Entscheidungsdatum: 30.03.2010
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des Landgerichts Oldenburg vom 15. Mai 2009 wird als unzulässig verworfen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000 €.
I.
Die Parteien streiten, ob die beklagte Bank, bei der der Kläger ein Girokonto unterhält, von dessen Betreuer bei jedem Rechtsgeschäft, das dieses Konto betrifft, die Vorlage des Betreuerausweises verlangen darf.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers wurde für den Bereich der Vermögenssorge als dessen Betreuer bestellt. Die Beklagte verlangte von ihm, bei jeder Weisung im Rahmen des zwischen der Beklagten und dem Kläger bestehenden Girovertrags den Betreuerausweis im Original vorzulegen.
Die von dem Kläger dagegen erhobene Feststellungsklage ist von dem Amtsgericht abgewiesen worden. Auf die Berufung des Klägers, mit der dieser seinen Feststellungsantrag teilweise weiterverfolgt hat, ist der Klage stattgegeben worden. Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Beklagte nicht berechtigt sei, die Entgegennahme und vertragsgerechte Umsetzung rechtsgeschäftlicher Erklärungen des Betreuers von der Vorlage eines Betreuerausweises abhängig zu machen, wenn der Beklagten dieser Ausweis einmal vorgelegt worden sei. Das Berufungsgericht hat die Revision nicht zugelassen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt die Beklagte die Zulassung der Revision, mit der sie die vollständige Abweisung der Klage erreichen will.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig, da die gemäß § 26 Nr. 8 EGZPO erforderliche Mindestbeschwer von mehr als 20.000 € nicht erreicht ist.
1. Das mit der Beschwerde verfolgte Interesse an der Vorlage der Bestellungsurkunde ist nach § 3 ZPO zu schätzen, da nicht gemäß § 6 ZPO um den Besitz einer Urkunde gestritten wird und die Urkunde als solche keinen eigenen wirtschaftlichen Wert verkörpert (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 1997 - XII ZR 233/96, NJW-RR 1997, 648; PG/Gehle, ZPO, § 3 Rn. 219, § 6 Rn. 4; Schneider, Streitwert-Kommentar für den Zivilprozess, 12. Aufl., Rn. 2696 f.). Die Beschwer der Beklagten richtet sich nach den Nachteilen, die sie durch die angegriffene Entscheidung erleiden würde, wenn diese in Rechtskraft erwächst (vgl. PG/Gehle, ZPO, § 2 Rn. 5; Zöller/Heßler, ZPO, 28. Aufl., vor § 511 Rn. 19b).
2. Maßgebend ist damit das Interesse der beklagten Bank, im Giroverhältnis zum Kläger auch nach einmaliger Prüfung des Betreuerausweises dessen erneute Vorlage bei jeder nachfolgenden Verfügung des Betreuers verlangen zu dürfen. Es liegen keine tatsächlichen Anhaltspunkte vor, die es nach § 3 ZPO rechtfertigen könnten, den die Beklagte durch die Entscheidung des Landgerichts insoweit treffenden wirtschaftlichen Nachteil mit mehr als 20.000 € anzusetzen.
Mit der Abweisung der Klage würde die Beklagte zusätzlichen Geschäftsaufwand vermeiden, der für die laufende Prüfung der Vollmacht des Betreuers entsteht. Dazu hat die Beklagte jedoch nichts vorgetragen, insbesondere nicht dargetan, dass für die Überprüfung, ob die Bestellung des Betreuers nach einmaliger Vorlage der Bestellungsurkunde aufgehoben oder der Wirkungskreis der Betreuung geändert worden ist, konkrete Kosten anfallen, die den Betrag von 20.000 € übersteigen. Es besteht auch ansonsten kein Anhaltspunkt, dass diese denkbare Erschwernis bei der laufenden Prüfung der Betreuervollmacht zusätzliche Verwaltungskosten in dieser Höhe auslösen könnte.
3. Die Beschwer der Beklagten ist - entgegen der Ansicht der Beschwerde - nicht nach deren Interesse zu bestimmen, vor Anweisungen eines nicht mehr bevollmächtigten Betreuers im Giroverhältnis geschützt zu sein. Dies kann nämlich die Beklagte durch die streitige Prüfungspraxis, vor jeder einzelnen Verfügung den Betreuerausweis im Original einzusehen, nicht erreichen, da die Bestellungsurkunde eines Betreuers nach § 69b Abs. 2 FGG aF bzw. § 290 FamFG keine Vollmachtsurkunde im Sinne der §§ 172 ff. BGB ist (vgl. Bumiller/Harders, Freiwillige Gerichtsbarkeit, 9. Aufl., § 290 FamFG Rn. 1; MünchKommZPO/Schmidt-Recla, 3. Aufl., § 290 FamFG Rn. 1; Prütting/ Helms/Fröschle, FamFG, § 290 Rn. 13; Schulte-Bunert/Weinreich/Rausch, FamFG, 2. Aufl., § 290 Rn. 1).
a) Beruht die Vertretungsmacht nicht auf der Erteilung einer Vollmacht durch den Vertretenen, sondern - wie hier - auf gesetzlicher Grundlage, so scheidet eine Zurückweisung der Vollmacht nach § 174 BGB aus; die mit der Inanspruchnahme gesetzlicher Vertretung verbundene Unsicherheit, ob die Vertretungsmacht wirksam besteht, wird dem Empfänger der Erklärung zugemutet (siehe BGH, Urteil vom 9. November 2001 - LwZR 4/01, WM 2001, 2442, 2443; für Vormundschaft und Pflegschaft bereits RGZ 74, 263, 265 ff.; MünchKommZPO/Schmidt-Recla, 3. Aufl., § 290 FamFG Rn. 1; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 174 Rn. 4; Staudinger/Schilken, BGB (2009), § 174 Rn. 6, jeweils m.w.N.).
b) Zudem könnte sich die Beklagte selbst im Falle einer Vorlage des Betreuerausweises nicht nach § 172 BGB auf eine mit der Bestellungsurkunde verknüpfte Rechtsscheinwirkung berufen, da diese einer rechtsgeschäftlichen Vollmachtsurkunde nicht gleichsteht (vgl. BayObLG, FamRZ 1994, 1059, 1060; RGZ 74, 263, 265 ff.; MünchKommBGB/Schramm, 5. Aufl., § 172 Rn. 3; MünchKommZPO/Schmidt-Recla, 3. Aufl., § 290 FamFG Rn. 1; Palandt/Ellenberger, BGB, 69. Aufl., § 172 Rn. 2; Staudinger/Schilken, BGB (2009), § 172 Rn. 1).
4. Die Ansicht der Beklagten, ihre Beschwer müsse sich nach dem Gesamtwert aller bei ihr geführter Konten richten, über die gegenwärtig ein Betreuer verfügen könne, verkennt, dass nach § 2 ZPO auch für die Bemessung der Beschwer der beklagten Partei auf die aus der Entscheidung zum unmittelbaren Gegenstand des Verfahrens entstandenen Nachteile abzustellen ist (vgl. Stein/Jonas/Roth, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl., § 2 ZPO Rn. 14). Tatsächliche oder rechtliche Auswirkungen der Entscheidung auf andere Rechtsverhältnisse bleiben dabei außer Betracht (BGHZ 128, 85, 88 f.; Stein/Jonas/Roth, aaO § 2 ZPO Rn. 14; PG/Gehle, ZPO, § 3 Rn. 5; MünchKommZPO/Wöstmann, 3. Aufl., § 3 Rn. 7). Ein wirtschaftliches Interesse der Beklagten an einer Klärung, ob sie in ihrem gesamten Geschäftsfeld die Vorlage der Bestellungsurkunde bei jeder Verfügung eines Betreuers verlangen kann, beeinflusst damit die Beschwer der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit nicht, da das Berufungsurteil ausschließlich Ansprüche aus dem zwischen den Parteien geschlossenen konkreten Girovertrag betrifft.
Wiechers Joeres Mayen
Grüneberg Maihold