Entscheidungsdatum: 28.09.2016
Zu den Anforderungen an die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 27. April 2016, XII ZB 7/16, FamRZ 2016, 1070 und vom 28. Juli 2015, XII ZB 92/15, FamRZ 2015, 1793).
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Heilbronn vom 2. Mai 2016 aufgehoben.
Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 15. Februar 2016 aufgehoben.
Die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts wird abgelehnt.
Die Auslagen des Betroffenen werden, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, der Staatskasse auferlegt.
Beschwerdewert: 5.000 €
I.
Der 72jährige Betroffene leidet nach dem Inhalt des vom Amtsgericht eingeholten Sachverständigengutachtens an einer schwer ausgeprägten organischen Persönlichkeitsstörung, wobei differenzialdiagnostisch eine kombinierte Persönlichkeitsstörung in Betracht zu ziehen sei. Hinzu trete eine leichte kognitive Störung. Das zuständige Notariat hat mit Beschluss vom 21. März 2013 eine Betreuung für den Bereich der persönlichen Angelegenheiten mit Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung, vermögensrechtlichen Angelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten und Entscheidungen über Post- und Fernmeldeverkehr eingerichtet und einen Berufsbetreuer bestellt.
Auf Anregung des Betreuers hat das Amtsgericht durch Beschluss vom 15. Februar 2016 einen Einwilligungsvorbehalt für Willenserklärungen im Bereich der Vermögensangelegenheiten, ausgenommen das dem Betroffenen zur Verfügung stehende Taschengeld, angeordnet. Auf die hiergegen von der Verfahrenspflegerin eingelegte Beschwerde hat das Landgericht die vom Amtsgericht auf den 14. Februar 2021 festgelegte Überprüfungsfrist auf den 14. Februar 2018 verkürzt und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde wendet sich der Betroffene gegen die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts insgesamt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Einwilligungsvorbehalt sei zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person und das Vermögen des Betreuten erforderlich. Aufgrund seiner psychischen Krankheit fehle dem Betroffenen die Einsicht in die zweckmäßige Verwendung der ihm zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel. Nach sachverständiger Beurteilung sei der Betroffene aufgrund seiner zugrundeliegenden Persönlichkeitsstruktur nicht in der Lage, die Realität adäquat einzuschätzen und sich dementsprechend zu verhalten. Auf seiner Persönlichkeitsstruktur beruhe ein streitsüchtiges sowie beharrliches und situationsunangemessenes Bestehen auf eigenen Rechten, was zu diversen rechtlichen Auseinandersetzungen führe und einerseits Kosten verursache, andererseits ihn von eigentlichen Zielen, zum Beispiel der eigenen Körperhygiene oder dem Beschäftigen mit der Weiterbehandlung seiner Parkinsonerkrankung, ablenke. Es bestehe die erhebliche Gefahr, dass der Betroffene durch die Abgabe von Willenserklärungen einen Schaden an seiner Person sowie seinem Vermögen erleide. So habe er vor der Einrichtung der Betreuung Bargeld in Höhe von ca. 110.000 € und Wertpapiere in seiner verwahrlosten Wohnung aufbewahrt. Seit seinem Heimaufenthalt habe er wegen unbedeutender Mängel an seinem Zimmer einen Teil der Heimkosten unberechtigt zurückbehalten und so Rückstände in Höhe von 10.000 € auflaufen lassen, wobei sich der Blick des Betroffenen in rechthaberischer Weise verengt habe. Hinzu komme, dass der Betroffene Fehlvorstellungen hinsichtlich seiner Fähigkeiten zu einer eigenständigen Lebensführung habe. Er lehne die Heimunterbringung ab, obwohl es dazu krankheitsbedingt keine Alternative gebe. Um sein Leben anders zu organisieren, sei der unvernünftige Betroffene ersichtlich bereit, bedenkenlos erhebliche Risiken einzugehen. Es müsse damit gerechnet werden, dass der krankheitsuneinsichtige Betroffene in dem unrealistischen Bestreben, seine derzeitige Situation zu ändern, unvernünftige Rechtsgeschäfte vornehme oder die zu seinem Wohl notwendigen Rechtsgeschäfte verhindere. Lediglich die vom Amtsgericht zu lang festgesetzte Überprüfungsfrist sei zu kürzen.
2. Die angefochtene Entscheidung hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Rechtsbeschwerde rügt zu Recht, dass die Voraussetzungen für die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach den getroffenen Feststellungen nicht vorliegen.
a) Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 BGB ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt), soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist. Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen. Auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten kann ein Einwilligungsvorbehalt nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen. Der Grundsatz der Erforderlichkeit bedeutet dabei auch, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf einen einzelnen Vermögensgegenstand oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann (Senatsbeschluss vom 27. April 2016 - XII ZB 7/16 - FamRZ 2016, 1070 Rn. 16 mwN). Untauglich ist der Einwilligungsvorbehalt hingegen als Disziplinierungsinstrument bei bloßen Meinungsverschiedenheiten zwischen Betreuer und Betreutem (Senatsbeschluss vom 28. Juli 2015 - XII ZB 92/15 - FamRZ 2015, 1793 Rn. 10 mwN).
b) Diesen Grundsätzen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.
Nach den gutachterlichen Feststellungen vom 28. April 2015 hat der Betroffene über seine Vermögensangelegenheiten einen weitgehenden Überblick. Konkrete Zahlungsrückstände und daraus drohende Verfahrenskosten sind außerhalb des Bereichs der Heimkosten nicht festgestellt.
Aus der vom Betroffenen vorgenommenen Zurückbehaltung von Heimkosten sind besondere Gefahren schon deshalb nicht zu befürchten, weil der Betreuer die bestehenden Rückstände auch ohne Einwilligungsvorbehalt aus dem Vermögen des Betroffenen begleichen kann und sie inzwischen auch weitgehend bis auf einen Abzugsbetrag von 1.695 € (monatlich 100 €), den der Betreuer selbst für zurückhaltungswürdig hält, zurückgeführt hat.
Soweit der Betroffene vor der Einrichtung der Betreuung im Jahr 2013 sorglos größere Mengen an Bargeld und Wertpapieren in seiner Wohnung aufbewahrt und sein Vermögen dadurch gefährdet hat, hat sich dieses in den Jahren nach Einrichtung der Betreuung und dem Umzug in das Heim offensichtlich nicht wiederholt und ist auch eine dahingehende erneute Absicht des Betroffenen nicht festgestellt oder erkennbar.
Vermögensgefahren aus dem Bestreben des Betroffenen, in ein anderes Heim oder in eine andersartige Unterbringung zu wechseln, sind nicht erkennbar. Konkrete Anhaltspunkte dafür, der Betroffene werde insoweit unbedachte Risiken eingehen, ergeben sich weder aus vorangegangenen Begebenheiten noch sind sie sonst ersichtlich. Welches vermeintlich streitsüchtige, beharrliche und situationsunangemessene Bestehen auf eigenen Rechten zu welchen konkreten Auseinandersetzungen geführt und welche Kosten verursacht habe, ist nicht dargetan; ebenso findet sich kein Beleg dafür, dass durch solches Verhalten eine Vermögensgefährdung von erheblichem Ausmaß entstünde.
Auch der Betreuer selbst hat in seiner Stellungnahme vom 28. Januar 2015 dargelegt, dass er eine akute Vermögensgefährdung derzeit nicht sehe, jedoch die Durchführung der Betreuung wegen mangelnder Zusammenarbeit des Betroffenen nur mit Einwilligungsvorbehalt möglich sei. Unter diesen Voraussetzungen dient aber der Einwilligungsvorbehalt nicht der Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten, sondern - unzulässiger Weise - seiner Disziplinierung.
3. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache abschließend entscheiden, da weitere Feststellungen nicht erforderlich sind.
Dose Günter Nedden-Boeger
Botur Guhling