Entscheidungsdatum: 01.03.2016
1. NV: § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG beruht auf Art. 1 der Entscheidung des Rates vom 19. November 2004 (2004/817/EG), der Deutschland ermächtigt, abweichend von Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG Ausgaben für solche Gegenstände und Dienstleistungen vom Abzug der Mehrwertsteuer auszuschließen, die zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt werden.
2. NV: Der Vorlagebeschluss des Senats vom 16. Juni 2015 XI R 15/13 (BFHE 250, 276, BStBl II 2015, 865) betrifft nicht ein zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen genutztes Wohnhaus, sondern allein die Frage, ob diese Ermächtigung über ihren Wortlaut hinaus auch für den Vorsteuerausschluss in Bezug auf nichtwirtschaftliche Tätigkeiten des Unternehmens gilt.
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 7. Mai 2015 5 K 2354/12 U wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, betrieb in den Jahren 2006 und 2007 (Streitjahre) u.a. einen Gewerbebetrieb. Das streitbefangene, in den Streitjahren auf ihrem Betriebsgelände errichtete "Betriebsleiterwohnhaus", ein Einfamilienhaus mit Erd- und Dachgeschoss und einer Gesamtwohnfläche von 234,89 qm, wurde von den Geschäftsführern der Komplementär-GmbH --X und deren Lebensgefährten Y-- zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Zur Wohnfläche gehören ein Gästezimmer (15,44 qm), ein Gäste-WC (3,71 qm) und eine Diele, über die man zu den Gästeräumen und zum übrigen Gebäudebereich gelangt.
Die Klägerin ordnete das Betriebsleiterwohnhaus --ausgehend von einer hälftigen unternehmerischen Nutzung-- vollständig ihrem Unternehmen zu und machte den vollen Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten des Gebäudes sowie aus denen einer Kläranlage, eines Bohrbrunnens und eines Blockheizkraftwerks, die auch anderen --unstreitig dem Unternehmen zugeordneten-- Gebäuden dienten, sowie aus den Anschaffungskosten einer Einbauküche geltend.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) die Auffassung, das Betriebsleiterwohnhaus könne, da es zu weniger als 10 % unternehmerisch genutzt werde, nicht dem Unternehmen zugeordnet werden. Das FA ließ in den Änderungsbescheiden über Umsatzsteuer für 2006 und 2007 vom 3. März 2011 die Vorsteuer aus den Herstellungskosten des Betriebsleiterwohnhauses sowie diesbezüglich anteilig (zu jeweils 25 %) der Kläranlage, des Bohrbrunnens und des Blockheizkraftwerks und aus den Anschaffungskosten der Einbauküche nicht zum Abzug zu. Der Einspruch der Klägerin wurde mit Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2012 als unbegründet zurückgewiesen.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage nur aus anderen, hier nicht streitigen Gründen in geringem Umfang statt. Der von der Klägerin begehrte Vorsteuerabzug scheitere an dem Abzugs- und Aufteilungsverbot gemäß § 15 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) --und wenn man dies nicht annähme-- an § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG. Die unternehmerische Nutzung des Objekts liege unterhalb der Geringfügigkeitsgrenze von 10 % mit der Folge, dass die Nutzung insgesamt als nicht unternehmerisch gelte.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision. Sie macht geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) sowie wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
II. Die Beschwerde ist unzulässig. Die Klägerin hat keinen Zulassungsgrund i.S. des § 115 Abs. 2 FGO den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargetan.
1. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.
a) Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine hinreichend bestimmte Rechtsfrage herausstellt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit an der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts erforderlich ist und die im konkreten Streitfall klärbar ist. Dazu ist auszuführen, ob und in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Rechtsfrage umstritten ist (vgl. z.B. Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 16. März 2015 XI B 109/14, BFH/NV 2015, 1005, Rz 6). Enthält das angefochtene Urteil eine Doppelbegründung, muss hinsichtlich eines jeden der beiden Begründungsansätze der geltend gemachte Zulassungsgrund dargelegt werden (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 15. Juli 2011 III B 13/11, BFH/NV 2011, 1918, Rz 13).
b) Diesen Erfordernissen genügt der Vortrag der Klägerin nicht.
aa) Sie führt in ihrer Beschwerdebegründung (unter Teil B I.1.1) als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung an, "ob die Bestimmungen zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs gem. § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 12 EStG und die Auffassung des Finanzgerichts Münster, dass die Vorschrift des § 15 Abs. 1a UStG nicht EU-rechtswidrig sowie die in § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG genannte 10 %-Grenze EU-rechtskonform sei sowie eines sich daraus ergebenden Ausschlusses des Vorsteuerabzugs zu versagen sei".
Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin betreffen im Wesentlichen die Frage der Vereinbarkeit des § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 12 EStG mit Unionsrecht, während sie sich im Hinblick auf § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG --auf den das FG die Vorentscheidung ebenfalls gestützt hat-- lediglich auf den BFH-Beschluss vom 16. Juni 2015 XI R 15/13 (BFHE 250, 276, BStBl II 2015, 865, Rz 35 ff., 46 ff.) beruft. Dieses Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zu begründen, da der Streitfall --anders als der Vorlagebeschluss des BFH in BFHE 250, 276, BStBl II 2015, 865-- die Frage des Vorsteuerausschlusses in Bezug auf nichtwirtschaftliche Tätigkeiten nicht betrifft, sondern das nach den Feststellungen des FG zu mehr als 90 % zu eigenen Wohnzwecken genutzte Betriebsleiterwohnhaus (Urteil, S. 12 ff.). Insoweit stellt der BFH im Leitsatz seines Beschlusses in BFHE 250, 276, BStBl II 2015, 865 fest, dass Art. 1 der Entscheidung des Rates vom 19. November 2004 zur Ermächtigung Deutschlands, eine von Art. 17 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern abweichenden Regelung anzuwenden (2004/817/EG), zum Vorsteuerausschluss ermächtigt, wenn --wie hier-- ein Gegenstand zu mehr als 90 % für private Zwecke des Steuerpflichtigen oder seines Personals oder allgemein für unternehmensfremde Zwecke genutzt wird.
bb) Ferner sucht die Klägerin die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache damit zu begründen, das FG habe "die sog. Leerstandszeiten für eine unternehmerische Nutzung bei der Berechnung der unternehmerischen Nutzung nicht unberücksichtigt gelassen", was jedoch geboten gewesen sei, "da solche Zeiten nach der Rechtsprechung zu dem vergleichbaren Sachverhalt bei sog. Ferienwohnungen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht berücksichtigt werden dürfen".
Damit hat sie keine in einem Revisionsverfahren klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage bezeichnet, sondern macht im Wesentlichen geltend, die Vorentscheidung sei falsch. Dies ist grundsätzlich nicht geeignet, die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zu begründen; im Übrigen hat das FG in den Entscheidungsgründen unter B.II.2. zu Gunsten der Klägerin unterstellt, "dass das Gästezimmer ganzjährig für Gäste vorgehalten wird und keinerlei außerunternehmerische Nutzung des Gästezimmers, etwa für private Gäste, erfolgt ist".
2. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO).
Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist ein Unterfall des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 11. Dezember 2014 XI B 49/14, BFH/NV 2015, 363, Rz 12), weshalb dieser Zulassungsgrund ebenfalls eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraussetzt (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 35).
Eine solche klärungsbedürftige und im Streitfall klärbare Rechtsfrage hat die Klägerin --jedenfalls hinsichtlich § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG, auf den das FG seine Entscheidung gleichfalls gestützt hat-- nicht bezeichnet (dazu oben unter II.1.b).
a) Zur schlüssigen Darlegung dieses Zulassungsgrundes muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander so gegenüberstellen, dass die behauptete Abweichung erkennbar wird (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss in BFH/NV 2015, 363, Rz 14, m.w.N.).
b) Dies ist vorliegend nicht geschehen.
aa) Die Klägerin führt aus der angegriffenen Vorentscheidung den Rechtssatz an, dass "§ 15 Abs. 1a UStG ... im Hinblick auf die Verweisung auf § 12 EStG auch nicht EU-rechtswidrig" sei; damit weiche das FG-Urteil von dem Urteil des FG München vom 23. Februar 2006 14 K 3585/03 (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2006, 1018) sowie von dem Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009 GrS 1/06 (BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672) und von dem Urteil des FG Köln vom 19. Mai 2011 10 K 4126/09 (EFG 2011, 1410) ab.
bb) Ob die Klägerin hiermit eine Abweichung aufgezeigt hat, kann dahinstehen. Jedenfalls hat sie mit der zitierten Aussage des FG zu § 15 Abs. 1a UStG i.V.m. § 12 EStG keinen Rechtssatz bezeichnet, der dessen Entscheidung trägt, da das FG sein Urteil auch auf § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG gestützt hat.
Bezüglich dieses zweiten Begründungsansatzes hat die Klägerin eine Divergenz, die die Zulassung der Revision nach sich zöge, nicht bezeichnet. Ihr Vortrag, das FG München habe gegen sein Urteil in EFG 2006, 1018 (rechtskräftig nach Rücknahme der Revision, BFH-Beschluss vom 23. August 2006 V R 25/06, nicht veröffentlicht) die Revision zugelassen, und ihre bloßen Hinweise auf den BFH-Beschluss in BFHE 250, 276, BStBl II 2015, 865 sowie auf den Beschluss des Großen Senats des BFH vom 27. Juli 2015 GrS 1/14 (BFHE 251, 408, Deutsches Steuerrecht 2016, 210) sind hierfür nicht geeignet.
4. Die Revision ist schließlich nicht wegen eines Verfahrensmangels (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.
a) Mit der Rüge, das FG habe den Grundsatz rechtlichen Gehörs verletzt, indem es der von der Klägerin angebotenen Beweiserhebung nicht nachgegangen sei, hat die Klägerin weder eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO) noch einen Verstoß des FG gegen die Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) hinreichend geltend gemacht.
aa) Wird das Übergehen von Beweisanträgen bzw. ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht gerügt, muss neben dem Beweisthema und dem angebotenen Beweismittel vorgetragen werden, inwiefern das Urteil des FG auf der unterlassenen Beweiserhebung beruhen kann und welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätte (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 31. August 2015 VI B 13/15, BFH/NV 2015, 1672, Rz 7).
bb) Dem wird die Beschwerde nicht gerecht. Es fehlt bereits an der Darlegung der ermittlungsbedürftigen Tatsachen sowie dessen, was eine Beweisaufnahme an Tatsachen ergeben hätte (vgl. BFH-Beschluss vom 18. November 2010 XI B 28/10, BFH/NV 2011, 204, Rz 16).
Soweit die Klägerin in der Beschwerdebegründung (unter Teil B. IV.1.2.) anführt, "durch die Vernahme des Herrn ... hätte sich entsprechend der Schriftsätze der Klägerin vom ... eine zumindest 10%ige unternehmerische Nutzung der gesamten Immobilie gemäß der in den vorgenannten Schriftsätzen aufgeführten Nutzung der Räume ergeben", gibt sie lediglich mutmaßliche Schlussfolgerungen des Zeugen oder ihre eigenen Schlussfolgerungen aus einer zu erwartenden Zeugenaussage wieder, nicht jedoch diejenigen Tatsachen, aufgrund derer das FG eine solche Schlussfolgerung zu ziehen hätte.
cc) Zudem hat das FG in den Entscheidungsgründen unter B.3 ausgeführt, aus welchen Gründen die Beweisantritte der Klägerin aus den Schriftsätzen vom 10. Oktober 2012 und 18. Juli 2014 erledigt seien und die mit Schriftsätzen vom 13. Dezember 2012, 29. April 2013 und 26. Februar 2015 angetretenen Beweise nicht zu erheben waren; damit hat sich die Klägerin in der Beschwerdebegründung nicht auseinandergesetzt.
b) Soweit die Klägerin die Verletzung von § 76 Abs. 2 FGO i.V.m. § 102 Satz 1 FGO rügt, hat sie weder einen Verfahrensmangel dargelegt noch ist ein solcher ersichtlich.
5. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 116 Abs. 5 Satz 2 FGO).
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.