Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 07.01.2014


BGH 07.01.2014 - X ARZ 578/13

Gerichtsstandsbestimmung bei Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
10. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
07.01.2014
Aktenzeichen:
X ARZ 578/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 7. November 2013, Az: 11 AR 59/13
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Die Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer beklagten Partei hindert die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht (Bestätigung von BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009, Xa ARZ 273/08).

Tenor

Der Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.

Gründe

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I. Die klagenden Eheleute nehmen die vormalige Beklagte zu 1, über deren Vermögen nach dem Beschluss des vorlegenden Oberlandesgerichts das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist (im Folgenden: Schuldnerin) als Verkäuferin und die Beklagte zu 2 als finanzierende Bank im Zusammenhang mit dem Erwerb einer in L.   belegenen Eigentumswohnung als Kapitalanlage auf Schadensersatz in Anspruch. Nach dem Klagevortrag haben sich die Kläger auf der Grundlage einer fehlerhaften Beratung durch Mitarbeiter der D.             GmbH (D. ), mit Sitz in D.   , zum Kauf entschlossen. Im Zuge der Beratungsgespräche sei das als Anlage K10 vorgelegte Exposé der Schuldnerin verwendet worden, das die Risiken der Kapitalanlage beschönige. Die Wohnung sei sittenwidrig überteuert gewesen. Die Beklagten müssten sich die Fehlberatung durch die Mitarbeiter der D. zurechnen lassen. Sie hätten zudem eigene Aufklärungspflichten verletzt.

2

Zum Zeitpunkt der Zustellung der Klageschrift hatte die Schuldnerin ihren Sitz im Bezirk des Landgerichts Frankfurt, die Beklagte zu 2 ist im Bezirk des Landgerichts Hannover ansässig. Die Kläger haben Klage gegen beide Beklagten beim Landgericht Frankfurt erhoben. Nachdem die Beklagte zu 2 die Zuständigkeit gerügt hatte, haben die Kläger beantragt, das Oberlandesgericht Frankfurt möge das Landgericht Frankfurt am Main als zuständiges Gericht bestimmen.

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Das Oberlandesgericht möchte diesen Antrag ablehnen, weil seiner Ansicht nach ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand nach § 29 ZPO beim Landgericht Dortmund begründet ist. Die Kläger stützten ihre Klage auf die Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten der Beklagten. Bei diesen handele es sich um Nebenpflichten zum Kaufvertrag über die erworbene Immobilie (Schuldnerin) bzw. zum Darlehensvertrag (Beklagte zu 2). Auch bei der Verletzung sekundärer Aufklärungs- und Beratungspflichten liege der Erfüllungsort dort, wo die vorgeblich unzureichende Beratung stattgefunden habe. Jedenfalls bei der isolierten Geltendmachung darauf gestützter Schadensersatzansprüche sei dort auch ein Gerichtsstand nach § 29 ZPO begründet. Danach sei hier ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand beim Landgericht Dortmund als dem für den Sitz der D. zuständigen Gericht gegeben.

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Das Oberlandesgericht sieht sich an der beabsichtigten Entscheidung durch Beschlüsse des Bundesgerichtshofs vom 18. November 2009 und vom 10. Februar 2010 (IV ZR 36/09, VersR 2010, 645) und des OLG München (VersR 2009, 1382) gehindert.

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II. Die Vorlage ist nach § 36 Abs. 3 Satz 1 ZPO zulässig.

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Die vom vorlegenden Gericht beabsichtigte Entscheidung setzt nach dem von ihm zu Grunde gelegten und im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen rechtlichen Ausgangspunkt voraus, dass der Gerichtsstand des Erfüllungsorts nach § 29 ZPO bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung von Aufklärungs- und Beratungspflichten als Nebenpflichten an dem Ort begründet ist, an dem diese Nebenpflichten zu erfüllen sind, also die Beratung stattgefunden hat. Damit würde das vorlegende Gericht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 18. November 2009 und vom 10. Februar 2010 - IV ZR 36/09, VersR 2010, 645) und des OLG München (VersR 2009, 1382) abweichen, wonach bei einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Nebenpflicht der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO am Erfüllungsort der Primärverpflichtung zu sehen ist (s. auch BGH, Urteil vom 30. September 1976 - II ZR 107/74, WM 1976, 1230).

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Einer Gerichtsstandsbestimmung steht nicht entgegen, dass gemäß § 240 Satz 1 ZPO durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Rechtsstreit gegen die Schuldnerin unterbrochen ist. Die Unterbrechung des Rechtsstreits durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der beklagten Partei hindert die Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht (BGH, Beschluss vom 21. Januar 2009 - X ARZ 273/08, juris, Rn. 12). Die Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO betrifft nicht die Hauptsache selbst, sondern nur die Zuständigkeit und hat daher nur vorbereitenden Charakter (BayObLGZ 1985, 314, 315 f.; vgl. auch zum Prozesskostenhilfeverfahren BGH, Beschluss vom 23. März 1966 - Ib ZR 103/64, NJW 1966, 1126).

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III. Über die Vorlagefrage ist jedoch nicht zu entscheiden. Für eine Gerichtsstandsbestimmung ist kein Raum, da ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO am Sitz der Schuldnerin begründet ist.

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1. Die Schuldnerin und die Beklagte zu 2 sind Streitgenossen im Sinne des § 60 ZPO. Die Norm beruht weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und ist deshalb grundsätzlich weit auszulegen. Dies gestattet es, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche Streitgenossenschaft anzunehmen, wenn diese Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt. Ein solcher Zusammenhang ist auch im Streitfall gegeben. Er ergibt sich daraus, dass die Kläger die Beklagten auf Ersatz derselben Schäden in Anspruch nehmen, die ihnen im Zusammenhang mit der als einheitlicher Lebenssachverhalt zu beurteilenden Kapitalanlage entstanden sind. Der sachliche Zusammenhang wird nicht dadurch aufgehoben, dass die Ansprüche gegen die Schuldnerin und die Beklagte zu 2 auf unterschiedliche Verträge gestützt sind, die ihrerseits nicht in unmittelbarem rechtlichen Zusammenhang stehen. Die erhobenen Ansprüche sind ihrem Wesen nach gleichartig, weil die Kläger ihre Klage darauf stützen, dass die Beklagten einen Beitrag zum Vertrieb der Kapitalanlage geleistet haben, obwohl sie hätten erkennen können und müssen, dass das Anlageobjekt überteuert sei und das Exposé, mit dem es beworben wurde, Fehler aufweise (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011 - X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18).

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2. Die Schuldnerin und die Beklagte zu 2 haben auch verschiedene allgemeine Gerichtsstände.

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3. Es besteht jedoch ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand.

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a) Dieser ergibt sich allerdings nicht aus § 29 ZPO.

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Es ist schon nicht ersichtlich, welche Gründe es rechtfertigen sollten, von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen, wonach bei einem Schadensersatzanspruch wegen Verletzung einer Nebenpflicht der Erfüllungsort im Sinne von § 29 ZPO am Erfüllungsort der Hauptpflicht zu sehen ist (BGH, Urteil vom 30. September 1976 - II ZR 107/74, WM 1976, 1230, Beschlüsse vom 18. November 2009 und vom 10. Februar 2010 - IV ZR 36/09, VersR 2010, 645). Das vorlegende Oberlandesgericht kann sich für seinen Standpunkt auch nicht auf die von ihm angeführten Entscheidungen der Oberlandesgerichte Schleswig und Zweibrücken berufen. Das Oberlandesgericht Schleswig (OLGR 2005, 630) ist davon ausgegangen, dass der dortige Kläger die Verletzung von (Haupt-)Pflichten aus einem eigenständigen Beratungsvertrag geltend machte, der neben dem Kaufvertrag mit einer der Beklagten zustande gekommen sei. Das Oberlandesgericht Zweibrücken (NJW-RR 2012, 831) hat die dort in Rede stehende Beratungspflicht ausdrücklich als primäre Leistungspflicht angesehen.

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Der Sachverhalt bietet ferner keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die D. als Erfüllungsgehilfin der Beklagten zu 2 und der Schuldnerin an-zusehen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist das Verhalten des Anlagenvermittlers dem finanzierenden Institut nach § 278 BGB grundsätzlich nur insoweit zuzurechnen, als dieses den Bereich der Anbahnung des Kreditgeschäfts betrifft, während Angaben zu dem zu finanzierenden Geschäft außerhalb des Pflichtenkreises der Bank liegen (BGH, Urteil vom 29. April 2003 - XI ZR 201/02, ZIP 2003, 1692). Im Verhältnis zur Schuldnerin setzte eine solche Zurechnung das Zustandekommen eines Beratungsvertrags voraus, was nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 18. Juli 2008 - V ZR 71/07, NJW 2008, 3059; BGH, Urteil vom 31. Oktober 2003 - BGHZ 156, 371, 374) nur unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht kommt, ferner ein Auftreten der Mitarbeiter der D. für die Schuldnerin.

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b) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand besteht jedoch nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 oder 2 ZPO.

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Nach dieser Bestimmung ist für Klagen, mit denen ein Schadensersatzanspruch wegen einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation oder deren Verwendung erhoben wird, ausschließlich das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten oder des betroffenen Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen zuständig, wenn sich dieser Sitz im Inland befindet und die Klage zumindest auch gegen den Emittenten oder Anbieter gerichtet ist.

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Die Kläger stützen die geltend gemachten Schadensersatzansprüche u.a. darauf, dass die Mitarbeiter der D. im Rahmen der Beratung ein Exposé der Schuldnerin über die zehn Wohnungen umfassende Eigentumswohnungsanlage in L.   vorgelegt hätten, welches unzutreffende Angaben enthalte. Dieses Exposé sei auch der Beklagten zu 2 bekannt gewesen. Da das Exposé nach Inhalt und Aufmachung für eine Vielzahl potentieller Kapitalanleger bestimmt ist, handelt es sich um eine öffentliche Kapitalmarktinformation im Sinne von § 1 Abs. 2 KapMuG.

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Für die Klage, die sich auch gegen die Schuldnerin als Anbieterin der beworbenen Vermögensanlage richtet, ist mithin nach § 32b Abs. 1 ZPO das Gericht an deren Sitz ausschließlich zuständig. Die Schuldnerin hatte jedenfalls zum Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit ihren Sitz in Frankfurt am Main.

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4. Da nach allem gemäß § 32b Abs. 1 ZPO ein gemeinsamer Gerichtsstand in Frankfurt am Main besteht und es deshalb einer Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts nicht bedarf, ist der Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung kostenpflichtig (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 1987 - I ARZ 703/86, MDR 1987, 735) durch den nach § 36 Abs. 3 Satz 2 ZPO zur Entscheidung berufenen Bundesgerichtshof zurückzuweisen.

Meier-Beck                        Gröning                                Schuster

                      Deichfuß                        Kober-Dehm