Entscheidungsdatum: 07.11.2012
Auf die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 23. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld vom 22. Dezember 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.
Beschwerdewert: 7.453 €
I.
Die Beteiligte zu 3, die Landeskasse, fordert aus übergegangenem Recht die Rückzahlung der Betreuervergütung vom Erben der Betroffenen, dem Beteiligten zu 1.
Über das Vermögen der Betroffenen war im April 2007 das Regelinsolvenzverfahren eröffnet worden, das nach ihrem Tod am 10. August 2010 in ein Nachlassinsolvenzverfahren übergeleitet wurde. Nachdem der Insolvenzverwalter die Gläubiger der Betroffenen, darunter auch die Landeskasse, in Kenntnis gesetzt hatte, dass die Betroffene durch eine Erbschaft Vermögen erworben hatte, forderte das Amtsgericht die aus der Landeskasse an die Betreuerin gezahlte Vergütung für den Zeitraum vom 8. März 2007 bis 9. August 2010 in Höhe von 7.453,60 € aus dem Nachlass der Betroffenen zurück. Der Erbe der Betroffenen erhebt die Einrede der Verjährung und beruft sich auf den Vorrang des Insolvenzverfahrens. Seine Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde, mit der er die Aufhebung des Rückforderungsbeschlusses begehrt.
Mit Beschluss vom 20. August 2012 hat das Amtsgericht das Nachlassinsolvenzverfahren gemäß § 212 InsO wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes eingestellt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 70 Abs. 2 FamFG statthaft, weil das Landgericht sie zugelassen hat.
Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
1. Das Landgericht hat ausgeführt, der Rückforderungsanspruch der Landeskasse bestehe nach §§ 1908 i, 1836 e BGB und sei weder verjährt, noch sei die Festsetzung wegen des laufenden Nachlassinsolvenzverfahrens unzulässig. Nach Art. 229 § 23 Abs. 2 Satz 1 EGBGB beginne der Lauf der Regelverjährungsfrist erst am 1. Januar 2010. Beim Erstattungsanspruch handele es sich um eine Erbfallschuld, die nach Erlass des Rückforderungsbescheids als Nachlassverbindlichkeit im Insolvenzverfahren zur Tabelle anzumelden sei.
2. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a) Nicht frei von Rechtsfehlern ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass die gesamte Regressforderung der Landeskasse zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbeschlusses im November 2011 noch nicht verjährt sei. Wie der Senat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden hat, verjähren die - gemäß § 1836 e Abs. 1 Satz 1 BGB auf die Staatskasse übergegangenen - Vergütungs- bzw. Aufwendungsersatzansprüche des Betreuers aus § 1908 i Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 1835, 1836 BGB in drei Jahren. Zugleich hat der Senat entschieden, dass die Mittellosigkeit des Betreuten im Sinne von § 1836 d BGB dem Verjährungsbeginn nicht entgegensteht und nicht zu einer Hemmung der Verjährung nach § 204 BGB führt. Schließlich findet die Übergangsregelung des Art. 229 § 23 EGBGB auf den Regressanspruch aus § 1836 e BGB keine Anwendung (vgl. insgesamt Senatsbeschlüsse vom 25. Januar 2012 - XII ZB 461/11 - FamRZ 2012, 627 und XII ZB 605/10 - BtPrax 2012, 118; zu dem auf die Staatskasse übergegangenen Aufwandsentschädigungsanspruch siehe Senatsbeschluss vom 25. Januar 2012 - XII ZB 497/11 - FamRZ 2012, 629).
Die auf die Staatskasse übergegangenen Ansprüche für das Jahr 2007 waren demnach zum Zeitpunkt des Erlasses des Rückforderungsbeschlusses im November 2011 nach § 195 i.V.m. § 199 Abs. 1 BGB verjährt.
b) Die Frage nach dem Vorrang und der Unterbrechungswirkung des Insolvenzverfahrens, derentwegen das Beschwerdegericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat, kann dahin stehen, da das Nachlassinsolvenzverfahren zwischenzeitlich im August 2012 nach § 212 InsO wegen Wegfalls des Eröffnungsgrundes eingestellt worden ist.
Diese in der Rechtsbeschwerdeinstanz eingetretene neue Tatsache ist auch zu berücksichtigen, da ihre Berücksichtigung den Grundsätzen der Prozesswirtschaftlichkeit entspricht. § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG bestimmt in entsprechender Anwendung von § 559 ZPO, welche Tatsachengrundlage für die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts maßgebend ist; nämlich nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil bzw. der Beschwerdeentscheidung und dem Sitzungsprotokoll bzw. den Vermerken über Anhörungstermine (§ 28 Abs. 4 FamFG) ersichtlich ist. Damit ist in der Rechtsbeschwerdeinstanz eine Nachprüfung tatsächlicher Verhältnisse grundsätzlich ausgeschlossen (Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 74 Rn. 29). Eine Ausnahme hiervon gilt aus Gründen der Verfahrensökonomie, also im Interesse einer möglichst raschen und Kosten sparenden Erledigung der Sache bei Vermeidung eines neuen Verfahrens, wenn die Berücksichtigung neuer tatsächlicher Umstände keine nennenswerte Mehrarbeit verursacht (Senatsurteil vom 21. November 2001 - XII ZR 162/99 - FamRZ 2002, 318, 319 und Senatsbeschluss vom 17. Oktober 2010 - XII ZB 161/94 - FamRZ 2002, 93, 94; Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 74 Rn. 36). Voraussetzung für die Berücksichtigung neuer Tatsachen ist aber stets, dass sie schützenswerte Belange anderer Beteiligter nicht verletzt (Keidel/Meyer-Holz FamFG 17. Aufl. § 74 Rn. 38).
Würde die Einstellung des Nachlassinsolvenzverfahrens während des laufenden Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht berücksichtigt, und käme man zu dem Ergebnis, dass der Rückforderungsbeschluss wegen des Vorrangs des Insolvenzverfahrens nicht hätte ergehen dürfen, wie die Rechtsbeschwerde reklamiert, wäre er aufzuheben und die Staatskasse darauf zu verweisen, ihre Forderung zur Insolvenztabelle anzumelden. Nach Einstellung des Verfahrens gibt es indes keine Tabelle mehr, zu der die Forderung angemeldet werden könnte, so dass ein solcher Beschluss obsolet wäre. Aber auch in dem Fall, in dem ein laufendes Insolvenzverfahren dem Erlass des Rückforderungsbeschlusses nicht entgegenstehen würde, wäre der Beschluss des Landgerichts aufzuheben, da die Verjährung nicht rechtsfehlerfrei beurteilt wurde. Schützenswerte Belange eines Beteiligten werden durch die Berücksichtigung der Einstellung des Insolvenzverfahrens auch nicht verletzt.
3. Der Senat kann allerdings nicht gemäß § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG in der Sache abschließend entscheiden, da noch weitere Feststellungen dazu erforderlich sind, welcher Teil der festgestellten Gesamtsumme von 7.453,60 € auf das Jahr 2007 entfällt.
Dose Weber-Monecke Klinkhammer
Schilling Nedden-Boeger