Entscheidungsdatum: 19.02.2013
Die Verweisung des Rechtsstreits durch das örtlich unzuständige Gericht ist auch dann bindend, wenn der Beklagte erklärt hat, in der mündlichen Verhandlung die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts nicht rügen zu wollen, jedoch auf die Zuständigkeitsrüge nicht verzichtet hat.
Zuständiges Gericht ist das Landgericht Traunstein.
I. Die Klägerin hat die Beklagten neben zwei weiteren Parteien vor dem Landgericht Dortmund wegen einer aus ihrer Sicht fehlgeschlagenen Beteiligung an einer Fondsgesellschaft als Gesamtschuldner auf Schadenersatz in Anspruch genommen.
Mit Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens hat das Landgericht Dortmund auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit für die gegen die Beklagten geltend gemachten Ansprüche hingewiesen. Die Klägerin hat daraufhin beantragt, das Verfahren gegen die Beklagten abzutrennen und den Rechtsstreit insoweit an das Landgericht Traunstein zu verweisen. Die Beklagten haben erklärt, eine etwa erhobene Zuständigkeitsrüge nicht aufrechtzuerhalten. Das Landgericht Dortmund hat das Verfahren gegen die Beklagten vom Ausgangsrechtsstreit abgetrennt, sich für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Traunstein verwiesen. Das Landgericht Traunstein hat die Übernahme des Verfahrens abgelehnt.
Das Oberlandesgericht Hamm hat die Sache gemäß § 36 Abs. 3 ZPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung der Zuständigkeit vorgelegt.
II. Die Vorlage ist zulässig. Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein Oberlandesgericht, das nach § 36 Abs. 2 ZPO anstelle des Bundesgerichtshofs mit der Zuständigkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem Bundesgerichtshof vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts oder des Bundesgerichtshofs abweichen will. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Das vorlegende Oberlandesgericht möchte seiner Entscheidung die Auffassung zugrunde legen, dass der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Dortmund bindend und damit das Landgericht Traunstein als zuständiges Gericht zu bestimmen ist. Damit würde es von der Rechtsauffassung abweichen, die das Oberlandesgericht Stuttgart einer Entscheidung (NJW-RR 2010, 792) zugrunde gelegt hat. Es hat die Verweisung durch ein örtlich unzuständiges Gericht wegen der Ankündigung des Beklagten, die fehlende örtliche Zuständigkeit nicht rügen zu wollen, als objektiv willkürlich und mithin nicht bindend angesehen.
III. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Das Landgericht Dortmund und das Landgericht Traunstein haben sich im Sinne dieser Vorschrift bindend für unzuständig erklärt; das Landgericht Dortmund durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss (§ 281 Abs. 2 Satz 2 ZPO), das Landgericht Traunstein durch eine seine Zuständigkeit abschließend verneinende Entscheidung vom 10. Juli 2012. Eine solche Zuständigkeitsleugnung genügt den Anforderungen, die an das Tatbestandsmerkmal "rechtskräftig" des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu stellen sind (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 22. Februar 1978 - IV ARZ 10/78, BGHZ 71, 15, 17; Beschluss vom 10. Dezember 1987 - I ARZ 809/87, BGHZ 102, 338, 339).
IV. Zuständig zur Entscheidung über das Klagebegehren ist das Landgericht Traunstein, da der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Dortmund gemäß § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO bindend ist.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entfällt die Bindungswirkung der Verweisung nicht schon dann, wenn der Beschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Ein Verweisungsbeschluss ist vielmehr nur dann nicht bindend, wenn dem Beschluss jede rechtliche Grundlage fehlt, wenn er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498; Beschluss vom 10. September 2002 - X ARZ 217/02, NJW 2002, 3634) oder wenn er sonst bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken nicht mehr verständlich und offensichtlich unhaltbar erscheint (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2002 - X ARZ 110/02, NJW-RR 2002, 1498).
2. Bei Anlegung dieser Maßstäbe entfällt die bindende Wirkung des Verweisungsbeschlusses nicht deshalb, weil das Landgericht Dortmund den Rechtsstreit vor der mündlichen Verhandlung an das Landgericht Traunstein verwiesen hat, obwohl die Beklagten schriftsätzlich erklärt haben, eine etwa erhobene Rüge der örtlichen Unzuständigkeit nicht aufrecht erhalten zu wollen und eine solche Rüge in den vorausgehenden Schriftsätzen auch nicht erhoben hatten.
a) Es kann dahinstehen, ob diese Verfahrensweise des Gerichts rechtsfehlerhaft oder lediglich im Hinblick auf das offensichtliche Interesse der Parteien, zwei Rechtsstreitigkeiten vor unterschiedlichen Gerichten zu vermeiden, unzweckmäßig war. Denn auch auf Verfahrensfehler beruhende und damit rechtsfehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend, wenn wie im Streitfall den Parteien vor der Verweisung rechtliches Gehör gewährt worden ist. Die Erklärung der Beklagten, eine Zuständigkeitsrüge nicht aufrechterhalten zu wollen, hat das Landgericht Dortmund auch zur Kenntnis genommen und sich hiermit auseinandergesetzt.
b) Entgegen der Ansicht des OLG Stuttgart wird bei einer solchen Prozesslage durch die Verweisung nicht willkürlich in eine mögliche zukünftige Rechtsposition des Beklagten eingegriffen, der angekündigt hat, die fehlende örtliche Zuständigkeit in der mündlichen Verhandlung nicht rügen zu wollen mit der Folge, dass damit die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges begründet würde (§ 39 Satz 1 ZPO). Abgesehen davon, dass der Beklagte an eine derartige Ankündigung nicht gebunden ist, so dass es ihm frei steht, die fehlende örtliche Zuständigkeit ungeachtet seiner Ankündigung vor der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache zu rügen, geht § 39 Satz 1 ZPO auf die Erwägung zurück, dass es nicht hinnehmbar wäre, wenn sich der Beklagte in Kenntnis der Unzuständigkeit auf eine Verhandlung vor dem an sich unzuständigen Gericht einlassen und in einem späteren Stadium des Prozesses noch die Rüge der Unzuständigkeit erheben könnte (BGH, Urteil vom 26. Januar 1979 - V ZR 75/76, NJW 1979, 1104 unter Bezugnahme auf die amtliche Begründung des Gesetzentwurfes des Bundesrats zur Änderung der ZPO vom 27. Februar 1973, BT-Drucks. 7/268 zu Art. 1 Nr. 3). Begibt sich der Kläger jedoch der Möglichkeit, die weitere Prozessführung vor dem zunächst angerufenen Gericht dadurch zu erreichen, dass der Beklagte ohne Zuständigkeitsrüge zur Sache verhandelt, indem er - wie im vorliegenden Fall - bereits vor der mündlichen Verhandlung die Verweisung an das zuständige Gericht beantragt, kann die darauf erfolgende Verweisung nicht als objektiv willkürlich angesehen werden.
c) Einen - rechtlich grundsätzlich möglichen - Verzicht der Beklagten auf die Zuständigkeitsrüge musste das Landgericht Dortmund deren Erklärungen nicht entnehmen.
Meier-Beck Mühlens Bacher
Schuster Deichfuß