Entscheidungsdatum: 15.11.2018
NV: Bei der Körperschaftsteuer, die auf einen Sanierungsgewinn entfällt, der aufgrund eines Insolvenzplans entstanden ist, handelt es sich nicht um eine Insolvenzforderung, die vom FA zur Insolvenztabelle anzumelden wäre .
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Sächsischen Finanzgerichts vom 23. April 2018 1 K 1356/14 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I.
Über das Vermögen der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), einer GmbH, wurde durch Beschluss des zuständigen Amtsgerichts (AG) vom 2. Mai 2006 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Eigenverwaltung angeordnet. Im Insolvenzverfahren wurde ein Insolvenzplan erstellt. Durch Beschluss vom 10. März 2009 hob das AG das Insolvenzverfahren auf, nachdem der bestätigte Insolvenzplan vom 8. Januar 2009 zum 31. Dezember 2008 rechtswirksam geworden war.
Am 19. März 2009 beschloss die Gesellschafterversammlung die Fortsetzung der Gesellschaft. Der Beschluss wurde am 23. März 2009 ins Handelsregister eingetragen.
Am 1. Oktober 2010 reichte die Klägerin beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt --FA--) eine berichtigte Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2008 nebst berichtigtem Jahresabschluss für das Jahr 2008 ein. Die berichtigte Handelsbilanz enthielt einen Sanierungsgewinn in Höhe von 238.522 €. Die Gewinn und Verlustrechnung wies einen "außerordentlichen Ertrag – Insolvenzplan" in Höhe von 1.280.012 € aus. Die Klägerin erläuterte, dass sich der Sanierungsgewinn aus dem genehmigten Sanierungsplan ergebe.
Mit Bescheid vom 19. November 2012 setzte das FA die Körperschaftsteuer für das Jahr 2008 auf 155.282 € fest. Es berücksichtigte dabei den aus dem Insolvenzplan resultierenden Buchgewinn in Höhe von 1.280.012 € und verrechnete diesen mit dem Verlustvortrag zum 31. Dezember 2007. Mit Bescheid vom selben Tag stellte das FA den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 auf null Euro fest. Die sich daraus ergebenden Folgerungen zog das FA außerdem im Bescheid vom selben Tag über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin geltend machte, bei der auf den Sanierungsgewinn entfallenden Steuer handle es sich um eine Insolvenzforderung, die bereits im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erfassen und deshalb vom FA zur Tabelle anzumelden sei, ab und ließ die Revision nicht zu. Es entschied, die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 KStG zum 31. Dezember 2008 sei unzulässig. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Das FA habe den Sanierungsgewinn zu Recht im Körperschaftsteuerbescheid für das Jahr 2008 der Körperschaftsteuer unterworfen. Die Steuerforderung, die durch den Sanierungsgewinn entstehe, sei eine Masseverbindlichkeit. Zu den Masseverbindlichkeiten zählten insbesondere Steuerforderungen, die nach Verfahrenseröffnung entstehen. Der Sanierungsgewinn und die daraus resultierende Steuer seien erst mit Rechtskraft der Bestätigung des Insolvenzplans entstanden. Die Insolvenzmasse werde durch die Verminderung der sie treffenden Verpflichtungen bereichert. Allein maßgeblich sei, dass der Gewinn steuerrechtlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sei. Die Steuerverbindlichkeit sei zwar nicht durch den Insolvenzverwalter, aber in anderer Weise durch die Verwaltung der Insolvenzmasse begründet worden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Die Klage gegen den Bescheid über den verbleibenden Verlustvortrag zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 2008 sei ebenfalls unbegründet. Aus der sich aus § 42 der Finanzgerichtsordnung (FGO), § 351 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) ergebenden Anfechtungsbeschränkung folge, dass Einwendungen gegen den Gesamtbetrag der Einkünfte, der dem Körperschaftsteuerbescheid zugrunde liege, nicht zur Begründetheit der Klage gegen den Feststellungsbescheid führen könnten.
Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) sowie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.
1. Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO kommt einer Rechtssache zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Außerdem muss die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärbar sein (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. August 2017 XI B 57/17, BFH/NV 2018, 22, Rz 11; vom 2. Januar 2018 XI B 81/17, BFH/NV 2018, 457, Rz 15). Es fehlt an der Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage, wenn sie offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG in seiner Entscheidung getan hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 5. Februar 2018 X B 161/17, BFH/NV 2018, 527, Rz 13; vom 15. Mai 2018 I B 114/17, BFH/NV 2018, 1092, Rz 16).
2. Das Erfordernis einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) ist ein Unterfall des Zulassungsgrunds der grundsätzlichen Bedeutung (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Juli 2017 XI B 37/17, BFH/NV 2017, 1635, Rz 16; vom 21. März 2018 XI B 113/17, BFH/NV 2018, 739, Rz 8). Die Revision ist zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, wenn davon auszugehen ist, dass im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (z.B. BFH-Beschluss vom 24. Juni 2014 XI B 45/13, BFH/NV 2014, 1584, Rz 35, m.w.N.). Auch dieser Zulassungsgrund setzt eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage voraus (BFH-Beschluss vom 24. Juli 2017 XI B 25/17, BFH/NV 2017, 1591, Rz 25).
3. Bei Anlegung dieser Maßstäbe hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Revision zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen sind auf Basis der bisherigen Rechtsprechung des BFH nicht klärungsbedürftig.
a) Die Klägerin wirft in ihrer Beschwerdebegründung mehrere Rechtsfragen dazu auf, ob der aufgrund des Sanierungsplans entstehende Gewinn eine Masseverbindlichkeit oder eine Insolvenzforderung (und deshalb zur Tabelle anzumelden) ist. Sie bringt im Kern vor, durch die Einordnung der Gewinne als Masseverbindlichkeit werde der Fiskus privilegiert, die Steuer dem Rechtsnachfolger auferlegt, gegen die Wertungen des § 141a des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie mehrerer Vorschriften der Insolvenzordnung (InsO) verstoßen und der Neustart des Unternehmens nach Sanierung behindert. Würde der Gewinn als Insolvenzforderung eingeordnet, bedürfe es weder des Sanierungserlasses noch eines neuen § 3a des Einkommensteuergesetzes (EStG).
b) Durch die Rechtsprechung des BFH ist jedoch bereits geklärt, dass Insolvenzforderungen nach § 38 InsO solche Forderungen sind, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren (vgl. BFH-Urteile vom 16. November 2004 VII R 75/03, BFHE 208, 296, BStBl II 2006, 193; vom 16. Mai 2013 IV R 23/11, BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759). Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderungen und Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerrechtliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 18. Mai 2010 X R 60/08, BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429, Rz 33). Entscheidend ist, wann der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde (vgl. BFH-Beschluss vom 27. Oktober 2016 IV B 119/15, BFH/NV 2017, 320).
c) Der Rechtsgrund für einen (abstrakten) Steueranspruch ist gelegt, wenn der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wird; dies richtet sich ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 29. August 2007 IX R 4/07, BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145; vom 9. Dezember 2014 X R 12/12, BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852, Rz 27; BFH-Beschluss vom 18. Dezember 2014 X B 89/14, BFH/NV 2015, 470).
Bezogen auf die Einkommensteuer, deren Grundsätze über die Verweisung des § 8 Abs. 1 KStG auch für die Körperschaftsteuer maßgeblich sind, kommt es für die insolvenzrechtliche Begründung der Steuerforderung darauf an, ob der einzelne (unselbständige) Besteuerungstatbestand vor oder nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2015, 470, Rz 15; in BFH/NV 2017, 320, Rz 6 und 8, dort auch zur Übertragbarkeit der Rechtsprechung auf die Gewerbesteuer). Eine Einkommensteuerschuld als Masseverbindlichkeit kann durch eine Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters oder kraft Gesetzes entstehen (BFH-Urteile in BFHE 218, 435, BStBl II 2010, 145; vom 16. Juli 2015 III R 32/13, BFHE 251, 102, BStBl II 2016, 251; vom 1. Juni 2016 X R 26/14, BFHE 253, 518, BStBl II 2016, 848, Rz 40).
d) Einkünfte, die ein selbständig tätiger Schuldner nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit dem Betrieb erzielt, gehören grundsätzlich zur Insolvenzmasse (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2015 III R 21/11, BFHE 250, 7, BStBl II 2016, 29, Rz 15). Wird der Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG, ggf. i.V.m. § 5 EStG, ermittelt, ist das Realisationsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 Halbsatz 2 des Handelsgesetzbuches (HGB) zu beachten, und zwar nicht nur bei der Gewinnermittlung buchführungspflichtiger Kaufleute nach § 5 Abs. 1 EStG, sondern auch bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 6. Dezember 1983 VIII R 110/79, BFHE 140, 74, BStBl II 1984, 227; in BFHE 253, 482, BStBl II 2016, 852, Rz 30). Masseverbindlichkeiten sind z.B. die Einkommensteuerschulden, die sich daraus ergeben, dass nach Auflösung einer Rückstellung auf der Ebene der Gesellschaft ein Gewinn entsteht (vgl. BFH-Urteil in BFHE 229, 62, BStBl II 2011, 429, Rz 37, 39 ff.).
e) Gemäß § 246 Abs. 1 HGB hat der Jahresabschluss sämtliche Vermögensgegenstände und Schulden zu enthalten. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist eine Verbindlichkeit nicht mehr zu passivieren, wenn diese keine wirtschaftliche Belastung mehr darstellt; ein solcher Fall liegt jedoch nicht schon bei Zahlungsunfähigkeit vor (vgl. BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VIII R 29/91, BFHE 171, 419, BStBl II 1993, 747, unter II.). Auch bei Insolvenz wird eine Verbindlichkeit daher erst beim tatsächlichen Erlöschen der Schuld auszubuchen sein (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2016 X R 4/15, BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786, Rz 35). Die Erteilung einer Restschuldbefreiung entfaltet aus diesem Grund grundsätzlich keine Rückwirkung (vgl. BFH-Urteil in BFHE 256, 392, BStBl II 2017, 786, Rz 25, m.w.N.).
Soweit durch diese Sichtweise ein Gewinn früherer Jahre in gewisser Weise nachversteuert wird, hat der BFH die daran geäußerte Kritik bereits in anderem Zusammenhang zurückgewiesen und aufgezeigt, dass für Zwecke der Besteuerung keine anderen Kriterien gelten als sonst (vgl. BFH-Urteil in BFHE 241, 233, BStBl II 2013, 759, Rz 25). Weitergehenden Klärungsbedarf zeigt die Beschwerde mit ihrer ausführlichen Kritik nicht hinreichend auf.
f) In Bezug auf den Insolvenzplan ist aufgrund der vorhandenen Rechtsprechung des BFH geklärt, dass mit der Rechtskraft der Bestätigung eines solchen Planes nach § 254 Abs. 1 InsO die in dessen gestaltendem Teil festgelegten Wirkungen für und gegen alle Beteiligten eintreten und fortan die allein maßgebliche Grundlage für die gesamte Vermögens- und Haftungsabwicklung der Insolvenzplan bildet (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2014 I R 39/13, BFHE 247, 300, BStBl II 2015, 577, Rz 15). Der Schuldner wird nach § 227 Abs. 1 InsO mit der im gestaltenden Teil vorgesehenen Befriedigung der Insolvenzgläubiger von ihren restlichen Verbindlichkeiten gegenüber den Gläubigern frei (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 2015 IX ZR 143/13, BGHZ 208, 227, Rz 26). Dies führt zwar nicht zu einem Erlöschen der Steuerforderungen i.S. des § 47 AO, berührt also nicht deren Bestand als solchen, sondern nur deren Durchsetzbarkeit (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 2013 VII R 2/12, BFH/NV 2013, 1543, Rz 13). Bei dem Anspruch des FA auf Besteuerung des Sanierungsgewinns aus dem Insolvenzplan handelt es sich daher --anders als die Klägerin meint-- nicht um eine Insolvenzforderung, die vom FA zur Insolvenztabelle anzumelden wäre (ebenso Landgericht Düsseldorf, Beschluss vom 21. September 2015 25 T 404/15, Zeitschrift für das gesamte Insolvenz- und Sanierungsrecht 2015, 2186, Rz 25).
4. Entgegen der Auffassung der Klägerin weicht das Urteil der Vorinstanz auch nicht vom Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28. November 2016 GrS 1/15 (BFHE 255, 482, BStBl II 2017, 393) und der dazu ergangenen Folge-Rechtsprechung des BFH (BFH-Urteile vom 23. August 2017 I R 52/14, BFHE 259, 20, BStBl II 2018, 232; vom 23. August 2017 X R 38/15, BFHE 259, 28, BStBl II 2018, 236; vom 11. Juli 2018 XI R 33/16, Der Betrieb 2018, 2473; BFH-Beschlüsse vom 16. April 2018 X B 13/18, BFH/NV 2018, 817; vom 8. Mai 2018 VIII B 124/17, BFH/NV 2018, 822) ab. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung hat das Bundesministerium der Finanzen mit dem unter den Voraussetzungen des Sanierungserlasses vorgesehenen Billigkeitserlass der auf einen Sanierungsgewinn entfallenden Steuer gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstoßen. Einen abweichenden Rechtssatz hat die Vorinstanz nicht aufgestellt. Eine Divergenz hat die Klägerin im Übrigen nicht dargetan. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist ein Steuerfestsetzungsverfahren.