Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 14.03.2018


BGH 14.03.2018 - XII ZB 146/17

Vergütungsfestsetzungsverfahren für den Betreuer: Prüfung des Inhalts der Ausbildung bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung wegen nutzbarer Fachkenntnisse


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
12. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
14.03.2018
Aktenzeichen:
XII ZB 146/17
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Darmstadt, 15. März 2017, Az: 5 T 237/15, Beschlussvorgehend AG Darmstadt, 20. März 2015, Az: 503 XVII 493/14 (V)
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015, XII ZB 123/14, FamRZ 2015, 1794).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 3 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt vom 15. März 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Behandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Wert: 131 €

Gründe

1

Die Rechtsbeschwerde, mit der die Staatskasse die Zuerkennung eines erhöhten Vergütungsstundensatzes von 33,50 € zugunsten der Betreuerin beanstandet, hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere Kammer des Beschwerdegerichts.

2

1. Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung in juris veröffentlicht ist, vertritt die Auffassung, dass die Betreuerin durch ihre im Jahr 1992 abgeschlossene Ausbildung zur Krankengymnastin (heutige Berufsbezeichnung: Physiotherapeutin) für die Betreuung nutzbare Kenntnisse im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG erworben habe. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

3

a) Im rechtlichen Ausgangspunkt geht das Beschwerdegericht zwar zutreffend davon aus, dass es sich bei der Ausbildung zur Krankengymnastin um eine abgeschlossene Ausbildung handelt, die einer abgeschlossenen Lehre vergleichbar ist, § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG. Weiter zutreffend geht das Beschwerdegericht von der Notwendigkeit der Feststellung aus, dass ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung von Wissen gerichtet ist, welches für die Betreuung nutzbar ist und über ein Grundwissen deutlich hinausgeht. Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG muss der Tatrichter deshalb eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind (Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 5).

4

b) Die Rechtsbeschwerde beanstandet aber zu Recht, dass das Beschwerdegericht den Inhalt der Ausbildung fehlerhaft ermittelt hat, indem es seinen Feststellungen die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten vom 6. Dezember 1994 (BGBl. I S. 3786; PhysTh-APrV) zugrunde gelegt hat. Maßgeblich für die im Jahr 1992 abgeschlossene Ausbildung der Betreuerin waren demgegenüber die aufgrund von § 12 des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958 (BGBl. I 1958, 985; MBKG) erlassene Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Krankengymnasten vom 7. Dezember 1960 (BGBl. I 1960, 885; KrGymAPO) mit Änderung vom 25. Juni 1971 (BGBl. I 1971, 847). Diese weicht nicht nur im zeitlichen Umfang, sondern auch hinsichtlich der Inhalte der Ausbildung und der Prüfung von der im Jahr 1994 erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Physiotherapeuten ab (vgl. auch Senatsbeschluss vom 15. Juli 2015 - XII ZB 123/14 - FamRZ 2015, 1794 Rn. 3).

5

Nicht tragfähig ist die Annahme des Beschwerdegerichts, es komme im Interesse eines einfach handhabbaren und typisierten Vergütungsaufbaus nach § 4 VBVG nicht darauf an, in welchem Jahr ein Betreuer seine Ausbildung abgeschlossen habe, ob die Ausbildung in der Zwischenzeit unbenannt worden sei oder ob Ausbildungsinhalte hinzugekommen oder gestrichen worden seien. Maßgeblich für die erhöhte Vergütung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG sind die betreuungsrelevanten Kenntnisse, die durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare Ausbildung - tatsächlich - erworben worden sind. Welche Kenntnisse ein Betreuer tatsächlich erworben hat, kann nur anhand der seiner Ausbildung zugrunde liegenden Ausbildungs- und Prüfungsordnung beurteilt werden und nicht anhand eines typisierenden Vergleichs mit anderen Personen, die aufgrund anderer Ausbildungs- und Prüfungsinhalte die gleiche Berufsbezeichnung führen dürfen.

6

2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist an eine andere Kammer des Beschwerdegerichts zurückzuverweisen (§ 74 Abs. 6 Satz 3 FamFG), damit diese die erforderlichen Feststellungen treffen kann.

7

Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Kenntnisse, die in vergütungsrelevanter Weise „für die Betreuung nutzbar“ sind, werden im Hinblick darauf, dass es sich bei der Betreuung um eine rechtliche Betreuung handelt (§ 1901 BGB), regelmäßig Rechtskenntnisse sein (vgl. Senatsbeschlüsse vom 28. Februar 2018 - XII ZB 452/17 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 21. Mai 2014 - XII ZB 98/14 - FamRZ 2014, 1361 Rn. 11 mwN). Auch vor diesem Hintergrund wird sich das Beschwerdegericht mit dem Vorbringen der Staatskasse auseinanderzusetzen haben, wonach die Ausbildung zur Krankengymnastin bzw. Physiotherapeutin im Kernbereich auf die Erlernung von praktischen Behandlungstechniken gerichtet gewesen sei, welche die Betreuerin im Rahmen der Betreuung nicht nutzen könne, weil sie den Betroffenen nicht behandle, während ihr theoretisches Wissen allenfalls im Bereich der Gesundheitssorge und dort auch nur mittelbar im Rahmen des Hinwirkens auf eine Therapie und deren Überwachung zur Anwendung gelangen könne.

8

3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.

Dose     

      

Günter     

      

Nedden-Boeger

      

Botur     

      

Guhling