Entscheidungsdatum: 23.01.2018
1. Passen die Parteien im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung die Konditionen eines bestehenden Darlehensvertrags an und gewährt der Darlehensgeber zugleich für einen Aufstockungsbetrag ein neues Kapitalnutzungsrecht, bietet er nach der gebotenen objektiven Auslegung dem Darlehensnehmer für die Konditionenanpassung die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts auch dann nicht an, wenn er eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt (Fortführung von Senatsurteil vom 28. Mai 2013, XI ZR 6/12, WM 2013, 1314 Rn. 19 ff.).
2. Der Widerruf der die Vereinbarung über das neue Kapitalnutzungsrecht betreffenden Willenserklärung führt in solchen Fällen regelmäßig nicht dazu, dass auch die Konditionenanpassung rückabzuwickeln ist.
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 19. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Juli 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Feststellung nach Widerruf ihrer auf Abschluss eines Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung in Anspruch.
Die Parteien schlossen zum Zwecke der Umschuldung im März 2006 einen Verbraucherdarlehensvertrag über 60.649,54 € mit einem bis zum 30. September 2007 festen Nominalzinssatz von 6,35% p.a. Unter 1.2 des Vertragsformulars bezeichneten die Parteien den "Nettodarlehensbetrag" mit 20.488,69 €. Unter der Überschrift "Besondere Vereinbarungen" hielten sie fest:
"Aufstockung des Darlehens von EUR 40.160,85 um EUR 20.488,69 auf EUR 60.649,54 (Zusammenfassung mit Darl. Nr. [...] 47). Mit Unterzeichnung verliert der Darlehensvertrag vom 02.10.1997 seine Gültigkeit. Zinssatz ab 01.10.2007: 4,38%, fest bis 30.09.2017 - siehe gesonderte Anlage -".
Zur Sicherung der Ansprüche der Beklagten dienten Grundpfandrechte. Die Beklagte belehrte die Klägerin über ihr Widerrufsrecht wie folgt:
Die Klägerin erbrachte Zins- und Tilgungsleistungen. Am 18. Februar 2015 widerrief ihr vorinstanzlicher Prozessbevollmächtigter ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung.
Ihre Klage auf Feststellung, sie habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung wirksam widerrufen "und der Darlehensvertrag" sei unwirksam geworden, außerdem auf Feststellung, sie schulde der Beklagten aus dem Darlehen nur noch 20.942,59 € zum 18. Februar 2015, hat das Landgericht abgewiesen. Über eine nur in erster Instanz verfolgte Hilfswiderklage der Beklagten hat es nicht entschieden. Die Berufung der Klägerin, mit der sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgt, den mit der negativen Feststellungsklage zugestandenen Betrag allerdings auf 15.247,24 € reduziert und hilfsweise zum ersten Feststellungsantrag beantragt hat festzustellen, der Darlehensvertrag sei durch den Widerruf in ein Rückgewährschuldverhältnis umgewandelt worden, hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihr Berufungsbegehren weiterverfolgt.
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt:
Die begehrten Feststellungen seien nicht zu treffen, weil der Widerruf der Klägerin nicht wirksam geworden sei. Zwar habe die Beklagte die Klägerin fehlerhaft über das der Klägerin zukommende Widerrufsrecht belehrt, ohne dass der Beklagten die Gesetzlichkeitsfiktion des Musters für die Widerrufsbelehrung zugutekomme. Die Klägerin habe ihr Widerrufsrecht indessen rechtsmissbräuchlich ausgeübt. Sie habe sich lediglich einer formalen Rechtsposition bedient, ohne ein vom Schutzzweck des Widerrufsrechts - Schutz vor Übereilung - gedecktes Anliegen zu verfolgen.
II.
Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
1. Zu Unrecht ist das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen.
Der Antrag festzustellen, der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag sei "wirksam widerrufen", ist als auf die Klärung einer nicht feststellungsfähigen bloßen Vorfrage gerichtet unzulässig (Senatsurteile vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 12, vom 10. Oktober 2017 - XI ZR 457/16, WM 2017, 2256 Rn. 18 und vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 14).
Für den Antrag festzustellen, der Darlehensvertrag sei aufgrund des Widerrufs "unwirksam" geworden, fehlt, wie der Senat nach Erlass des Berufungsurteils näher ausgeführt hat (Senatsurteile vom 24. Januar 2017 - XI ZR 183/15, WM 2017, 766 Rn. 11 ff., vom 21. Februar 2017 - XI ZR 467/15, WM 2017, 906 Rn. 13 ff., vom 14. März 2017 - XI ZR 442/16, WM 2017, 849 Rn. 19, vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 16 und vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 16 f.), das Feststellungsinteresse. Die Feststellungsklage ist auch nicht nach den Maßgaben des Senatsurteils vom 24. Januar 2017 (aaO, Rn. 16) abweichend von der Regel ausnahmsweise zulässig, weil hier nicht feststeht, dass der Rechtsstreit die Meinungsverschiedenheiten der Parteien endgültig bereinigt.
Unzulässig ist schließlich der Antrag der Klägerin festzustellen, sie schulde der Beklagten zum 18. Februar 2015 "aus dem Darlehen" nur noch 15.247,24 €. Bei einer negativen Feststellungsklage entsteht das Feststellungsinteresse des Klägers regelmäßig aus einer vom Beklagten (nicht notwendig ausdrücklich) aufgestellten Bestandsbehauptung ("Berühmen") der vom Kläger verneinten Rechtslage. Da die Beklagte die Wirksamkeit des Widerrufs und damit das Zustandekommen eines Rückgewährschuldverhältnisses bestreitet, berühmt sie sich keines Anspruchs aus § 357 Abs. 1 Satz 1 BGB in der bis zum 12. Juni 2014 geltenden Fassung in Verbindung mit §§ 346 ff. BGB (Senatsurteil vom 16. Mai 2017 - XI ZR 586/15, WM 2017, 1258 Rn. 13).
2. Außerdem weisen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu einer rechtsmissbräuchlichen Ausübung des Widerrufsrechts revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf.
a) Im Ausgangspunkt und auf der Grundlage des revisionsrechtlich zugunsten der Klägerin zu unterstellenden Sachverhalts zutreffend ist allerdings die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung gemäß dem nach Art. 229 § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 2, § 32 Abs. 1, § 38 Abs. 1 EGBGB maßgeblichen Recht nach § 495 Abs. 1 BGB auch noch im Februar 2015 widerrufen können, weil die Beklagte sie unzureichend deutlich über die Voraussetzungen des Widerrufsrechts belehrt habe (Senatsurteil vom 12. Juli 2016 - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 17 ff., 20 ff.).
b) Die Ausführungen des Berufungsgerichts zu § 242 BGB weisen indessen revisionsrechtlich erhebliche Rechtsfehler auf. Wie der Senat inzwischen wiederholt entschieden und näher ausgeführt hat, ist die Ausübung des Widerrufsrechts nicht allein deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sie nicht durch den Schutzzweck des Widerrufsrechts motiviert ist (Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 20 ff. und - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 45 ff. sowie vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 16). Demgegenüber hat das Berufungsgericht bei der Anwendung des § 242 BGB maßgeblich darauf abgestellt, der Widerruf habe nicht dem Schutz vor Übereilung gedient.
III.
Das Berufungsurteil unterliegt mithin der Aufhebung (§ 562 ZPO), weil es sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 561 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, verweist sie der Senat an das Berufungsgericht zurück (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), das der Klägerin Gelegenheit zu geben haben wird, einen zulässigen Antrag zu stellen (Senatsurteil vom 4. Juli 2017 - XI ZR 741/16, WM 2017, 1602 Rn. 34). Außerdem wird sich das Berufungsgericht nach Maßgabe der vom Senat näher ausgeführten Grundsätze mit dem Einwand auseinanderzusetzen haben, der Ausübung des Widerrufsrechts habe § 242 BGB entgegen gestanden (vgl. Senatsurteile vom 12. Juli 2016 - XI ZR 501/15, BGHZ 211, 105 Rn. 17 ff., 39 ff. und - XI ZR 564/15, BGHZ 211, 123 Rn. 34 ff., 42 ff., vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 29 ff. sowie vom 7. November 2017 - XI ZR 369/16, WM 2018, 45 Rn. 15 ff., 30).
Sollte das Berufungsgericht den Widerruf für wirksam erachten, wird es sich mit dem Einwand der Beklagten zu befassen haben, der Klägerin sei im März 2006 lediglich in Höhe von 20.488,69 € ein neues Kapitalnutzungsrecht eingeräumt worden.
Träfe dies zu, erfasste das gesetzliche Widerrufsrecht nach § 495 Abs. 1 BGB nur die diesen Teilbetrag betreffende Vereinbarung der Parteien (vgl. BGH, Urteile vom 19. Februar 1986 - VIII ZR 113/85, BGHZ 97, 127, 131 ff., vom 16. April 1986 - VIII ZR 79/85, BGHZ 97, 351, 360, vom 8. Oktober 1990 - VIII ZR 176/89, BGHZ 112, 288, 293 f., vom 26. Oktober 1990 - V ZR 22/89, BGHZ 112, 376, 377 f., vom 25. Mai 1983 - VIII ZR 51/82, WM 1983, 788, 789 und vom 3. Juli 1991 - VIII ZR 201/90, WM 1991, 1675, 1677; Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 28; MünchKommBGB/Fritsche, 7. Aufl., § 355 Rn. 26; Brönneke, MMR 2004, 127, 128 f.; Fuchs, ZIP 2000, 1273, 1283 Fn. 94). Für eine Konditionenanpassung im Rahmen der unechten Abschnittsfinanzierung - hier nach dem Vortrag der Beklagten für einen Teilbetrag von 40.160,85 € - bestünde kein gesetzliches Widerrufsrecht (vgl. Senatsurteil vom 28. Mai 2013 - XI ZR 6/12, WM 2013, 1314 Rn. 19 ff.).
Insoweit bestünde auch kein vertragliches Widerrufsrecht. Passen die Parteien im Rahmen einer unechten Abschnittsfinanzierung die Konditionen eines bestehenden Darlehensvertrags an und gewährt der Darlehensgeber zugleich für einen Aufstockungsbetrag ein neues Kapitalnutzungsrecht, bietet er nach der gebotenen objektiven Auslegung dem Darlehensnehmer für die Konditionenanpassung die Vereinbarung eines vertraglichen Widerrufsrechts auch dann nicht an, wenn er eine einheitliche Widerrufsbelehrung erteilt.
Der Widerruf der die Vereinbarung über das neue Kapitalnutzungsrecht betreffenden Willenserklärung führt in solchen Fällen regelmäßig nicht dazu, dass auch die Konditionenanpassung rückabzuwickeln ist (Staudinger/Kaiser, BGB, Neubearb. 2012, § 355 Rn. 28; die von MünchKommBGB/Fritsche, 7. Aufl., § 355 Rn. 26 zitierte höchstrichterliche Rechtsprechung zur Anwendung der §§ 812 ff. BGB betraf die Rechtslage vor dem 30. Juni 2000).
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