesetzgeberischen Intention sei das Privileg des § 60 a SGB XII stets zu berücksichtigen, wenn die Vorschrift des § 90 SGB XII zur Anwendung komme, also auch im Rahmen der Verweisung in § 1836 c Nr. 2 BGB (LG Bielefeld Beschluss vom 31. Juli 2018 - 23 T 386/18 - juris Rn. 3 f.; LG Karlsruhe Beschluss vom 19. April 2018 - 11 T 58/18 - juris Rn. 10; LG Chemnitz FamRZ 2018, 709; BeckOK BGB/Bettin [Stand: 1. November 2018] § 1836 c Rn. 5).
Nach anderer Ansicht scheidet eine Anwendung des § 60 a SGB XII im Rahmen des § 1836 c BGB mangels ausdrücklicher Verweisung aus. Bei der Zahlung der Betreuervergütung aus der Staatskasse handele es sich gerade nicht um eine Form von Eingliederungshilfe, sondern eher - wenn überhaupt - um eine Hilfe in besonderen Lebenslagen nach § 73 SGB XII. Daher könne § 60 a SGB XII bei der Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens keine Berücksichtigung finden (LG Hanau Beschluss vom 16. März 2017 - 3 T 46/17 - unveröffentlicht).
bb) Die letztgenannte Auffassung ist zutreffend. Für sie streiten sowohl der Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus der Gesetzgebungsgeschichte erschließt, als auch Sinn und Zweck der Regelung sowie die Gesetzessystematik.
(1) Dem Beschwerdegericht ist zuzugeben, dass Empfängern von Eingliederungshilfe zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen nach der vorherrschenden Ansicht für die bis zum 31. Dezember 2004 geltende Rechtslage der erhöhte Freibetrag des § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG bei der Ermittlung des einzusetzenden Vermögens nach § 1836 c Nr. 2 BGB aF zustand (OLG Celle FamRZ 2003, 1047; BayObLG FamRZ 2003, 966).
(a) Mit Wirkung zum 1. September 1994 war Satz 3 in die Vorschrift des § 88 Abs. 3 BSHG eingefügt worden (Art. 32 des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung vom 29. Juli 1994, BGBl. I S. 1890, 1942). Der Gesetzgeber wollte damit auf ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. April 1993 (BVerwGE 92, 254 = NVwZ-RR 1994, 102) reagieren, das - jenseits des allgemeinen Freibetrags nach § 88 Abs. 2 Nr. 8 BSHG - einen Vermögenseinsatz für die Kosten einer Eingliederungshilfe zur Beschäftigung in einer Werkstatt für Behinderte bejaht hatte. Die Folgen dieses Urteils würden allgemein als ungerecht empfunden, insbesondere weil durch einen so weitgehenden Vermögenseinsatz für die Arbeitsmöglichkeit in einer Werkstatt den behinderten Menschen oft die Arbeitsmotivation genommen werde (BT-Drucks. 12/7599 S. 3 f.).
(b) Ungeachtet dieser Zielsetzung des neuen Satzes 3 hat der Gesetzgeber bei der mit Wirkung zum 1. Januar 1999 erstmals eingeführten gesetzlichen Definition der Mittellosigkeit in § 1836 c BGB aF (Art. 1 Nr. 10 des Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts sowie anderer Vorschriften vom 25. Juni 1998, BGBl. I S. 1580, 1581) bewusst insgesamt auf die Vorschrift des § 88 BSHG verwiesen. Dem Betreuten sollte ausdrücklich auch bei der Bemessung seines für die Betreuervergütung einzusetzenden Vermögens der erhöhte Freibetrag zuteil werden, wenn die Voraussetzungen der Gewährung von Eingliederungshilfe zur Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen tatsächlich vorliegen (BT-Drucks. 13/7158 S. 31).
(c) Der ursprüngliche Regelungszweck des § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG - nämlich den Beschäftigten einer Werkstatt für behinderte Menschen einen höheren Vermögensfreibetrag für diese sozialhilferechtliche Eingliederungsmaßnahme zu belassen - war allerdings entfallen, nachdem die Vorschrift des § 43 Abs. 2 BSHG im Zuge des Inkrafttretens des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) zum 1. Juli 2001 neu gefasst wurde (Art. 15 Nr. 10 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046, 1111 f.). Denn fortan waren die Kosten für bestimmte Maßnahmen der Eingliederungshilfe, so auch für Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen, bedürftigkeitsunabhängig in vollem Umfang (abgesehen von einem Essenskostenbeitrag) vom Träger der Sozialhilfe zu übernehmen (vgl. BT-Drucks. 14/5074 S. 124 f.). Gleichwohl wurde die Vorschrift des § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG nicht abgeschafft, was auf einer bewussten Entscheidung des Gesetzgebers beruhte, wie die redaktionelle Anpassung ihres Wortlauts zeigt (Art. 15 Nr. 16 des Gesetzes vom 19. Juni 2001, BGBl. I S. 1046, 1112; BT-Drucks. 14/5074 S. 125). Angesichts der weiter bestehenden Verweisung auch auf § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG war die seinerzeit vorherrschende Ansicht zum Verständnis des § 1836 c Nr. 2 BGB aF also durchaus folgerichtig.
(2) Indessen hat sich die Rechtslage infolge der Überführung des Bundessozialhilfegesetzes in das Zwölfte Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe) zum 1. Januar 2005 grundlegend geändert (Art. 1 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022). Die Vorschrift des § 88 BSHG wurde im Wesentlichen inhaltsgleich in § 90 SGB XII übernommen, allerdings mit Ausnahme des § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG, der - so die Gesetzesbegründung - "dadurch obsolet geworden ist, dass mit Inkrafttreten des Neunten Buchs die Prüfung der Bedürftigkeit bei einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen entfallen ist" (BT-Drucks. 15/1514 S. 24, 66). Der Gesetzgeber ging nun also doch davon aus, dass eine § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG entsprechende Regelung nicht mehr erforderlich war, weil bestimmte Maßnahmen der Eingliederungshilfe, wie die Leistungen in Werkstätten für behinderte Menschen, ohnehin bedürftigkeitsunabhängig zu erbringen waren. Die dies bis dahin regelnde Vorschrift des § 43 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 BSHG wurde inhaltsgleich in § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB XII übernommen. Zusätzlich wurde durch die Einfügung eines neuen Satzes 2 in § 92 Abs. 2 SGB XII ausdrücklich klargestellt, dass die genannten Eingliederungsleistungen, wie in Werkstätten für behinderte Menschen, ohne Rücksicht auf vorhandenes Vermögen zu gewähren sind (BT-Drucks. 15/1514 S. 25, 66).
Die Vorschrift des § 1836 c BGB wurde redaktionell angepasst (BT-Drucks. 15/1514 S. 43, 76) und nimmt in ihrer Nr. 2 (lediglich) § 90 SGB XII in Bezug. Dagegen hat der Gesetzgeber - trotz des entfallenen Regelungsgehalts des § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG - keine Verweisung auf § 92 SGB XII vorgenommen. Hieraus wurde zu Recht der Schluss gezogen, dass § 92 SGB XII bei der Ermittlung des für die Betreuervergütung einzusetzenden Einkommens nicht zu berücksichtigen sei und den Betreuten seit dem 1. Januar 2015 kein erweitertes Schonvermögen mehr zustehe, auch wenn sie Eingliederungshilfe in einer Werkstatt für behinderte Menschen beziehen (OLG München OLGR 2006, 300 f.; Jürgens/Marschner Betreuungsrecht 5. Aufl. § 1836 c BGB Rn. 12; Deinert/Lütgens BtPrax 2005, 180). Somit sind zwar die in § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII genannten Eingliederungsleistungen als solche (z.B. in einer Werkstatt für behinderte Menschen) ohne Berücksichtigung von vorhandenem Vermögen durch den Sozialhilfeträger zu erbringen. Bezüglich der dort nicht genannten Leistungen der Eingliederungshilfe und aller anderen Sozialleistungen, wie der Übernahme der Betreuervergütung durch die Staatskasse, bleibt es aber bei den hierfür vorgesehenen Regelungen zum Vermögenseinsatz in § 90 SGB XII.
Diese Sichtweise entspricht auch dem allgemeinen Regelungskonzept des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch, dem unterschiedliche Freibeträge für verschiedene Arten der Sozialhilfe nicht fremd sind. Anders als noch unter dem Bundessozialhilfegesetz gelten die Maßnahmeleistung (hier die Eingliederungsleistung) und die Deckung des Lebensunterhalts nicht mehr als einheitliche Leistung (BT-Drucks. 15/1514 S. 54). So steht beispielsweise Bewohnern stationärer Einrichtungen ein angemessener Barbetrag zur persönlichen Verfügung als weiterer notwendiger Lebensunterhalt nach § 27 b Abs. 2 SGB XII zu. Hierbei handelt es sich jedoch nicht mehr um einen Teil der Eingliederungsleistung, sondern ausschließlich um eine Hilfe zum Lebensunterhalt, die den hierfür geltenden Anrechnungsvorschriften unterliegt (BSGE 121, 129 = BeckRS 2016, 70956 Rn. 15). Hilfe zum Lebensunterhalt erhält gemäß § 19 Abs. 1 SGB XII nicht, wer seinen notwendigen Lebensunterhalt nach § 27 Abs. 1 und 2 SGB XII in den Grenzen der §§ 82 ff. und 90 f. SGB XII aus Einkommen und Vermögen selbst sicherstellen kann (Coseriu in Knickrehm/Kreikebohm/Waltermann Kommentar zum Sozialrecht 5. Aufl. § 27 SGB XII Rn. 11). Der Bewohner einer stationären Einrichtung muss also sein Vermögen zwar unter Umständen nicht für die Eingliederungsleistung einsetzen, wohl aber - in den Grenzen des § 90 SGB XII - für seinen notwendigen Lebensunterhalt. Gleiches gilt hinsichtlich des - ebenfalls nicht nach § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII privilegierten - Vermögenseinsatzes für die Betreuervergütung (vgl. MünchKommBGB/Fröschle 7. Aufl. § 1836 c Rn. 15).
(3) Hieran hat auch die zum 1. Januar 2017 in Kraft getretene Regelung des § 60 a SGB XII (Art. 11 Nr. 2 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23. Dezember 2016, BGBl I S. 3234, 3314, im Folgenden: Bundesteilhabegesetz) nichts geändert.
(a) Durch das Bundesteilhabegesetz wird das Recht der Eingliederungshilfe mit Wirkung zum 1. Januar 2020 aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch herausgelöst und im Neunten Buch Sozialgesetzbuch Teil 2 geregelt. Dadurch sollen die mit dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch begonnenen Schritte einer Trennung von Fachleistung und von Leistungen zum Lebensunterhalt zum Abschluss gebracht werden. Die Eingliederungshilfe soll sich künftig auf die reinen Fachleistungen konzentrieren, während die Leistungen zum Lebensunterhalt wie bei Menschen ohne Behinderungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden sollen (BT-Drucks. 18/9522 S. 4). Die derzeit noch in § 92 Abs. 2 SGB XII genannten Eingliederungsmaßnahmen, wie die Leistungen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen, werden zukünftig in § 138 Abs. 1 SGB IX geregelt sein. Für diese Leistungen wird weiterhin kein Vermögen einzusetzen sein, nachdem § 92 Abs. 2 Satz 2 SGB XII inhaltsgleich in § 140 Abs. 3 SGB IX übernommen wird (BT-Drucks. 18/9522 S. 90 f., 303 f.).
Für alle anderen Leistungen der Eingliederungshilfe sieht der neue § 139 SGB IX eine an § 90 SGB XII angelehnte Regelung zur Vermögensanrechnung vor, wobei die Höhe des einzusetzenden Barvermögens mit mehr als 50.000 € deutlich über den Schonbetrag nach § 90 Abs. 1 Nr. 9 SGB XII hinausgeht. Der Gesetzgeber hielt diese Erhöhung für angezeigt, weil es um Menschen mit erheblicher Teilhabeeinschränkung gehe und die Regelung des § 139 SGB IX nur für Fachleistungen der Eingliederungshilfe gelte (BT-Drucks. 18/9522 S. 91, 304). Menschen mit Behinderungen sollen also in Bezug auf alle Eingliederungsleistungen des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch, soweit sie nicht ohnehin bereits unabhängig von vorhandenem Vermögen zu erbringen sind, in den Genuss eines erhöhten Freibetrags kommen. Dagegen sollen Leistungen zum Lebensunterhalt auch künftig nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erbracht werden. Für solche Leistungen wird auch weiterhin nach Maßgabe des § 90 SGB XII - ebenso wie für die Betreuervergütung - vorhandenes Vermögen einzusetzen sein.
(b) Die Vorschrift des § 60 a SGB XII wurde im Vorgriff auf die Neuregelungen im Neunten Buch Sozialgesetzbuch geschaffen und sieht übergangsweise einen zusätzlichen Vermögensfreibetrag von 25.000 € für Personen vor, die Eingliederungshilfe erhalten. Dadurch werde den Betroffenen - so die Gesetzesbegründung - bereits jetzt ermöglicht, einen Teil der Verbesserung bei der Einkommensanrechnung anzusparen und Vermögen aufzubauen bzw. bestehen zu lassen. Denn die Betroffenen, die aufgrund ihrer Behinderung oftmals vor erheblichen, insbesondere auch finanziellen Herausforderungen stünden, sollen selbstbestimmt und angemessen auf unvorhergesehene Lebensereignisse reagieren können (BT-Drucks. 18/9522 S. 150, 328).
Bereits die systematische Stellung des § 60 a SGB XII im Sechsten Kapitel (Eingliederungshilfe für behinderte Menschen) und nicht im Elften Kapitel (Einsatz des Einkommens und des Vermögens) des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch lässt darauf schließen, dass der zusätzliche Vermögensfreibetrag nur bei Leistungen der Eingliederungshilfe und nicht bei anderen Sozialleistungen, wie der Hilfe zum Lebensunterhalt oder der Übernahme der Betreuervergütung durch die Staatskasse, zu berücksichtigen ist. Dies steht auch im Einklang mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers, der "bei Leistungen nach dem Sechsten Kapitel" einen zusätzlichen Betrag von 25.000 € für eine angemessene Lebensführung und Alterssicherung als notwendig erachtet hat (BT-Drucks. 18/9522 S. 328). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass § 60 a SGB XII - beschränkt auf die Leistungen der Eingliederungshilfe - die bisherige Härtefallregelung des § 90 Abs. 3 SGB XII ergänzen (BT-Drucks. 18/9522 S. 328) soll.
Ein gesetzgeberischer Wille, den Empfängern von Eingliederungshilfe bei jeder Sozialleistung den erhöhten Freibetrag des § 60 a SGB XII zuzubilligen, ist dagegen nicht ersichtlich. Dies zeigt auch die folgende Überlegung: Das vom Beschwerdegericht befürwortete Verständnis des § 60 a SGB XII würde dazu führen, dass Empfängern von Eingliederungshilfe seit dem Inkrafttreten des Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch mit dieser Norm erstmals ein über § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII hinausgehender Vermögensfreibetrag hinsichtlich der Betreuervergütung zustünde, allerdings nur für die Dauer von insgesamt zwei Jahren bis zum Inkrafttreten der Reform des Neunten Buchs Sozialgesetzbuch. Denn für die ab dem 1. Januar 2020 geltende Rechtslage ließe sich nicht vertreten, dass über die Verweisung in § 1836 c Nr. 2 BGB auf § 90 SGB XII auch der dann in § 139 SGB IX geregelte Freibetrag zur Anwendung kommen müsse. Eine solche "Verschlechterung" wäre vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen, der die Empfänger von Eingliederungshilfe - wenn auch nur in Bezug auf diese Leistungen - durch die Übergangsregelung gerade in den Genuss eines etwas höheren Schonbetrags bringen wollte, bevor sie ab dem 1. Januar 2020 ohnehin von einem nochmals erhöhten Freibetrag profitieren.
3. Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist daher aufzuheben und die amtsgerichtlichen Entscheidungen sind wiederherzustellen. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da keine weiteren Feststellungen mehr zu treffen sind und die Sache zur Endentscheidung reif ist, § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG.
Da das Vermögen des Betroffenen den Freibetrag nach § 1836 c BGB iVm § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII von derzeit 5.000 € bei weitem übersteigt, hat der Betroffene seinem Betreuer für den Zeitraum vom 22. Juni 2016 bis zum 21. Juni 2017 eine - vom Amtsgericht zutreffend berechnete - Vergütung in Höhe von 2.376 € zu zahlen und die bis zum 21. Juni 2016 von der Staatskasse angewiesenen Betreuervergütungen - unter Berücksichtigung der vom Amtsgericht feststellten Verjährung - in Höhe von insgesamt 4.158 € zu erstatten. Gründe dafür, dass der Einsatz des Vermögens des Betroffenen für diesen eine besondere Härte im Sinne von § 90 Abs. 3 SGB XII darstellen würde, sind nicht geltend gemacht worden und auch sonst nicht ersichtlich.
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