Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 11.05.2010


BFH 11.05.2010 - X B 183/09

Umfang des Eintritts der Rechtskraft - Bezeichnung der Streitgegenstände


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
10. Senat
Entscheidungsdatum:
11.05.2010
Aktenzeichen:
X B 183/09
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG Nürnberg, 13. Mai 2009, Az: 5 K 1570/2007, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

NV: Die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil, das mehrere selbständige Streitgegenstände betrifft, kann auf bestimmte Steuerarten und/oder Streitjahre beschränkt werden. Eine bereits in der Beschwerdeschrift enthaltene Beschränkung auf bestimmte Streitgegenstände kann nur dann die teilweise Rechtskraft des FG-Urteils herbeiführen, wenn hiermit zugleich ein ausdrücklicher und eindeutiger Rechtsmittelverzicht bezüglich der übrigen Streitgegenstände verbunden ist .

Gründe

1

1. Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist zulässig.

2

a) Die rechtzeitige Einlegung eines Rechtsmittels hemmt grundsätzlich den Eintritt der Rechtskraft für das gesamte Urteil. Deshalb steht der Zulässigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) betreffend Einkommensteuer 1997 richtet, nicht entgegen, dass dieser Veranlagungszeitraum in der Beschwerdeschrift nicht als Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens genannt wurde. Zwar kann die Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision gegen ein finanzgerichtliches Urteil, das mehrere selbständige Streitgegenstände betrifft, auf bestimmte Steuerarten und/oder Streitjahre beschränkt werden; eine Erklärung muss jedoch erst in der Beschwerdebegründungsschrift vorgenommen werden. Deshalb kann eine bereits in der Beschwerdeschrift enthaltene Beschränkung auf bestimmte Streitgegenstände nur dann die teilweise Rechtskraft des finanzgerichtlichen Urteils herbeiführen, wenn hiermit zugleich ein ausdrücklicher und eindeutiger Rechtsmittelverzicht bezüglich der übrigen Streitgegenstände verbunden ist (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. April 1986 VIII R 87/85, BFH/NV 1986, 690; vom 20. Dezember 1988 VIII R 121/83, BFHE 156, 339, BStBl II 1989, 585, zur Revisionsschrift; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 56; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 705 Rz 11). Dies ist vorliegend nicht gegeben. Denn die bloße Nichtbenennung eines Streitjahrs in der Beschwerdeschrift stellt keine klare und unmissverständliche Erklärung dar, dass das Urteil der Vorinstanz insoweit hingenommen werde (Urteile des Bundesgerichtshofs vom 19. November 1957 VI ZR 249/56, Neue Juristische Wochenschrift 1958, 343; vom 30. März 1983 IVb ZR 19/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1983, 685).

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b) Die Beschwerde ist auch zulässig, soweit sie sich auf das Streitjahr 1998 bezieht. Zwar hat der Kläger im Rubrum der Beschwerdebegründungsschrift vom 15. Dezember 2009 als Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur die Einkommensteuer 1997 genannt. Aus seinem gesamten Vorbringen ergibt sich jedoch, dass er das FG-Urteil nicht nur im Hinblick auf die Einkommensteuerfestsetzung 1997, sondern insgesamt anfechten wollte.

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2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die vom Kläger gerügte Abweichung des angefochtenen Urteils von Entscheidungen des BFH liegt --bei Zweifeln an der Schlüssigkeit der geltend gemachten Rügen-- jedenfalls nicht vor. Auch die Zulassung der Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist nicht möglich.

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a) Gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision zuzulassen, wenn die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert.

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aa) Dies trifft insbesondere dann zu, wenn das FG mit einem das angegriffene Urteil tragenden und entscheidungserheblichen abstrakten Rechtssatz von einem eben solchen Rechtssatz einer anderen Gerichtsentscheidung abgewichen ist. Das angefochtene FG-Urteil und die (vorgeblichen) Divergenzentscheidungen müssen dabei dieselbe Rechtsfrage betreffen und zu gleichen oder vergleichbaren Sachverhalten ergangen sein (vgl. z.B. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 115 Rz 48 und 53, m.w.N. aus der Rechtsprechung des BFH). Keine Abweichung in diesem Sinne liegt vor, wenn das FG erkennbar von den in der Rechtsprechung des BFH entwickelten und auch den (mutmaßlichen) Divergenzentscheidungen zugrunde liegenden Rechtsgrundsätzen ausgeht, diese aber (möglicherweise) fehlerhaft auf die Besonderheiten des Streitfalls angewendet hat (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung des BFH bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55). Denn nicht schon die Unrichtigkeit des angefochtenen Urteils im Einzelfall, sondern nur die Abweichung im Grundsätzlichen rechtfertigt prinzipiell die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO. Bloße Subsumtionsfehler sind hingegen im Zulassungsverfahren grundsätzlich unbeachtlich (Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 55, m.w.N.).

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bb) Nach diesen Maßstäben kommt im vorliegenden Fall eine Zulassung der Revision wegen Divergenz nicht in Betracht. Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung vermag der beschließende Senat nicht zu erkennen, dass das FG mit dem angefochtenen Urteil von den BFH-Urteilen vom 26. Februar 2003 VI R 160/99 (BFHE 202, 101, BStBl II 2003, 515), vom 18. August 2005 VI R 39/04 (BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428) und vom 10. Juni 2008 VIII R 52/07 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 456) abgewichen sein soll. In Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ging das FG im Streitfall davon aus, dass die Abzugsbeschränkung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum erfasst, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient (BFH-Urteil in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428, m.w.N. aus der Rechtsprechung). Das FG ist der Rechtsprechung des BFH auch darin gefolgt, dass ein Arbeitszimmer regelmäßig dann in die häusliche Sphäre eingebunden ist, wenn es sich in einem Raum befindet, der zur privat genutzten Wohnung bzw. zum Wohnhaus des Steuerpflichtigen gehört (BFH-Urteile vom 23. September 1999 VI R 74/98, BFHE 189, 438, BStBl II 2000, 7; vom 16. Oktober 2002 XI R 89/00, BFHE 201, 27, BStBl II 2003, 185; vom 13. November 2002 VI R 164/00, BFHE 201, 86, BStBl II 2003, 350). Diese Voraussetzung liegt nach der Rechtsprechung nicht nur bei den eigentlichen Wohnräumen, sondern auch bei den Zubehörräumen der Wohnung (Abstell-, Keller- und Speicherräume etc.) vor. Nur wenn ein als Arbeitszimmer genutzter Raum nicht der privaten Wohnung bzw. dem Wohnhaus des Steuerpflichtigen zugerechnet werden kann, geht die Rechtsprechung nicht von einem häuslichen Arbeitszimmer aus. In den vom Kläger benannten angeblichen Divergenzentscheidungen hat der BFH zwar --fallbezogen-- das Vorliegen eines häuslichen Arbeitszimmers bei zusätzlich angemieteten, nicht mit der Privatwohnung im 2. Obergeschoss eines Mehrfamilienhauses verbundenen Kellerräumen (BFH-Urteil in BFHE 202, 101, BStBl II 2003, 515), bei Räumlichkeiten im Dachgeschoss eines dreistöckigen Wohnhauses (BFH-Urteil in BFHE 211, 447, BStBl II 2006, 428) sowie bei einem Appartement im 1. Obergeschoss verneint. Das FG kam im angefochtenen Urteil hingegen angesichts der Besonderheiten des Streitfalls (an die Wohnungstüre des Klägers anschließender Abgang zum Kellergeschoss; Hinterausgang im Souterrain; Kundenbetreuung unmittelbar in der Wohnung des Klägers) zu dem Ergebnis, die Büroräume seien als zur Wohnung gehörig anzusehen. Selbst wenn dem FG hierbei Subsumtionsfehler unterlaufen sein sollten, wäre hierin keine Divergenz zu höchstrichterlichen Urteilen, keine Abweichung im Grundsätzlichen, sondern allenfalls eine nicht zur Zulassung der Revision führende unzutreffende Rechtsanwendung zu sehen.

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cc) Die Zulassung der Revision wegen Divergenz des FG-Urteils vom BFH-Urteil vom 17. August 2005 IX R 10/05 (BFHE 211, 151, BStBl II 2006, 71) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es der Kläger versäumt hat, tragende und entscheidungserhebliche abstrakte Rechtssätze aus beiden Entscheidungen gegenüberzustellen und so die Abweichung zu verdeutlichen. Im Übrigen ist das BFH-Urteil auch zu keinem gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt ergangen.

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b) Die Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) verlangt substantiierte Ausführungen zur Klärungsbedürftigkeit einer hinreichend bestimmten Rechtsfrage, die im konkreten Streitfall voraussichtlich auch klärbar ist. Erforderlich ist des Weiteren ein konkreter Vortrag, aus welchen Gründen im Einzelnen die Klärung durch die angestrebte Revisionsentscheidung aus Gründen der Rechtssicherheit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen Interesse liegt (BFH-Beschluss vom 16. November 2009 I B 58/09, BFH/NV 2010, 905). Daran fehlt es im Streitfall. Die Beschwerdebegründung beschränkt sich auf die bloße Behauptung einer grundsätzlichen Bedeutung verschiedener Fragen. Ausführungen, weshalb die Frage "Unterscheidet sich der Charakter eines Zweifamilienhauses grundsätzlich von dem eines Mehrfamilienhauses in der Form, dass bei einem Zweifamilienhaus grundsätzlich anzunehmen ist, dass zusätzlich genutzte Räume in anderen Stockwerken aufgrund des engen räumlichen Zusammenhangs ähnlich wie bei einem Einfamilienhaus regelmäßig der privaten Sphäre des Steuerpflichtigen zuzurechnen sind?", eine grundsätzliche Bedeutung haben soll, fehlen völlig. Gleiches gilt für die weitere vom Kläger als klärungsbedürftig angesehene Frage, ob entscheidend sei, dass die Bewohner eines Zweifamilienhauses verwandtschaftlich verbunden seien.

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c) Soweit der Kläger mit dem Hinweis auf die beiden Revisionsverfahren X R 43/08 und X R 44/08 ebenfalls die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache geltend machen wollte, kommt eine Zulassung der Revision schon deshalb nicht in Betracht, weil der BFH die Frage, ob § 8 Abs. 3 EStG auch bei Nichtarbeitnehmern anwendbar ist, durch Urteile vom 21. April 2010 (www.bundesfinanzhof.de unter Entscheidungen online) zwischenzeitlich geklärt hat (vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 116 Rz 61; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz 73).