Entscheidungsdatum: 21.10.2014
Zur Einordnung des Zugewinnausgleichs als entgeltlichen Vermögenszuwachs.
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 16. Mai 2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin, eine Bank, nimmt den Beklagten mit einer Teilklage aus einer zur Abgeltung seiner Verpflichtungen aus einer Bürgschaft geschlossenen "Rückzahlungsvereinbarung mit Besserungsschein" vom 1. August 2006 in Anspruch.
Der Beklagte war mit seinem Bruder Gesellschafter und Geschäftsführer der H. GmbH (Hauptschuldnerin). Er verbürgte sich durch Vertrag vom 24. Januar 2005 für deren Verbindlichkeiten gegenüber der Klägerin bis zu einem Höchstbetrag von 2.556.500 €. Am 13. März 2006 wurde über das Vermögen der Hauptschuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet. Nachdem sich ein Investor zum Kauf des Anlage- und Umlaufvermögens der Hauptschuldnerin bereit erklärt hatte, falls der Beklagte und sein Bruder ihre Betriebsleitertätigkeit fortsetzten, schlossen die Parteien die Vereinbarung vom 1. August 2006.
Darin erkannte der Beklagte an, der Klägerin als Bürge 2.196.711,05 € nebst Zinsen zu schulden. Er verpflichtete sich, bis zum 30. August 2006 10.000 € zu zahlen. Bei fristgerechter Zahlung sollte ihm vorbehaltlich der weiteren Regelungen der Vereinbarung die Restforderung erlassen werden. Nach Nr. 5.1. der Vereinbarung hatte der Beklagte bei einer Erhöhung seines Jahreseinkommens über 60.000 € für die Jahre 2005 bis 2008 jeweils 30% des Überschusses über 60.000 € bzw. in den Jahren 2009 bis 2010 jeweils 35% des Überschusses über 60.000 € an die Klägerin zu zahlen. Ferner enthielt die Vereinbarung folgende Regelung:
"5.2.: Sollten dem Bürgen Vermögenswerte unentgeltlich (z.B. Lottogewinn, Schenkung, Erbschaft - ausgenommen sind Vermögenszuwächse durch den Tod des Ehegatten) in Höhe von mehr als € 3.000,00 zufließen, zahlt der Bürge 50% des erhaltenen Betrages bis zum Ende des Jahres, in welchem die Bank/Land hiervon Kenntnis erlangt hat. Andernfalls leben auch in diesem Fall die bis dahin verbleibenden Restforderungen gemäß Nr. 1 wieder auf."
Die Regelungen unter Nr. 5 hatten Gültigkeit bis zum 31. Dezember 2011.
Nach Scheidung seiner Ehe erhielt der Beklagte in den Jahren 2008 und 2009 von seiner Ehefrau insgesamt 140.642 € als Zugewinnausgleich. Die Parteien streiten darüber, ob dieser Vermögenszufluss unentgeltlich erfolgt ist und eine Zahlungspflicht gemäß Nr. 5.2. der Vereinbarung vom 1. August 2006 begründet.
Das Landgericht hat der Teilklage auf Zahlung von 10.000 € nebst Zinsen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.
Die Revision ist unbegründet.
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Klägerin stehe aufgrund der Zahlung des Zugewinnausgleichs kein Anspruch aus Nr. 5.2. der Vereinbarung vom 1. August 2006 auf Zahlung von 10.000 € zu. Die Auszahlung des Zugewinnausgleichs sei nach der rechtlichen Einordnung ein entgeltlicher Vermögenserwerb. Unentgeltlich sei nur ein Erwerb, der von keiner eigenen Zuwendung abhängen solle. Der Anspruch auf Zugewinnausgleich sei abhängig von der Beendigung des Güterstandes. In der Beendigung des Güterstandes und dem damit verbundenen Ausschluss von der weiteren Teilhabe an einem Vermögenszuwachs des Ehepartners liege die ausgleichende Gegenleistung in Form einer gesetzlich vorgegebenen Bedingung. Dies begründe die Entgeltlichkeit des Zugewinnausgleichsanspruchs.
Dementsprechend sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Zahlung eines vorzeitigen Zugewinns ohne Beendigung des Güterstandes als Schenkung und damit als unentgeltliche Zuwendung zu betrachten. Diese Einordnung entspreche dem Wesen des Zugewinnausgleichs. Der Zugewinnausgleichsanspruch beruhe auf der Annahme, dass die Ehepartner während der Ehe zu gleichen Teilen zum wirtschaftlichen Fortkommen beigetragen hätten.
Es sei nicht festzustellen, dass die Parteien bei Abschluss der Vereinbarung von einem engeren Begriff der Unentgeltlichkeit, etwa im Sinne des Fehlens einer synallagmatischen Verknüpfung, ausgegangen seien. Der Beklagte und die Zeugen, der Bruder des Beklagten und ein Angestellter der Klägerin, hätten übereinstimmend angegeben, die Möglichkeit des Scheiterns der Ehe nicht bedacht zu haben. Dass die Parteien die Erbschaft nach dem Tod des Ehepartners von den unentgeltlichen Vermögenszuwächsen ausgenommen hätten, sei kein Anhaltspunkt für eine von der rechtlichen Einordnung abweichende Verwendung des Begriffs der Unentgeltlichkeit.
Dass die Klägerin dem Beklagten angesichts der Höhe der Bürgschaftsforderung mit der Vereinbarung vom 1. August 2006 erheblich entgegengekommen sei, rechtfertige keine andere Beurteilung. Die Vereinbarung habe auch im Interesse der Klägerin gelegen. Sie habe aus dem Verkauf der Hauptschuldnerin, der von der weiteren Mitarbeit des Beklagten und damit von der Vereinbarung vom 1. August 2006 abhängig war, 230.000 € abzüglich der Insolvenzverwalterkosten erhalten. Ohne den Verkauf hätte sie deutlich größere Verluste gemacht, weil sie dann nur auf das Vermögen des Beklagten und seines Bruders, das jedoch überwiegend auf die Ehefrauen übertragen worden war, hätte zugreifen können.
Für eine ergänzende Vertragsauslegung fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Parteien hätten zwar den Fall eines Vermögenserwerbs durch Zahlung des Zugewinnausgleichs bei Vertragsschluss nicht bedacht. Sie hätten aber mit dem Merkmal der Unentgeltlichkeit ein abstraktes Kriterium gewählt, das die Kennzeichnung aller maßgeblichen Vermögenszuwächse ermögliche, auch wenn sie nicht unter die beispielhafte Aufzählung fielen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten auf Zahlung von 10.000 € aufgrund der Vereinbarung vom 1. August 2006 rechtsfehlerfrei verneint. Die Auslegung dieser Individualvereinbarung durch das Berufungsgericht ist rechtlich nicht zu beanstanden.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Auslegung von Individualvereinbarungen grundsätzlich Sache des Tatrichters. Sie kann vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden, ob der Auslegungsstoff vollständig berücksichtigt ist und gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind. Zu den allgemein anerkannten Auslegungsgrundsätzen gehört, dass in erster Linie der von den Parteien gewählte Wortlaut und der dem Wortlaut zu entnehmende objektiv erklärte Parteiwille zu berücksichtigen ist und dass bei der Auslegung die beiderseitigen Interessen gebührend zu beachten sind (BGH, Urteil vom 26. Oktober 2009 - II ZR 222/08, WM 2009, 2321 Rn. 18). Dieser Überprüfung hält die Auslegung des Berufungsgerichts stand.
2. a) Das Berufungsgericht hat seiner Auffassung, die Auszahlung des Zugewinnausgleichs sei ein entgeltlicher Vermögenserwerb, rechtsfehlerfrei die rechtliche Bedeutung dieser Begriffe zugrunde gelegt. Die Revision zeigt keinen Anhaltspunkt dafür auf, dass die Parteien, eine Bank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft und ein geschäftserfahrener GmbH-Gesellschafter und Geschäftsführer, die genannten Begriffe nicht im Sinne des juristischen, sondern in dem des allgemeinen Sprachgebrauchs verwendet haben, und dass die Begriffe im allgemeinen Sprachgebrauch eine andere Bedeutung als im juristischen haben.
b) Im Rechtssinn wie auch im allgemeinen Sprachgebrauch ist eine Leistung unentgeltlich, wenn ihr keine Gegenleistung gegenübersteht, dem Leistenden also keine dem von ihm aufgegebenen Vermögenswert entsprechende Gegenleistung zufließt (BGH, Urteile vom 28. Mai 2009 - Xa ZR 9/08, WM 2009, 1760 Rn. 8 und vom 13. Februar 2014 - IX ZR 133/13, WM 2014, 516 Rn. 14). Dabei steht der Unentgeltlichkeit, anders als die Revision meint, nicht nur eine synallagmatische oder kausale Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung entgegen. Entgeltlich sind auch Zuwendungen, die zur Erfüllung einer rechtswirksamen Verbindlichkeit erfolgen (MünchKommBGB/J. Koch, 6. Aufl., § 516 Rn. 25; Palandt/Weidenkaff, BGB, 73. Aufl., § 516 Rn. 9 a), weil die dadurch bewirkte Befreiung von der Verbindlichkeit einen Vermögensvorteil für den Leistenden darstellt (RGZ 105, 246, 248; vgl. auch BGH, Urteil vom 15. Mai 1963 - V ZR 141/61, NJW 1963, 1613, 1614) und dementsprechend der durch die Leistung erfüllte Anspruch des Empfängers erlischt.
Gemessen hieran ist die Zahlung des Zugewinnausgleichs, die der Beklagte von seiner geschiedenen Ehefrau erhalten hat, kein unentgeltlicher Vermögenserwerb, weil durch diese Zahlung seine Ausgleichsforderung gemäß § 1378 Abs. 1 BGB erfüllt worden ist. Zudem dient der Zugewinnausgleich nach seinem Grundgedanken der Teilhabe an dem während der Ehe gemeinsam erwirtschafteten Vermögen (BGH, Urteil vom 9. Oktober 2013 - XII ZR 125/12, NJW 2013, 3642 Rn. 27 und Beschluss vom 16. Oktober 2013 - XII ZB 277/12, NJW 2013, 3645 Rn. 19, jeweils mwN). Die jeweiligen Leistungen, die die Ehepartner im Rahmen ihrer innerfamiliären Arbeitsteilung erbringen, sind grundsätzlich als gleichwertig anzusehen (BVerfG, NJW 2003, 2819, 2820).
Entsprechend der zivilrechtlichen Einordnung des Zugewinnausgleichs nach Scheidung einer Ehe als entgeltliche Zuwendung unterliegt die Ausgleichsforderung gemäß § 1378 Abs. 1 BGB in Fällen, in denen der Güterstand der Zugewinngemeinschaft in anderer Weise als durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, gemäß § 5 Abs. 2 ErbStG nicht der Erbschafts- und Schenkungssteuer (vgl. hierzu BFH, FamRZ 2006, 1670, 1671).
Der Zugewinnausgleich nach Scheidung der Ehe fällt auch nicht unter die Aufzählung unentgeltlicher Zuwendungen in Nr. 5.2. der Vereinbarung vom 1. August 2006. Die Aufzählung ist zwar nur beispielhaft und nicht abschließend. Gleichwohl kann der Zugewinnausgleich nach Scheidung der Ehe nicht als ausgleichspflichtige, unentgeltliche Zuwendung angesehen werden. Er ist vielmehr den Vermögenszuwächsen durch den Tod des Ehegatten vergleichbar, die ausdrücklich von der Ausgleichspflicht ausgenommen sind.
c) Die Revision macht ohne Erfolg geltend, das Berufungsgericht habe bei seiner Auslegung den mit der streitgegenständlichen Klausel verfolgten Zweck und die damit verbundenen Parteiinteressen verkannt. Das Berufungsgericht hat rechtsfehlerfrei darauf abgestellt, dass die Vereinbarung vom 1. August 2006 die Voraussetzungen einer für die Klägerin ertragreichen Veräußerung der Hauptschuldnerin, die der Erwerber von der Fortführung der Betriebsleitertätigkeit des Beklagten abhängig machte, schaffen und, um die diesbezügliche Bereitschaft des Beklagten zu fördern, dessen weitgehende Entschuldung bewirken sollte. Zu diesem Zweck verzichtete die Klägerin auf eine Forderung von über 2 Mio. € gegen den Beklagten, deren Realisierbarkeit allerdings zweifelhaft war, und erlangte dafür aus dem Veräußerungserlös mindestens 230.000 € abzüglich der Insolvenzverwalterkosten, die ihr ohne den Verzicht nicht zugeflossen wären. Diese von den Parteien mit der Vereinbarung vom 1. August 2006 verfolgten Interessen und Regelungszwecke geben keinen entscheidenden Aufschluss darüber, ob der dem Beklagten zugeflossene Zugewinnausgleich zu den unentgeltlichen Vermögenszuflüssen im Sinne der Nr. 5.2. der Vereinbarung gehört.
Dasselbe gilt für die weiteren Klauseln der Vereinbarung. Die Vereinbarung sieht zwar über die zum 30. August 2006 fällige Zahlung von 10.000 € hinaus weitere Zahlungspflichten des Beklagten vor, wenn sein Einkommen 60.000 € übersteigt oder ihm unentgeltlich Vermögenswerte zufließen. Dies rechtfertigt es aber entgegen der Auffassung der Revision nicht, den Sinn der Vereinbarung darin zu sehen, dass die offenen Forderungen der Klägerin so weit wie möglich getilgt werden, sobald der Beklagte über liquide Zahlungsmittel verfügt. Dem steht entgegen, dass der Klägerin die genannten Vermögenszuflüsse nicht so weit wie möglich, d.h. in voller Höhe, sondern - zudem zeitlich begrenzt - nur zu 30% bis 35% des 60.000 € übersteigenden Einkommens und zu 50% der unentgeltlichen Vermögenszuflüsse zugute kommen sollten.
Da der Beklagte somit nicht sämtliche liquiden Mittel an die Klägerin abzuführen hatte, ergibt sich, anders als die Revision meint, auch aus der Ausnahmeregelung für Erbschaften nach dem Tod des Ehepartners kein entscheidender Gesichtspunkt für die Einordnung des Zugewinnausgleichs nach einer Ehescheidung. Auch wenn die Ausnahmeregelung für eine Erbschaft nach dem Tod seines Ehepartners den Beklagten davor schützen sollte, in diesem Fall das geerbte Wohnhaus als Lebensmittelpunkt der Familie zur Erlangung liquider Mittel und zur Bedienung der Rückzahlungsverpflichtung zu verkaufen, bedeutet dies nicht, dass liquide Mittel, die dem Beklagten aus einem Zugewinnausgleich zufließen sollten, als unentgeltlich anzusehen sind und eine Zahlungspflicht gegenüber der Klägerin begründen.
Die Revision macht schließlich auch ohne Erfolg geltend, die von der genannten Ausnahmeregelung erfasste Erbschaft nach dem Tod des Ehepartners setze sich im gesetzlichen Regelfall aus dem gesetzlichen Erbteil und dem Zugewinnausgleich im Todesfall zusammen (§ 1371 BGB). Dieser Gesichtspunkt ist ambivalent und gibt keinen eindeutigen Aufschluss darüber, ob der streitgegenständliche Zugewinnausgleich nach Scheidung der Ehe, so die Revisionserwiderung, ebenfalls unter diese Ausnahmeregelung fällt oder ob er, so die Revision, im Umkehrschluss einen unentgeltlichen Vermögenszufluss darstellt.
Wiechers Joeres Ellenberger
Matthias Menges