Entscheidungsdatum: 04.10.2012
1. NV: Zu den von der Umsatzsteuer befreiten Heilbehandlungen gehören zwar auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden. Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V sind davon aber nicht erfasst, weil diese lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen sollen .
2. NV: Da die Durchführung von Yogakursen im Streitfall von den teilweise zur Kostenerstattung bereiten Krankenkassen als solche zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V bezeichnet wurden und im Übrigen keine ärztliche Verordnung vorlag, handelt es sich insoweit nicht um von der Umsatzsteuer befreite Heilbehandlungen .
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine GbR, die eine Yoga-Schule betreibt. Streitig ist, ob die Klägerin in den Jahren 2006 bis 2008 (Streitjahre) insoweit umsatzsteuerfreie Umsätze i.S. von § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG a.F.) ausgeführt hat.
Die Yogakurse führte der Gesellschafter der Klägerin namens X durch, der seit dem … Februar 1998 die staatliche Anerkennung als Physiotherapeut besitzt; für den verwaltungstechnischen Bereich war die Gesellschafterin Y zuständig. Teilweise war die Teilnahme an den Kursen von Ärzten empfohlen worden; ärztliche Verordnungen lagen hingegen nicht vor. Die Kursteilnehmer entrichteten für die Teilnahme ein von der Klägerin berechnetes Entgelt. Verschiedene Krankenkassen erstatteten den Kursteilnehmern zumindest teilweise die von der Klägerin erhobenen Entgelte, wobei mehrere Krankenkassen ausdrücklich darauf hinwiesen, dass die Bezuschussung im Rahmen ihrer Präventionsprogramme nach § 20 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V) erfolge.
Die Klägerin gab für die Streitjahre keine Umsatzsteuererklärungen ab, da sie ihre Umsätze für umsatzsteuerfrei hielt. Infolge einer bei der Klägerin durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zu der Auffassung, dass die mit den Yogakursen erzielten Umsätze nicht steuerfrei seien. Leistungen eines Physiotherapeuten seien nur umsatzsteuerfrei, wenn er aufgrund einer ärztlichen Verordnung tätig werde; dies sei nicht der Fall. Entsprechend diesen Feststellungen erließ das FA für die Streitjahre 2006 und 2007 und für den Voranmeldungszeitraum 4/2008 erstmalige Umsatzsteuerbescheide.
Der Einspruch der Klägerin blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, im Wesentlichen mit der Begründung, dass es sich im Streitfall nicht um eine Heilbehandlung handele und außerdem die Klägerin nicht über den erforderlichen Befähigungsnachweis verfüge. Die Voraussetzungen von § 4 Nr. 14 UStG a.F. seien daher nicht erfüllt.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, in der sie sich auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO), auf Divergenz gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO und auf das Vorliegen von Verfahrensfehlern i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO beruft.
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen entweder nicht vor oder sind von der Klägerin nicht in der nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO gebotenen Form dargelegt worden.
1. Die Klägerin hat zwar das Vorliegen von Verfahrensfehlern i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO behauptet, diese aber nicht in der gebotenen Weise dargetan.
a) Wird die Nichtzulassungsbeschwerde auf einen solchen Mangel gestützt, so bedarf es hierfür eines Vortrags der Tatsachen, die den Mangel schlüssig ergeben. Außerdem muss dargelegt werden, dass die angefochtene Entscheidung --ausgehend von der insoweit maßgebenden materiell-rechtlichen Auffassung des FG-- auf dem geltend gemachten Verfahrensmangel beruhen kann, sie also ohne den Verfahrensmangel möglicherweise anders ausgefallen wäre (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Mai 2008 V B 29/07, BFH/NV 2008, 1501, unter III.A.; vom 23. November 2010 XI B 67/09, BFH/NV 2011, 290, unter 3., jeweils m.w.N.).
b) Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdeschrift nicht.
aa) Die von der Klägerin behauptete Nichtberücksichtigung von Umständen, die richtigerweise in die Beweiswürdigung hätten einfließen müssen, kann zwar verfahrensfehlerhaft sein, wenn das FG seiner Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht nachkommt oder Teile des Gesamtergebnisses des Verfahrens unberücksichtigt lässt (vgl. z.B. BFH-Entscheidungen vom 7. Juli 2011 V R 53/10, BFHE 234, 543, und vom 18. Dezember 1998 X B 95/98, BFH/NV 1999, 811, jeweils m.w.N.), insbesondere, wenn es bei seiner Überzeugungsbildung eine nach Aktenlage feststehende Tatsache unberücksichtigt lässt bzw. bei seiner Entscheidung vom Nichtvorliegen einer solchen Tatsache ausgeht (sog. Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten, vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 27. Juni 2012 X B 62/11, nicht veröffentlicht --n.v.--, juris unter 1.a).
bb) Die Klägerin hat es aber unterlassen, diese in Betracht kommenden Verfahrensmängel schlüssig entsprechend den Darlegungsanforderungen zu rügen. Soweit die Klägerin ausführt, das FG habe die Tatsache, dass die Yoga-Kurse durch einen Physiotherapeuten durchgeführt worden seien, "schlichtweg" übersehen, ist die Rüge schon deshalb nicht schlüssig erhoben, weil das FG ausweislich seiner tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand seines Urteils diesen Umstand ausdrücklich hervorgehoben hat (vgl. Seite 3 des FG-Urteils). Daraus ist ersichtlich, dass das FG diese Tatsache zwar gekannt hat, aber nach den Entscheidungsgründen seines Urteils nicht für maßgeblich hielt. Die Klägerin hat insoweit nicht substantiiert unter Auseinandersetzung mit den materiell-rechtlichen Erwägungen des FG vorgetragen, weshalb dieser Umstand aus Sicht des FG gleichwohl hätte entscheidungserheblich sein sollen. Dem weiteren Vorbringen der Klägerin bezogen auf die vom FG nicht berücksichtigten "Protokolle der Yoga-Einführungsgespräche" sowie die "quartalsmäßige Aufstellung zu den Kursteilnehmern" lässt sich schon nicht entnehmen, aus welchen Gründen sich dem FG aus seiner materiell-rechtlichen Sicht von Amts wegen die Einbeziehung dieser Unterlagen hätte aufdrängen müssen. Die unsubstantiierte Behauptung, dies hätte zu einer anderen Auslegung von § 4 Nr. 14 UStG a.F. und damit zu einem abweichenden Entscheidungsergebnis geführt, genügt insoweit nicht.
2. Auch der behauptete Zulassungsgrund der Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO ist nicht entsprechend den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargetan.
a) Zur Darlegung einer Divergenz ist erforderlich, dass sich aus der Beschwerdebegründung ergibt, in welcher konkreten Rechtsfrage das FG in der angefochtenen Entscheidung nach Ansicht des Beschwerdeführers von der Rechtsprechung anderer Gerichte abgewichen ist. Er hat rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze im angefochtenen Urteil und in den von ihm angeführten Entscheidungen so genau zu bezeichnen, dass die Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 4. Dezember 2000 V B 15/00, BFH/NV 2001, 819; vom 15. Oktober 2008 XI B 247/07, n.v., juris; vom 18. November 2010 XI B 56/10, BFH/NV 2011, 199, unter 1.a, jeweils m.w.N.).
b) Diesen Anforderungen genügt das Beschwerdevorbringen nicht. Denn die Klägerin führt insoweit aus, dass das FG einen mit dem Urteil des BFH vom 30. April 2009 V R 6/07 (BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.2.b) übereinstimmenden Rechtssatz aufgestellt habe, wonach der für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Satz 1 UStG a.F. erforderliche Qualifikationsausweis "nicht auf jede erdenkliche Art und Weise erbracht" werden könne. Diesen Rechtssatz habe das FG aber unzutreffend eng --und damit im Widerspruch zu der Entscheidung des BFH-- ausgelegt.
Da das FG somit nicht dem Grunde nach von einem abweichenden Rechtssatz des BFH ausgegangen ist, ist die behauptete Divergenz nicht dargetan. Die Klägerin wendet sich mit ihrem Vorbringen insoweit lediglich gegen die materielle Richtigkeit der Entscheidung des FG im Einzelfall, was die Zulassung der Revision grundsätzlich nicht zu rechtfertigen vermag (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 28. Dezember 2010 XI B 109/09, BFH/NV 2011, 858).
3. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.
a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, so muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte --abstrakte-- klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und --unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur-- deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden; kein Klärungsbedarf besteht im Allgemeinen mehr, wenn eine Rechtsfrage bereits vom BFH geklärt worden ist (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 18. August 2008 XI B 192/07, BFH/NV 2008, 2065; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28, § 116 Rz 26, 32; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 115 FGO Rz 50, § 116 FGO Rz 43 f.; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 115 FGO Rz 107, § 116 FGO Rz 179; jeweils m.w.N.).
b) Die Klägerin wirft mit ihrem Beschwerdevorbringen mehrere Rechtsfragen auf, die nach ihrer Auffassung eine grundsätzliche Bedeutung haben.
aa) Zunächst hält sie folgende Rechtsfrage für klärungsbedürftig: "Sind Umsätze aus einer Tätigkeit als Yogalehrer steuerfrei, nachdem es sich hierbei um eine ähnliche heilberufliche Tätigkeit i.S. des § 4 Nr. 14 S. 1 UStG handelt? Wobei hier zu unterscheiden ist nach a) Yoga, das der Prävention dient, b) Yoga, das als Sekundärprävention einen unmittelbaren Gesundheitsbezug aufweist, c) Yoga, das von einem Physiotherapeuten erbracht wird." Das Problem betreffe eine Vielzahl von Yogalehrenden, deren Angebot einen unmittelbaren Gesundheitsbezug aufweise; in Deutschland gebe es ca. 20 000 bis 30 000 Yogalehrer.
Diese dargestellte Rechtsfrage bedarf indes keiner Klärung durch den BFH, weil sie sich auf der Grundlage der bereits ergangenen Rechtsprechung ohne weiteres im Sinne der Entscheidung des FG beantworten lässt. Allein das Fehlen einer Entscheidung des BFH zu der konkreten Fallgestaltung begründet weder einen Klärungsbedarf noch das erforderliche Allgemeininteresse (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15. Januar 2008 VIII B 222/06, BFH/NV 2008, 753, unter 1.a).
Nach ständiger Rechtsprechung des BFH müssen Heilbehandlungen i.S. von § 4 Nr. 14 UStG a.F. einen therapeutischen Zweck haben (vgl. z.B. Urteile in BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.1.a, und vom 18. August 2011 V R 27/10, BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, unter II.1.b). Zu den Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gehören zwar auch Leistungen, die zum Zweck der Vorbeugung erbracht werden, wie vorbeugende Untersuchungen und ärztliche Maßnahmen an Personen, die an keiner Krankheit oder Gesundheitsstörung leiden, sowie Leistungen, die zum Schutz einschließlich der Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden (vgl. BFH-Urteile in BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.1.a, und in BFHE 235, 58, BFH/NV 2011, 2214, unter II.1.b, jeweils m.w.N.). Leistungen zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V haben aber keinen unmittelbaren Krankheitsbezug, weil sie lediglich den allgemeinen Gesundheitszustand verbessern und insbesondere einen Beitrag zur Verminderung sozial bedingter Ungleichheit von Gesundheitschancen erbringen sollen; sie sind daher keine Heilbehandlungsleistungen i.S. von § 4 Nr. 14 UStG a.F. (BFH-Urteile vom 7. Juli 2005 V R 23/04, BFHE 211, 69, BStBl II 2005, 904, Leitsatz 2; in BFHE 225, 248, BStBl II 2009, 679, unter II.2.a).
Da nach den den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG i.S. von § 118 Abs. 2 FGO die Leistungen der Klägerin, soweit sie überhaupt teilweise von den Krankenkassen erstattet wurden, von diesen zum Teil ausdrücklich als Leistungen lediglich zur Prävention und Selbsthilfe i.S. des § 20 SGB V eingeordnet wurden und im Übrigen auch keine ärztlich verordneten Leistungen vorliegen (vgl. z.B. zur Hippotherapie BFH-Urteil vom 30. Januar 2008 XI R 53/06, BFHE 221, 399, BStBl II 2008, 647, Leitsatz), handelt es sich bei den Yoga-Kursen entgegen der Auffassung der Klägerin unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BFH nicht um Heilbehandlungen i.S. von § 4 Nr. 14 UStG a.F.. Vor diesem Hintergrund ist die von ihr aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig. Dasselbe gilt für die von der Klägerin ferner insoweit genannte Frage, "ob Yoga, das als Sekundärprävention einen unmittelbaren Gesundheitsbezug aufweist, von der Umsatzsteuer befreit ist."
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ferner vorträgt, von allgemeiner Bedeutung sei "die Fragestellung, ob bzw. inwieweit es bei Gesundheitsberufen, die den Kernbereich der Therapie ausüben, auf eine Verordnung durch Heilberufe ankommt", ist diese Rechtsfrage nach den vorstehenden Ausführungen im vorliegenden Streitfall nicht klärungsbedürftig.
bb) Die Klägerin wirft ferner die Rechtsfragen auf, ob "ein Yogalehrer grundsätzlich über die für die Steuerbefreiung" i.S. von § 4 Nr. 14 UStG a.F. "erforderliche berufsfachliche Qualifikation" verfügt und ob "ein Yogalehrer, der zugleich ausgebildeter Physiotherapeut ist, über die erforderliche berufsfachliche Qualifikation" verfügt.
Diese Rechtsfragen sind in dem von der Klägerin angestrebten Revisionsverfahren nicht klärbar, weil das FG sein Urteil in diesem Zusammenhang kumulativ begründet hat, d.h. auf mehrere selbständig tragende Gründe gestützt hat. Insoweit muss hinsichtlich jeder Urteilsbegründung ein Zulassungsgrund i.S. des § 115 FGO dargelegt werden und vorliegen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, BFH/NV 2005, 667; vom 21. Juli 2011 IX B 46/11, BFH/NV 2011, 1905, und vom 14. November 2011 XI B 66/11, BFH/NV 2012, 460). Da das FG bereits das Vorliegen einer Heilbehandlung i.S. von § 4 Nr. 14 UStG a.F. abgelehnt hat, und insoweit kein Zulassungsgrund gegeben ist, sind die von der Klägerin aufgeworfenen weiteren Rechtsfragen nicht entscheidungserheblich.
Dass ein Physiotherapeut Leistungen i.S. des § 4 Nr. 14 UStG a.F. grundsätzlich erbringen kann, ergibt sich im Übrigen bereits aus dem Gesetz.
4. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).