Entscheidungsdatum: 11.01.2011
1. Zur arglistigen Täuschung über die Höhe von Vermittlungsprovisionen mittels eines so genannten "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages" (im Anschluss an BGH, Urteil vom 29. Juni 2010, XI ZR 104/08, BGHZ 186, 96) .
2. Zur Wirkung der vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen im unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils (im Anschluss an BGH, Urteil vom 8. Januar 2007, II ZR 334/04, NJW RR 2007, 1434 Rn. 11 mwN) sowie eines gerichtlichen Geständnisses .
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 26. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 17. September 2008 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien streiten über Ansprüche im Zusammenhang mit dem von der Beklagtenseite finanzierten Erwerb einer Eigentumswohnung durch die Klägerseite.
Die Klägerseite erwarb im Jahre 1998 zu Steuersparzwecken eine Eigentumswohnung in dem Objekt Bo. in Be. Der Kaufpreis betrug 134.832 DM. Zur Finanzierung des Kaufs schloss die Klägerseite mit der Beklagten zu 2., die hierbei von der Beklagten zu 1. vertreten wurde, einen Darlehensvertrag über ein tilgungsfreies Vorausdarlehen in Höhe von 170.000 DM sowie zwei Bausparverträge. Die Vermittlung der Eigentumswohnung und der Finanzierung erfolgte durch die I. GmbH (im Folgenden: I.) und die B. mbH (im Folgenden: B.), zwei Unternehmen der H. Gruppe (im Folgenden: H. Gruppe), die seit 1990 in großem Umfang Anlageobjekte vertrieb, die die Beklagtenseite in Zusammenarbeit mit verschiedenen Banken finanzierte. Insoweit unterzeichnete die Klägerseite nach den Feststellungen der Instanzgerichte, die auf dem unstreitigen Vortrag der Parteien beruhen, unter anderem einen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag. In von beiden Parteien vorgelegten Mustern eines solchen Auftrages heißt es: Ich erteile hiermit den Auftrag mir das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden. Ausweislich Punkt 4. der Aufstellung sollte die jeweilige Finanzierungsvermittlungsgesellschaft eine Finanzierungsvermittlungsgebühr und ausweislich Punkt 5. die jeweilige Immobilienvermittlungsgesellschaft eine Courtage erhalten, die nach der unbestrittenen Behauptung der Klägerseite 2% des Darlehensbetrages bzw. 3,45% des Kaufpreises betrugen. Die Darlehensvaluta wurde in der Folge ausgezahlt.
Mit der Klage verlangt die Klägerseite - gestützt auf einen Schadensersatzanspruch wegen vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung - die Rückabwicklung des kreditfinanzierten Kaufs der Eigentumswohnung. Sie begehrt insbesondere die Rückzahlung geleisteter Zinsen und die Feststellung, dass aus dem Darlehensvertrag ihr gegenüber keine Zahlungsansprüche bestehen, Zug um Zug gegen Auflassung des Miteigentumsanteils, sowie die Feststellung, dass die Beklagtenseite ihr sämtlichen Schaden zu ersetzen hat, der im Zusammenhang mit dem finanzierten Erwerb der Eigentumswohnung steht. Ihre Ansprüche stützt die Klägerseite unter anderem darauf, dass sie durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag arglistig über die Höhe der Vermittlungsprovisionen getäuscht worden sei. Außerdem habe sich die Beklagtenseite durch ihre Zusammenarbeit mit der H. Gruppe in einen schwerwiegenden Interessenkonflikt verwickelt. Die Beklagtenseite ist dem entgegen getreten und hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagtenseite hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen. Mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision begehrt die Klägerseite die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - ausgeführt, ein vorvertragliches Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite liege nicht vor, und zwar insbesondere auch kein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung über die Höhe der Vertriebsprovisionen. Die Beklagtenseite sei nicht verpflichtet gewesen, die Klägerseite auf die Höhe der Vertriebsprovisionen hinzuweisen, solange diese - wie hier - nicht zu einer sittenwidrigen Überhöhung des Kaufpreises führten. Auch eine Aufklärungspflicht wegen eines schwerwiegenden Interessenkonflikts der Beklagtenseite habe nicht bestanden. Insbesondere seien die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der H. Gruppe im Jahre 1998 nicht geeignet gewesen, eine solche Aufklärungspflicht der Beklagtenseite zu begründen.
II.
Das Berufungsurteil hält rechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1. Richtig ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, dass das einen Immobilienerwerb finanzierende Kreditinstitut den Darlehensnehmer grundsätzlich nicht von sich aus auf eine im Kaufpreis enthaltene und an den Vertrieb gezahlte Provision hinweisen muss, sofern diese nicht zu einer so wesentlichen Verschiebung des Verhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert der Immobilie beiträgt, dass das Kreditinstitut von einer sittenwidrigen Übervorteilung des Käufers durch den Verkäufer ausgehen musste (st. Rspr., zuletzt Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 Rn. 17 mwN, zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen). Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch, dass das Berufungsgericht eine solche sittenwidrige Übervorteilung hier nicht festgestellt hat.
2. Mit diesen Ausführungen lässt sich eine Haftung der Beklagtenseite für ein Aufklärungsverschulden im Zusammenhang mit den Vertriebsprovisionen aber nicht abschließend verneinen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Finanzierungsbank auch dann vor, wenn die Bank Kenntnis davon hat, dass der Kreditnehmer von seinem Geschäftspartner oder durch den Fondsprospekt über das finanzierte Geschäft arglistig getäuscht wurde (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 Rn. 20 mwN). Wie der erkennende Senat bereits mehrfach zu ebenfalls die Beklagtenseite betreffenden vergleichbaren Fällen institutionalisierten Zusammenwirkens entschieden hat (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 56 und vom 27. Mai 2008 - XI ZR 132/07, WM 2008, 1260 Rn. 26 mwN), wird die Kenntnis der Beklagtenseite von einer solchen arglistigen Täuschung der Anleger durch den Vertrieb widerleglich vermutet, wenn die Unrichtigkeit der Angaben zum Anlageobjekt objektiv evident ist.
Ein solcher Fall ist nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt im Hinblick auf die Vertriebsprovisionen gegeben. Die Klägerseite hat sich zur Begründung eines Aufklärungsverschuldens der Beklagtenseite nämlich unter Beweisantritt auch darauf berufen, durch den Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag sei bei ihr gezielt der unrichtige Eindruck erweckt worden, dass für die Vermittlung von Erwerb und Finanzierung der Eigentumswohnung lediglich die dort ausdrücklich ausgewiesenen und keine weiteren Vertriebsprovisionen zu zahlen seien, obwohl tatsächlich im Einvernehmen zwischen Vertrieb und Beklagtenseite wesentlich höhere Vertriebsprovisionen an die Vermittler geflossen seien.
a) Danach ist eine arglistige Täuschung der Klägerseite über die Höhe der Vertriebsprovisionen dargetan, über die die Beklagtenseite sie hätte aufklären müssen. Wie der erkennende Senat in seinem nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen Urteil vom 29. Juni 2010 (XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 ff.) entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist der formularmäßige Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der gemäß den nachstehenden Ausführungen unter b) entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung auch im Streitfall zum Einsatz gekommen ist, angesichts des darin enthaltenen formularmäßigen Hinweises, der Auftrag solle durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgenden Aufstellung benannten Vermittlungsgesellschaften zu den dort im Einzelnen genannten Gebührensätzen ausgeführt werden, unter Berücksichtigung der Unklarheitenregel des § 5 AGBG (jetzt § 305c Abs. 2 BGB) dahin auszulegen, dass es sich bei den als Finanzierungsvermittlungsgebühr und Courtage bezeichneten Provisionen um die Gesamtprovisionen handelt, zu denen die jeweilige Vermittlungsgesellschaft den Auftrag insgesamt ausführen sollte (Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 Rn. 28 ff.). Dies war aber nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen der Klägerseite eine bewusste Fehlinformation, da tatsächlich wesentlich höhere Provisionen an die Vermittler gezahlt werden sollten und wurden.
Das Berufungsgericht, das die nach dem Senatsurteil vom 29. Juni 2010 gebotene Auslegung des formularmäßigen Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages und das sich daraus möglicherweise ergebende Aufklärungsverschulden der Beklagtenseite bei Abfassung seines Urteils noch nicht berücksichtigen konnte, hat den Sachverhalt unter diesem Gesichtspunkt noch nicht geprüft und die für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch erforderlichen weiteren Feststellungen noch nicht getroffen.
b) Ohne Erfolg macht die Revisionserwiderung geltend, ein Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, wie er Gegenstand des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 gewesen ist, liege im Streitfall nicht vor.
Nach dem vom Berufungsgericht gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO in Bezug genommenen unstreitigen Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils unterzeichnete die Klägerseite am 18. Dezember 1998 unter anderem auch einen "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag". Diese tatbestandliche Feststellung kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht mit der Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ZPO bzw. mit einer entsprechenden verfahrensrechtlichen Gegenrüge des Revisionsbeklagten angegriffen, sondern allein mit einem Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO beseitigt werden (BGH, Urteil vom 8. Januar 2007 - II ZR 334/04, NJW-RR 2007, 1434 Rn. 11 mwN). Einen solchen Antrag hat die Beklagtenseite nicht gestellt.
In den von der Klägerseite vorgelegten Mustern des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages gemäß Anlagen B 10/1 bis B 10/3 heißt es wie in dem Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag, der Gegenstand des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 gewesen ist: "Ich erteile hiermit den Auftrag, mir das o. g. Objekt und die Finanzierung zu vermitteln. Der Auftrag soll durch die in Punkt 4. und 5. der nachfolgenden Aufstellung benannte Firma zu den dort genannten Gebührensätzen ausgeführt werden." Nach Punkt 4. der Aufstellung sollte die jeweilige Finanzierungsvermittlungsgesellschaft eine Finanzierungsvermittlungsgebühr, nach Punkt 5. die jeweilige Immobilienvermittlungsgesellschaft eine Courtage erhalten. Soweit die von der Klägerseite zu den Akten gereichte Anlage B 10/4 einen anderen Inhalt aufweist, handelt es sich nicht um den vom Landgericht festgestellten "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag", sondern um eine Zahlungsanweisung. Dass die Klägerseite einen "Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag" mit dem vorgenannten Inhalt erteilt hat, hat die Beklagtenseite bereits in der Klageerwiderung zugestanden (§ 288 ZPO), indem sie als Anlage D 5 selbst ein entsprechendes Muster vorgelegt hat. Die Voraussetzungen des § 290 ZPO für einen Widerruf dieses Geständnisses sind nicht dargetan. Soweit die Revisionserwiderung behauptet, die Klägerseite habe statt des Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrages am 6. Januar 1999 einen Immobilienvermittlungsauftrag unterzeichnet, der keine Formulierungen wie der Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag enthalte, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der nach § 559 ZPO in der Revisionsinstanz unzulässig ist.
III.
Das Berufungsurteil ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Dieses wird, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag erhalten haben, nach Maßgabe des Senatsurteils vom 29. Juni 2010 (XI ZR 104/08, WM 2010, 1451 ff.) die erforderlichen Feststellungen zum Bestehen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Aufklärungsverschuldens im Zusammenhang mit einer arglistigen Täuschung der Klägerseite durch den bindend festgestellten Objekt- und Finanzierungsvermittlungsauftrag zu treffen haben.
Zugleich wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, das Bestehen eines Schadensersatzanspruches wegen einer Aufklärungspflichtverletzung im Zusammenhang mit einem schwerwiegenden Interessenkonflikt der Beklagtenseite unter Berücksichtigung der Ausführungen der Parteien in der Revisionsinstanz erneut zu prüfen (vgl. Senatsurteile vom 20. März 2007 - XI ZR 414/04, WM 2007, 876 Rn. 50 mwN und vom 25. September 2007 - XI ZR 274/05, ZBB 2008, 119 Rn. 30).
Wiechers Joeres Mayen
Ellenberger Matthias