Entscheidungsdatum: 28.05.2013
NV: Die Anforderung des Gerichtskostenvorschusses und die Zustellung der Klage erst nach Zahlung des Vorschusses verstoßen nicht gegen den Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes aus Art. 47 EuGrdCh .
I. Mit Beschlüssen vom 20. Februar 2013 hat der Bundesfinanzhof (BFH) die Erinnerungen vom 5. Dezember 2012 sowie die Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung vom 21. Dezember 2012 des Kostenschuldners, Erinnerungsführers und Rügeführers (Kostenschuldner) zurückgewiesen. Diese Beschlüsse sind der Prozessbevollmächtigten des Kostenschuldners (Prozessbevollmächtigte) am 23. Februar 2013 zugestellt worden.
Am 26. März 2013 hat der Kostenschuldner u.a. erneut beantragt, sämtliche Kostenfestsetzungen aufzuheben und bis zur Aufhebung der festgesetzten Gerichtskosten Aussetzung der Vollziehung (AdV) zu gewähren. Zudem beantragt er Vorlage der Rechtssache beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH).
Der Kostenschuldner ist der Ansicht, dass die Umsetzung der Entschädigungsklage im Finanzgerichtsprozess nicht europarechtskonform erfolgt sei, da das Eigentum nicht geschützt werde. Auch liege ein zusätzlicher Verstoß gegen die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (EUGrdRCh) vor, wenn der für die Entschädigung zuständige Senat des BFH Gerichtskosten festsetze und die Einleitung des Entschädigungsklageverfahrens von der Zahlung der Gerichtskosten abhängig mache.
Mit Schreiben vom 2. April 2013 wiederholte er seine Anträge.
II. 1. Die Verbindung der Verfahren beruht auf § 73 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).
2. Die Anträge des Kostenschuldners im Schreiben vom 26. März 2013, sämtliche Kostenfestsetzungen aufzuheben und bis zur Aufhebung der festgesetzten Gerichtskosten AdV zu gewähren, sind als Anhörungsrügen und Gegenvorstellungen auszulegen. Sie haben keinen Erfolg.
a) Für die Entscheidung über Einwendungen gegen eine Erinnerungsentscheidung des BFH in Entschädigungsklageverfahren (§ 198 des Gerichtsverfassungsgesetzes i.V.m. § 155 Satz 2 FGO) ist gemäß § 79a Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 FGO der Berichterstatter zuständig. Es handelt sich um Entscheidungen im vorbereitenden Verfahren (vgl. weiterführend: Beschluss vom 20. Februar 2013 X E 8/12, BFH/NV 2013, 763, unter II.1.).
b) Mit den Beschlüssen vom 20. Februar 2013 X E 8/12 bis X E 11/12 hat das Gericht entschieden, dass die Erinnerungen des Kostenschuldners gegen die angegriffenen Kostenrechnungen des BFH und die insoweit gestellten Anträge auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung zurückgewiesen werden. Gegen eine Erinnerungsentscheidung des BFH kommt als Rechtsbehelf gemäß § 69a des Gerichtskostengesetzes (GKG) die Anhörungsrüge in Betracht (vgl. nur BFH-Beschluss vom 24. November 2010 IX E 5/10, BFH/NV 2011, 443). Nach § 69a Abs. 1 GKG ist auf die Rüge das Verfahren fortzuführen, wenn (1.) ein Rechtsmittel oder anderer Rechtsbehelf gegen die Entscheidung nicht gegeben ist --was hier der Fall ist-- und (2.) das Gericht den Anspruch dieses Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
Eine Gehörsverletzung des Kostenschuldners liegt nicht vor. Der Berichterstatter hat das gesamte Vorbringen des Kostenschuldners in den Erinnerungsverfahren X E 8/12 bis X E 11/12 zur Kenntnis genommen.
c) Eine Gegenvorstellung hat ebenfalls keinen Erfolg. Als außerordentlicher Rechtsbehelf kommt eine Gegenvorstellung nur in Ausnahmefällen in Frage, insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder wenn die angegriffene Entscheidung unter keinem denkbaren Gesichtspunkt vertretbar erscheint oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (so Senatsentscheidung vom 17. November 2011 X E 1/11, BFH/NV 2012, 428, m.w.N.). Ein solch schwerwiegender Rechtsverstoß ist im Streitfall nicht erkennbar.
Soweit der Kostenschuldner die Umsetzung der Entschädigungsklage im Finanzgerichtsprozess als nicht europarechtskonform ansieht, weil ein Schutz des Eigentums nicht gewährleistet sei, ist für das Gericht nicht erkennbar, weshalb eine solche Verletzung vorliegen soll. Die Anordnung eines Gerichtskostenvorschusses und die Zustellung der Klage erst nach Zahlung dieses Vorschusses beruhen auf §§ 12a, 12 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Weder die Anforderung des Vorschusses noch die Zustellung der Klageschrift entsprechend diesen Vorschriften ist europarechtswidrig. Insbesondere verstößt eine nationale Regelung, nach der die gerichtliche Geltendmachung von der Zahlung eines Kostenvorschusses abhängig gemacht wird, nicht gegen den in Art. 47 EUGrdRCh verankerten Grundsatz des effektiven gerichtlichen Schutzes. Vielmehr sieht das nationale Recht in § 14 Nr. 1 GKG ausdrücklich vor, dass bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) die Regelung des § 12 GKG und damit die Vorschusszahlungspflicht entfällt. Dies entspricht der Regelung des Art. 47 Abs. 3 EUGrdRCh. Erst dann, wenn PKH ausgeschlossen ist und dennoch ein Gerichtskostenvorschuss gefordert wird, kann der in Art. 47 EUGrdRCh verankerte Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes verletzt sein (vgl. insoweit auch EuGH-Urteil vom 22. Dezember 2010 C-279/09, Slg. 2010, I-13849, Rz 59 für den Fall des Ausschlusses der Geltendmachung von PKH durch juristische Personen ohne Befreiung von der Zahlung des Gerichtskostenvorschusses). Dies ist hier nicht der Fall. Der Kostenschuldner ist gemäß § 114 Satz 1 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 142 Abs. 1 FGO berechtigt, PKH zu beantragen.
d) Ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union kommt aus den unter II.2.c genannten Gründen nicht in Frage.
e) Mangels Erfolgs der Anhörungsrüge wie auch der Gegenvorstellung ist, soweit überhaupt ein eigenständiger Antrag des Kostenschuldners auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung i.S. des § 66 Abs. 7 Satz 2 GKG vorliegt, nicht (erneut) über diesen zu entscheiden.
3. Die Entscheidungen des Gerichts ergehen gerichtskostenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).