Entscheidungsdatum: 21.02.2014
NV: Es besteht kein Zweifel, dass im Jahre 2011 Beiträge an eine aufsichtsfreie Unterstützungseinrichtung im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 1 VAG nicht als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abziehbar waren.
I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) werden als Eheleute zusammen veranlagt. Der Kläger ist Mitglied der … (S), eines eingetragenen Vereins, der als aufsichtsfreie Unterstützungseinrichtung i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) seine Mitglieder im Krankheitsfall unterstützt.
Charakteristisches Merkmal der S und Teil ihres Selbstverständnisses ist das Fehlen von Rechtsansprüchen auf bestimmte Leistungen nach Art eines Katalogs. Vielmehr werden Zuwendungen unter Berücksichtigung der jeweiligen individuellen Bedürfnisse gewährt. Die Beiträge der Mitglieder fließen jeweils zur Hälfte auf ein Individualkonto und in einen Solidarfonds. Im Krankheitsfall werden Leistungen aus dem Individualkonto nach Maßgabe einer Zuwendungsordnung erbracht. Deckt das Individualkonto hohe Krankheitskosten nicht, so kann auf Antrag der Vorstand Zuwendungen aus dem Solidarfonds beschließen.
Es existiert eine Beitragsbescheinigung der S für das Streitjahr 2011, nach der der Kläger Gesamtbeiträge von 6.160,79 € geleistet habe. Davon seien 5.925,55 € nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), 235,24 € nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b EStG abziehbar. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) gewährte zunächst (lediglich) den Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 3a EStG, kam im Einspruchsverfahren jedoch zu der Auffassung, auch dies sei fehlerhaft, und berücksichtigte die Beiträge nach entsprechendem Verböserungshinweis dann überhaupt nicht mehr.
Mit ihrer Klage vertraten die Kläger die Ansicht, die S sei im EStG wie in den sozial- und verwaltungsrechtlichen Regelungen den privaten und gesetzlichen Krankenversicherungen gleichzustellen. Sie biete eine anderweitige vergleichbare Absicherung im Krankheits- und Unglücksfall gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 13 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) und § 193 Abs. 3 Nr. 2 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), denn sie bringe dauerhaft die gleichen Leistungen wie eine Krankenversicherung. Hierauf bestehe ein vollwertiger Anspruch, ein Terminus, der nicht i.S. des § 194 des Bürgerlichen Gesetzbuchs zu verstehen sei, hänge doch auch die Gewährung regulärer Sozialleistungen von der Ausübung eines Ermessens ab. Neben Versicherungen müsse jede andere seriöse vertragliche Regelung zur Abdeckung des Krankheitsrisikos akzeptiert werden mit der Folge, dass die Beiträge als Sonderausgaben abziehbar sind.
Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 1496 veröffentlichten Urteil vom 19. Juni 2013 hat das Finanzgericht (FG) die Klage abgewiesen. Die S sei keiner der in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG aufgezählten Versorgungsträger. Eine Gleichstellung der S sei mangels entsprechender Aufsicht und mangels vergleichbarer rechtlicher Absicherung nicht möglich.
Mit ihrer Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision machen die Kläger die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) geltend, und zwar in Bezug auf folgende Fragen: |
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Ist die Krankenversicherung in § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG identisch zu verstehen mit dem Begriff der Krankenversicherung, vor allem mit dem Begriff der anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall aus § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sowie dem Begriff der vergleichbaren Ansprüche aus § 193 Abs. 3 Nr. 2 VVG? |
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Sind die Beiträge der S abzugsfähig nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG und wird sie einer Krankenversicherung gleichgestellt? |
Sie berufen sich darauf, dass im SGB V und im VVG die S als anderweitige Absicherung im Krankheitsfall den Krankenversicherungen gleichgestellt sei, da sie faktisch dauerhaft die gleichen Leistungen erbringe wie diese.
Das FA hält die erste Frage für ein lediglich sozialversicherungsrechtliches Problem, das im Streitfall nicht geklärt werden könne. Zudem könnten die Beiträge schon deshalb nicht berücksichtigt werden, weil dem FA bis heute keine elektronische Übermittlung der Beitragszahlungen nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 Satz 3 EStG für 2011 vorliege.
II. Die Beschwerde ist zumindest unbegründet.
1. Einer Rechtssache kommt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, die Rechtsfrage klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist (Senatsbeschlüsse vom 19. Januar 2011 X B 43/10, BFH/NV 2011, 636; vom 23. Januar 2013 X B 84/12, BFH/NV 2013, 771). Eine Rechtsfrage ist jedoch nicht klärungsbedürftig, wenn sie sich ohne weiteres aus dem klaren Wortlaut und Sinngehalt des Gesetzes beantworten lässt oder offensichtlich so zu entscheiden ist, wie es das FG getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juni 2013 X B 232/12, BFH/NV 2013, 1416).
Die Zulassung der Revision kommt nach diesen Maßstäben nicht in Betracht.
a) Die Frage, ob eine Krankenversicherung i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG auch die in § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V und § 193 Abs. 3 Nr. 2 VVG erwähnte anderweitige Absicherung im Krankheitsfall umfasst, könnte im Streitfall nur dann geklärt werden, wenn entweder bereits feststünde oder festzustellen wäre, dass S die dort genannten Ansprüche gewährleistet. Die Kläger selbst tragen einerseits vor, S sei den Krankenversicherungen nach dem SGB V und dem VVG gleichgestellt, führen andererseits in Widerspruch hierzu aus, diese --vorgelagerte-- Frage sei noch immer nicht geklärt.
Die Vorfrage wie auch die aufgeworfene Hauptfrage könnten aber ihrerseits im Streitfall nur dann geklärt werden, wenn der Sonderausgabenabzug von ihrer Beantwortung abhinge. Das ist nicht der Fall. Der Abzug kommt, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, schon deshalb nicht in Betracht, weil es an den Voraussetzungen des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG fehlt.
Ob zugunsten der Kläger davon auszugehen ist, dass sie mit der von ihnen aufgeworfenen Grundsatzfrage nach der Gleichstellung der S mit den Krankenversicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG implizit auch die Frage nach der Gleichstellung der S mit den in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Versorgungsträgern aufgeworfen haben --nur so wäre die Beschwerde schlüssig--, lässt der Senat dahinstehen. Diese Frage ist mit dem FG eindeutig zu verneinen.
aa) Nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 EStG in der im Streitjahr 2011 geltenden Fassung war Voraussetzung des Abzugs, dass die Vorsorgeaufwendungen an gewisse Versicherungsunternehmen, die das Versicherungsgeschäft im Inland betreiben dürfen oder denen die Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland erteilt ist (Buchst. a), berufsständische Versorgungseinrichtungen (Buchst. b), Sozialversicherungsträger (Buchst. c) oder einen Anbieter i.S. des § 80 (Buchst. d) geleistet werden. Es ist unstreitig, dass S keiner der dort bezeichneten Versorgungsträger, insbesondere kein Versicherungsunternehmen mit Erlaubnis zum Geschäftsbetrieb im Inland nach Buchst. a war.
Die Regelung in § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG --die wörtlich lautet "Darüber hinaus werden Beiträge nur berücksichtigt, wenn es sich um Beträge im Sinne des Absatzes 1 Nummer 3 Satz 1 Buchstabe a an eine Einrichtung handelt, die eine anderweitige Absicherung im Krankheitsfall im Sinne des § 5 Absatz 1 Nummer 13 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch oder eine der Beihilfe oder freien Heilfürsorge vergleichbare Absicherung im Sinne des § 193 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 des Versicherungsvertragsgesetzes gewährt."-- ist erst durch Art. 2 Nr. 9 Buchst. b des Gesetzes zur Umsetzung der Amtshilferichtlinie sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 26. Juni 2013 (AmtshilfeRLUmsG) mit Wirkung vom Folgetage (Art. 31 Abs. 1 AmtshilfeRLUmsG) in Kraft getreten und für das Streitjahr noch nicht maßgebend. Die Frage, ob S eine anderweitige oder vergleichbare Absicherung im Sinne dieser Vorschrift gewährt, ist daher im Streitfall unerheblich.
bb) Anhaltspunkte, dass die in dieser Vorschrift in der Fassung des Streitjahres in Buchst. a enthaltene Beschränkung auf Versicherungsunternehmen und der damit einhergehende Ausschluss gerade derjenigen Vereinigungen, die nach § 1 Abs. 3 VAG nicht der Versicherungsaufsicht unterliegen, etwa verfassungswidrig wäre, sind nicht vorgetragen.
Sie sind --dies nur ergänzend-- auch nicht ersichtlich. Der Senat hegt keinen Zweifel, dass der Gesetzgeber befugt war, die steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen entsprechend zu beschränken. Vorsorgeaufwendungen sollen sicherstellen, dass der Versorgungsträger die wirtschaftlichen Folgen eines Schadenseintritts übernimmt. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber Vorsorgeaufwendungen nur berücksichtigt, soweit gewiss ist, dass der Versorgungsträger im Schadensfall auch tatsächlich eintritt. Es ist ebenso wenig zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber im Streitjahr diese Gewissheit noch --als typisierendes Kriterium für Zuverlässigkeit-- an die staatliche Aufsicht über den Versorgungsträger geknüpft hat.
b) Die zweite Frage, ob die S einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung gleichgestellt ist und die Beiträge daher nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG abziehbar sind, ist im Kern identisch mit der ersten Frage und kann aus denselben Gründen nicht geklärt werden.