Entscheidungsdatum: 12.03.2014
NV: Ein Antrag, den Betriebsprüfer als Zeugen zu laden, damit er befragt werden kann, inwieweit die streitigen Vorsteuerbeträge der Prüfung unterlagen, ist unsubstantiiert und muss deshalb vom FG nicht befolgt werden.
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine Kurgemeinde, unterhält u.a. Kurbetriebe und ist insoweit als Unternehmerin tätig. Sie erhebt von Kurgästen eine Kurtaxe.
In ihren Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 1996 bis 1998 (Streitjahre) nahm die Klägerin aus der Errichtung und dem Unterhalt von Wanderwegen (nur) insoweit den Vorsteuerabzug vor, als diese nicht für den Gemeingebrauch gewidmet waren. Gegen die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre legte sie aus nicht mehr streitigen Gründen Einsprüche ein, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) mit Einspruchsentscheidung vom 24. September 2010 als unbegründet zurückwies.
Erstmals im Klageverfahren machte die Klägerin geltend, dass ihr auch aus den Kosten für die Errichtung und Unterhaltung der gewidmeten Spazier- und Wanderwege der vollständige Vorsteuerabzug zustehe, weil die Ausgaben im Zusammenhang mit umsatzsteuerpflichtigen Umsätzen stünden. Der Kurgast könne als Gegenleistung für die Entrichtung des Kurbeitrags sämtliche Kureinrichtungen der Gemeinde, zu denen auch die straßenrechtlich gewidmeten Wanderwege gehörten, benutzen; über den Kurbeitrag würden rund 90 % der Aufwendungen für die gewidmeten Spazier- und Wanderwege wieder vereinnahmt. Im Verwaltungsverfahren habe sie, die Klägerin, bisher nur die anteiligen Vorsteuerabzüge für die nicht gewidmeten Wanderwege (ca. 19 % aller Wanderwege) geltend gemacht, um die Folgen einer Verzinsung bei Nichtanerkennung durch das FA zu vermeiden.
Auf den Hinweis des Finanzgerichts (FG) im Schreiben vom 17. Januar 2013, dass die Vorsteuerbeträge nicht nachgewiesen seien, und die Aufklärungsanordnung vom 21. Februar 2013, die Rechnungen für die Eingangsumsätze vorzulegen, aus denen die Klägerin den Vorsteuerabzug begehre, sowie die Zuordnung zu den Ausgangsumsätzen substantiiert darzulegen, machte die Klägerin geltend, eines Nachweises bedürfe es im finanzgerichtlichen Verfahren nicht, weil die anteilig (zu 19 %) geltend gemachten Vorsteuern bereits im Rahmen der Betriebsprüfung anerkannt worden seien; insoweit sei der Nachweis als erbracht anzusehen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem FG am 24. Juli 2013 legte die Klägerin Unterlagen für den von ihr begehrten Vorsteuerabzug vor und beantragte, den Betriebsprüfer als Zeugen zu laden, damit er darüber befragt werden könne, inwieweit die streitigen Vorsteuerbeträge der Prüfung unterlegen hätten.
Das FG wies die Klage ab, weil die Klägerin bei der Bereitstellung und der Unterhaltung der hier streitbefangenen gewidmeten Wege nichtunternehmerisch tätig sei und sie den begehrten Vorsteuerabzug auch nach einem Hinweis des Gerichts nicht nachgewiesen habe; es ließ die Revision nicht zu. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1973 veröffentlicht.
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin sämtliche Zulassungsgründe geltend.
II. Die Beschwerde ist unbegründet, weil in Bezug auf die zweite tragende Begründung des FG, dass die geltend gemachten Vorsteuerbeträge von der Klägerin nicht hinreichend nachgewiesen worden seien, keine Zulassungsgründe vorliegen.
1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Ist das Urteil des FG kumulativ auf mehrere Begründungen gestützt, von denen jede für sich das Entscheidungsergebnis trägt, muss für jede dieser Begründungen ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO schlüssig dargelegt werden und auch vorliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Oktober 2012 XI B 46/12, BFH/NV 2013, 273, Rz 25; vom 10. Dezember 2012 X B 139/11, BFH/NV 2013, 570, Rz 4; vom 12. Dezember 2012 I B 27/12, BFH/NV 2013, 545, Rz 11, jeweils m.w.N.).
2. Hieran fehlt es im Streitfall in Bezug auf die vom FG erfolgte Klageabweisung wegen fehlenden Nachweises der geltend gemachten Vorsteuerbeträge.
a) Das FG hat --entgegen der Auffassung der Klägerin-- insoweit nicht dadurch gegen die Sachaufklärungspflicht verstoßen, dass es den Betriebsprüfer nicht zu dem benannten Beweisthema als Zeugen geladen hat.
aa) Nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO erforscht das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen. Das Gericht ist dabei an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (§ 76 Abs. 1 Satz 5 FGO). Das gilt aber nur in dem Sinne, dass das FG von sich aus auch Beweise erheben kann, die von den Parteien nicht angeboten worden sind. Von den Verfahrensbeteiligten angebotene Beweise muss das FG grundsätzlich erheben, wenn es einen Verfahrensmangel vermeiden will. Auf die beantragte Beweiserhebung kann es im Regelfall nur verzichten, wenn es auf das Beweismittel für die Entscheidung nicht ankommt oder das Gericht die Richtigkeit der durch das Beweismittel zu beweisenden Tatsachen zugunsten der betreffenden Partei unterstellt, das Beweismittel nicht erreichbar ist oder völlig ungeeignet ist, den Beweis zu erbringen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 17. November 2009 VI B 11/09, BFH/NV 2010, 650; vom 2. Oktober 2013 III B 56/13, BFH/NV 2014, 62).
Auch ist das FG nicht verpflichtet, unsubstantiierten Beweisanträgen nachzugehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 7. November 2012 I B 172/11, BFH/NV 2013, 561; vom 18. November 2013 III B 45/12, BFH/NV 2014, 342). In welchem Maße eine solche Substantiierung zu fordern ist, hängt von der im Einzelfall bestehenden Mitwirkungspflicht des Beteiligten ab. Dabei stehen der zumutbare Inhalt und die Intensität der richterlichen Ermittlungen notwendigerweise im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Beteiligten, die gemäß § 76 Abs. 1 Sätze 2 und 3 FGO eine Pflicht zur Förderung des finanzgerichtlichen Verfahrens haben. Zu berücksichtigen ist deshalb auch, ob die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, dem Wissens- und Einflussbereich des Beteiligten (Beweisführers) zuzurechnen sind, der die Verletzung der Sachaufklärungspflicht rügt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 28. Juni 2006 V B 199/05, BFH/NV 2006, 2098; vom 3. April 2008 I B 77/07, BFH/NV 2008, 1445). Unsubstantiiert ist z.B. ein Beweisantrag, der keine beweisbedürftigen Tatsachen benennt (vgl. BFH-Beschluss vom 3. August 2005 I B 9/05, BFH/NV 2005, 2227), nicht erkennen lässt, welche entscheidungserheblichen Tatsachen bezeugt werden sollen (vgl. Senatsbeschluss vom 21. April 2004 XI B 229/02, BFH/NV 2004, 980) oder die unter Beweis gestellte Tatsache so ungenau bezeichnet, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 1. Februar 2007 VI B 118/04, BFHE 216, 409, BStBl II 2007, 538), der das voraussichtliche Ergebnis der Beweisaufnahme in Bezug auf einzelne konkrete Tatsachen nicht genau angibt (vgl. BFH-Beschluss vom 12. Dezember 2007 I B 134/07, BFH/NV 2008, 736) oder so unbestimmt ist, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann und es sich deshalb um einen Beweisermittlungs- oder -ausforschungsantrag handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 2. März 2006 XI B 79/05, BFH/NV 2006, 1132).
bb) Nach diesen Grundsätzen hat das FG den in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag, "den Betriebsprüfer ... als Zeugen zu laden, damit er darüber befragt werden kann, inwieweit die streitigen Vorsteuerbeträge der Prüfung unterlagen", zu Recht abgelehnt.
Das FG hat diesen Beweisantrag auf Seite 11 seines Urteils als unsubstantiierten Ausforschungsbeweisantrag angesehen. Dies trifft zu, da er bereits keine Tatsachen in das Wissen des Zeugen stellt, mit denen --ihre Richtigkeit unterstellt-- die Klägerin ihr ggf. bestehendes Recht auf Vorsteuerabzug in den Streitjahren ausüben könnte. Auch wurde gegenüber dem FG nicht angegeben, was die Vernehmung des Zeugen ergeben hätte. Die für die Klägerin (möglicherweise) günstigen Tatsachen sollte erst die Befragung des Zeugen ergeben, weil die Klägerin sie (mittlerweile) selbst nicht (mehr) kennt.
cc) Soweit die Klägerin insoweit möglicherweise außerdem rügen will, das FG habe zur früheren Existenz und zum konkreten Inhalt der Rechnungen von sich aus weitere Beweise erheben müssen, ist ein möglicher Verfahrensfehler bereits nicht hinreichend dargelegt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH sind nämlich insoweit u.a. Ausführungen dazu erforderlich, welche Beweise das FG von Amts wegen hätte erheben müssen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 7. Dezember 2010 III B 33/10, BFH/NV 2011, 433; vom 6. Februar 2013 X B 108/12, BFH/NV 2013, 710, Rz 13; vom 8. Oktober 2013 X B 105/12, BFH/NV 2014, 168, Rz 17). Die Klägerin legt diesbezüglich zwar dar, dass sie die Rechnungen nicht mehr vorlegen könne, weil diese verloren gegangen seien, und sie den Nachweis, dass die Rechnungen ursprünglich vorhanden waren, mit allen zulässigen Beweismitteln führen könne. Sie hat jedoch schon nicht dargetan, wie sich das FG Kenntnis vom konkreten Inhalt der Rechnungen hätte verschaffen sollen, den die Klägerin selbst nicht mehr kennt.
dd) Die Einwände der Klägerin richten sich im Übrigen gegen die Würdigung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung durch das FG. Mit solchen Einwendungen wird kein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO geltend gemacht. Die Sachverhaltswürdigung und die Grundsätze der Beweiswürdigung sind revisionsrechtlich dem materiellen Recht zuzuordnen und der Prüfung des BFH im Rahmen einer Nichtzulassungsbeschwerde entzogen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. Januar 2013 III B 167/11, BFH/NV 2013, 754; vom 9. September 2013 III B 26/13, BFH/NV 2014, 46; Lange in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 115 FGO Rz 246, jeweils m.w.N.).
ee) Soweit die Rüge der Klägerin darüber hinaus dahingehend zu verstehen sein könnte, dass gleichzeitig gerügt wird, das FG sei von der Rechtsprechung abgewichen, wonach der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, den Nachweis, dass der andere Unternehmer eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erstellt und ihm selbst oder einem von ihm beauftragten Dritten ausgehändigt hat, mit allen verfahrensrechtlich zulässigen Beweismitteln führen kann (vgl. dazu BFH-Urteile vom 5. August 1988 X R 55/81, BFHE 154, 477, BStBl II 1989, 120; vom 16. April 1997 XI R 63/93, BFHE 182, 440, BStBl II 1997, 582; BFH-Beschluss vom 31. Juli 2007 V B 156/06, BFH/NV 2008, 416), liegt eine solche Abweichung jedenfalls nicht vor. Das FG hat nämlich auf Seite 12 seines Urteils ausgeführt, dass auch eine konkrete Darstellung des Inhalts der Rechnungen durch die Klägerin nicht erfolgt ist.
b) Weitere Zulassungsgründe hat die Klägerin in Bezug auf die zweite tragende Begründung nicht in der von § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO geforderten Weise dargelegt.
Insbesondere ist in Bezug auf die unter 3., 4. und 5. der Beschwerdebegründung geltend gemachten Zulassungsgründe nicht dargelegt, inwieweit sie auf Basis der zweiten tragenden Begründung, die Vorsteuerbeträge seien nicht nachgewiesen, entscheidungserheblich sein sollen: Selbst wenn man --im Ergebnis mit der Klägerin-- davon ausginge, dass die Bereitstellung von Wanderwegen auch im Falle ihrer straßenrechtlichen Widmung Teil einer unternehmerischen Tätigkeit "Bereitstellung von Kureinrichtungen und -veranstaltungen" (vgl. dazu BFH-Urteil vom 1. Oktober 1981 V R 34/76, Umsatzsteuer-Rundschau 1982, 32) sei, für die die Kurtaxe das Entgelt sei, könnte die Klägerin den begehrten Vorsteuerabzug für die Streitjahre schon deshalb nicht ausüben, weil sie dem FG die Vorsteuerbeträge nicht tatsächlich nachgewiesen hat.
3. Soweit sich die Ausführungen der Klägerin gegen die materielle Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung richten, wird damit keiner der in § 115 Abs. 2 FGO abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dargetan, sondern nur, dass das FG nach Auffassung der Klägerin falsch entschieden habe. Die Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung vermag indes die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO grundsätzlich nicht zu begründen (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 24. September 2013 XI B 75/12, BFH/NV 2014, 164, m.w.N.; vom 19. November 2013 IX B 79/13, BFH/NV 2014, 371, Rz 11).
4. Ob hinsichtlich der anderen selbständig tragenden Begründung des FG, aus den Kosten für öffentlich gewidmete Wanderwege stehe der Klägerin auch deshalb kein Vorsteuerabzug zu, weil die Klägerin damit keine Leistungen gegen Entgelt erbracht habe, Zulassungsgründe gegeben wären, bedarf keiner weiteren Erörterung.
5. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.