Entscheidungsdatum: 27.01.2016
Dass ein Teil eines Versorgungsanrechts im Ausgangsverfahren wegen Überschreitens des Höchstbetrags nach § 1587b Abs. 5 BGB nicht öffentlich-rechtlich ausgeglichen werden konnte, kann keine die Abänderung des öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleichs bei der Scheidung begründende Wertänderung im Sinne von § 51 Abs. 1 VersAusglG darstellen.
Auf die Rechtsbeschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des 13. Zivilsenats - 1. Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Koblenz vom 24. März 2014 aufgehoben.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Koblenz vom 8. April 2013 wird zurückgewiesen.
Die Kosten beider Rechtsmittelverfahren werden der Antragstellerin auferlegt.
Wert: 8.874 €
I.
Die beteiligten früheren Ehegatten (im Folgenden: Ehefrau und Ehemann) streiten über die Abänderung einer Entscheidung zum Versorgungsausgleich.
Die am 9. Juni 1972 geschlossene Ehe wurde auf den am 9. Dezember 2004 zugestellten Scheidungsantrag durch Urteil vom 30. September 2005 geschieden. In dem Urteil ist für die Ehezeit vom 1. Juni 1972 bis zum 30. November 2004 der Versorgungsausgleich durchgeführt worden. Zum Ausgleich der nach beamtenrechtlichen Grundsätzen bestehenden Anwartschaft des Ehemanns bei der beteiligten Industrie- und Handelskammer sind auf dem Rentenkonto der Ehefrau gesetzliche Rentenanwartschaften von bezogen auf das Ehezeitende 1.698,45 € begründet worden. Das entsprach dem damaligen Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB. Ein sich nach damaliger Berechnung ergebender Differenzbetrag von 467,96 € wurde nicht ausgeglichen. Im Rahmen eines Vergleichs verzichtete die Ehefrau auf jeglichen schuldrechtlichen Versorgungsausgleich.
Im Jahr 2011 teilte die beteiligte Industrie- und Handelskammer mit, dass das ehezeitlich erworbene Versorgungsanrecht des Ehemanns im Scheidungsverfahren deutlich zu niedrig mitgeteilt worden sei, namentlich nur mit monatlich 4.673,97 € statt mit richtig 6.640,43 €. Die Ehefrau hat sodann im vorliegenden Verfahren die Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich nach § 51 VersAusglG beantragt. Außerdem hat sie den Vergleich angefochten und die Fortsetzung des Ausgangsverfahrens beantragt, worüber ein gesondertes Verfahren geführt wird.
Das Amtsgericht hat den Abänderungsantrag zurückgewiesen. Auf die Beschwerde der Ehefrau hat das Oberlandesgericht die Entscheidung zum Versorgungsausgleich abgeändert und im Wege der Totalrevision die ehezeitlich erworbenen Anrechte des Ehemanns auf gesetzliche Rente und Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen, letztere unter Berücksichtigung des teilweisen Verzichts, jeweils intern sowie die Beamtenversorgung der Ehefrau extern geteilt. Dagegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des Ehemanns, der die Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung erstrebt.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen die Abänderungsvoraussetzungen nach § 51 VersAusglG hinsichtlich des Anrechts des Ehemanns bei der Industrie- und Handelskammer vor. Es bestehe allerdings Einigkeit, dass über § 51 Abs. 1 VersAusglG Anrechte, die nach altem Recht schuldrechtlich auszugleichen waren, nicht jetzt der "Realteilung" nach neuem Recht zugeführt werden könnten. Das gelte auch, soweit das sogenannte Supersplitting nach § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG durchgeführt worden sei. Zudem könnten über § 51 VersAusglG anders als beim früheren § 10 a VAHRG Rechenfehler oder Rechtsanwendungsfehler der Ausgangsentscheidung nicht korrigiert werden. Die Abänderungsvoraussetzungen lägen also nicht bereits deswegen vor, weil seinerzeit aufgrund der fehlerhaften Auskunft der Industrie- und Handelskammer ein zu gering bewertetes Anrecht in den Versorgungsausgleich eingestellt worden sei. Die Abänderungsmöglichkeit ergebe sich aber daraus, dass bei der Ausgangsentscheidung die Höchstbetragsregelung zu beachten gewesen sei und deshalb die Anrechte des Ehemanns ohnehin nur bis zum Höchstbetrag ausgeglichen worden seien. Die genannten Einschränkungen kämen dann nicht zum Tragen, wenn wie hier nur aufgrund der Höchstbetragsregelung in den schuldrechtlichen Versorgungsausgleich verwiesen worden sei. Nach der Gesetzesbegründung sei es unbillig, die Beteiligten für diese Anwartschaften in den Regelsystemen auf den Ausgleich nach der Scheidung zu verweisen.
Eine Änderung im Sinne des § 51 Abs. 1 VersAusglG liege daher vor, sobald der nach § 1587 b Abs. 5 BGB nicht ausgeglichene Teil den Grenzwert nach § 51 Abs. 2 VersAusglG überschreite. Die Änderung sei darin zu sehen, dass nunmehr das Anrecht insgesamt dem Ausgleich bei der Scheidung unterfalle. Wollte man zusätzlich eine wesentliche Änderung der Gesamtanwartschaft fordern, so liefe die gesetzgeberische Intention, die Fälle des § 1587 b Abs. 5 BGB von dem Ausschluss der Abänderungsmöglichkeit auszunehmen, weitgehend leer, weil sich in den wenigsten Fällen der gesamte Ehezeitanteil des Anrechts über die Wesentlichkeitsgrenze hinaus verändert haben dürfte.
Allerdings stehe der Vergleich nach seinem Sinn und Zweck der Abänderung entgegen. Die Anfechtung des Vergleichs sei nicht fristgerecht erfolgt. Insoweit habe sich indessen die Geschäftsgrundlage so wesentlich geändert, dass eine Anpassung an die tatsächlichen Verhältnisse geboten sei. Die Ehefrau habe bei zutreffender Berechnung auf mehr als das Dreifache dessen verzichtet, was seinerzeit zugrunde gelegt worden sei.
Bei seiner Berechnung des nach neuem Recht durchzuführenden Versorgungsausgleichs hat das Oberlandesgericht wegen des Betrags von monatlich 467,96 €, auf den die Ehefrau verzichtet habe, den Ausgleich des Anrechts des Ehemanns bei der Industrie- und Handelskammer vermindert und hierbei eine zwischenzeitliche Wertsteigerung berücksichtigt.
2. Das hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.
a) Gemäß § 51 Abs. 1 VersAusglG ändert das Gericht eine Entscheidung über einen öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich, die nach dem bis zum 31. August 2009 geltenden Recht erlassen worden ist, bei einer wesentlichen Wertänderung auf Antrag ab, indem es die in den Ausgleich einbezogenen Anrechte nach den §§ 9 bis 19 VersAusglG teilt.
Selbst bei Fehlerhaftigkeit der Ausgangsentscheidung wäre hingegen eine Abänderung nach § 51 VersAusglG noch nicht eröffnet. Denn mit der Regelung des § 51 VersAusglG hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, die bisher in weitem Umfang bestehenden Abänderungsmöglichkeiten nach § 10 a VAHRG einzuschränken. Nach § 10 a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG war eine Abänderung formell und materiell rechtskräftiger Entscheidungen zur Verwirklichung des materiell richtigen Ausgleichsergebnisses nicht nur bei nachträglichen und unvorhersehbaren Veränderungen der Anrechte möglich. Vielmehr genügte auch das Vorliegen bloßer Fehler der Ausgangsentscheidung wie Rechen- und Methodenfehler, ungenügende Berechnungsgrundlagen, eine fehlerhafte Bestimmung der Ehezeit oder unrichtige Auskünfte der Versorgungsträger für eine Durchbrechung der Rechtskraft (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548 Rn. 18 mwN).
Bei der Anwendung des § 51 VersAusglG ist demnach zu beachten, dass nur nachträglich eingetretene Wertänderungen, nicht aber Fehler der Ausgangsentscheidung eine Abänderung der Ursprungsentscheidung eröffnen können. Die nachträglich eingetretene Wertänderung muss für sich genommen die Wesentlichkeitsgrenze nach § 51 Abs. 2 VersAusglG i.V.m. § 225 Abs. 2 und 3 FamFG überschreiten (Senatsbeschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 323/13 - FamRZ 2015, 125 Rn. 15).
Liegt hingegen eine wesentliche Wertänderung vor und ist eine Abänderung nach § 51 VersAusglG somit eröffnet, ist eine erneute Entscheidung über den Versorgungsausgleich nach §§ 9 bis 19 VersAusglG unter Berücksichtigung sämtlicher in den Versorgungsausgleich einbezogener Anrechte zu erlassen (§ 51 Abs. 1 VersAusglG). Nur unter diesen Voraussetzungen und in diesem Umfang findet eine "Totalrevision" statt, die hinsichtlich der einbezogenen Anrechte - als begrenzte Rechtskraftdurchbrechung - dann auch eine Fehlerkorrektur einschließt (Senatsbeschlüsse BGHZ 198, 91 = FamRZ 2013, 1548 Rn. 16; vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 323/13 - FamRZ 2015, 125 Rn. 15 f. und vom 24. Juni 2015 - XII ZB 495/12 - FamRZ 2015, 1688 Rn. 25 ff.).
b) Die angefochtene Entscheidung entspricht diesen Maßstäben nicht in vollem Umfang. Nach den vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen ist eine Abänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG nicht eröffnet.
aa) Noch zutreffend hat das Oberlandesgericht in dem der Ausgangsentscheidung zugrunde gelegten fehlerhaften, weil zu niedrigen Betrag der Anwartschaft des Ehemanns bei der Industrie- und Handelskammer keinen die Abänderung begründenden Umstand gesehen. Hierbei handelt es sich um einen auf einer unrichtigen Auskunft des Versorgungsträgers beruhenden Fehler der Ausgangsentscheidung, der für sich genommen eine Abänderung nicht eröffnen kann.
bb) Ein Abänderungsgrund kann sich entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts auch nicht daraus ergeben, dass die Begründung gesetzlicher Rentenanwartschaften bei der Ausgangsentscheidung auf den Höchstbetrag nach § 1587 b Abs. 5 BGB begrenzt war und dieser überschritten wurde.
Dass es sich hierbei nicht um eine Wertänderung im Sinne von § 51 Abs. 1 VersAusglG handeln kann, hat der Senat der Sache nach bereits seiner - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses ergangenen - Entscheidung vom 22. Oktober 2014 (XII ZB 323/13 - FamRZ 2015, 125) zugrunde gelegt. Denn der zu beurteilende Wert der Anwartschaft war (und ist) nicht davon abhängig, in welchem Umfang ein öffentlich-rechtlicher Versorgungsausgleich vorgesehen war und in welchem Umfang der Ausgleich dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich vorbehalten blieb. Diese Fragen betreffen die Ausgleichsform, nicht aber den Wert des jeweiligen Anrechts. Dementsprechend konnte sich der Wert auch nicht dadurch ändern, dass nach dem seit 1. September 2009 geltenden Recht ein Höchstbetrag für den Ausgleich von Anrechten auf Beamtenversorgung oder vergleichbarer Anrechte nicht mehr vorgesehen ist.
Die von ihm angeführten Gesetzesmaterialien tragen die gegenläufige Auffassung des Oberlandesgerichts nicht. Im betreffenden Bericht des Rechtsausschusses ist ausgeführt, dass es unbillig wäre, die Eheleute in Fällen des überschrittenen Höchstbetrags nach § 1587 b Abs. 5 BGB auf den Ausgleich nach der Scheidung zu verweisen (BT-Drucks. 16/11903 S. 58). Damit sollte indessen lediglich begründet werden, dass solche Anrechte - anders als Anrechte auf betriebliche Altersversorgung nach einem Teilausgleich gemäß § 3 b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG - in jedem Fall vollständig im öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich ausgeglichen werden sollten und dass insoweit § 51 Abs. 4 VersAusglG keine Anwendung finden sollte. Die angeführten Erwägungen befassen sich somit nur mit der Frage, in welcher Form ein nach § 1587 b Abs. 5 BGB nur teilweise ausgeglichenes Anrecht nunmehr im Rahmen von § 51 VersAusglG auszugleichen ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 323/13 - FamRZ 2015, 125 und vom 24. Juni 2015 - XII ZB 495/12 - FamRZ 2015, 1688). Die Voraussetzung der Wertänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG ist mithin davon nicht berührt. Entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts liefe die gesetzgeberische Intention damit auch nicht leer.
3. Die angefochtene Entscheidung ist demnach aufzuheben. Der Senat entscheidet in der Sache abschließend, weil weitere Feststellungen nicht mehr zu treffen sind. Nach den getroffenen Feststellungen liegt eine wesentliche Wertänderung nach § 51 Abs. 1 VersAusglG nicht vor. Der Abänderungsantrag ist mithin unbegründet. Auf die Frage, ob und inwiefern trotz des von der Ehefrau erklärten Verzichts noch ein schuldrechtlicher Versorgungsausgleich durchzuführen ist, kommt es im vorliegenden Verfahren nicht an (vgl. Senatsbeschluss vom 15. April 2015 - XII ZB 30/13 - FamRZ 2015, 1100 Rn. 14).
Dose Klinkhammer Schilling
Botur Guhling