Entscheidungsdatum: 21.06.2017
Verknüpft ein zur freien Willensbildung i.S.d. § 1896 Abs. 1a BGB fähiger Betroffener sein grundsätzliches Einverständnis mit einer Betreuung mit der Bedingung, dass eine Person zum Betreuer bestellt wird, die aus Sicht des Betreuungsgerichts für die Übernahme des Betreueramtes ungeeignet ist, widerspricht die Einrichtung der Betreuung mit einem anderen als dem gewünschten Betreuer dem freien Willen des Betroffenen (im Anschluss an Senatsbeschlüsse vom 26. April 2017, XII ZB 100/17, juris und vom 7. Dezember 2016, XII ZB 346/16, FamRZ 2017, 473).
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Stralsund vom 16. Februar 2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Stralsund vom 12. Dezember 2016 zurückgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Landgericht zurückverwiesen.
Wert: 5.000 €
I.
Für den im Jahre 1989 geborenen Betroffenen besteht seit 2010 eine Betreuung, deren Aufgabenkreis die Vermögenssorge, die Gesundheitssorge, die Wohnungsangelegenheiten sowie Behörden-, Versicherungs-, Renten- und Sozialleistungsangelegenheiten umfasst und die ursprünglich von dem Berufsbetreuer M. J. geführt wurde.
Mit Beschluss vom 3. Juli 2015 entließ das Amtsgericht den Berufsbetreuer und hob die Betreuung auf. Die Beschwerde des Betroffenen hatte zwar nicht hinsichtlich der Betreuerentlassung, aber bezüglich der Aufhebung der Betreuung Erfolg: Mit Beschluss vom 23. Februar 2016 hob das Landgericht die amtsgerichtliche Entscheidung insoweit auf und verwies das Verfahren zwecks Bestellung eines neuen Betreuers an das Amtsgericht zurück.
Sowohl gegenüber dem daraufhin vom Amtsgericht beauftragten Sachverständigen als auch in der amtsgerichtlichen Anhörung hat der Betroffene erklärt, nur Herrn M. J. als Betreuer zu wollen. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2016 hat das Amtsgericht einen anderen Berufsbetreuer bestellt und die Betreuung unter Bestimmung einer Überprüfungsfrist bis zum 6. Dezember 2023 verlängert. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Im Umfang der Anfechtung führt sie zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1. Dieses hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, der Sachverständige habe verschiedene Defizite in der Persönlichkeit des Betroffenen beschrieben, aufgrund derer er nach wie vor Hilfen benötige. Die Fortführung der Betreuung sei mithin grundsätzlich veranlasst. Der Betroffene habe zwar wiederholt seinen Wunsch nach Bestellung von Herrn M. J. als Betreuer zum Ausdruck gebracht, jedoch demgegenüber nicht etwa eine Haltung offenbart, die besorgen lasse, er werde auch mittel- und langfristig jegliche Zusammenarbeit mit einem anderen Betreuer ablehnen. Es sei davon auszugehen, dass es dem neuen Betreuer - wenn auch mit gewissen Anlaufschwierigkeiten - gelingen werde, ein Vertrauensverhältnis zum Betroffenen aufzubauen.
Dem Begehren des Betroffenen, Herrn M. J. zum Betreuer zu bestellen, könne wegen dessen schon im Beschluss vom 23. Februar 2016 dargelegten Unzulänglichkeiten nicht nachgekommen werden. Die Vermögenssorge könne nicht aus dem Aufgabenkreis herausgenommen werden, weil der Betroffene insoweit weiterhin hilfsbedürftig sei.
2. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Landgericht hat keinerlei Feststellungen zum hier nach § 1896 Abs. 1a BGB notwendigen Fehlen des freien Willens getroffen.
a) Nach § 1908 d BGB ist eine Betreuung aufzuheben (und nicht nach § 295 FamFG zu verlängern), wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Hierfür genügt es, wenn im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nur eine der Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers nicht mehr vorliegt. Da nach § 1896 Abs. 1a BGB gegen den freien Willen eines Volljährigen ein Betreuer nicht bestellt werden darf, ist deshalb eine bestehende Betreuung aufzuheben, wenn sich der Betroffene mit freiem Willen gegen die Betreuung entscheidet. Nichts Anderes kann gelten, wenn ein Betroffener, der in der Lage ist, seinen Willen frei zu bestimmen, zwar grundsätzlich mit der Fortführung einer für ihn eingerichteten Betreuung einverstanden ist, dies aber mit der Bedingung verknüpft, dass eine Person zum Betreuer bestellt wird, die aus Sicht des Betreuungsgerichts für die Übernahme des Betreueramtes ungeeignet ist. Auch in diesem Fall widerspräche die Fortführung der Betreuung mit einem anderen als dem gewünschten Betreuer dem freien Willen des Betroffenen (§ 1896 Abs. 1a BGB). Beruht die Entscheidung des Betroffenen gegen die Bestellung eines anderen als des von ihm gewünschten Betreuers auf einer freien Willensbildung, muss diese Entscheidung auch dann respektiert werden, wenn die Fortführung der bestehenden Betreuung für den Betroffenen objektiv vorteilhaft wäre. In diesem Fall ist mithin trotz Vorliegens der Betreuungsbedürftigkeit des Betroffenen und fortbestehendem Betreuungsbedarf die Betreuung gemäß § 1908 d Abs. 1 BGB aufzuheben (Senatsbeschlüsse vom 26. April 2017 - XII ZB 100/17 - juris Rn. 15 und vom 7. Dezember 2016 - XII ZB 346/16 - FamRZ 2017, 473 Rn. 8 mwN).
b) Gemessen hieran hat die angefochtene Entscheidung keinen Bestand.
Zum einen hat der Betroffene, wie die Rechtsbeschwerde im Ergebnis zu Recht geltend macht, in beiden Tatsacheninstanzen eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass sein ehemaliger Betreuer M. J. die einzige Person ist, zu der er Vertrauen hat. Dies kann nur dahin verstanden werden, dass er allein eine Betreuung durch diesen akzeptiert, bei Bestellung eines anderen Betreuers die Betreuung hingegen ablehnt. Zum anderen hat sich der Betroffene in der Beschwerdeinstanz ohne jede Einschränkung gegen eine Betreuung für den Bereich der Vermögenssorge gewandt. Die verlängernde Aufrechterhaltung der Betreuung für den gesamten Aufgabenkreis und mit einem anderen Betreuer als Herrn M. J. erfolgte mithin gegen den Willen des Betroffenen.
Die deshalb notwendige - hinreichend aktuelle - Feststellung, dass der Betroffene nicht über einen freien Willen im Sinne des § 1896 Abs. 1a BGB verfügt, fehlt jedoch. Sie lässt sich weder den Beschlüssen von Amts- und Landgericht noch dem in Bezug genommenen Sachverständigengutachten entnehmen und folgt insbesondere nicht aus der diagnostizierten Krankheit (kombinierte Persönlichkeitsstörung mit überwiegend emotional-instabilen, aber auch selbstunsicheren, vermeidenden und abhängigen Anteilen sowie intermittierend auftretenden depressiven Episoden) oder der Feststellung, dass der Betroffene "nach wie vor Hilfen benötigt." Denn damit sind allein die Tatbestandsvoraussetzungen von § 1896 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB angesprochen, aber keinerlei Aussagen zur Frage des freien Willens verbunden.
3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden, weshalb diese an das Landgericht zurückzuverweisen ist (§ 74 Abs. 6 FamFG).
Das Landgericht wird Feststellungen zum Vorliegen des freien Willens beim Betroffenen zu treffen haben. Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass - anders als die Rechtsbeschwerde meint - gegen die Auffassung des Landgerichts, der ehemalige Betreuer M. J. sei als Betreuer ungeeignet, rechtlich nichts zu erinnern ist. Das Gleiche gilt - auch unter Berücksichtigung der von der Rechtsbeschwerde erhobenen Rügen - für die tatrichterliche Einschätzung, letztlich werde auch eine andere Betreuerperson als Herr M. J. den notwendigen Zugang zum Betroffenen erlangen.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
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