Entscheidungsdatum: 12.09.2017
Zu den Voraussetzungen für die Annahme eines wirksamen Empfangsbekenntnisses in der Berufungsschrift.
Die Rechtsbeschwerde des Klägers gegen den Beschluss des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 24. November 2016 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 214.727,70 €.
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Sparkasse wegen fehlerhafter Beratung im Zusammenhang mit dem Abschluss von zwei Swap-Verträgen auf Schadensersatz in Anspruch.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. Juli 2016 abgewiesen. Das Urteil wurde laut Postzustellungsurkunde am 20. Juli 2016 einer Frau S. C. als "durch schriftliche Vollmacht ausgewiesenen rechtsgeschäftlichen Vertreter" der vom Kläger mandatierten L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH zugestellt. Hiergegen hat Rechtsanwalt L. als Prozessbevollmächtigter des Klägers bei dem Berufungsgericht am 19. August 2016 per Telefax Berufung eingelegt, ohne eine Abschrift des landgerichtlichen Urteils beizufügen oder dessen Verkündungs- und Zustellungsdatum mitzuteilen. Die beim Berufungsgericht am 29. August 2016 per Post eingegangene Berufungsschrift vom 19. August 2016 richtete sich dagegen "gegen das am 07.07.2016 verkündete und am 20.07.2016 zugestellte Urteil des Landgerichts Köln ...".
Die Frist zur Berufungsbegründung ist mit Verfügung des Vorsitzenden vom 21. September 2016 antragsgemäß bis zum 18. Oktober 2016 verlängert worden. Am 18. Oktober 2016, einem Dienstag, ist beim Berufungsgericht per Telefax eine nicht unterzeichnete Berufungsbegründung eingegangen, während das von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers unterzeichnete Original erst am 20. Oktober 2016 eingegangen ist. Auf den vom Berufungsgericht erteilten Hinweis auf die Fristversäumung hat der Kläger am 21. November 2016 beantragt, ihm gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat dies damit begründet, dass sein Prozessbevollmächtigter die Berufungsbegründung nach deren Unterzeichnung eingescannt, per Computerfax versendet und sodann das Original zum Versand per Post gebracht habe. Durch einen Softwarefehler der Anwaltssoftware "Datev" sei jedoch nicht das eingescannte - von Rechtsanwalt L. unterschriebene - pdf-Dokument an das Berufungsgericht gefaxt worden, sondern eine als Word-Dokument abgespeicherte Vorversion ohne Unterschrift, was dieser aus dem Faxprotokoll nicht habe ersehen können.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Der Kläger habe die Berufungsbegründungsfrist versäumt. Eine dem Unterschriftserfordernis der § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5 ZPO genügende Berufungsbegründung sei erst nach Ablauf der Begründungsfrist bei Gericht eingegangen. Dem Kläger sei gegen die Versäumung der Frist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Dies setze nach § 233 Satz 1 ZPO voraus, dass der Kläger ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist verhindert gewesen sei. Dem Kläger sei indes ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen. Insoweit sei nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern sogar naheliegend, dass seinem Prozessbevollmächtigten ein Bedienungsfehler bei der Übermittlung der Berufungsbegründung unterlaufen sei. Der von ihm behauptete Fehler der verwendeten Software sei dagegen nicht hinreichend dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Klägers.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, § 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO), aber unzulässig.
Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) nicht erforderlich. Es liegt weder eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor noch verletzt die Entscheidung des Berufungsgerichts den Anspruch des Klägers auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. BVerfGE 77, 275, 284; BVerfG, NJW 2003, 281).
2. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zu Recht als unzulässig verworfen.
Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich der Kläger nicht gegen die vom Berufungsgericht versagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand; insoweit sind Rechts- oder Verfahrensfehler auch nicht ersichtlich. Soweit der Kläger meint, das Urteil des Landgerichts sei seinem Prozessbevollmächtigten nicht vor dem 20. August 2016 wirksam zugestellt worden oder auf andere Weise zugegangen, so dass die Berufungsbegründungsfrist frühestens am 20. Oktober 2016 abgelaufen (§ 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO) und daher von ihm noch gewahrt worden sei, hat er damit keinen Erfolg.
a) Das Berufungsgericht hat - jedenfalls im Ergebnis - zutreffend angenommen, dass die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils am 20. Juli 2016 wirksam erfolgt ist, so dass die zweimonatige Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO mit diesem Datum begann und vom Vorsitzenden des Berufungsgerichts antragsgemäß bis zum 18. Oktober 2016 verlängert worden ist. Die am 20. Oktober 2016 eingegangene - dem Unterschriftserfordernis der § 130 Nr. 6, § 520 Abs. 5 ZPO genügende - Berufungsbegründung war damit verspätet.
b) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde lief die Berufungsbegründungsfrist ab dem 20. Juli 2016. An diesem Tag ist laut Zustellungsurkunde das erstinstanzliche Urteil an Frau S. C. als "durch schriftliche Vollmacht ausgewiesenen rechtsgeschäftlichen Vertreter" der vom Kläger mandatierten L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH ausgehändigt worden. Die erstmals im Rechtsbeschwerdeverfahren vorgetragene Behauptung, die Zustellungsempfängerin sei von der Prozessbevollmächtigten des Klägers nicht zur Entgegennahme von amtlichen Zustellungen bevollmächtigt gewesen, ist unerheblich. Des Weiteren bedarf es auch keiner Entscheidung der von der Rechtsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Frage, ob im Rahmen einer - wie hier - Zustellung nach § 172 Abs. 1 Satz 1 ZPO eine Zustellung an einen rechtsgeschäftlich bestellten Vertreter nach § 171 ZPO zulässig ist (zum Meinungsstand vgl. nur MünchKommZPO/Häublein, 5. Aufl., § 171 Rn. 1, § 172 Rn. 4; Wieczorek/Schütze/Rohe, ZPO, 4. Aufl., § 171 Rn. 4, § 172 Rn. 2; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 23. Aufl., § 171 Rn. 1; Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., § 171 Rn. 2; zur Zustellung an - wie hier - eine Rechtsanwaltsgesellschaft siehe aber BeckOK ZPO/Dorndörfer, 25. ED. 15.6.2017, § 172 Rn. 3; MünchKommZPO/Häublein, aaO, § 172 Rn. 4; Stein/Jonas/Roth, aaO, § 172 Rn. 13;Zöller/Stöber, aaO, § 172 Rn. 4).
Eine wirksame Zustellungsbestätigung enthält hier nämlich jedenfalls die beim Berufungsgericht am 29. August 2016 eingegangene Berufungsschrift vom 19. August 2016. Darin hat Rechtsanwalt L. als Prozessbevollmächtigter des Klägers bekundet, dass ihm das erstinstanzliche Urteil am 20. Juli 2016 zugestellt worden sei. Dies reicht - neben der hier nicht zweifelhaften Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle des Landgerichts - für den Vollzug der Zustellung an ihn aus (vgl. BGH, Urteile vom 14. Juni 1961 - IV ZR 56/61, BGHZ 35, 236, 239, vom 11. März 1987 - VIII ZR 160/86, NJW 1987, 2679, 2680 und vom 13. Mai 1992 - VIII ZR 190/91, NJW-RR 1992, 1150). Denn damit hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers bestätigt, das zuzustellende Schriftstück an diesem Tag erhalten und mit dem Willen entgegengenommen zu haben, es als zugestellt anzusehen (vgl. BVerfG, NJW 2001, 1563, 1564). Für den Zeitpunkt der Zustellung selbst ist es weder von Bedeutung, wann die Empfangsbestätigung ausgestellt worden ist und welches Datum es trägt, noch in welcher Form dies geschieht; der Empfänger kann vielmehr auf beliebige Weise Empfang und Annahmewillen schriftlich bestätigen (vgl. BGH, Urteil vom 11. März 1987 - VIII ZR 160/86, aaO). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs reicht es zum Nachweis für den wirksamen Vollzug einer Zustellung aus, wenn der Prozessbevollmächtigte einer Partei sich in einer Rechtsmittelschrift auf das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich mit den Worten "zugestellt am ..." bezieht, sofern auch die weiteren, unabdingbaren Anforderungen an die Vollendung der Zustellung erfüllt sind (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1992 - VIII ZR 190/91, aaO).
Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Berufungsschrift ist unterzeichnet von Rechtsanwalt L. , der für den Kläger - damals noch für die L. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH - erstinstanzlich aufgetreten ist und ihn auch vor dem Berufungsgericht vertreten hat. Seine Erklärung, die Berufung werde gegen "das am 20.07.2016 zugestellte Urteil des Landgerichts Köln" eingelegt, ist eindeutig und enthält keinen Vorbehalt, das Urteil solle nicht als zugestellt angesehen werden. Einen solchen Vorbehalt hat der Klägervertreter während des Berufungsverfahrens auch zu keinem Zeitpunkt erkennen lassen, sondern die Wirksamkeit der Zustellung erstmals in der Rechtsbeschwerdebegründung in Zweifel gezogen. Die Empfangsbereitschaft des Prozessbevollmächtigten des Klägers zeigt sich vor allem auch daran, dass er in der Berufungsinstanz gerade auch die - vom Berufungsgericht gewährte - Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist auf der Grundlage der Urteilszustellung am 20. Juli 2016 beantragt hat. Damit lag in der Zustellung der Urteilsausfertigung an Frau S. C. nicht nur die - erforderliche - anwaltliche Gewahrsamsbegründung, sondern auch die Willensentschließung des Prozessbevollmächtigten des Klägers vor, das Schriftstück als zugestellt zu behandeln. Der Empfangswille findet in der Formulierung "zugestellt am 20.07.2016" sinnfälligen Ausdruck. An der Empfangsbereitschaft des Klägervertreters wie auch an seiner Kenntnis von der Zustellungsabsicht der Geschäftsstelle des Landgerichts (vgl. dazu BGH, Urteil vom 11. März 1987 - VIII ZR 160/86, NJW 1987, 2679, 2680) können deshalb keine Zweifel bestehen. Damit ist die Zustellung mit Wirkung zum 20. Juli 2016 geschehen.
Dass die Zustellungsurkunde als Zustellungsempfängerin Frau S. C. ausweist, ist unerheblich. Die Beurkundung dient lediglich dem Nachweis der Zustellung. Sie ist dagegen kein notwendiger (konstitutiver) Bestandteil der Zustellung (§ 166 Abs. 1 ZPO; vgl. BT-Drucks. 14/4554, S. 15). Aufgrund dessen kann die Zustellung auch auf anderem Weg nachgewiesen werden, ohne dass hierdurch der Zweck der Zustellung, eindeutige Feststellungen über den Zugang eines Schriftstücks, insbesondere über dessen Zeitpunkt, zu ermöglichen, berührt wird (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 1981 - VI ZR 180/79, NJW 1981, 1613, 1614, insoweit in BGHZ 80, 8 nicht abgedruckt). Dies ist vorliegend durch die Mitteilung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der Berufungsschrift erfolgt. Das Verfahrensrecht verlangt im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit, dass sich der Zustellungsempfänger an dem durch seine Erklärungen geschaffenen äußeren Tatbestand festhalten lassen muss und sich nicht in Widerspruch zu diesem Verhalten darauf berufen kann, er habe in Wahrheit das Schriftstück nicht als zugestellt annehmen wollen. Aufgrund dessen steht einem Prozessbevollmächtigten die Bestimmung über den Fristenlauf dann nicht mehr zu, wenn er sich auf die Zustellung eingelassen, d.h. durch sein Verhalten nach außen erklärt hat, er wolle das Schriftstück als ihm zugestellt behandeln. Eine Anfechtung seiner prozessualen Empfangserklärung wegen Irrtums (§ 119 BGB) ist nicht möglich (vgl. BGH, Urteil vom 13. Mai 1992 - VIII ZR 190/91, NJW-RR 1992, 1150, 1151; Beschluss vom 4. Juni 1974 - VI ZB 5/74, NJW 1974, 1469, 1470).
Anhaltspunkte dafür, dass es sich bei der Erklärung in der Berufungsschrift vom 19. August 2016 nur um eine unverbindliche, rechtsirrige Meinungsäußerung zur mutmaßlich erfolgten Zustellung handele, liegen nicht vor. Solche werden auch von der Rechtsbeschwerde nicht vorgebracht. Insbesondere hat die Rechtsbeschwerde - außer bloßen Mutmaßungen - nicht konkret dargelegt, dass das erstinstanzliche Urteil dem Prozessbevollmächtigten des Klägers entgegen seiner eindeutigen Erklärung in der Berufungsschrift nicht bereits am 20. Juli 2016, sondern zu einem späteren Zeitpunkt tatsächlich zugegangen sei. Die Behauptung der Rechtsbeschwerde, die Zustellung sei "nicht vor dem 20. August 2016" geschehen, entbehrt jeder Substanz.
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